• Veröffentlichungsdatum : 20.03.2023
  • – Letztes Update : 21.03.2023

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Aufbauplan ÖBH 2032+

Bruno Hofbauer, Rainer Zisser

Nach Jahrzehnten der zunächst reduzierten und dann fehlenden Ressourcen strebt das Bundesheer nach einem Wiederherstellen seiner Fähigkeiten. Das Streitkräfteprofil „Unser Heer“ gibt die Richtung vor und durch das Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz werden die finanziellen Ressourcen bereitgestellt. Der Aufbauplan ÖBH 2032+ definiert die militärische Umsetzung.

Ausgangslage 

Die aktuellen strategischen Rahmenbedingungen und Vorgaben der Bundesregierung sind durch das Streitkräfteprofil „Unser Heer“ und das Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz sowie die Grundsatzdokumente der Europäischen Union (EU) und der Vereinten Nationen (VN) festgelegt. Nun legt das Bundesheer den Fokus wieder auf die militärische Landesverteidigung und muss die Zeit nutzen, um die Fähigkeit zum Kampf wiederherzustellen. 

Das Bundesheer hat während der vergangenen 30 Jahre einen Prozess der stetigen Reduktion seines Umfanges und Minderung der Fähigkeiten zur Kampfführung durchlaufen. Dies hat dazu geführt, dass die Kompetenz zur militärischen Landesverteidigung in wesentlichen Bereichen erheblich gelitten hat. Daraus resultiert ein umfassender Nachholbedarf in beinahe allen Fähigkeitsbereichen des Bundesheeres. 

Das militärische Einsatzumfeld ist von einer zunehmenden Auflösung und Verwischung räumlicher und rechtlicher Grenzen gekennzeichnet, wobei der Einsatz künftig in ausgedehnten Räumen mit hohem urbanen Anteil zu führen sein wird. Feindliche Gruppierungen sind in der Lage, ihre Verfahren und Gefechtstechniken in konventioneller und subkonventioneller Kampfweise mit regulären oder irregulären Kräften in kurzer Zeit und effizient, auch durch Nutzung neuer Technologien, anzupassen und erkannte Schwachstellen zu nutzen.

Abgeleitet aus diesen Beurteilungen ist die Schutzoperation bestimmend für das künftige Bundesheer. Die Schutzoperation dient der Abwehr überwiegend subkonventioneller, souveränitätsgefährdender Angriffe auf den Staat, die Bevölkerung oder die Lebensgrundlagen in den Domänen Land, Luft- sowie Cyber-Raum und im Informationsumfeld, die nur mit militärischen Mitteln abgewehrt werden können. Die Schutzoperation ist nicht mit einem Assistenzeinsatz zur Unterstützung der Exekutive zu verwechseln (vgl. TD-Heft 1/2020). Es handelt sich um einen spezifischen militärischen Einsatz zur Abwehr eines Angriffes auf die Souveränität Österreichs, der von außen gesteuert wird.

Da verdeckte Aktivitäten nicht regional eingegrenzt werden können, ist von bundesweiten Einsätzen auszugehen. Der Krieg in der Ukraine zeigt, dass Krieg in Europa eine Realität darstellt und auch Österreich zunehmend militärischen Bedrohungen ausgesetzt ist.

Zielsetzung 

Das Ziel des Aufbauplanes 2032+ ist ein modernes Bundesheer, das dazu befähigt ist, aktuellen und zukünftigen Bedrohungen zu begegnen, um Österreich und seine Bevölkerung zu schützen. Dies umfasst neben der Fokussierung auf hybride Bedrohungen, die beispielsweise von subkonventionell agierenden Kräften, Angriffen im Cyber-Raum, aus der Luft oder im Informationsumfeld ausgehen, auch die Abwehr konventioneller Bedrohungen.
 

Lösungsansatz 

Mit der Umsetzung des Streitkräfteprofils „Unser Heer“ wird eine Neuausrichtung des Bundesheeres zur Abwehr überwiegend nicht konventionell vorgehender Gegner in Österreich erfolgen. Das Bundesheer soll zuhause stark und im Ausland fokussiert wirken. Es ist deshalb auf eine Einsatzführung im gesamten Bundesgebiet zur Abwehr von Bedrohungen, die von regulären und irregulären Kräften ausgehen, auszurichten. Dies bedingt die Beitragsleistung zum gesamtstaatlichen Handeln, den dezentralen und gleichzeitigen Einsatz aller Truppen, den Einsatz überwiegend im urbanen Umfeld, die Überwachung von großen Räumen und eine hohe Beweglichkeit der eingesetzten Kräfte, den Schutz von wichtiger Kritischer Infrastruktur und Einrichtungen von strategischer Bedeutung sowie die Autarkie und Selbstständigkeit der Truppen.

Das gesamte mobilgemachte Bundesheer ist zur bundesweiten Einsatzführung im Rahmen der militärischen Landesverteidigung zu befähigen. Dies erfordert weitreichende Änderungen vor allem in den Bereichen Organisation, Ausbildung und Ausrüstung. Das Bundesheer muss schnell, flexibel und robust organisiert und einsetzbar sein.

Zur militärischen Landesverteidigung müssen Reaktionskräfte aller Teilstreitkräfte und Waffengattungen der präsenten Kräfte inklusive der rasch verfügbaren Elemente der Miliz zum Einsatz gebracht werden können. Den Kern der Reaktionskräfte bilden durchsetzungsfähige infanteristische Kampftruppen, Aufklärungskräfte und Spezialeinsatzkräfte sowie bei Bedarf mechanisierte Kräfte. Diese werden durch Luft-, Cyber- und Informationskräfte unterstützt.

Die Weiterentwicklung des Milizsystems ist ein wesentlicher Faktor, wobei die ausreichende personelle und materielle Ausrüstung der Einheiten und Verbände der Miliz sowie die Sicherstellung der für die Einsatzbereitschaft notwendigen Ausbildungs- und Übungstätigkeit im Vordergrund stehen. Zur Erhöhung der unmittelbaren Reaktionsfähigkeit sind Milizelemente mit höherem Bereitschaftsgrad in die Reaktionskräfte zu integrieren.

Im Ausland muss Österreich mit interoperablen, robusten militärischen Kräften einen Beitrag leisten können. Für das internationale Krisenmanagement werden ausgesuchte Fähigkeiten des Bundesheeres zur Verfügung gestellt.

Der Aufbauplan ÖBH 2032+ 

Der Aufbauplan ÖBH 2032+ repräsentiert die Umsetzung des Streitkräfteprofils „Unser Heer“ in militärische Fähigkeiten. Um die hohen Anforderungen an militärische Kräfte im sich ständig verschlechternden Sicherheitsumfeld zu erfüllen, sind drei Aspekte wesentlich:

  • ausreichend qualifiziertes und motiviertes Personal;
  • Ausbildungs-, Übungs- und Betriebserfordernisse können ausreichend dotiert werden;
  • moderne und zukunftsweisende Fähigkeiten kommen zur Truppe.

Personal 

Bei aller Bedeutung einer modernen Ausrüstung und Ausstattung muss das Personal im Fokus des Fähigkeitsaufbaues liegen. Für den Betrieb sowie den Erhalt der Fähigkeiten und hochmoderner Ausrüstungsgüter ist ein qualifiziertes sowie motiviertes Personal in der erforderlichen Quantität erforderlich. Dieses Personal muss eine hohe Einsatzbereitschaft und einen hohen Ausbildungsstand haben. 

Investitionen und Förderungsmaßnahmen sind daher im Personalbereich unabdingbar. Essenziell ist die Zusammenführung der verschiedenen Personengruppen zu einem gemeinsamen Bundesheer mit einer hohen Reaktions- und Durchhaltefähigkeit.

In den aktuellen Planungen wird von der Beibehaltung des derzeitigen Soll-Personalrahmens ausgegangen. Die Mobilmachungsstärke von 55 000 Soldaten wird vorerst beibehalten. Die Betriebserfordernisse sind künftig so zu dotieren, dass die Ausbildung und die Einsatzvorbereitung der Soldaten sichergestellt werden können. So müssen die nötigen Betriebsmittel, Ersatzteile, Überstunden oder Munitionsmengen verfügbar gemacht werden.

Infrastruktur

Der Bereich der Infrastruktur ist von einem jahrzehntelangen Investitionsrückstau gekennzeichnet. Hier ist eine Vielzahl von Maßnahmen erforderlich, um einen qualitativ hochwertigen Rahmen für die Ausbildung und Einsatzvorbereitung des Bundesheeres zu gewährleisten. Dabei müssen die Erfordernisse der militärischen Landesverteidigung und der Einsatz des Bundesheeres im eigenen Land verstärkt berücksichtigt werden. Kasernen sind auch auf ihre Rolle als Einsatzbasen für die militärische Landesverteidigung auszurichten. Ebenso muss dem erhöhten Schutzbedarf für militärische Einrichtungen ein hoher Stellenwert eingeräumt werden.

Ausrüstung

Die Verfügbarkeit einer modernen und auf die Anforderungen der Zukunft ausgerichteten Ausrüstung ist, neben der ausreichenden Bereitstellung von qualifiziertem Personal, eine große Herausforderung. Es wird in drei Kernbereiche investiert:

  • Verbesserung der Mobilität der Einsatzkräfte;
  • Erhöhung des Schutzes und der Wirkung für die Soldaten;
  • Steigerung der Autarkie und Nachhaltigkeit zur Stärkung der Verteidigungsbereitschaft.

Mobilität der Einsatzkräfte 

Die Mobilität auf dem Boden soll durch geschützte Mobilität, etwa weitere Mannschaftstransportpanzer in unterschiedlicher Ausführung (Mannschaftstransport, Führung, Beobachter, Granatwerfer etc.), hochbewegliche Fahrzeuge für Spezialeinsatzkräfte und die Infanterie sowie durch geschützte Pionier- und Sanitätsfahrzeuge erreicht werden. Transportfahrzeuge verschiedener Art werden die erforderliche Mobilität der Einsatzkräfte gewährleisten.

Bei der taktischen Luftmobilität sollen insbesondere die am Nutzungsende stehenden C-130-„Hercules“-Transportflugzeuge ersetzt und die Hubschrauberflotte modernisiert werden. Die betagten „Alouette“ III und OH-58 sowie mittelfristig die AB 212 werden durch moderne Hubschrauber ersetzt. Bei der Luftraumüberwachung wird vor allem die aktive Komponente ergänzt bzw. verstärkt.

Die permanente aktive Luftraumüberwachung, bei Tag und Nacht bzw. schlechter Sicht, wird durch moderne Abfangjäger gewährleistet. Mithilfe moderner Trainingsflugzeuge wird die Fähigkeit zur eigenständigen Pilotenausbildung und zur Luft-Boden-Wirkung erreicht. Dadurch wird die aktive Komponente der Luftraumüberwachung bei einer Luftraumsicherungsoperation verstärkt, wobei die Trainingsflugzeuge eine Wirkung gegen Luftfahrzeuge im mittleren Geschwindigkeitsbereich und in geringeren Höhen erzielen müssen und die Abfangjäger zu ergänzen haben.

Schutz und Wirkung 

Die Soldaten müssen mit einem modernen Individualschutz, mit einer hochwirksamen Bewaffnung und zeitgemäßen Kommunikationsmitteln ausgerüstet sein, um sie vor Bedrohungen im Einsatz zu schützen und ihre Durchsetzungsfähigkeit zu erhöhen. Sie müssen dazu befähigt sein, ihre Aufträge bei Tag, bei Nacht und unter allen Umfeldbedingungen erfüllen zu können. Dazu sind die Ausrüstung und Bewaffnung für die gesamte Mobilmachungsstärke, insbesondere die Nachtsichtfähigkeit bzw. Nachtkampffähigkeit, der Splitterschutz und die Kommunikationsmittel zu beschaffen. Ebenso werden dringend erforderliche Einsatzmittel zur Selbstverteidigung, wie tragbare Panzer- oder Fliegerabwehrsysteme, für die Landstreitkräfte zulaufen. Spezialisierte Truppen wie Aufklärer, Gebirgsjäger, Luftlandeinfanterie oder Jagdkommando erhalten die nötige Sonderausrüstung.

Für den Wiederaufbau der Panzergrenadierbrigade zur Sicherstellung der Gegenangriffsfähigkeit, speziell im offenen Gelände, ist die Erneuerung eines Teiles der vorhandenen Flotte und die Modernisierung der derzeit vorhandenen Kampf- und Schützenpanzer vorgesehen. Den mechanisierten Kräften sollen die erforderlichen Systemfahrzeuge (Beobachter, Granatwerfer, Führung etc.) zulaufen.
Die deutliche Fähigkeitserweiterung der bodengebundenen Luftabwehrtruppe umfasst die Befähigung zum Schutz vor Drohnenangriffen, die Kampfwertsteigerung der Fliegerabwehrkanonen sowie die Beschaffung und Einführung von Fliegerabwehrlenkwaffensystemen mittlerer Reichweite (bis 50 km). Dadurch wird eine im Bundesheer noch nie vorhandene Fähigkeitskombination im Bereich der bodengebundenen Luftabwehrtruppe geschaffen. Darüber hinaus wird die Begleitschutzfähigkeit zum Schutz der Bodentruppen wieder aufgebaut.

Die Fähigkeit zur präzisen und weitreichenden Wirkung mit luft- und/oder bodengestützten Wirkmitteln ist zwingend erforderlich. Die Präzisionswirkung wird durch die Beschaffung von Präzisionsmunition für Boden- und Luftsysteme ermöglicht und die Wirkfähigkeit des Bundesheeres durch Beschaffung von weitreichenden punktgenauen Wirksystemen erhöht.

Die Aufklärung hat hohe Priorität, daher sind die Fähigkeiten aller Aufklärungskräfte auf allen Führungsebenen und in allen Domänen zu verbessern bzw. auszubauen. Es ist vorgesehen, Drohnen unterschiedlicher Klassen und verschiedene ergänzende Sensoren (Boden, Cyber, Info) einzuführen. Die Aufklärungstruppe und alle Elemente der Truppenaufklärung erhalten eine zeitgemäße Ausrüstung. Dazu zählen auch Drohnen für die gefechtstechnische und für die taktische Ebene sowie andere Sensoren.

Durch die ausreichende Dotierung des Übungsbetriebes wird der erforderliche hohe Ausbildungsstand der Soldaten im militärischen Kernbereich erweitert. Das Intensivieren des Übungs- und Ausbildungsbetriebes für alle Teile des Bundesheeres soll ermöglichen, dass Fähigkeiten in allen Bereichen der militärischen Einsatzführung weiterentwickelt werden. Diese Maßnahmen werden durch das verstärkte Scharfschießen auf modernen Schießanlagen unterstützt.

Autarkie und Nachhaltigkeit 

Es gilt sicherzustellen, dass das Bundesheer funktioniert, wenn „sonst nichts mehr funktioniert“. Zielsetzung ist eine auf die militärischen Einsätze ausgerichtete Infrastruktur. In Abgrenzung zum erhöhten Regelbudget für die Infrastruktur wird eine militärspezifische, für die Einsatzerfordernisse benötigte Infrastruktur finanziert. Diese umfasst (Sonder)bauten, Schutzbauten in militärischen Einrichtungen, die Verbesserung der militärischen Sicherheit (z. B. Überwachungsanlagen, technische Sicherungssysteme) und das Herstellen einer modernen Infrastruktur für die neuen Systeme. Die Autarkie der Kasernen wird vorangetrieben, Ausbildungsanlagen (z. B. für den Kampf im urbanen Umfeld, ein Gefechtsübungszentrum) werden verbessert und erweitert.

Die Digitalisierung des Bundesheeres und die Einführung moderner, interoperabler sowie autarker Führungs- und Kommunikationssysteme sind zwingend erforderlich. Dazu werden moderne Führungs- und Kommunikationsmittel auf allen Ebenen (z. B. Waffeneinsatzsysteme, ein Battlefield-Managementsystem, Führungsinformationssysteme) eingeführt.

Die Zielsetzung ist es, die Fähigkeiten zur Einsatzführung im Cyber-Raum auszubauen und die Beteiligung an Satellitenprogrammen zu prüfen. Die vollen Fähigkeiten zum Kampf im Cyber-Raum (CNO-Fähigkeiten-Computernetzwerkoperationen) sind ebenso vorgesehen wie Anteile an der Satellitenkommunikation bzw. -aufklärung mit internationalen Partnern.

Im Bereich der Elektronischen Kampfführung sind der Aufbau und die massive Verstärkung der bisher geringen Fähigkeiten geplant. Dadurch werden die eigenen Informations- und Kommunikationssysteme geschützt und die Elemente zur Elektronischen Kampfführung (vor allem Peiler, Störer) verstärkt bzw. aufgebaut. Zusätzlich werden Systeme für alle Kampfelemente zum Schutz der Kommunikation bereitgestellt.

Zum Sicherstellen der Einsatzbereitschaft und Durchhaltefähigkeit des Bundesheeres ist eine Bevorratung aller Versorgungsgüter für zumindest 14 Tage erforderlich. Dabei ist es das Ziel, eine funktionierende Sanitäts- und Logistikorganisation für den Einsatzbedarf wiederherzustellen und weiterzuentwickeln. Es erfolgen Investitionen in eine moderne Sanitäts- und Logistikorganisation zur Unterstützung der Einsatzkräfte.
 

Fazit 

Das Bundesheer wird in Umsetzung des Streitkräfteprofiles „Unser Heer“ über die nächsten zehn Jahre wieder zu einer schlagkräftigen Streitmacht auf modernem Stand. Dieses Bundesheer soll befähigt sein, in einem künftigen Konflikt auftretende Bedrohungen abzuwehren, die Souveränität der Republik Österreich zu verteidigen und die österreichische Bevölkerung zu schützen. Diese Richtungsänderung wird mehrere Jahre in Anspruch nehmen, erfolgt evolutionär und hat weitereichende Folgen für alle Bereiche der Landesverteidigung. Trotz aller Bemühungen liegt es auch an jedem einzelnen Soldaten, die Fähigkeit zum Kampf wiederzubeleben und das Bundesheer fit für das Jahr 2032 zu machen.  

Generalmajor Mag. Bruno G. Hofbauer, Planungschef des Österreichischen Bundesheeres,
Oberst dG Mag. Markus Prammer, Leiter Referat Grundlagen und Steuerung.

 

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