• Veröffentlichungsdatum : 11.01.2018

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Das Arbeitstier

Norbert Huber

Seit den 1990er Jahren ist der "Pandur" ein zuverlässiger Begleiter der österreichischen Soldaten und beispielsweise bei Auslandsmissionen im Einsatz. Die intensive Verwendung der Fahrzeuge führt bei vielen Bedarfsträgern zu Engpässen. Die Beschaffungsoffensive des Österreichischen Bundesheeres (ÖBH) machte jetzt den Weg frei für eine Neuanschaffung - den "Pandur Evolution".

Der „Pandur“ ist das Ergebnis der Produktion einer eigenständigen, leichten österreichischen Panzerfamilie durch die Firma Steyr Spezialfahrzeuge GmbH. Beschafft wurde er ab 1994, vor allem um den Soldaten bei Auslandseinsätzen Schutz zu bieten. Nach gut 20 Jahren Einsatz im ÖBH, wurde für das „Arbeitstier“ der Infanterie ein Update entwickelt, um es fit für die nächsten Jahre zu machen. Darüber hinaus konnte die „Pandur“ 1- Flotte durch den Erwerb von sieben zusätzlichen Fahrzeugen aus Belgien ergänzt werden. Die 2016 beschlossene „Sicherheitsmilliarde“ ermöglichte außerdem die lang geplante Beschaffung von neuen „Panduren“. Dieses Projekt trägt (vorerst) den Namen „Pandur Evolution“ (EVO) und stellt eine Weiterentwicklung des bisherigen 6x6-Fahrzeuges dar.

"Pandur" 1 - Entwicklung und Geschichte

Ursprünglich wurde der „Pandur“ 1 von den österreichischen Streitkräften 1996 als Fahrzeug für die neu erkannten Bedürfnisse in Auslandseinsätzen eingeführt. Die Auslegung beruhte auf den Erfahrungen, die österreichische Soldaten bei friedenserhaltenden Einsätzen erworben hatten. International wurde der Pandur 1 nach Belgien, Slowenien und in den Nahen Osten verkauft. Später beschaffte auch das U.S. Special Operations Command einige „Pandur“-Fahrzeuge. Ausschlaggebend waren vermutlich seine geringe Größe, die leichte Luftverlastbarkeit (z.B. mit der C130 „Hercules“) und die hohe Mobilität.

Dem Bedarf nach mehr Platzangebot und Nutzlast folgend, entwickelte die Firma Steyr Spezialfahrzeuge (SSF) in Wien neben dem 6x6-Fahrzeug „Pandur“ 1 auch ein 8x8-Fahrzeug - den „Pandur“ 2. Dieser setzte sich bei Ausschreibungen gegen die Konkurrenz in der Tschechischen Republik und in Portugal durch, wo er deshalb in den Armeen verwendet wird.

Der Weg zur Beschaffung des "Pandur" EVO

Der Einsatz des österreichischen Kontingentes im Kosovo ab 1999 bedurfte einer erheblichen Anzahl von „Panduren“. Erst langsam konnte mit der Verbesserung der Sicherheitslage vor Ort eine Reduktion der Fahrzeuge im Einsatzraum erreicht werden. Trotzdem war der Bedarf an den Mannschaftstransportfahrzeugen hoch. Die aufwachsenden Kaderpräsenzeinheiten (KPE) mussten an diesem Fahrzeug ausgebildet werden; die jährlichen Rotationen für KFOR waren vorzubereiten. Bei sehr vielen Einsatzplanungen wurde der „Pandur“ mehrfach verwendet. Dies führte zur Antragstellung für eine Beschaffung von Radpanzern oder Fahrzeugen für den geschützten Transport von Infanteriegruppen.

Die geringen Budgets der letzten zehn Jahre erlaubten jedoch keine Umsetzung dieses Bedarfes. Das Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport (BMLVS) versuchte andere, kostengünstigere Lösungen zu finden. So wurden „Allschutztransportfahrzeuge“ (ATF) gesucht, die eine Gruppe Soldaten geschützt transportieren konnten. Die Lösung wurde allerdings verworfen, da die ATF eine geringere Mobilität aufweisen, weil sie meist auf einem LKW-Fahrgestell basieren. Außerdem bietet das Fahrzeug durch den höheren LKW-Aufbau eine größere Zielfläche. Die stärkere Bindung an Straßen und Wege für 4x4-Fahrzeuge nimmt zudem Handlungsmöglichkeiten im Einsatz. Für längere Märsche, Patrouillen- oder Unterstützungstätigkeiten ist die Nutzung von Straßen oder Wegen weiterhin zweckmäßig - womit auch die Verwendung von 4x4-Fahrzeugen sinnvoll ist. Weitere gefechtstechnische Handlungen erfordern jedoch zusätzlich das Ausnützen des Geländes. Neben einem Kettenfahrzeug lässt sich dies durch „Radpanzer“ am besten erfüllen.

Das Ergebnis der Prüfung war, dass die Anzahl der MTPz „Pandur“ nicht ausreichend ist. Die personelle Basis für die Verwendung des „Pandurs“ sollte durch Zuordnung zu zumindest einem weiteren Jägerbataillon verbreitert werden. Das ATF als Truppfahrzeug wird zwar als zweckmäßig und kostengünstig beurteilt, es darf aber nicht das alleinige Fahrzeug der österreichischen Jägertruppe werden.

Zielsetzungen

Die traditionell geringen Mittel, die in Österreich dem Landesverteidigungsbudget zugeordnet werden, führten dazu, wenige Flotten zu betreiben und eine „Multifunktionalität“ innerhalb einer Flotte zu erreichen. Die neuen Aufgaben bedeuteten auch eine deutliche Reduktion der gepanzerten Kettenfahrzeuge. Während der Schützenpanzer „Ulan“ als Flotte erhalten bleibt, wurde die leichte österreichische Schützenpanzerfamilie vom Typ „Saurer“ zur Gänze ausgesondert. Als Ausgleich zu dieser deutlichen Reduzierung der mechanisierten Truppe wurde ein Schwergewicht bei den gepanzerten Radfahrzeugen gesetzt. Diese führte zur Beschaffung des „Husars“, zur Nachbeschaffung einer kleinen Stückzahl an ATF-San sowie zur Modifikation des „Pandur“ 1 in mehreren Schritten. Die budgetären Auswirkungen der Wirtschaftskrise verzögerten die geplanten Beschaffungen von ATF und zusätzlichen Mannschaftstransportpanzern.

Die Flüchtlingskrise 2015 führte jedoch zu einer Neubewertung der Frage der inneren und äußeren Sicherheit. Der Abbau von Fähigkeiten beim ÖBH machte dessen Konsequenzen unter dem Stichwort „Mobilitätskrise“ greifbar und auch für die Bürger verständlich. Das Parlament forderte einen Bericht und in der Folge eine Trendwende bei der Ausrüstung der Streitkräfte ein. Im Rahmen der „Sicherheitsmilliarde“ wurden dem BMLVS Geldmittel zur Verfügung gestellt. Nun konnte auf die fertigen Planungen zur Vergrößerung der ATF „Dingo“- und „Pandur“-Flotte zurückgegriffen werden. In einer engen Abstimmung zwischen der Fachabteilung Waffensysteme und Munition, dem langjährigen Nutzer (Jägerbataillon 17) und den Herstellern konnte in kurzer Zeit ein Beschaffungspaket geschnürt werden. Der Weg war frei für die Nachbeschaffung von 34 neuen „Pandur“ EVO.

Konzeption

Das Konzept des „Pandur“ EVO beruht auf mehreren Überlegungen. Zum einen ist ein dem technischen Stand entsprechender passiver Schutzfaktor gegen ballistische Bedrohungen, gegen Minen und insbesondere gegen „Improvised Explosive Devices“ (IED) herzustellen. Zum anderen ist das Raumangebot zu verbessern, um eine Infanteriegruppe von acht Soldaten aufnehmen zu können. Die Seitenwände des Fahrzeuges sind steiler hochgezogen, um das Platzangebot zu verbessern. Mit dem Einbau einer Heckrampe ändert sich auch die Art des Absitzens der Soldaten.

Der Verzicht auf eine vierte Achse bedeutet Einbußen im Raumangebot sowie in der Nutzlast. Hier war ein Kompromiss zwischen Mobilität, Schutz und Wirkung zu finden. Die Fahrzeuge befinden sich in einem konstanten Wechsel von Bewegung und stationären Tätigkeiten. Das ununterbrochene, mehrstündige Verweilen im Fahrzeug stellt eher eine Ausnahme dar. Daher wird einem kleineren, agileren Fahrzeug der Vorzug gegeben. In Österreich wird die geringe Größe des „Pandurs“ geschätzt, weil er dadurch beweglicher wird. Die Agilität im Gelände wird zudem als Schutzfaktor gesehen. Wird eine „schwerere“ Unterstützungsfunktion als die derzeitige Waffenanlage verlangt, so sind technisch engere Grenzen als bei einem 8x8-Fahrzeug gesetzt. Eine derartige Unterstützungsfunktion (z. B. Kanonen mit einem Kaliber von mehr als 2 cm) muss durch eigene Fahrzeuge erfolgen.

Fahrwerk und Aufbau

Wie oben angeführt, wird die 6x6-Fahrwerkskonfiguration beibehalten, um eine möglichst hohe logistische Gleichheit zu erzielen. Fahrwerk und Motorleistung wurden so verändert, dass das erhöhte Gefechtsgewicht bewältigt werden kann. Mit einem Verhältnis von ca. 20 kW/t ist der „Pandur“ EVO bestens motorisiert. Die Fahrzeugabmessungen erhöhen sich gegenüber dem „Pandur“ 1. Aufgrund der 6x6-Variante ist das Fahrzeug kürzer als seine 8x8-„Kollegen“ und bietet daher auch eine kleinere Angriffsfläche.

Schutz

Durch die geforderte Schutzkonzeption konnte der Schutz gegenüber dem ursprünglichen „Pandur“ 1 in allen Bereichen signifikant angehoben werden. Der Grad des Schutzes orientiert sich an den übrigen Fahrzeugen wie „Husar“, „Dingo“ etc., sodass allen Soldaten ein ähnlicher Schutzlevel geboten werden kann. Damit können die gepanzerten Räderfahrzeuge des Bundesheeres in einem Einsatz flexibel verwendet werden. Eine Anpassung der Panzerung bei Weiterentwicklungen in der Schutztechnik wird möglich sein. Das Schutzkonzept umfasst auch ein Verstausystem sowie Sitze, die die Belastungen, beispielsweise beim Auslösen von Sprengkörpern, verringern. Ein Rundumsichtsystem und eine ABC-Anlage komplettieren den Schutz des Fahrzeuges.

Waffenstation

Eine zentrale Rolle, sowohl bei der Erhöhung des Schutzes als auch der Verbesserung der Aufklärungs- und Durchsetzungsfähigkeit, kommt der elektrisch fernbedienbaren Waffenstation zu. Diese ist als zentrale Waffenstation des Bundesheeres konzipiert und findet in allen Fahrzeugen, die dafür vorgesehen sind, Anwendung. Sie lässt die Verwendung verschiedener Waffen zu (MG 7,62 mm, üsMG 12,7 mm und 40-mm-Granatwaffe). Eine Wurfanlage zur zielgerichteten Verwendung von Nebelwurfkörpern ist vorhanden. Der mit der Waffenstation verbundene taktische Rechner ist zugleich Anlaufpunkt für ein Waffeneinsatz- oder Battle Management-System.

Die Waffenanlage wirkt auch im Verbund mit dem Führungssystem des Kommandanten. Dieser kann die Sichtmittel der Waffenanlage nutzen und bei Bedarf den Bordschützen auch übersteuern. Sein Kommandantendisplay stellt auch den Schnittpunkt zur Darstellung des Führungsinformationssystems dar. Der Rechner ist auch die Schnittstelle zu weiteren Sensoren. Als vordringlich werden Schussortungssysteme betrachtet. Die Beschaffung zur Einrüstung von C-IED Systemen, die elektromagnetische Signale aufklären und unterdrücken, ist bereits erfolgt. Eine Verwendung dieser Systeme im „Pandur“ EVO sowie die Einbindung von nicht oder minder letalen Wirkmitteln wird beurteilt.

Umsetzung

Die Umsetzung des „Pandur“ Evolution-Programmes erfolgt durch die Fachabteilung Waffensysteme und Munition in einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Kommando Landstreitkräfte, insbesondere mit den unmittelbaren Nutzern, dem Amt für Rüstung und Wehrtechnik und schlussendlich mit dem Hersteller. Die Wertschöpfung erfolgt durch den Zusammenbau verschiedener Komponenten sowie durch eine große Zahl an eingebundenen Zulieferbetrieben, die in einem hohen Ausmaß aus Österreich kommen. Damit kann vorhandenes technisches „Know-how“ in Österreich erhalten und weiterentwickelt werden.

Ausblick

Derzeit wurde nur die erste Tranche einer Infanterievariante mit 34 Stück unter Vertrag genommen. Die Lieferung der ersten Fahrzeuge für die Truppe ist ab Ende 2018 geplant. Auch bei Weiterverwendung eines modifizierten „Pandur“ 1 werden zur Ausrüstung von Jägerverbänden weitere Fahrzeuge benötigt. Die „Lücke“, die mit der Aussonderung der Schützenpanzer „Saurer“ entstanden ist, konnte noch nicht adäquat geschlossen werden. Zur Bergung von Verletzten werden mehr Sanitätspanzer benötigt; über ein Fahrzeug, das den Schutz der Pioniere gewährleistet, muss noch entschieden werden. Die Entwicklung des „Pandur“ 1 und des „Pandur“ EVO wird als kontinuierlicher Prozess der Modell- und Systempflege mit Schwergewicht „Schutz“ fortgesetzt, um bestmöglich auf künftige Herausforderungen reagieren zu können.

Die angestrebte hohe Gleichheit der Flotten zwischen „Pandur“ 1 und „Pandur“ EVO soll helfen, die Kosten der Logistik niedrig zu halten und die Systeme mit einer möglichst geringen Anzahl an Spezialisten zu betreiben. Damit soll erreicht werden, dass auf wechselnde Anforderungen in verschiedenen Einsatzräumen schnell reagiert werden kann. Ein entsprechendes „Know-how“ durch die Erfahrungen im eigenen Bereich schafft für die eingesetzten Soldaten Sicherheit bei ihren Einsätzen. 

Brigadier MMag. Norbert Huber ist Leiter Direktion und Amt für Rüstung und Beschaffung.

 

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