• Veröffentlichungsdatum : 01.01.1970
  • – Letztes Update : 07.12.2017

  • 3 Min -
  • 507 Wörter

Deutschland zwischen den Fronten

Gert R. Polli

Wie Europa zum Spielball von Politik und Geheimdiensten wird.

298 Seiten, 15,5 x 21,5 cm, gebunden

€ 19,99

ISBN: 978-3-95072-012-0

Finanzbuch Verlag, München 2017

Wie Europa zum Spielball von Politik und Geheimdiensten wird

Als ehemaliger Angehöriger des Heeresnachrichtenamtes und Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in den Jahren 2002 bis 2007 hat der Autor umfassende Kenntnisse über die vielschichtigen Tätigkeiten von Nachrichtendiensten und über andere Sicherheitsinstitutionen erworben. 

Das Schwergewicht seiner Darstellung liegt in der Situation Deutschlands, das in seiner Einschätzung auch nach der Wiedervereinigung durch Verträge mit den Westalliierten und späteren NATO-Partnern noch immer ein „besetztes Land“ ist.

Die nahezu unbeschränkte Tätigkeit vor allem der amerikanischen Nachrichtendienste auf dem Gebiet Deutschlands fand ihren Höhepunkt in der so genannten NSA-Affäre. Dadurch wurden die umfassenden Abhörmaßnahmen dieses Nachrichtendienstes in Europa und in der Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen Jahren schrittweise bekannt, nicht zuletzt durch den ehemaligen CIA-Mitarbeiter und „Whistleblower“ Edward Snowden. Dessen umfangreiche Datenveröffentlichung und spektakuläre Flucht nach Russland wurden zu einer internationalen Affäre.

Zusätzlich werden die, überwiegend islamistischen Terroranschläge seit 2001 umfassend dargestellt. Von diesen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbrüchen, von denen Österreich ebenfalls betroffen ist - wenn auch zeitverschoben und in unterschiedlicher Intensität und Quantität. Die sogenannte „Flüchtlingskrise“ ab dem Spätfrühjahr 2015 hat die Lähmung der politischen Entscheidungsträger und der Sicherheitsapparate deutlich aufgezeigt.

Bei den Ereignissen in der „Silvesternacht“ 2015 in Köln war es innerhalb von weniger als zwei Stunden zu mehr als tausend gewalttätigen bzw. sexuellen Übergriffen, nahezu ausschließlich gegen Frauen, gekommen. Bereits kurze Zeit nach den Straftaten deutete vieles darauf hin, dass es zu einer Verabredung zwischen den Angreifern gekommen war, von denen der allergrößte Teil einen Migrationshintergrund oder Asylwerberstatus hatte. Dabei wurde übersehen, dass die allgegenwärtigen Mobiltelefone eine hohe Mobilität der Angreifer ermöglicht haben. Durch die falsche strategische Beurteilung der Sicherheitslage waren die Sicherheitsbehörden von den Vorgängen regelrecht überrollt worden. Das führte zu einem Vertrauensverlust von Teilen der gesetzestreuen Bevölkerung in die staatlichen Institutionen und deren Schutzpflicht. Nach Polli legten die Ereignisse in Köln die „Defizite einer gesellschaftspolitisch langfristigen Dimension der Integrationspolitik offen“. Die Silvesternacht in Köln wäre für den Autor ein „prominentes Beispiel dafür, wie politische Vorgaben auf die tägliche Arbeit der Sicherheitsbehörden und der Nachrichtendienste durchschlagen.“

Nach einer Auflistung der Terroranschläge in Europa in den Jahren 2014 bis 2016 gibt der Autor einen Ausblick auf die sich neu entwickelnde deutsch-französische „Achse“ nach dem „Brexit“. Die in den vergangenen Jahren erkennbare Eskalation der politischen Auseinandersetzung mit Russland - vielleicht nach der Georgienkrise und Ukrainekrise ein bisher in Europa unterschätzter neuer „Kalter Krieg“ - bildet den Abschluss der Darstellung verschiedener politischer Konfliktfelder, die manchmal auch durch Nachrichtendienste, respektive Geheimdienste beobachtet, analysiert und angeheizt werden können.

Die Überschrift auf dem Buchdeckel „Ein Ex-Geheimdienstchef exklusiv“ ist allerdings irreführend. Der Autor war kein Geheimdienstchef, sondern der Leiter eines Nachrichtendienstes, der sich in einer demokratischen Republik unter parlamentarischer Kontrolle innerhalb rechtsstaatlichen Normen zu bewegen hat. Jedenfalls hat der Autor ein Buch vorgelegt, in dem Österreich nur eine Nebenrolle spielt, jedoch von vielen der dargestellten Konflikte und Entwicklungen indirekt und manchmal auch direkt betroffen ist.

-dwe-

 

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