Die Leistung zählt!

Das Österreichische Bundesheer gilt als Männerdomäne, obwohl dort seit Jahrzehnten hunderte Frauen in verschiedenen Funktionen und Positionen ihren Dienst versehen und eine wesentliche Stütze des militärischen Aufgabenspektrums sind. Anlässlich des Weltfrauentages am 8. März sprach Michael Gottlieber mit dem Kommandanten der Heereslogistikschule, Brigadier Stefan Lampl, über den Frauenanteil in der Militärlogistik, aber auch über die Zukunft in diesem Fachbereich.
Michael Gottlieber (MG): Wie würden Sie die Heereslogistikschule (HLogS) in zwei Sätzen beschreiben?
Brigadier Stefan Lampl (SL): Wir bilden Soldatinnen und Soldaten sowie Zivilbedienstete in einem dynamischen, komplexen und interessanten Fachbereich aus. Wir sind die Alma Mater der Militärlogistik in Österreich.
MG: Wie stellt sich die derzeitige Situation hinsichtlich des Frauenanteils an der HLogS dar?
SL: Der Frauenanteil an der HLogS liegt derzeit bei 11,5 Prozent. Von der Leiterin des Führungsgrundgebiets 1 (Personal) bis zur Verwaltungsassistentin leisten Frauen einen wichtigen Beitrag, damit die HLogS ihren Auftrag erfüllen kann. Im Bereich der Lehre haben wir noch einen Aufholbedarf. Derzeit kommen Frauen nur als Gastlehrerinnen bzw. Ausbildnerinnen zum Einsatz. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir in absehbarer Zukunft im Bereich der Lehre mehr Frauen an der HLogS begrüßen können.
MG: Welche Erfahrungen und Eindrücke haben Sie in den letzten Jahren bezüglich Frauen in technischen Berufen bzw. in militärischen Bereichen, welche die HLogS abdeckt, gemacht?
SL: Ich hatte vor allem bei meinen Auslandseinsätzen und –verwendungen immer wieder Frauen in meinem Verantwortungsbereich, die durch sehr gute Leistungen überzeugten. Bei meiner Verwendung als multinationaler Abteilungsleiter „Logistik“ beim Multinationalen Kommando ULM war eine Frau „Oberbootsmann“ in meiner Abteilung, welche die gesamte Schadensbearbeitung im multinationalen Kommando bearbeitete. Bei meinem letzten Auslandseinsatz als NCC/AUTCON38 und Kommandant der multinationalen „Joint Logistics Support Group“ unterstützten mich eine österreichische Kraftfahrerin, eine albanische Soldatin im Rang einer Frau Oberstleutnant als Leiterin der Stabsarbeit und eine zivile Mitarbeiterin der „NATO Support and Procurement Agency“, welche die komplette Bereitstellung von Kraftstoff für den gesamten Balkan koordinierte und abrechnete. Ich hatte auch die Möglichkeit zu sehen, wie eine österreichische Frau Hauptmann die internationale Militärpolizeieinheit außerordentlich gut und mit Vorbild führt. Diese sehr positiven Beispiele zeigen, dass Frauen in unterschiedlichen Funktion, sei es in nationalen und multinationalen Funktionen, im Inlands- und Auslandseinsatz, in Stabsfunktionen, aber auch als Kommandantin auf allen Führungsebenen tagtäglich ihren Auftrag erfüllen.
Bei den Lehrgängen an der HLogS ist vor allem in den Bereichen Heeresfahrlehrerausbildung und der Feldzeugausbildung erkennbar, dass immer mehr Soldatinnen diese Karrieremöglichkeit wahrnehmen. Nur im Bereich der Militärtechnik (Kraftfahrzeug-, Radar-, Munitionstechnik etc.) durften wir noch nicht viele Soldatinnen ausbilden. In den naturwissenschaftlichen technischen Bereichen haben wir, wie auch im zivilen Umfeld, noch Handlungsbedarf. Daher bin ich sehr froh, dass bei der diesjährigen Militärakademikerausbildung des Jahrganges „Dragonerregiment 7“ eine Technikerin ist. Die zukünftige Frau Leutnant kann als Vorbild dienen, damit auch in Zukunft mehr Frauen in den klassischen technischen Männerberufen innerhalb des Bundesheeres zum Einsatz kommen.
MG: Kann man davon einen Trend oder gar eine Trendwende ableiten?
SL: Das als Trendwende zu bezeichnen wäre noch zu früh, aber die ersten Schritte sind getan und diese sind, gemäß einem chinesischen Sprichwort, die schwierigsten. Für die Zukunft bin ich aber optimistisch. Ich hatte die Möglichkeit während einer Auslandsausbildung an der U.S. Army Logistics University in Virginia bei einer Veranstaltung Frau General Ann Dunwoody kennenzulernen. Sie war der erste weibliche Vier-Sterne-General in der US-Militärgeschichte und als Kommandantin des damaligen Army Material Command für die Versorgung der gesamten US-Streitkräfte zuständig - auch für den Nachschub für die Einsätze in Afghanistan und im Irak. Dieses Beispiel zeigt, dass die Militärlogistik ein interessantes und umfassendes Betätigungsfeld für Soldatinnen darstellt und, aus meiner Sicht, auch im ÖBH eine solche Karriere möglich wäre. Denn in der Militärlogistik zählt die Leistung und nicht das Geschlecht.
MG: Wo und in welcher Rolle sehen Sie die HLogS in den kommenden Jahren?
SL: Die steigenden Anforderungen an die Leistungsfähigkeit von Streitkräften, aber auch der technologische Wandel deuten darauf hin, dass der Militärlogistik zukünftig eine strategische Schlüsselposition zukommt. Die Anforderungen werden vielfältiger sein und der Transformations- und Wissensprozess schneller ablaufen. Die verkürzten Innovationszyklen von Wehrmaterial, eine hohe Transparenz und Agilität der militärlogistischen Prozesse, eine steigende Individualisierung der Ansprüche der Truppe, die wachsenden Variantenvielfalten von modernen Kfz- und Waffensystemen und ein schwankendes Bedarfsverhalten in hybriden Einsätzen sind nur einige Bereiche, welche die Militärlogistik in der Zukunft fordern werden.
Die zukünftige Militärlogistik wird einen managementorientierten Ansatz erfahren, der strategische Gestaltungsaspekte in den Vordergrund stellt und ein integraler Bestandteil des Führungskonzepts sein wird. Die Militärlogistik wird in Zukunft nicht mehr als eine auf die Steuerung, Abwicklung und Überwachung von Material- und Informationsflussaktivitäten beschränkte Dienstleistungsfunktion angesehen werden, sondern als querschnittsorientierte Grundhaltung zur effektiven, zeiteffizienten, resilienten, einsatz- und prozessorientierten Koordination von Aktivitäten. Das Verständnis impliziert militärlogistisches Denken und Handeln in sämtlichen militärischen Einheiten und in allen Führungsebenen.
Das Bundesheer muss gemeinsam mit anderen Streitkräften und mit starken zivilen Partnern Lösungsansätze auf die oben genannten Themenbereiche finden und die HLogS wird die notwendige Ausbildung für die Soldatinnen und Soldaten dafür bereitstellen müssen. Die HLogS wird daher auch in den nächsten Jahren diesen dynamischen Veränderungen ausgesetzt sein. Neue Lernmethoden, zeitgemäße technische Ausbildungsgeräte und moderne Infrastruktur müssen geschaffen werden, um die militärlogistischen Führungskräfte des Bundesheeres auf diese Trends vorzubereiten. Denn im Mittelpunkt jedes zukünftigen hochtechnologischen Einsatzes, wird immer die Soldatin und der Soldat stehen.
MG: Danke für das Gespräch!
Oberstabswachtmeister Michael Gottlieber ist Unteroffizier für Öffentlichkeitsarbeit und Informationsoffizier.