• Veröffentlichungsdatum : 30.04.2024
  • – Letztes Update : 13.05.2024

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  • 1439 Wörter

Sprachkompetenzplattform

Thomas Fronek

Im Jahr 2010 wurde die Zentraleuropäische Verteidigungskooperation, die Central European Defence Cooperation gegründet. Sechs mitteleuropäische Staaten sind heute Mitglieder dieser grenzüberschreitenden und nachbarschaftlichen Zusammenarbeit. Zusätzlich gibt es die CEDC+, die alle Westbalkanstaaten beinhaltet.

Ziele und Entwicklungen 

Das Hauptziel der Zentraleuropäischen Verteidigungskooperation ist die Stärkung der regionalen Sicherheit innerhalb der EU und der NATO-Partnerschaft für den Frieden durch die Förderung spezifischer regionaler Interessen der teilnehmenden Länder. Weitere Ziele sind die Verbesserung der Interoperabilität der Armeen der Partnerstaaten von kosteneffizienten Fähigkeiten durch ausgewählte Projekte. Die Förderung der gemeinsamen Ressourcennutzung geht Hand in Hand mit einer gezielten Kostenreduktion. Die wichtigsten Bereiche der Zusammenarbeit liegen einerseits in der Harmonisierung der Positionen in verteidigungspolitischen Angelegenheiten und andererseits in Operationen innerhalb der UNO, OSZE, EU und NATO sowie in der Ausbildung, in Übungen und in der Entwicklung von Fähigkeiten.

Die Präsidentschaft wird jährlich jeweils durch eines der Mitgliedsländer übernommen. 2022 hatte Österreich den Chair CEDC, der 2023 an Tschechien übergeben wurde und im Jahr 2024 schließlich durch Ungarn sichergestellt wird.

Strategische Kultur- und Sicherheitsstrategien

Im Jahr 2019 wurde unter österreichischem Vorsitz und auf Initiative der Landesverteidigungsakademie und des Sprachinstitutes des Bundesheeres die Gründung einer Sprachenkooperation als Beitrag zur Stärkung der gemeinsamen strategischen Kultur in Zentraleuropa und in der Europäischen Union innerhalb der CEDC beschlossen. Bereits im März 2019 fand ein Treffen der Leiter der militärischen Sprachinstitutionen der CEDC-Partnerländer an der Landesverteidigungsakademie in Wien statt. Hierbei einigten sich die Vertreter auf die Errichtung der CEDC-Sprachenkompetenzplattform (CEDC Language Platform – CEDC-LP). Ihre Grundzüge und Prinzipien wurden in einem Concept Paper festgehalten. Demnach wird die Sprachenkompetenzplattform eine nachhaltige und staatenübergreifende Standardisierung im Bereich der Sprachlehre, des Prüfungswesens und der Terminologiearbeit in den CEDC-Ländern ermöglichen und erleichtern. Durch die Zusammenarbeit sollen Ressourcen effizienter verwendet und hohe Qualitätsstandards im Bereich des Sprachenwesens garantiert werden.

Umfassende Sprachdienstleistungen

Nicht alle militärischen Spracheninstitutionen in den CEDC-Ländern decken alle Sprachdienstleitungen ab. Beispielsweise besitzen Tschechien sowie die Slowakei keinen integrierten Translationsdienst (Sprachmittlungsdienst) und Ungarn keine Terminologieabteilung. Deshalb stellt die CEDC-Sprachenkompetenzplattform eine Zusammenarbeit in allen wesentlichen Sprachenbereichen in hoher Qualität sicher. Diese Sprachenthemenbereiche sind

  •     die Sprachausbildung,
  •     das Sprachprüfungswesen,
  •     das Translationswesen und 
  •     die Terminologiearbeit.

Ein gemeinsames Ziel über diese vier Säulen hinweg ist die Digitalisierung des Sprachwesens, die sich vor allem in der COVID-19-Pandemie als nützlich erwiesen und in gewissen Situationen unverzichtbare Kommunikationsmöglichkeiten geboten hat.

Österreichische Präsidentschaft 

Durch die Einschränkungen während der COVID-19-Pandemie 2020 bis 2021 kam es in der Zusammenarbeit auf der CEDC-LP beinahe zu einem Stillstand. Einige Kooperationsbereiche wie die Sprachausbildung konnten nur eingeschränkt fortgeführt werden. Die meisten der 2019 in Wien geplanten Maßnahmen im Bereich des Sprachwesens mussten jedoch aufgeschoben werden. Diese konnten 2022 während der österreichischen Präsidentschaft wieder aktiv aufgenommen werden. 

Der Leiter des Sprachinstitutes des Bundesheeres, Oberst des Generalstabdienstes Thomas Fronek, lud in der Zeit von 7. bis 9. Juni 2022 zu einem jährlichen Treffen der für die Tätigkeit der CEDC-LP Verantwortlichen (Steering Committee Meeting) an die Landesverteidigungsakademie ein. Dies war das erste persönliche Treffen in diesem Format seit der Gründung der CEDC-LP, die 2019 ebenfalls in Wien stattgefunden hatte. Vertreter aus Kroatien, Slowenien, Tschechien und Ungarn kamen nach Wien. Die Vertreter der Slowakei nahmen über eine Videotelekonferenz (VTC) teil.

Entsprechend den Interessen und Möglichkeiten der teilnehmenden Staaten wurden die Verantwortlichkeiten für die Sprachenthemenbereiche innerhalb der Plattform neu bewertet und verteilt. Den Themenbereich „Sprachprüfungswesen“ haben Tschechien und die Slowakei übernommen. Den beiden Staaten geht es vorrangig um die Standardisierung bei Prüfungen und die Kalibrierung von Prüfern. Das bedeutet, dass Sprachprüfungen in verschiedenen Staaten vereinheitlicht und damit gleiche Ergebnisse erreicht werden können. Dadurch wird die grenzüberschreitende Mobilität von Prüfungspersonal sowie Prüfungsteilnehmern gefördert bzw. ermöglicht. Das ist insbesondere bei jenen Sprachen wichtig, die nicht in allen Staaten im „Prüfungsrepertoire“ sind oder bei denen es Kapazitätsprobleme beim Personal gibt.

Für den umfassenden Bereich der „Sprachausbildung“ haben sich insbesondere Slowenien, Tschechien und Ungarn interessiert. Hier geht es vor allem um die Zusammenarbeit im Bereich der Didaktik und Methodik sowie um den Austausch von Lernenden und Lehrenden. Auch hier kann der koordinierte gemeinsame Einsatz von Lehrern zur Bedeckung von Engpässen bei fehlenden Kompetenzen (z. B. bei außereuropäischen Sprachen) oder bei der Fachsprache beitragen.

Die Fachgebiete „Terminologiearbeit“ und „Translationswesen“ werden von Österreich, Kroatien und Slowenien federführend bearbeitet. Die Arbeit der Terminologen der CEDC-Partnerländer hat mehrere Publikationen hervorgebracht, die über die Webseite der CEDC (https://cedc.info) abrufbar sind oder am Sprachinstitut des Bundesheeres angefragt werden können. Diese sollen vor allem ein Hilfsmittel für die Soldaten der CEDC-Länder im Einsatz sein. Eine Auswahl:

  • CEDC-Migrationsglossar;
  • Glossar Grenzüberschreitende Katastrophenhilfe;
  • CEDC-Sprachführer für die humanitäre Hilfeleistung an die Ukraine.

An der „Digitalisierungsoffensive“, die die vier genannten Bereiche gleichermaßen betrifft, arbeiten alle sechs teilnehmenden Länder gemeinsam. Durch dieses staatenübergreifende gemeinsame Vorhaben sind zukünftig sowohl Ausbildungsmaßnahmen als auch Prüfungen online möglich. Darüber hinaus können Übersetzungen und gemeinsame Terminologieprojekte über das Internet innerhalb der CEDC bearbeitet werden.

Neuerungen und Beschlüsse

Bei einem Treffen an der Landesverteidigungsakademie wurde das Konzeptpapier aus dem Jahr 2019 überarbeitet und als „Framework of the CEDC Language Platform“ neu beschlossen. Weitere wichtige Neuerungen sind die Einigung auf ein Logo der CEDC-LP und die Einrichtung eines eigenen Bereiches für die Plattform auf der Homepage der CEDC. Hier können aktuelle Informationen über die Sprachplattform sowie die bisher erstellten Publikationen heruntergeladen werden.

In Anbetracht der aktuellen sicherheitspolitischen Entwicklung, genauer genommen des Krieges zwischen Russland und der Ukraine, wurde im Juni 2022 beschlossen, einen mehrsprachigen Sprachführer für die humanitäre Hilfeleistung an die Ukraine (CEDC Language Guide for Humanitarian Assistance to Ukraine) zu erarbeiten. Ziel dieser Publikation ist es, den Angehörigen der Streitkräfte, aber auch anderen Personen in den CEDC-Staaten, ein sprachliches Hilfsmittel für den Erstkontakt mit Geflüchteten aus der Ukraine bereitzustellen. Diese gemeinsame CEDC-Publikation stellte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner beim formalen Ministertreffen, das auch als Abschlussveranstaltung der CEDC im Jahr 2023 diente, in Krems im Dezember 2022 mit den anderen Ministern vor.

Sprachinstitut des Bundesheeres

Das Jahr des tschechischen Vorsitzes 2023 in der CEDC und der CEDC-LP wurde in der zweiten Februarhälfte mit dem Treffen des Steering Committees in Komorní Hrádek eröffnet. Vertreter aus Kroatien, Ungarn und Österreich trafen dort mit den tschechischen Gastgebern zusammen, um die aktuellen Entwicklungen in den Partnerländern zu besprechen und die Aktivitäten für die Jahre 2023 und 2024 zu planen.

Für das Jahr 2023 wurden vier Arbeitsgruppentreffen (Workshops) festgelegt. Im Vorsitzland Tschechien tagte ein Workshop zum Thema Methodik/Ausbildung (in Olmütz/Olomouc) und ein anderer zum Thema Sprachprüfungswesen (in Brünn/Brno). Österreich hat ebenso zwei Workshops angeboten. Im ersten Halbjahr fand ein Kurs für die Arbeitsgruppe Terminologie und im Herbst desselben Jahres einer für die Arbeitsgruppe Übersetzer- und Dolmetscherwesen statt. Diese Workshops wurden arbeitsintensiv und mit einem hohen Mehrwert für alle Länder der Sprachenkompetenzplattform mit dem Ziel durchgeführt, die gewonnenen Erkenntnisse in der ungarischen Präsidentschaft im Jahre 2024 umzusetzen.

Ein wesentlicher österreichischer Beitrag war der vom 6. bis 10. November 2023 durchgeführte erste CEDC „Terminologie- und Translations-Workshop“ an der Landesverteidigungsakademie in Wien. Im Workshop wurde die Überarbeitung der bisher publizierten Glossare bzw. Sprachführer beschlossen. Diese sollen 2024 als digitale Applikation für verschiedene Endgeräte (Mobiltelefon, PC, Tablet etc.) bzw. als gedruckte Publikationen neu aufgelegt werden. Darüber hinaus wurde die Basis für die Entwicklung einer gemeinsamen CEDC-Terminologie-Datenbank festgelegt. Im Fokus stand auch das Thema der Verwendung von künstlicher Intelligenz im Sprachwesen. Es wurde der Einsatz von digitalen KI-Tools wie ChatGPT, Google Translate oder Deep L im Militär diskutiert sowie deren Vor- und Nachteile und mögliche Sicherheitsbedenken festgehalten.

Digitalisierung und KI

Seit 1. Jänner 2024 hat Ungarn den Vorsitz in der CEDC und somit die Sprachenkompetenzplattform inne. Die Hauptaufgaben der Präsidentschaft umfassen die Aktualisierung und Digitalisierung der aktuellen CEDC-Publikationen. Sie arbeitet ebenso an der Entwicklung einer gemeinsamen Terminologie und Prüfungsitems-Datenbank. Die sprachliche Unterstützung der Großübung „Schutzschild 2024“ und gegebenenfalls der „Airpower 2024“ ist ebenfalls Teil der Obliegenheiten. Außerdem soll im Rahmen der CEDC-Staaten eine gemeinsame Studie zur Anwendung von KI-Tools im Sprachwesen erarbeitet werden. Diese Aufgaben werden in der bereits festgelegten Jahreskonferenz der CEDC-Sprachkompetenzplattform in Budapest im Februar 2024 konkretisiert und in die Umsetzung gebracht. 

Die Landesverteidigungsakademie und das Sprachinstitut des Bundesheeres werden 2024 als wesentliche Beitragsleister zur Zentraleuropäischen Verteidigungskooperation zwei Workshops (Terminologie und Translation) veranstalten. Gemeinsam mit den ungarischen Kollegen sollen vor allem die Balkanstaaten im CEDC+ Format mit Polen (Beobachterstatus) in allen Veranstaltungsformaten mehr eingebunden werden. Damit soll insbesondere der Fokus weiter auf die verstärkte grenzüberschreitende Kooperation von einsatzrelevanten Themen wie Migration, Krieg in der Ukraine und Terrorismus gelegt werden.

Fazit

Die CEDC-Sprachkompetenzplattform hat sich in den vergangenen Jahren als wesentlicher und unentbehrlicher Bestandteil der Zentraleuropäischen Verteidigungskooperation etabliert und bewährt. Diese Plattform ist ein gelebtes Beispiel für eine militärische, regionale und grenzüberschreitende Sprachenkooperation, die letztendlich zu mehr Sicherheit durch angewandte Mehrsprachigkeit für Österreich und seine Partner führt. 

Oberst dG MMag. Thomas Fronek; Leiter Sprachinstitut des Bundesheeres


Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST 1/2024 (396).

Zur Ausgabe 1/2024 (396)


 

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