• Veröffentlichungsdatum : 14.06.2023
  • – Letztes Update : 15.06.2023

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25 Jahre Soldatinnen beim Bundesheer

Selina Lukas

Frauen sind mittlerweile in fast allen Bereichen des Militärs angekommen. Sie fliegen Hubschrauber, springen aus Flugzeugen, fahren Panzer und kommandieren Einheiten, Verbände und Dienststellen. Mit dem neuen Ausbildungsdienst für Mannschafts- und Chargenfunktionen für Frauen sollen noch mehr Soldatinnen rekrutiert werden.

Am 1. April 1998 rückten die ersten elf Frauen beim Bundesheer ein. Seitdem ist ein Vierteljahrhundert vergangen und der Frauenanteil steigt. Dennoch ist dieser im Vergleich zu anderen europäischen Ländern relativ niedrig. Aktuell gibt es 645 Soldatinnen bei der Truppe, der Frauenanteil liegt damit bei 4,3 Prozent. Vor zehn Jahren waren es 350 Soldatinnen, was einem Anteil von 2,3 Prozent entsprach. Die meisten der 645 Soldatinnen – nämlich 302 – sind als Unteroffiziere tätig. Im Frühjahr 2023 musterten insgesamt 348 Unteroffiziere aus, davon 22 Frauen. Der derzeit höchste Rang ist der Dienstgrad Brigadier, den aktuell zwei Frauen bekleiden.

Das Bundesheer stand in den vergangenen Jahren vermehrt vor der Herausforderung, entsprechendes Personal – egal ob weiblich oder männlich – zu gewinnen und zu halten. Gerade bei Soldatinnen ist die Drop-out-Rate hoch. Vor allem bei Familiengründungen erfolgt häufig ein Ausstieg. Laut Verteidigungsministerin Klaudia Tanner sei es das Ziel, den Frauenanteil im Bundesheer weiter zu steigern. Ein Schwergewicht liege dabei auf der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, so Tanner. Bisher kam das Bundesheer Soldatinnen mit Verbesserungen bei der Ausbildung, durchgängigen Laufbahnplanungen und gezielter Förderung bei der Besetzung von Führungs- und Managementfunktionen entgegen. Diese Maßnahmen sind in einem Frauenförderungsplan festgeschrieben – dennoch gibt es Luft nach oben. 
 

Ausbildungsdienst für Mannschafts- und Chargenfunktionen

Der Soldatenberuf bietet interessante Karrierechancen, unabhängig vom Geschlecht. Bisher unterschieden sich jedoch die Zugangsvoraussetzungen für Männer und Frauen. Der neue Ausbildungsdienst für Mannschafts- und Chargenfunktionen für Frauen, der am 1. April 2023 startete, soll dem ein Ende bereiten. 

Frauen wird damit – wie Grundwehrdienern – ein vereinfachter Einstieg in militärische Funktionen eröffnet. Der neue Ausbildungsdienst dauert grundsätzlich sechs Monate (Aufnahme in ein zunächst befristetes Dienstverhältnis; Anm.) und umfasst Teile der Basisausbildung gemeinsam mit männlichen Grundwehrdienern. Bisher konnten Soldatinnen nach einer Kadereignungsprüfung nur unmittelbar Zugang zur Offiziers- und Unteroffizierslaufbahn erlangen. 

Das Projekt startete mit 1. April 2023, nicht nur anlässlich des 25-jährigen Jubiläums „Frauen beim Bundesheer“, sondern auch in Hinblick auf den Girls Day, der 2023 am 27. April stattfand. Dort wurden erstmals alle interessierten Frauen aktiv auf den freiwilligen „Grundwehrdienst“ angesprochen. Im Vorfeld wurden insgesamt 142 000 Briefe (Einladung zur Teilnahme am Girls Day) an Frauen der Geburtsjahrgänge 2003 bis 2006 gesandt. Der erste Stellungstermin war vom 3. bis 4. Mai 2023. Die ersten freiwilligen weiblichen Grundwehrdiener werden ab dem dritten Quartal erwartet. 

Orientierungsphase „Grundwehrdienst“

In der Orientierungsphase können Frauen den Soldatenberuf und die unterschiedlichen Laufbahnvarianten beim Bundesheer kennenlernen. Die Inhalte sind ident mit dem Grundwehrdienst für Männer. Für Tanner ist dies ein großer Fortschritt, denn auch 40 Prozent der Männer würden sich erst während des Grundwehrdienstes für eine Karriere beim Bundesheer entscheiden. 
 

Unterschied zum freiwilligen Ausbildungsdienst 

Bereits seit 2011 können Frauen freiwillig einen Ausbildungsdienst in der Dauer von mindestens zwölf Monaten bis zu vier Jahren leisten. Der Unterschied zum neuen Ausbildungsdienst ist: Bisher konnte eine Soldatin nur direkt in eine Kaderlaufbahn (Offizier, Unteroffizier) inklusive einer Eignungsprüfung im Heerespersonalamt in Wels einsteigen. Jetzt wird eine Orientierungsphase, inhaltlich gleich dem Grundwehrdienst, vorgelagert. Innerhalb dieses Jahres kann man den Soldatenberuf kennenlernen und sich für alle Varianten der Laufbahnen entscheiden bzw. monatlich kündigen. 

Bisher mussten Frauen Fitnesstests bzw. Auswahltestungen absolvieren und wurden erst nach Erbringung der Leistungen aufgenommen. Nun reicht ein gesunder Körper und Geist, gleichgestellt mit den männlichen Grundwehrdienern, die zur Stellung kommen. Jetzt können sie ihre Leistungsfähigkeit innerhalb der ersten sechs Monate aufbauen bzw. sich danach entscheiden, ob sie beim Bundesheer bleiben wollen. Damit haben sie mental und körperlich mehr Zeit, sich vorzubereiten, und können sich gleichzeitig ein realistisches Bild vom Bundesheer machen.

Der Unterschied zum Ausbildungsdienst für Mannschafts- und Chargenfunktionen von Frauen besteht darin, dass der Dienst zur Vorbereitung für eine Folgeverwendung in einer Kaderpräsenzeinheit bzw. als Zugang zur Offiziers- bzw. Unteroffizierslaufbahn dient. Eine Verlängerung über zwölf Monate der Erstverpflichtung ist nur für die Offiziers- und Unteroffiziersgrundausbildung vorgesehen.

Konkret bedeutet das, dass interessierte Frauen eine Eignungsprüfung bei einer der sechs österreichweiten Stellungsstraßen absolvieren. Danach durchlaufen sie die Basisausbildung ohne weitere Einstiegsüberprüfung. Nach der sechsmonatigen Basisausbildung haben Frauen wie Männer die Möglichkeit, eine Milizlaufbahn einzuschlagen, bzw. die Option, das 6+3-Modell zu nützen. Der Kern des Modells „6+3“ ist ein freiwilliger Inlandseinsatz im Anschluss an die Basisausbildung ohne Notwendigkeit einer Freiwilligen-Meldung zu Milizübungen.

Ziel

Das Bundesheer möchte den Soldatenberuf für Frauen attraktiver gestalten. Durch die Öffnung der Mannschafts- und Chargenfunktionen werden ein niederschwelliger Zugang gewährleistet und eine bessere Orientierungsphase beim Einstieg in den Beruf Soldatin ermöglicht. Da der Rechtsrahmen des Ausbildungsdienstes genützt wird, sind keine Gesetzesänderungen notwendig. Damit gelang es nach mehr als 20 Jahren, alle Funktionen – auch die Mannschafts- und Chargenfunktionen – für Frauen zu öffnen. 

Derzeit gibt es noch keine Prognosen, wie viele Frauen diesen Weg gehen und wie viele nach der sechsmonatigen Basisausbildung bleiben werden. Es gibt bereits erste Interessentinnen und keine Obergrenze, wie viele Soldatinnen aufgenommen werden können. Das Ziel – 15 Prozent Soldatinnen – mag noch weit entfernt sein, dennoch wurde hiermit ein weiterer Schritt in diese Richtung gesetzt.
 

Zusätzliche Informationen 

Ab dem 17. Lebensjahr kann man sich freiwillig für eine Eignungsprüfung für Mannschafts- und Chargenfunktionen melden. Mit der Öffnung für Frauen gibt es einige Änderungen im Verfahren.

Stellung

Bevor Frauen die Basisausbildung beginnen können, müssen sie sich – genauso wie die Männer – einer Stellungsuntersuchung unterziehen. Derzeit werden die Rahmenbedingungen für die „gemischte Stellung“ in einer der österreichweiten sechs Stellungsstraßen angepasst, um einen reibungslosen Ablauf für alle zu garantieren. Die medizinischen Bewertungshilfen für Ärzte bei der Stellungsuntersuchung sind bereits fertiggestellt. Medizinische Untersuchungen im Bereich der Gynäkologie sind Teil der Stellungsüberprüfung. Die notwendigen Befunde sollen jedoch von einer Gynäkologin des Vertrauens eingeholt werden können. Die Bediensteten der Stellungsstraßen erhalten entsprechende Einweisungen.

Einen konkreten Termin erhält man nach Abgabe der Freiwilligen-Meldung. (Nähere Informationen dazu gibt es unter soldatin.bundesheer.at; Anm.) Dabei erfährt man von einem Wehrdienstberater oder bei der Stellungsstraße alle wichtigen Informationen, wie das Datum und den Ort der Eignungsprüfung. Beigelegt ist ein Zeitplan für die zweitägige Untersuchung, ein Fahrtberechtigungsschein für die An- und Abreise und ein medizinischer Fragebogen, den man bereits ausgefüllt mitbringen sollte. Für die Dauer der Eignungsuntersuchung für Mannschafts- und Chargenfunktionen werden Unterkunft und Verpflegung vom Bundesheer kostenlos zur Verfügung gestellt. 

Stellungsbewertungen

Männer und Frauen werden im Stellungsverfahren gleichbehandelt. Es gelten die gleichen Voraussetzungen. Nur wo objektive Unterschiede von Sportmedizinern empfohlen sind bzw. bei Befunden von Frauenärzten oder Urologen gibt es Abweichungen. Die Stellungsbewertungen differenzieren zwischen Mannschafts- und Kadereignung. Der Zugang zu Chargen-, Unteroffiziers- und Offiziersfunktionen soll für Männer und Frauen wie bisher gelten.

Bezahlung

Die Bezahlung der Soldatinnen bleibt gleich. Sie wurde für den Ausbildungsdienst letztmalig mit Jahreswechsel 2022/2023 angehoben (Seit 1. Jänner 2023: € 1 251,08/Monat; Anm.). Während der ersten Zeit im Ausbildungsdienst verdienen alle Teilnehmerinnen, unabhängig ob eine Laufbahn zum Unteroffizier oder zum Offizier angestrebt wird, gleich viel. Der monatliche Einstiegsbezug ist lohnsteuerfrei. Zusätzliche Vorteile während des Ausbildungsdienstes sind kostenlose Verpflegung und Unterkunft, Freifahrt mit den ÖBB sowie Familienunterhalt.

Sowohl angehende Berufsoffiziere als auch -unteroffiziere erhalten ab dem 13. Monat ihrer Ausbildung (bei Berufsoffizieren ab dem Studium an der Theresianischen Militärakademie; Anm.) monatlich ca. € 2 650,- brutto, inklusive Überstundenpauschale, zuzüglich Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Außerdem gibt es einige Social Benefits, wie die Nutzung von Gästezimmern oder Naturalwohnungen.

Als Soldatin in einer Kaderpräsenzeinheit wird man nach der Ausbildungsphase vom Ausbildungsdienst in ein befristetes Dienstverhältnis übernommen. Ab diesem Tag beginnt die Verpflichtung zur Auslandseinsatzbereitschaft, wodurch der Verdienst in dieser Chargenfunktion etwa € 2 100,- brutto, zuzüglich Überstunden, beträgt. 

Unterkunft

Um Frauen den Männern gleichzustellen, werden mehrere Soldatinnen einer Einheit zu einem Einrückungstermin zugewiesen. Zwei Frauen werden als Mindestmaß angepeilt. Die Frauen erhalten jene Unterkünfte, die den aktuellen Raumbedarfsrichtlinien entsprechen – sprich modernisierte Unterkünfte mit eigenen bzw. vorhandenen Sanitäranlagen. Derzeit werden alle Kasernen nach diesem Standard sukzessive umgebaut bzw. wird dafür ein eigenes Budget bereitgestellt, um die Umsetzung zu beschleunigen.

Familie und Beruf

Ein Schwergewicht ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Eine militärische Auftragserfüllung sollte nicht im Widerspruch zur Familie stehen. Einige Einheiten entwickelten sich in den vergangenen Jahren gezielt zum familienfreundlichen Arbeitgeber, darunter das Jägerbataillon 18 in St. Michael in der Obersteiermark, das Heereslogistikzentrum Graz, die Fliegerwerft 2 in Zeltweg oder das Führungsunterstützungsbataillon 2 in St. Johann im Pongau.
 

Fazit 

Der freiwillige „Grundwehrdienst für Frauen“ soll das Bundesheer attraktiver machen und Chancengleichheit bieten. Jede Frau soll das Recht haben, ihr Land mit der Waffe zu verteidigen und dieselben Zugangschancen für den Soldatenberuf erhalten. Mehr Informationen dazu gibt es unter soldatin.bundesheer.at.

Selina Lukas, Bakk. phil., MA; Redakteurin beim TRUPPENDIENST.


 

Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST.

Zur Ausgabe 2/2023 (391). 

 


 

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