• Veröffentlichungsdatum : 04.05.2021

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„Leopard“ 2 AUT (Austrian Upgraded Tank)

Jörg Loidolt

Der in Österreich verwendete Kampfpanzer „Leopard“ 2A4 stammt aus den späten 1970er-Jahren. Einige Bauteile haben ihr Lebensende erreicht und sind am Markt nicht mehr erhältlich. Es bestehen zahlreiche Möglichkeiten für eine Nutzungsverlängerung und Kampfwertsteigerung. Damit wäre für dieses unentbehrliche Hauptwaffensystem des Österreichischen Bundesheeres eine Weiterverwendung möglich.

Seit dem Jahr 2017 hat die Panzerwaffe in Österreich international wiederholt ihre Leistungsfähigkeit demonstriert. Mit dem Sieg bei der Strong Europe Tank Challenge 17, bei der die Soldaten des Panzerbataillons 14 (PzB14) selbst die Favoriten der Deutschen Bundeswehr (DBW) und der U.S. Army hinter sich lassen konnten, war – national und noch mehr international – unter Beweis gestellt, dass die „Welser Hessen“ ihr Handwerk beherrschen. Den teilnehmenden Soldaten und den verantwortlichen Kommandanten war aber bewusst: der Sieg konnte nicht wegen, sondern trotz des „Leopard“ 2A4 errungen werden. Die Panzer, die 2017 weit modernere Rivalen in den Schatten gestellt haben, sind – selbst für langlebiges Kriegsgerät – der Jugend schon lange entwachsen.

Die Grundkonzeption des „Leopard“ 2A4 war in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren das Beste, das deutsche Ingenieurskunst zu bieten hatte. Es wurde langlebige, stabile Halbleitertechnologie verbaut, die einzelnen Bedien- und Rechnerkomponenten miteinander verkabelt, und ein komplizierter Schaltplan sorgte dafür, dass der 55 Tonnen schwere Panzer bei Geschwindigkeiten von über 60 km/h fahrende Ziele in einer Entfernung von bis zu 3.000 Metern mit einer hohen Ersttrefferwahrscheinlichkeit bekämpfen konnte. Auch die Nachtkampffähigkeit war beeindruckend.

Seit der Produktion des Loses 3 in den Jahren 1983 bis 1985, aus dem die Panzer des ÖBH stammen, gab es aber weitere erhebliche technische Fortschritte. So betreibt die DBW nun den „Leopard“ 2A6M, und der „Leopard“ 2A7 befindet sich in der Einführung. Schweden nutzt den „Stridsvagn“ 122, eine schwedische Version des „Leopard“ 2A5, den deutsche Panzeroffiziere unter der Hand als den besten „Leopard“, der je gebaut wurde, bezeichnen. Dänemark befindet sich ebenfalls in der Einführung des „Leopard“ 2A7. Kanada, dessen ehemaliger Generalstabschef meinte einst, dass die kanadischen Streitkräfte mit der Abschaffung der Kampfpanzer einen Mühlstein um den Hals abgeworfen hätten, hat wieder Kampfpanzer gekauft und verbessert ständig deren Rüststand. Der jüngste „Leopard“-Nutzerstaat ist Ungarn. Die Soldaten der Honvédség (Ungarische Streitkräfte) fiebern der Indienststellung von 44 Stück „Leopard“ 2A7 ab dem Jahr 2023 entgegen. Bis dahin haben sie zwölf Stück „Leopard“ 2A4 von Krauss Maffei Wegmann (KMW) geleast und werden auf diesem Modell vom PzB14 ausgebildet. Bei diesen Panzern handelt es sich um Fahrzeuge der niederländischen Streitkräfte, die 1996 an Österreich verkauft und von Österreich an KMW – das Stammhaus der Leopard-Produktion – weiterverkauft wurden, um in Ungarn den Umstieg vom T-72 auf den „Leopard“ 2A7 zu ermöglichen. Der Kreis schließt sich zwar nicht, zeigt aber, dass die Panzerwaffe der österreichischen Streitkräfte viel leistet, technisch aber längst im Pensionsalter angekommen ist.

 

Neue Nerven für den „Leopard“

Was muss eine Frischzellenkur umfassen, um den „Leopard“ 2A4 noch länger mit ausreichender Kampfkraft zu erhalten? Dies wird mit dem sperrigen Wort „Obsoleszenzbereinigung“ zusammengefasst. Die verbaute Elektronik stammt aus der Mitte der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre des vorigen Jahrhunderts. Diese Bauteile sind nicht mehr verfügbar, bzw. es können die neuen Komponenten damit nicht mehr gesteuert werden. Alle Maßnahmen der Nutzungsverlängerung in anderen Staaten – wie auch bei unserem Nachbarn Schweiz – erfordern daher als grundlegende, alle weiteren Maßnahmen bedingende, technische Voraussetzung den Einbau einer neuen Verkabelung. Dabei handelt es sich um einen Controller Area Network-(CAN-)Bus, eine offene Datenringleitung, die auch die Aufnahme weiterer oder neuerer Baugruppen ermöglicht. Durch die Sequenzierung der Daten wird die Leitung besser genutzt, und das System gibt die Datenleitung nach Priorität frei. Ein CAN-Bus ist notwendig, um die zunehmenden digitalen Informationen z. B. aus einem Führungsinformationssystem oder von zusätzlichen Sensoren, für aktive und passive PAL-Abwehrsysteme, die in weiterer Folge auch zur Drohnenabwehr genutzt werden können. Kurz gesagt, benötigen die österreichischen „Leoparden“ ein neues Nervensystem.

Klare Sicht

Nach der Erneuerung der Verkabelung ist der Austausch von essenziellen Baugruppen notwendig. Die Detektion von Zielen bis zu einer Entfernung von 4.000 Metern erfordert eine präzise, nachtkampffähige Optik für den Richtschützen und den Kommandanten. Die in der Version „Leopard“ 2A4 verbauten Wärmebildgeräte (WBG) sind zwar technisch grundsätzlich gleich mit jenen in den Versionen A5, A6 und A7, allerdings etwa 30 Jahre älter. Sie wurden zwar im ÖBH stetig instandgesetzt, aber noch nie erneuert. Außerdem müssen sich der Panzerkommandant und der Richtschütze das eine WBG des „Leopard“ 2A4 teilen, was nicht mehr dem Stand der Technik entspricht.

Die derzeitige Hauptoptik des Panzerkommandanten ist das Rundblickfernrohr „Peri“ (Periskop) R17A1. Dieses ist kreiselgesteuert und verfügt über keine Nachtsicht. Die Kreisel reagieren zudem empfindlich auf Hitze und Kälte, besonders im hohen Alter. Daher muss diese Optik ersetzt werden. Hier hat die Schweizer Armee einen brauchbaren Weg beschritten, bei dem die Aufnahme für das „Peri“ vergrößert und ein neues, nachtsichtfähiges Modell auf dem gleichen Platz verbaut wird.

Die letzte Sichteinrichtung, die betrachtet werden muss, ist jene des Panzerfahrers. Hier entspricht eine Kameralösung dem aktuellen Stand der Technik. Der Einbau einer Kamera bedingt einen Bildschirm am Fahrerplatz. Dieser könnte in weiterer Folge mit einem Führungsinformations- und Navigationssystem gekoppelt werden. Technisch ist die Übertragung des Bildes einer noch nicht vorhandenen Rückfahrkamera möglich. Eine Rückfahrkamera, wie sie heute in praktisch jedem Kleinwagen Standard ist, würde dem Schutz der Besatzung dienen, da sich der Kommandant während des Einweisens beim Rückwärtsfahren nicht außerhalb der Luke exponieren muss. Zusätzlich würde eine Rückfahrkamera die allgemeine Verkehrssicherheit ebenfalls erhöhen und ist alleine schon deshalb als Teil des Nutzungsverlängerungsprogramms zu überlegen.

 

Bewaffnung

Das Hauptcharakteristikum des Kampfpanzers ist seine Bewaffnung. Im Falle des „Leopard“ ist dies eine Glattrohrkanone Kaliber 120 mm. Ursprünglich wurde ein Rohr mit 44 Kaliberlängen (L44) verbaut. Als Antwort auf verbesserte Panzerungen kamen ab dem Modell A6 Kanonen mit 55 Kaliberlängen (L55) zum Einsatz. Zusätzlich wurden leistungsfähigere Munitionsarten entwickelt, die aber weiter mit der L44 verschießbar sind. Das L55-Rohr ist auf große Distanzen durch eine höhere Durchschlagsleistung gekennzeichnet. Allerdings zeigt sich, dass im bewaldeten und verbauten Gelände sowie beim Überschreiten tiefer Gräben die L55-Rohre Nachteile in der Beweglichkeit mit sich bringen. Daher ist das L44-Rohr mit seiner Einsatzschussweite im Großteil Österreichs mit seiner hügeligen Topographie als durchaus ausreichend zu betrachten. Bedarf besteht bei der Waffennachführanlage (WNA), die bei einer Digitalisierung des Panzers auf die auf dem Markt erhältliche elektrische – kurz E-WNA – umgebaut werden muss. Gleiches gilt für die Rohrbremsen: Hier sind nur mehr verstärkte, auf die höhere Druckbelastung durch leistungsgesteigerte Munition ausgelegte Rohrbremsen verfügbar und müssen daher gewechselt werden. Das koaxial gelagerte Maschinengewehr (MG) des Typs „FN-MAG“ wurde bereits überholt und den Bedürfnissen der Panzerbesatzung angepasst. Das Turmdach-MG, ebenfalls ein „FN-Mag“, ist brauchbar und nicht von Obsoleszenz betroffen.

Das Fahrgestell, die Wanne und der Turm bedürfen keiner Erneuerung, aber einer guten Überarbeitung. Die Wanne muss an den Bug- und Heckkanten verstärkt werden, um teilweise vorhandene Ermüdungserscheinungen nicht zu einem Ausfallsgrund werden zu lassen. Die beschriebenen Maßnahmen sind notwendig, um das System Kampfpanzer für die Ausbildung und den Einsatz weiter betreiben zu können und die sich auch budgetär in überschaubaren Grenzen halten.

Was noch möglich wäre

Die bisher beschriebenen Maßnahmen sind zur Nutzungsverlängerung des Kampfpanzers notwendig. Der Katalog einer umfassenden Kampfwertsteigerung ist jedoch weitaus umfangreicher. Technisch gesehen kann aus jedem „Leopard“ 2A4 ein A7 werden. Dies hat die Deutsche Bundeswehr mit massivem Geldeinsatz bewiesen. So könnten neben einer Drohnendetektions- und abwehrfähigen Waffenstation – wie sie Kongsberg anbietet – und aktiven Schutzmaßnahmen gegen Panzerabwehrlenkwaffen (z. B. System „Trophy“) der Schutz gegen panzerbrechende Bombletmunition am Turm und Wannendach, die bereits beschriebene Panzerkanone L55, die zusätzliche Panzerung des Turmes und der Wanne sowie die Verstärkung der Bodenplatte zum besseren Minenschutz in Betracht gezogen werden. Das Tarnsystem „Barraccuda“ wäre konsequenterweise ebenfalls zu beschaffen. Weiters könnten Powercaps (elektrische Speicher; Anm.) die Spannungsspitzen aufnehmen sowie ein Hilfsaggregat verbaut werden, was aber nur mit Eingriffen in die Turm- und Wannenstruktur möglich wäre. Solche Metallarbeiten an Panzerstahl sind selbst für hochqualifizierte Facharbeiter aufwändig und damit zeit- und kostenintensiv.

All diese Maßnahmen führen zu einer Erhöhung des Gesamtgewichtes bis an die 70 Tonnen, weshalb Modifikationen am Fahrwerk notwendig wären. Dies würde ebenfalls einer Verstärkung der Drehstäbe und zusätzlicher hydraulischer Endanschläge bedürfen. Der höhere und teure Kettenverschleiß sei hier zur Komplettierung des Bildes angeführt. Wären all diese Komponenten verbaut, müsste man ihnen in weiterer Folge beibringen, sich digital zu verstehen, was zeit- und damit kostenintensiv ist.

 

Option Nutzenverlängerung

Statt einer umfassenden Kampfwertsteigerung wäre es jedoch auch möglich, rasch und umfassend in die Breite zu gehen und die Gesamtzahl der im Organisationsplan des Panzerbataillons festgelegten Panzer einer reinen Nutzungsverlängerung zu unterziehen. Gesamtheitlich betrachtet ist die Verbandslösung mittelfristig zu bevorzugen. Wird eine gewisse verfügbare Stückzahl unterschritten, ist das System für den Kampf der verbundenen Waffen nicht ausreichend verfügbar. Dadurch ergibt sich eine Fähigkeitslücke für die gesamten Streitkräfte mit ihren interdependenten Waffengattungen. Außerdem müssten die Soldaten des Panzerbataillons zwei Typen an Kampfpanzern beherrschen. Dies führt wiederum zu einem gesteigerten Ausbildungs- und Übungsbedarf, der schwer zu bewerkstelligen und höchst unwirtschaftlich wäre. Die Mischung von Rüstständen ist logistisch komplex, da zwei Systeme mit unterschiedlichen Ersatzteilen zu versorgen sind. Daher hat sich in vielen europäischen Ländern die Ebene kleiner Verband als jene Ebene erwiesen, die als absolutes Minimum betrieben werden muss.

Die bereits erwähnten ungarischen Streitkräfte sind von der Ein-Kompanie-Lösung wieder abgerückt, da der logistische sowie der Ausbildungsaufwand in Relation zur geringen Kampfkraft zu hoch waren. Die Anschaffung des Topmodells „Leopard“ 2A7 war der nicht vorhandenen Verfügbarkeit von kostengünstigeren Varianten, wie eines gebrauchten Bataillons „Leopard“ 2A5/6, geschuldet. Dieser enorme Sprung in der Technik ist eine große Herausforderung für die Besatzungen. Solche schwierigen Erfahrungen machen die Panzertruppen von Deutschland und Dänemark ebenfalls mit dem scheinbar kleinen Schritt vom Leopard 2A6 auf den A7 durch.

Fazit

Der Kampfpanzer „Leopard“ 2A4 hat sein technisches Lebensende erreicht. Für eine Weiterverwendung gibt es zwei Möglichkeiten. Zum einen kann eine geringe Stückzahl Kampfpanzer mit bestmöglichem Rüststand durch Nutzungsverlängerung mit einhergehender Kampfwertsteigerung modernisiert werden, was jedoch hohe Kosten mit sich bringt. Zum anderen ist die breite Verbandslösung durch eine reine Nutzungsverlängerung durch Obsoleszenzbereinigung für alle in Verwendung stehenden Panzer möglich. Aufgrund der aufgezählten Fakten scheint die zweite Variante die bessere zu sein. Dies vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass der Mensch und nicht die Maschine der entscheidende Faktor auf dem Gefechtsfeld ist. Eine gewisse Breite in der Ausbildung und der verfügbaren Stückanzahl an Kampfpanzern muss weiterhin gegeben sein, um in den österreichischen Streitkräften den gebotenen Anforderungen zu genügen.

Oberstleutnant Mag.(FH) Jörg Loidolt, MA; Kommandant Panzerbataillon 14.

 

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