• Veröffentlichungsdatum : 30.10.2023

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Kriegsgräberfürsorge in Niederösterreich

Simone Weninger

In zahlreichen niederösterreichischen Gemeinden befinden sich heute Kriegsgräberanlagen aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Ihre Pflege und Instandhaltung hat eine mehr als hundertjährige Geschichte.

Bereits 1915 etablierte sich im k.u.k. Kriegsministerium eine Abteilung für Kriegsgräber. 1916 entstand die "Aktion zum Schutz und zur Pflege der Kriegsgräber" für das gesamte damalige Staatsgebiet der Monarchie. Nach ihrem Zerfall regelte der Vertrag von Saint-Germain-en-Laye die Fürsorge. Parallel dazu gründete sich 1919 das "Österreichische Schwarze Kreuz" (ÖSK) als bundesländerübergreifender Verein. Ab 1938 übernahm der "Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V." den Tätigkeitsbereich des Schwarzen Kreuzes. Ebenfalls wurde die Pflicht zur Instandhaltung mittels Verordnungen im Reichsgesetzblatt geregelt. Neben dem traditionellen Gedenken der Kriegstoten zu Allerseelen, zelebrierte man im Dritten Reich den "Heldengedenktag" am 16. März. Nach dem Zweiten Weltkrieg formierte sich das "Schwarze Kreuz" neu und betreut seitdem mit den jeweiligen Landesgeschäftsstellen gewisse Bereiche der Friedhofspflege. Auch die staatliche Kriegsgräberfürsorge musste neu erarbeitet werden. Vor 1945 war es gebräuchlich, Soldatengräber öfters in Obhut der Angehörigen zu belassen. Diese Praxis nahm in der Zweiten Republik stetig ab.

Relevant für die Evaluierung der Kriegsgräberanlagen war gewiss die Definition der Kriegstoten per se. Diese wurde in der Ersten Republik bereits gesetzlich festgelegt: "Kriegstote sind jene ehemalige Angehörige der bestandenen Monarchie, welche im gemeinsamen Heere, der Marine, in den beiden Landwehren, im österreichischen und ungarischen Landsturme, oder als landsturmpflichtige Zivilarbeiter, dann ehemalige Verbündete, Kriegsgefangene und fremde Zivilinternierte (nicht Flüchtlinge), die seit Mobilisierung 1914 innerhalb des jetzigen Gebietes der Republik Österreich gefallen, oder auf Urlaub, in heimatlichen Spitälern usw. gestorben sind. Hierzu zählen auch Kriegsgeschädigte."

Nach dem Zweiten Weltkrieg musste die Fürsorge neu aufgestellt werden, sowohl behördlich wie auch legistisch. Generell ist die Kriegsgräberfürsorge Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung, respektive des Innenministeriums (Abteilung Historische Angelegenheiten) in Koordination mit den Landesregierungen und Gemeinden. Grundlage für die in Österreich stattfindende Kriegsgräberfürsorge sind die Bundesgesetzblätter Nr. 175 und 176/1948 sowie der Österreichische Staatsvertrag von Wien 1955. Die Gesetze aus 1948 setzten gleichsam jene Rechtsvorschriften des Deutschen Reiches außer Kraft.

Bundesgesetz vom 7. Juli 1948 über die Fürsorge für Kriegsgräber aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg:

§ 1. Die im Gebiete der Republik Österreich befindlichen Kriegsgräber werden dauernd erhalten. Die Sorge für die würdige und geziemende Erhaltung dieser Gräber obliegt in Ergänzung einer Pflege von anderer Seite dem Bund.

§ 2. (1) Der Eigentümer eines Grundstückes, in dem solche Gräber liegen, ist verpflichtet, die Gräber dauernd zu belassen, sie zugänglich zu erhalten und alle Vorkehrungen zu dulden, die der Instandhaltung der Gräber dienen.

§ 6. Kriegsgräber im Sinne dieses Bundesgesetzes sind:

  1. die Gräber aller nach dem 28. Juli 1914 im Bundesgebiet beerdigten Personen, die im Zeitpunkt ihres Todes entweder Angehörige der bewaffneten Macht der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie, eines ihr im Weltkrieg verbündeten oder eines feindlichen Staates waren oder zum Gefolge eines dieser Streitkräfte gehörten;
  2. die Gräber aller nach dem 1. September 1939 im Bundesgebiet beerdigten Personen, die im Zeitpunkt ihres Todes entweder Angehörige der Streitkräfte der am Krieg beteiligten Staaten waren oder zu deren Gefolge gehörten;
  3. die Gräber jener Personen, welche als Kriegsgefangene oder als Zivilinternierte oder als sonstige Kriegsteilnehmer oder Opfer dieser Kriege nach den angeführten Zeitpunkten im Bundesgebiete bestattet wurden.

Bundesgesetz vom 7. Juli 1948 über die Fürsorge und den Schutz der Kriegsgräber und Kriegsdenkmäler aus dem Zweiten Weltkrieg für Angehörige der Alliierten, Vereinten Nationen und für Opfer des Kampfes um ein freies, demokratisches Österreich und Opfer politischer Verfolgung:

§ 1. (1) Die Gräber der Angehörigen der alliierten Armeen, der im Kampfe um die Befreiung Österreich gefallenen Angehörigen der Vereinten Nationen sowie aller anderen im Kampfe um ein freies, demokratisches Österreich gefallenen Opfer, die sich im Gebiete der Republik Österreich befinden, werden dauernd erhalten. Die Sorge für die Erhaltung dieser Gräber obliegt in Ergänzung einer Pflege von anderer Seite dem Bund.

 § 5. Öffentliche Denkmäler zu Ehren der im § 1 bezeichneten Personen oder zu Ehren der von den Streitkräften einer alliierten Macht im Kampfe um die Befreiung Österreichs vollführten Heldentaten sowie die von den alliierten Mächten errichteten und als solche bezeichneten Gedächtnisstätten sind (…) Denkmäler im Sinne des Denkmalschutzgesetzes BGBl. Nr. 533/1923.

Die Beschädigung und Entwürdigung der Gräber kann eine schwere Bestrafung mit mehrjähriger Inhaftierung nach sich ziehen. Hier ist jedoch erwähnenswert, dass sich die Sanktionsnorm (§ 6) allein auf die Kriegsgräber im Sinne des § 1 des BGBl. Nr. 176 bezieht. Eine entsprechende Sanktionsnorm für die Entweihung von Gräbern Angehöriger der Wehrmacht findet sich im Gesetz nicht.

Die Identifizierung der in Österreich gefallenen oder verstorbenen Wehrmachtsangehörigen hatte auf Anordnung des Innenministeriums anhand der Erkennungsmarken (soweit vorhanden) zu erfolgen. Man verlangte die exakte Erfassung der Nummer des Truppenkörpers etc. mit Eintragung in entsprechende Verzeichnisse sowie die Angabe des Fund- und Beerdigungsortes.

Die Instandhaltung der sowjetischen Friedhöfe ist auch nochmals im Art. 19 des Staatsvertrages festgelegt. Die Beerdigung von Angehörigen der Roten Armee geschah zu Kriegsende überwiegend in Feldgräbern. Erst im August 1945 erfolgten die systematische Planung der Umbettungen und Errichtung von Heldenfriedhöfen durch den Generalstab der sowjetischen Kommandantur.

Dafür erließ die sowjetische Abteilung der Alliierten Kommission für Österreich eine Anordnung, die gleichsam mit dem Innenministerium am 26. August 1946 akkordiert wurde. Bereits bestehende und neu zu errichtende Gräber/Grabanlagen der Roten Armee sollten in die Obhut (Betreuung) der österreichischen Ortsbehörden gegeben werden. Bei einer größeren Zahl von Gräbern sei ein Denkmal zu errichten. Die Arbeits- und Materialkosten sollten die russischen Behörden bezahlen, die aber auch schon zu Beginn von der österreichischen Verwaltung mitgetragen wurden. Bereitzustellen waren Material und Arbeiter jedoch von den Ortsbehörden. Elf Jahre später wurde das "Abkommen über sowjetische Gräber" ratifiziert.

Die Wiener Zeitung berichtete am 11. Juni 1957 wie folgt darüber: "Aufgrund der zwischen Vertretern der Botschaft der UdSSR und des Bundesministeriums für Inneres über die Verlegung sowjetischer Kriegsgräber wurde am 10. d. im Innenministerium Bundesminister Oskar Helmer und dem Geschäftsträger der Botschaft der UdSSR M. A. W. Tuschunow ein Übereinkommen unterzeichnet. Nach den getroffenen Vereinbarungen werden die im Burgenland und Niederösterreich außerhalb von Friedhöfen gelegenen sowjetischen Kriegsgräber auf die in Ortsfriedhöfen bestehenden sowjetischen Kriegsgräberanlagen bzw. auf Ortsfriedhöfe verlegt (…)". Sowjetrussische Kriegstote durften nicht mit anderen Kriegstoten zusammengelegt werden. Offiziere sollten nach Möglichkeit Einzelgräber erhalten. 1957 kam Innenminister Helmer mit der Botschaft der UdSSR überein, dass einige sowjetische Kriegstote in Niederösterreich auf die zugehörigen Anlagen umgebettet werden sollten. Militärische Ehren seitens der Vertreter der Botschaft fanden jedoch nur bei den Umbettungen nach Baden, Wiener Neustadt und Mistelbach statt.

Kriegsgräberfürsorge bildet nicht allein ein militärhistorisches Thema, sondern ist seit jeher ein obligatorischer Aspekt der diplomatischen Beziehungen Österreichs zu den betroffenen Staaten. Die Instandhaltung und Pflege von Soldatengräbern ausländischer Herkunft fungiert als völkerverbindende Tätigkeit, die das Andenken über Generationen forttragen soll. Jede Nation gestaltet ihre Erinnerungskultur in Bezug auf Kriegsdenkmäler spezifisch. Dennoch werden die unterschiedlichen Zeremonien des Gedenkens als gemeinschaftsstiftende Repräsentation wahrgenommen. Kranzniederlegungen auf Soldatenfriedhöfen sind dabei feste Bestandteile. Allein vonseiten der russischen Botschaft werden pro Jahr etwa 6 Kranzniederlegungen in Wien und Niederösterreich durchgeführt. Die Ehrung von Kriegstoten aller Nationen dient als Symbol für die Befriedung vergangener Konflikte. Auch innenpolitisch sind Riten des Gedenkens Teil der österreichischen Identität und verdienen größtmögliche Aufmerksamkeit.

Kriegsgräber und Denkmäler

Die Kampflinie von Herzogenburg im Norden bis in den Bezirk Lilienfeld im Süden kann heute durch die vorhandenen Friedhöfe und Mahnmale nachempfunden werden. Nachdem Herzogenburg am 14. April 1945 durch massive Luft- und Artillerieangriffe umgehend an die sowjetischen Kräfte fiel, erlitt St. Pölten die gleiche Niederlage am Abend des 15. April. Vom Süden rückten die sowjetischen Einheiten Richtung St. Pölten vor (schwere Panzerkämpfe in St. Georgen/ Steinfelde, heftige Gegenwehr mittels SS- und Flakeinheiten bei Gerasdorf) und nach dessen Übernahme weiter Richtung Melk. Am 16. April folgten Kämpfe im Umland von St. Pölten. An der Pielach bei Ober-Grafendorf verlief eine direkte Kampflinie der feindlichen Truppen. Am 17. April wurde noch die Rückeroberung von Wilhelmsburg vermeldet. Die Auseinandersetzungen im April in den Bezirken St. Pölten Land und Lilienfeld waren von großer Dynamik und Brutalität gekennzeichnet. Der Vormarsch der Roten Armee konnte nicht mehr unterbunden werden. Durch die massiven Beschüsse und Straßenkämpfe waren viele Zivilopfer zu beklagen. Auch die Verluste der Soldaten der deutschen Wehrmacht stiegen massiv. Die letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges können anhand der Gräberevidenz der Soldatenfriedhöfe genau rekonstruiert werden. Ein beachtlicher Teil der Gefallenen von Herzogenburg über St. Pölten bis Lilienfeld und Hainfeld starb im April/ Mai 1945 in jungen Jahren.

In Österreich liegen über 45 000 Gefallene der deutschen Streitkräfte. Bis zu 1,3 Mio. österreichische Soldaten wurden im Zweiten Weltkrieg eingezogen. Die folgende Auflistung der Soldatenfriedhöfe und Denkmäler entlang der Kampflinie Traisen-Pielach-Dunkelsteiner Wald ist gegliedert in die Anlagen für österreichische/ deutsche und sowjetische Gräber. In fast allen Anlagen für Angehörige der ehemaligen deutschen Wehrmacht fanden Umbettungen zum Friedhof von Oberwölbling in den 1970er und 1980ern statt. In manchen Evidenzlisten wurden die Gefallenen in Frontopfer, Terroropfer durch Feindeinwirkung und Terroropfer durch Nationalsozialismus unterteilt.

Die österreichischen und reichsdeutschen Angehörigen der ehemaligen deutschen Wehrmacht wurden von den Behörden und der Friedhofsverwaltung nicht immer unterschieden, wodurch sich die Nachforschungen zu unbekannten Gefallenen teilweisediffizil gestalten. Oftmals nutzte man die Bezeichnung "deutsche Soldaten". Diese Klassifikation kann im heutigen (länderspezifischen) Kontext jedoch irreführend erscheinen. Zu diskutieren ist auch die Terminologie für die Gefallenen der Roten Armee. Die hierzulande häufige Bezeichnung "Rotarmist" definiert nur den niedrigsten Dienstrang innerhalb der "Roten Arbeiter- und Bauernarmee". Ein Großteil der in Österreich begrabenen Sowjets war jedoch von höherem Rang.

Wie ein Kriegerdenkmal anzulegen war, setzten Vereine in eigenen Richtlinien fest. Demzufolge spielte der ästhetische Aspekt immer eine bedeutende Rolle, zumal die öffentliche Wahrnehmung entscheidend war. Man bevorzugte die Zusammenlegung von Gedenkstätten beider Weltkriege zu einer gemeinsamen. Dies erklärt die heute häufig anzutreffenden Mahnmale, welche die Namen aller Weltkriegsopfer präsentieren. Diese Kombination der Namensgravuren war nach 1945 intendiert. Auch die bestmöglichen Arbeitsweisen und Materialien wurden verlangt, um die Würde des Denkmals hervorzuheben. Die Darstellung der folgenden Grabanlagen ist konzeptionell vorwiegend an der Geschichte der Gefallenen orientiert. Die quantitative Verifizierung der Kriegstoten ist aufgrund der oft lückenhaften Evidenzen nur schwer durchzuführen.

 

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