• Veröffentlichungsdatum : 27.09.2017
  • – Letztes Update : 28.09.2017

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  • 1368 Wörter

Sicherheit durch Mehrsprachigkeit

Gerold Keusch

Am 25. September 2017 fand eine Festveranstaltung des Sprachinstitutes des Österreichischen Bundesheeres (ÖBH) der Landesverteidigungsakademie im Wiener „Haus der Europäischen Union“ statt. Diese Veranstaltung war eine Kooperation mit der Vertretung der Europäischen Kommission und dem Informationsbüro des Europäischen Parlamentes in Österreich. 

Der Anlass des Festaktes war der „Europäische Tag der Sprachen“, der 2001 vom Europarat und der Europäischen Kommission ins Leben gerufen wurde. Dieser findet jedes Jahr am 26. September statt und stellt für einen Tag das Thema Sprache in 47 europäischen Ländern, in denen etwa 800 Millionen Menschen leben, in den Mittelpunkt. An diesem Tag werden die sprachliche Vielfalt, die Mehrsprachigkeit, das interkulturelle Verständnis und die Bedeutung des lebenslangen Sprachenerlernens gewürdigt.

Warum ist es notwendig eine Fremdsprache zu lernen? Warum soll man, neben Englisch auch noch eine zweite Fremdsprache können? Diese oder ähnliche Fragen werden häufig gestellt und zeigen, dass bei vielen Menschen noch wenig Bewusstsein hinsichtlich der Notwendigkeit der Sprachausbildung besteht. Das Sprachinstitut des Bundesheeres und seine Gäste haben sich beim „Europäischen Tag der Sprachen“ dieser Fragen gewidmet. Diese wurden, passend zum Titel der Veranstaltung „Europäische Sprachenpolitik und Sicherheit“, zur österreichischen OSZE-Präsidentschaft 2017 und der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2018, unter dem Aspekt der Sicherheit beantwortet.

Mehrsprachigkeit als Lebensrealität

Alleine in den (noch) 28 Ländern der EU gibt es 24 Amtssprachen, etwa 60 Regional- und Minderheitensprachen und etwa 200 Sprachen, die von Menschen mit Migrationshintergrund gesprochen werden. Etwa 500 Millionen Menschen, die in diesem Raum der sprachlichen Vielfalt leben, sind in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum, in dem es de facto keine Grenzen und Niederlassungsfreiheit gibt, miteinander verbunden. Darüber hinaus gibt es den freien Personen- und Warenverkehr, die Grundprinzipien der EU sind und deren Volumen stetig steigt.

Sprachenvielfalt ist in Österreich eine Realität geworden. So haben knapp 24 Prozent der Pflichtschüler eine andere Umgangssprache als Deutsch, in Wien sind es sogar etwa 50 Prozent. Darüber hinaus gibt es Bezirke in der österreichischen Bundeshauptstadt, in der bis zu 80 Prozent der Bewohner eine andere Muttersprache haben als Deutsch. Die sprachliche Vielfalt ist demnach ein Faktum, das sich mit der Mitgliedschaft in der EU und einer zunehmend globalisierten Welt zwangsläufig ergibt.

Oberst des Generalstabsdienstes MMag. Thomas Fronek, der Leiter des SIB betonte in seiner Rede, dass die krisenhaften Entwicklungen der letzten Jahre in und um Europa gezeigt haben, dass Sprachkompetenz, Mehrsprachigkeit und Interkulturalität auch eine sicherheitsrelevante Dimension aufweisen. Des Weiteren wies er darauf hin, dass nachhaltige strategisch-gesellschaftliche sowie konflikthemmende Lösungen nur möglich sind, wenn spezifische kulturelle und sprachliche Gegebenheiten berücksichtigt werden.

Die sprachliche Diversität in Österreich, aber auch die zunehmende internationale Zusammenarbeit sowie die wachsenden internationalen wirtschaftlichen Verflechtungen resultieren in einem Bedeutungsgewinn von Fremdsprachen. Deren Beherrschung ist aber auch zunehmend notwendig, um Informationen und Anweisungen zu geben, oder Amtshandlungen ausführen zu können. Sprachkenntnisse leisten somit einen Beitrag, um die Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten. Ein Punkt, der besonders für die Exekutive von Bedeutung ist. Darüber hinaus zeugen Sprachkenntnisse vom Respekt gegenüber jenen Menschen, die kein oder nur wenig Deutsch sprechen und dennoch im Land sind, egal ob als Arbeitskraft, Tourist, Austauschstudent, Flüchtling oder Migrant. In diesem Zusammenhang kommt auch dem Aspekt der Sicherheit hinsichtlich der Mehrsprachigkeit eine wachsende Bedeutung zu.

Sprache bietet Sicherheit

Sprache und Sicherheit sind untrennbar miteinander verbunden. Davon zeugt beispielsweise die Geschichte der Diplomatischen Akademie, die deren Leiter Dr. Emil Brix, bei seiner Ansprache wie folgt skizzierte: Im Jahr 1754 wurde die Akademie von Maria Theresia mit dem Ziel errichtet Sicherheit zu schaffen. Damals hieß sie noch k.k. Orientalische Akademie, was ausdrückt, dass vor allem der damalige Rivale am internationalen „Spielfeld“, das Osmanische Reich, der Adressat der Bemühungen dieser Einrichtung war. Das Werkzeug, um Verständigung und Sicherheit zu schaffen, war die Sprachausbildung von österreichischen Beamten bzw. Diplomaten. Diese sollten durch ihre Sprachkompetenz zu einem friedlichen Miteinander beitragen und die Kommunikation zwischen den beiden unterschiedlichen Völkern ermöglichen.

Diese Bemühungen zeigen, dass bereits damals klar war, dass Wertschätzung und Respekt eine gemeinsame Kommunikationsbasis - eine gemeinsame Sprache - benötigen. Diese schafft Verständigung, die ein friedliches Zusammenleben erleichtert, aber auch einen Austausch in den Bereichen Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft ermöglicht. Schließlich ist Sprache ein Ausdruck von Geschichte, Kultur und der Lebensart der Menschen, die sie sprechen. Diese wird jedoch erst dann für einen Außenstehenden zugänglich, wenn er sich die Sprache dieser Menschen aneignet. Damit entstehen zwischenmenschliche Beziehungen und letztendlich jene Verflechtungen, die den Ausbruch von Kriegen erschweren und sogar verhindern können. In diesem Zusammenhang erläuterte der Leiter der Diplomatischen Akademie auch die Notwendigkeit, die Sicherheitsrelevanz der Sprache in Form konkreter Zielsetzungen und Maßnahmenkataloge der EU festzuschreiben.

Sicherheitsinstrument Sprachinstitut

Die Sicherheit ist für die Landesverteidigungsakademie und somit für das SIB und den nationalen Behörden, mit denen es durch diverse Kooperationen verbunden ist, von besonderer Relevanz. Um diesem Aspekt zu entsprechen, wurde von Oberst Fronek die steigende Bedeutung der sicherheitsrelevanten Sprachen thematisiert. Das sind all jene Sprachen, die von den Mitgliedern einer Organisation beherrscht werden müssen, um die Sicherheit in den verschiedenen Anforderungsgebieten zu gewährleisten.

Neben Englisch als lingua franca sind das die regionalen Verkehrssprachen und die Sprachen in Krisen- und Kriegsgebieten, mit denen österreichische bzw. europäische Sicherheitskräfte konfrontiert sind. In diesem Zusammenhang betonte Fronek die Notwendigkeit eines themenübergreifenden Sprachansatzes und der Förderung der multikulturellen Sprachkompetenz. Diese sind ein Basisbeitrag der Sprachausbildung, um die Sicherheit zu erhöhen.

Umfangreiches Aufgabengebiet

Eine wesentliche Aufgabe des SIB ist neben den Ausbildungen, Prüfungen und Übersetzungen die Produktion von Lern- und Lehrunterlagen. Diese orientieren sich, neben den klassischen Formaten in Buch- und Heftform, auch zunehmend an neue Medien, wie die Sprach-Applikation für Mobile-Devices zeigen. Die Themen der Unterlagen richten sich neben dem allgemeinen Bedürfnis der Vermittlung von Sprachkenntnissen in den Standardsprachen Englisch, Französisch, Spanisch oder Italienisch vor allem nach konkreten und aktuellen Einsatzbedürfnissen des ÖBH. Deshalb werden in den aktuellen Publikationen Einsatzländer wie beispielsweise Ungarn behandelt. Des Weiteren werden als Resultat der Erfahrungen während der Migrations- und Flüchtlingskrise Sprachführer in Arabisch bzw. den afghanischen Sprachen Paschtu und Dari (Farsi) angeboten.

Ein besonderes Projekt des SIB ist ein Glossar zur österreichischen EU-Ratspräsidentschaft, in dem relevante Verwaltungsterminologie in Deutsch, Englisch und Französisch publiziert werden soll. Dieses Vorhaben wird derzeit gemeinsam mit Partnern aus anderen Ministerien bearbeitet. Dabei wird die traditionell gute Vernetzung zwischen dem Bundesheer und der Exekutive vertieft und durch die Zusammenarbeit mit der Universität Wien und anderen Ministerien bzw. Institutionen erweitert. Neben den Partnerschaften im Inland verfügt das SIB auch über Kooperationen mit dem Ausland. Hier ist vor allem die Zusammenarbeit im Rahmen der Central European Defence Cooperation (CEDC) von Bedeutung. Die CEDC ist eine grenzüberschreitende Plattform der neben Österreich die Tschechische Republik, die Slowakei, Ungarn, Slowenien und Kroatien angehören. Sie ist eine wesentliche Initiative innerhalb der EU, die sich mit dem Thema Sicherheit befasst.

Sprachtrainer

Der Leiter des Sprachinstitutes nutzte den Festakt auch dazu, die Bilanz seines Institutes darzustellen, dass sich in rund 100 Sprachkursen in 18 Sprachen, etwa 5.700 Sprachprüfungen in 14 Sprachen, 250 Dolmetschtagen und über 3.000 übersetzten Seiten im Jahr 2016 niederschlug. Generalleutnant Mag. Erich Csitkovits, Kommandant der Landesverteidigungsakademie, erläuterte in seiner Rede die aktuellen Herausforderungen der Sprachausbildung im ÖBH. Dabei betonte er die umfangreichen Einsatz- und Ausbildungsaufgaben, die für das Personal eine zunehmende „Omnipräsenz“ bedeutet und die Abwesenheit von der Dienststelle immer schwieriger macht. Als Lösungsansatz präsentierte Csitkovits ein mobiles „Distance und Blended Learning-System“, um einen bedarfsorientierten, individuellen und effizienteren Zugang zur Sprachausbildung zu gewährleisten.

Um die große Anzahl an Sprachausbildungen zu bewerkstelligen, gibt es neben dem Personal am SIB auch Sprachtrainer für Englisch und Deutsch. Diese unterstützen vor allem die Sprachkurse bei der Truppe und dienen als Ansprechpartner in den Verbänden und als „Force Multiplayers“, um die Sprachkompetenz zu verbessern. Um diesen Personenkreis ein Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung zu geben, wurden im Zuge des Festaktes auch die Abzeichen für die Sprachtrainer verliehen. 2017 erhielten vier Kadersoldaten die Abzeichen als Sprachtrainer „Deutsch“ und zwei Kadersoldaten jenes für „Englisch“.

Fazit

Die Sprachenvielfalt innerhalb der EU und damit einhergehend, die Bedeutung der Mehrsprachigkeit wird in Zukunft zunehmen. Das resultiert auch in der Forderung der EU, nach der jeder Europäer zusätzlich zu seiner Muttersprache zumindest zwei Fremdsprachen beherrschen sollte. Für das ÖBH bedeutet die Umsetzung dieser Forderung jedoch eine Chance, bei dem das Sprachinstitut eine entscheidende Rolle hat. Ihm unterliegt es konkrete Schritte zu setzen, um Mehrsprachigkeit in Sicherheit zu transformieren.

Offiziersstellvertreter Gerold Keusch ist Redakteur beim TRUPPENDIENST.

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