• Veröffentlichungsdatum : 15.03.2022
  • – Letztes Update : 24.03.2022

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  • 434 Wörter
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Lager Liebenau. Ein Ort verdichteter Geschichte

Barbara Stelzl-Marx

Barbara Stelzl-Marx (Hg.)

Lager Liebenau

Ein Ort verdichteter Geschichte

238 Seiten, 24 x 30 cm, gebunden mit Softcover, Bilder (Farbe und S/W) und Karten

€ 20,-

ISBN 978-3-7011-0388-1 

Leykam Verlag

„Vergangenheit kann man nicht bewältigen, man kann sie nur verantwortlich zu verstehen versuchen.“ Mit diesem Zitat des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker beginnt das Vorwort des ehemaligen Grazer Bürgermeisters Siegfried Nagl. Besser lässt sich dieser Sammelband zur Ausstellung „Lager Liebenau. Ein Ort verdichteter Geschichte“ der Stadt Graz und des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung im GrazMuseum, die vom November 2018 bis April 2019 zu sehen war, nicht beschreiben. Schließlich folgt dieses Werk, mit dem die Ausstellung auch noch Jahre später „besucht“ werden kann, konsequent dem Credo von Weizsäckers Zitat. Dabei widmet sie sich dem dunkelsten Kapitel der Geschichte der steirischen Landeshauptstadt, die von den Nationalsozialisten als „Stadt der Volkserhebung“ bezeichnet wurde.

Viele Wörter von Weizsäckers Zitat beginnen mit dem Buchstaben „V“: Vergangenheit, verantwortlich, verstehen und versuchen. Das „V“ begleitet, so wie der Satz, das gesamte Buch, welches in die sechs Kapitel: verführt, verschleppt, vernichtet, verurteilt, vergessen und vermittelt unterteilt ist. In diesen wird die komplexe Geschichte des Lagers Liebenau (ursprünglich als Lager V für volksdeutsche Umsiedler erbaut) als Teil des Grazer „Lagerarchipels“ mit insgesamt 36 Lager dargestellt. In 28 Artikeln, die unter anderem von renommierten Historikern wie Stefan Karner, Barbara Stelzl-Marx, Heidemarie Uhl oder Georg Hoffmann verfasst wurden, werden de facto alle Aspekte des Themas aus verschiedenen Blickwinkel bearbeitet. Dabei werden die Hintergründe zu den historischen Entwicklungen, die zum Bau des Lagers geführt haben, genauso erörtert wie die dort verübten Verbrechen und deren Hintergründe. Der Fokus des Buches liegt bei der Erinnerungskultur und somit bei dem Umgang mit diesem Ort und seiner Geschichte. Interessant ist, dass als Anknüpfungspunkt für die Auseinandersetzung mit dem aktuellen Erinnern und Gedenken in Liebenau die Nachkriegsjustiz in der damals britischen Zone dient, bei der tausende Akten angelegt wurden.

Das vorliegende Buch ist aus mehreren Gründen gut gelungen und deshalb empfehlenswert – auch für Personen ohne Ortsbezug zu Graz. So wird die lokale Geschichte eines Ortes während der nationalsozialistischen Herrschaft (vor allem in der brutalen Endphase), mit ihren vielen Facetten breit, aber dennoch in einer verständlichen Sprache bearbeitet. Das ansprechende und moderne Layout ist mit übersichtlichen sowie aussagekräftigen Grafiken, Fotos und Karten ergänzt, die zu einer Besichtigung der Orte einladen. Damit ist dieses Werk nicht nur ein interessantes Nachschlagewerk für Lokalgeschichte, sondern auch ein Vorbild für künftige Werke, die sich mit Geschichte und Erinnerung in einem ansprechenden Format auseinandersetzen möchten. In Anlehnung an Weizsäckers Zitat ist es damit ein überaus gelungener Versuch, die Vergangenheit verantwortlich zu verstehen.

-keu-

 

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