Wehrrecht: Der Handlungsrahmen des ÖBH

Gesetzliche Regelungen für das Bundesheer finden sich nicht nur in Bundesverfassungsgesetzen, sondern auch in einfachen Bundesgesetzen, die die Verfassung konkretisieren. Diese Gesetze müssen – wie der Name bereits verrät – mit einfacher Mehrheit beschlossen werden, wobei dazu ein Drittel der Nationalratsabgeordneten anwesend sein muss. Das wichtigste und umfangreichste dieser Gesetze ist das Wehrgesetz.
Einfache Gesetze können von den Abgeordneten der Regierungsparteien relativ leicht beschlossen und abgeändert werden. Das hängt mit der politischen Realität Österreichs zusammen, bei der es den Klubzwang gibt. Dieser „zwingt“ die Nationalratsabgeordneten einer Partei dazu, die Linie des Parlamtentsklubs und somit die Partei- und/oder Regierungslinie – auch gegen ihre persönliche Überzeugung – mitzutragen, in dem ihnen das Abstimmungsverhalten im Nationalrat vorgegeben wird. Damit können die Vorgaben eines Regierungsprogrammes relativ einfach umgesetzt werden, solange sie keine Verfassungsgesetze verletzen, was der Verfassungsgerichtshof gegebenenfalls überprüft. Einfache Bundesgesetze sind somit eine wesentliche Rechtsmaterie, mit der eine Bundesregierung ihre politischen Ziele und Vorstellungen umsetzt, mit denen sie gestaltet und regiert. Somit sind sie grundlegende Werkzeuge der Politik. Umso weniger Verfassungsgesetze vorhanden sind, desto größer ist der politische Gestaltungsspielraum mit einfachen Gesetzen.
Für das Österreichische Bundesheer (ÖBH) ist eine Fülle von einfachen Gesetzen relevant, wie das Wehrgesetz 2001, das Militärbefugnisgesetz, das Heeresdisziplinargesetz, das Auslandszulagen- und -hilfeleistungsgesetz, das Sperrgebietsgesetz oder das Militärauszeichungsgesetz, um nur einige zu nennen. Für die Politik ist vor allem das Wehrgesetz von Bedeutung, da sein Inhalt gesellschaftlich und deshalb politisch relevant ist. Die anderen Gesetze sind hinsichtlich ihrer Materie beinahe ausschließlich für die besonderen Handlungsfelder des Bundesheeres formuliert. Aus diesem Grund ist ihr Inhalt zu militärspezifisch, um in der Tagespolitik thematisiert zu werden, weshalb sie in diesem Beitrag nicht weiter behandelt werden.
Wehrgesetz 2001
Das Wehrgesetz bringt die Verankerung der Streitkräfte im gesamtstaatlichen Gefüge zum Ausdruck und regelt den organisatorischen und personellen Rahmen des ÖBH. Es ist in fünf Hauptstücke gegliedert, wobei der Inhalt der ersten beiden Hauptstücke (1. Allgemeines und 2. Ergänzung und Wehrdienst) von politischem Interesse sind. Sie waren in der Vergangenheit bereits häufig der Gegenstand von Diskussionen und das Thema der ersten und einzigen österreichweiten „Volksbefragung zur Wehrpflicht“ im Jahr 2013.
Im ersten Hauptstück (Allgemeines) werden die Bestimmungen des Art. 79 B-VG wiederholt und ergänzt. So findet sich dort die Bestimmung, dass das ÖBH aus einer Friedens- und einer Einsatzorganisation besteht, die im Ministerrat beschlossen wird und es ist festgelegt, dass dem ÖBH die allgemeine Wehrpflicht zugrunde liegt, die auch die Grundlage der personellen Ergänzung ist. Bei den Aufgaben ist unmissverständlich festgehalten, dass die allgemeine und die unmittelbare Einsatzvorbereitung ein Teil der militärischen Landesverteidigung – der Primäraufgabe des Bundesheeres – ist. Darunter lässt sich jede militärische Ausbildung eines Soldaten, von der Basisausbildung bis zur Teilnahme am Generalstabslehrgang, einordnen. Die Frage, wer Soldat ist, wird in diesem Gesetzesteil genauso geklärt, wie die Verleihung von Kommandostellen oder die grundsätzlichen Bestimmungen hinsichtlich Beförderungen. Darüber hinaus findet die Parlamentarische Bundesheerkommission (früher: „Beschwerdekommission“) hier ihre gesetzliche Grundlage.
Im zweiten Hauptstück (Ergänzung und Wehrdienst) ist unter anderem festgelegt, wer wann und wie lange wehrpflichtig ist und das daraus Pflichten entstehen, wie die Stellungs-, Präsenzdienstleistungs- oder Milizstandspflichten sowie diverse Meldepflichten. In weiterer Folge finden sich dort alle Bestimmungen von der Stellung und ihrer Organisation, der Einberufung, dem Grundwehrdienst bis zu den Übungen, die ein Wehrpflichtiger zu leisten hat (Milizübungen) oder leisten kann (freiwillige Waffenübungen). Sogar die Verwahrung von Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenständen oder die Berechtigung zum Tragen der Uniform im Milizstand sind dort geregelt. Darüber hinaus gibt es einen Abschnitt, der sich den besonderen militärischen Dienstleistungen widmet, in dem unter anderem die Sonderbestimmungen für Frauen in den Streitkräften angeführt sind.
Handlungsspielraum
Wie eingangs erwähnt, könnte jede Regierung das Wehrgesetz und die anderen einfachen Gesetze, die das ÖBH betreffen, jederzeit völlig verändern. Die politische Realität der Vergangenheit zeigt jedoch, dass das nur sehr behutsam und in Teilbereichen geschieht. Und selbst dann kommt es eher zu einer Aktualisierung des Gesetzes, anstatt zu einem inhaltlichen Paradigmenwechsel, wie die Bestimmungen für die Frauen beim Bundesheer zeigen. Die gesetzlichen Bestimmungen für das ÖBH sind hinsichtlich der Aufgaben und Kompetenzen eng gefasst. Innerhalb dieses engen Korsetts gibt es jedoch einen ausreichenden Handlungsspielraum, beispielsweise bei der Möglichkeit zur Einberufung von Personal oder den militärischen Befugnissen, wodurch die Regierung rechtlich handlungsfähig bleiben kann.
Dass die aktuellen Gesetze beinahe alle Eventualitäten abdecken, erspart auch hastige Anlassgesetze im Krisen-, Neutralitäts- oder Verteidigungsfall, bei denen es aufgrund der besonderen Umstände, die in einem solchen Fall gegeben wären, kaum Zeit für adäquate Gesetze oder ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren (Link) gäbe. Darüber hinaus bestünde die Gefahr, dass solche Gesetze aufgrund der Umstände – absichtlich oder unabsichtlich – auch überschießende Bestimmungen beinhalten könnten, was aufgrund der Sensibilität des Themas Landesverteidigung problematisch sein könnte.
Resümee
Auch zukünftige Regierungen werden – egal wie sie sich zusammensetzen – mit der Gesetzesmaterie, die das ÖBH betrifft, behutsam umgehen und diese nur bedingt verändern. Um politische Forderungen wie das Ende der allgemeinen Wehrpflicht umzusetzen, wird man eher zu anderen Mitteln greifen, und die Einberufung aller männlichen Staatsbürger zur Stellung und dem Grundwehrdienst vorübergehend aussetzen. Das würde in der Praxis keinen Unterschied bedeuten, jedoch die Möglichkeit bieten, bei einer eklatanten Veränderung der Bedrohungslage die reguläre Einberufung der männlichen Österreicher rasch wiedereinzusetzen.
Offiziersstellvertreter Gerold Keusch, BA ist Redakteur beim TRUPPENDIENST und Politologe.