• Veröffentlichungsdatum : 29.11.2021
  • – Letztes Update : 01.12.2021

  • 8 Min -
  • 1689 Wörter
  • - 7 Bilder

Neues aus der militärischen Sprachenwelt

Wolfgang Zecha

So vielfältig wie sich die zahlreichen Auslandseinsätze und -verwendungen des Österreichischen Bundesheeres darstellen, so umfangreich gestaltet sich ebenfalls die sprachliche und interkulturelle Vorbereitung sowohl des militärischen als auch zivilen Personals, das für einen Einsatz im Ausland oder im militärdiplomatischen Dienst vorgesehen ist.

Englisch nimmt als internationale Arbeitssprache eine vorherrschende Stellung ein. Es gibt jedoch Einsatzräume, in denen der Auftrag ohne die Sprache der Bevölkerung oder der Region nur bedingt oder gar nicht erfüllbar ist. Neben Englisch sind für das Bundesheer vor allem Französisch, Arabisch, die Sprachen des Balkanraumes sowie Volkssprachen des afrikanischen Kontinentes wichtig. Ein anderer wesentlicher Aspekt der sprachlichen Vorbereitung ist die Tatsache, dass diese immer mit dem kulturellen Verständnis und den interkulturellen Gegebenheiten des Einsatzraumes vermittelt wird. Dieses kulturreflexive Lernen ist ein unabdingbarer Teil der sprachlichen Vorbereitung auf die Verwendung im Ausland.

Das Sprachinstitut des Bundesheeres an der Landesverteidigungsakademie deckt seit Jahren die sprachliche und interkulturelle Vorbereitung auf Einsätze und Auslandsverwendungen ab. Hierbei wird die Vermittlung von drei unterschiedlichen Kategorien an Sprachkompetenzen unterschieden:

  • die allgemeinsprachliche kommunikative Kompetenz, das „Survival Package“, um in vielfältigen Situationen kommunizieren zu können;
  • die fachspezifische militärische Sprachkompetenz, die vor allem für Spezialfunktionen („Boots on the Ground“) wie für Soldaten des Jagdkommandos, Kampfmittelbeseitiger, Sanitätspersonal etc. von besonderer Bedeutung für die Auftragserfüllung ist;
  • die militärdiplomatische und stabsfunktionale Sprachkompetenz, die für das Personal, das in internationalen Stäben (im Einsatzraum oder außerhalb), in internationalen Organisationen oder im militärdiplomatischen Umfeld (z. B. Verteidigungsattachés) seine Tätigkeit in einer Fremdsprache (Arbeitssprache) ausüben muss, unumgänglich ist.

Einsatzvorbereitung Libanon

Seit 2011 beteiligt sich das Bundesheer an der United Nations Interim Force-Mission (UNIFIL) der Vereinigten Nationen im Libanon. Die Einsatzvorbereitung der Kontingente wird vom Sprachinstitut des Bundesheeres durch eine Englischausbildung unterstützt. In der neunwöchigen Einsatzvorbereitung, die zweimal jährlich stattfindet, sind bis zu fünf Tage für die Sprachausbildung vorgesehen. Grundsätzlich sind 24 bis 38 Unterrichtseinheiten unmittelbar vor Verlegung des Kontingentes anberaumt.

Ziel der Englischausbildung ist es, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit der fachspezifischen Militärterminologie vertraut zu machen. Da der Einsatz in einem internationalen Rahmen stattfindet, wird auf die allgemeinsprachliche Komponente nicht vergessen. Deshalb werden den Soldaten jene sprachlichen Kenntnisse vermittelt, die sie benötigen, um Gesprächen und Diskussionen im internationalen Umfeld folgen zu können. Aus diesem Grund sind die Unterrichtskapitel in der UNIFIL-Vorbereitung auf General Military English, National Service, Military Units, Barracks and Daily Routine, Services, Arms and Branches, Drill, Weapon Handling, Life in Camp, Radio Communication and Vehicle Terminology fokussiert. Hinzu kommen noch spezifische Themen wie Peace Support Operations, Checkpoint, Mine Awareness sowie der Einsatz und die Aufgaben des Kontingentes.

Eine besondere Herausforderung war für das Sprachinstitut die entsprechende Einsatzvorbereitung des UNIFIL-Kontingentes im Mai 2021. Wegen der COVID-19-Pandemie und der Schutzmaßnahmen wurde dieses vor der Verlegung in einer häuslichen Quarantäne abgesondert. Der übliche Präsenzunterricht fand somit nicht statt und wurde vollständig online abgehalten. Zurückgegriffen werden konnte auf die seit 2017 durch das Projekt „Digitalisierte Sprachausbildung“ gemachten Erfahrungen. Die Landesverteidigungsakademie und das Sprachinstitut haben, mit diesem bereits in den Regelbetrieb integrierten Projekt, eine Basis für eine nachhaltige Lehre und die „Digitalisierung des Sprachwesens“ geschaffen.

 

Als Grundlage für den digital durchzuführenden Sprachfernunterricht wird das Lernmanagementsystem SITOS Six genutzt. Auf der Lernplattform des Bundesheeres hat das Sprachinstitut alle Englisch-Lehrunterlagen und Übungen, die in der Präsenzphase üblicherweise verwendet werden, in eine digitale Form transformiert und damit orts- und zeitunabhängig zugänglich gemacht. Das Schwergewicht liegt bei Online-Übungen, insbesondere auf dem spezifischen Erlernen der militärischen Fachterminologie. Jedes Kapitel hat zudem eine eigene Zielüberprüfung in Form von verschiedenen Testaufgaben. Nach Beendigung der Sprachausbildungskapitel sowie dem Abschluss der Zielüberprüfungen musste der Abschlusstest „Military English for UNIFIL“ absolviert werden. Ein positives Ergebnis wurde mit mindestens 70 Prozent richtig beantworteter Fragen erreicht und mit einem Zertifikat bestätigt. Dieses wurde an die Auslandseinsatzbasis übermittelt.

Um die Soldaten während des Selbststudiums besser betreuen und unterstützen sowie auf etwaige Fragen eingehen zu können, wurde ein Language-Forum eingerichtet, das vor allem das kollaborative Lernen ermöglichte und vom Ausbildungsverantwortlichen der UNIFIL-Sprachausbildung, Hauptmann Oliver Damms, betreut wurde. Außerdem stehen die Inhalte und die Sprach-Lernprogramme allen Bediensteten des Bundesheeres auf SITOS Six zur Verfügung. Diese Form der digitalen Sprachausbildung kann zwar den Präsenzunterricht nicht vollwertig ersetzen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass der Online-Betrieb trotz zeitlicher und örtlicher Einschränkungen durch die Kontingentsplanung bei der Einsatzvorbereitung ein äquivalentes Instrument ist, um eine flexible einsatzvorbereitende Sprachausbildung sicherzustellen.

Einsatzvorbereitung Mali

Eine der wichtigsten Beitragsleistungen des Bundesheeres zum internationalen Krisenmanagement und zum Kapazitätenaufbau ist die Teilnahme an der Ausbildungsmission der EU in Mali. Seit 2013 unterstützt das Bundesheer den Wiederaufbau und die Reorganisation des lokalen Sicherheitssektors. Die Hauptaufgabe der Mission besteht in der Beratung, Unterstützung und Ausbildung der malischen Streitkräfte mit dem Ziel, die territoriale Einheit und Kontrolle des Staates unter Einhaltung der Menschenrechte wiederherzustellen.

Die Einsatzvorbereitung für Mali beinhaltet eine Sprachausbildung in Französisch, bietet einen Grundwortschatz in der Landessprache Bambara und deckt eine einsatzraumspezifische interkulturelle Einweisung ab. Die erste Art dieser Sprachausbildung wurde 2008 als Vorbereitung auf den Einsatz im Tschad initiiert. Ähnlich wie für den Tschad-Einsatz erstellt das Sprachinstitut auch für Mali eine eigene Sprachfibel, die neben Deutsch und Französisch die wichtigsten Phrasen der malischen Landessprache enthält. Bambara gehört zur Sprachfamilie der Mande-Sprachen und wird vor allem in Mali, Burkina Faso und in der  Republik Côte d‘Ivoire (Elfenbeinküste) gesprochen.

Im Gegensatz zur Englischausbildung sind die Vorkenntnisse in Französisch bei den meisten Teilnehmern wenig bis gar nicht vorhanden. Um bedarfsorientiert auf diese Heterogenität reagieren zu können, hat das Sprachinstitut ein dreistufiges Ausbildungskonzept entworfen, das im Bedarfsfall schnell nach den Vorgaben des formierungsverantwortlichen Kommandos sowie den Sprachkompetenzen der Soldaten ausgerichtet werden kann. Dieses Konzept umfasst je nach Bedarf drei Module: eine zehntägige Ausbildung mit insgesamt 80 Unterrichtseinheiten sowie eine drei- und eine eintägige Kurzausbildung.

In der Einsatzvorbereitung für Mali 2021 wurde beispielsweise eine dreitägige Ausbildung mit insgesamt 24 Unterrichtseinheiten durchgeführt. Diese hatte zum Ziel, die Teilnehmer auf den Einsatz in einem insbesondere frankofonen Umfeld vorzubereiten. Im Vordergrund der Französischausbildung standen daher nachstehende Inhalte: Basisgrammatik und Grundwortschatz, Aussprache, räumliche und zeitliche Orientierung, Höflichkeitsfloskeln, Beschreibung von Krankheitssymptomen bzw. Schmerzen, Dienstgrade, Waffengattungen und Ausrüstung. Die Teilnehmer, die bereits über gute Vorkenntnisse in Französisch verfügten und z. B. als Ausbildner eingesetzt wurden, erhielten außerdem eine Einweisung im Bereich der Fachterminologie „Waffen- und Schießdienst“, um die Teile des AK-47, der Standardwaffe der malischen Armee, benennen sowie die dazugehörigen Ladegriffe vermitteln zu können.

Bei dem Modul, das zehn Tage dauert, kommen zu den bereits erwähnten Ausbildungsinhalten noch eine vertiefende Vermittlung der französischen Grammatik sowie umfassendere militärische Einsatzthemen wie Haus- bzw. Autodurchsuchung, Schießausbildung (Ladegriffe, Zielansprache etc.) sowie die Planung von militärischen Ausbildungen und Übungsschießen oder Orientierungsläufe hinzu. Ein weiterer wichtiger Ausbildungsinhalt ist die Landes- und Kulturkunde, die durch Vorträge zu den aktuellen sicherheitspolitischen Aspekten des Sahel-Einsatzraumes abgedeckt wird. In diesem Bereich arbeitet das Sprachinstitut eng mit dem Institut für Friedens- und Konfliktforschung an der Landesverteidigungsakademie zusammen.

Darüber hinaus kooperiert es mit in Österreich lebenden Mali-Experten, die den landeskulturellen Inhalt des Einsatzraumes und die wichtigsten Begrüßungsfloskeln in der Landessprache erläutern. In Bezug auf die Durchführung der präsenten Unterrichte stand man vor dem gleichen Problem wie bei der Einsatzvorbereitung von UNIFIL.

Die Herausforderung war, dass der Zeitraum der Sprachausbildung genau in jenen der Quarantäne vor der Verlegung fiel und ein Präsenzunterricht aus diesem Grunde nicht möglich war. Im Gegensatz zur Sprachausbildung UNIFIL wurde bei der EUTM-Mali-Ausbildung eine hybride Form der digitalen Lehre gewählt, die mit Masse im „Virtuellen Klassenzimmer“ über das bundesheereigene Videokonferenzsystem VKS 13 stattfand.

Das Lehrerteam unterrichtete dabei aus dem digitalen Hörsaal des Sprachinstitutes an der Landesverteidigungsakademie. Die Auszubildenden befanden sich während des Unterrichtes in Quarantäne in einem Hörsaal der Auslandseinsatzbasis in Götzendorf. Zwar musste man Abstriche beim Aussprachetraining in Kauf nehmen, dennoch konnte die Sprachausbildung auch unter diesen herausfordernden Rahmenbedingungen erfolgreich durchgeführt werden.
 

Militärdiplomatie

Der große Unterschied zur sprachlichen und interkulturellen Einsatzvorbereitung für Missionen und Operationen liegt sowohl in der Dauer des Einsatzes (zumeist wird eine mehrjährige Verwendung der Militärdiplomaten eingeplant) als auch in der Sprachausbildung, da diese ein Bestandteil des militärdiplomatischen Vorbereitungslehrganges ist, der sich über fast neun Monate erstreckt. Weil das Beherrschen der englischen Sprache sowohl für Verteidigungsattachés als auch für Attachéunteroffiziere vorausgesetzt wird, findet eine Sprachausbildung nur mehr in der Sprache des Ziellandes statt. Das Sprachinstitut ist nicht in der Lage, alle Sprachen durch das eigene Personal zu unterrichten; deshalb werden etwa Chinesisch und Hebräisch durch externes Lehrpersonal vermittelt.

Der Fokus liegt weniger auf der militärischen Fachsprache, da sich das militärdiplomatische Umfeld wesentlich von jenem in einer Mission oder Operation unterscheidet. Das Schwergewicht beruht vielmehr auf der „Sicherheitsrelevanten Fachsprache“, die auf den Bereich Sicherheits- und Verteidigungspolitik ausgerichtet ist. Neben der orthografischen und terminologischen Schulung muss berücksichtigt werden, dass sich das Personal einer Militärvertretung im Normalfall vier Jahre lang in einem fremden Land aufhält. Deshalb benötigen sie eine Sensibilisierung für den Umgang mit Menschen, die sprachlich, kulturell und militärisch anders sozialisiert wurden.

Die Teilnehmer lernen daher im militärdiplomatischen Vorbereitungslehrgang neue Ansätze der Gesprächsforschung und reflexionsorientierte Vorgangsweisen in Bezug auf die interkulturelle Kommunikation kennen. Damit wird ihnen die Möglichkeit geboten, die fremde Kultur vor dem Hintergrund der eigenen wahrzunehmen und Sachverhalten mit den Augen anderer zu sehen. In diesem Zusammenhang wird ebenfalls das vermittelte Bild von homogenen, geschlossenen Kulturgruppen hinterfragt und diskutiert. Durch Sichtbarmachung kultureller Deutungsmuster wird den Lernenden ein Repertoire an kulturellen Bezügen in die Hand gegeben, das diese für ihren individuellen Verstehens- und Sinnbildungsprozess nutzen und mit ihren eigenen kulturellen Wissensbeständen in Verbindung bringen können.

Darüber hinaus tragen Case Studies und Simulationsübungen, die bereits im Bereich der Deutschausbildung bei der sprachlichen Vorbereitung von internationalen Offiziersanwärtern angewandt wurden, zu einem konstruktiven Umgang mit Unbestimmtheits- und Unsicherheitssituationen bei. Mit dieser Konzeption des kulturreflexiven Lernens werden interkulturelle Handlungskompetenzen entwickelt, die den Entsandten einen Leitfaden bei sprachlichen Herausforderungen im interkulturellen und intersprachlichen Arbeitsfeld Militär, insbesondere in kritischen Interaktionssituationen, auf den Weg mitgeben.

Fazit

Die sprachliche und interkulturelle Vorbereitung auf Einsätze und Auslandsverwendungen wird gemäß dem Credo des Sprachinstitutes „Mehr Sicherheit durch Mehrsprachigkeit“ auch in Zukunft als wesentlicher Eckpfeiler der Einsatzbereitschaft und Auftragserfüllung des Bundesheers im Ausland fortgesetzt und durch das Globale Online-Sprachenservice noch nachhaltiger gestaltet. Mehrsprachigkeit und multikulturelle Kompetenz sind ein wesentliches Instrument des Truppenschutzes und der Diplomatie. Beide tragen auf allen Ebenen zum besseren Verständnis, zur effektiveren Kommunikation und letztendlich zu mehr Sicherheit für alle Beteiligten bei.

Oberst dhmfD Mag. Dr. PhDr. Wolfgang Zecha, MSc; Sprachinstitut des Bundesheeres.

 

Ihre Meinung

Meinungen (0)