• Veröffentlichungsdatum : 12.05.2023

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Wie Demokratien enden

Christoph Nonn

Christoph Nonn (Hg.)

Wie Demokratien enden

Von Athen bis Putins Russland

Brill/Ferdinand Schöningh, Paderborn; 2020

€ 35,88

14,4 x 21,8 cm, Festeinband, 328 Seiten

ISBN: 978-3-506-70445-0

Demokratie scheint für einen Europäer etwas Selbstverständliches zu sein. Dass sie gefährdet sein könnte, ist vielen nicht auf den ersten Blick bewusst. Ein Blick über die österreichischen Grenzen zeigt jedoch, dass nicht alle Staatsmänner und Regierungen bzw. die hinter ihnen stehenden Parteien und deren Unterstützer, liberale Demokraten sind. Aber selbst in Österreich beschränkt sich das demokratische Verständnis, sowohl der Regierenden als auch der Regierten, häufig auf die Möglichkeit alle paar Jahre wählen zu können bzw. zu „müssen“. Eine Einstellung, die für die Existenz einer liberalen Demokratie, auf die Herr und Frau Österreicher eigentlich stolz sind, doch bedenklich erscheint.

Das vorliegende Buch widmet sich weniger einem philosophischen oder normativen Ansatz, sondern stellt historische Prozesse in Staaten objektiv dar, die Demokratien waren und zu Diktaturen wurden. In 13 Kapiteln (inkl. Einführung und Zusammenfassung) werden unter anderem das Entstehen des faschistischen Italiens und des NS-Regimes in Deutschland, aber auch der Franko-Diktatur in Spanien oder der Pinochet-Ära in Chile behandelt. In elf Fallstudien (jeweils etwa 30 Buchseiten) beschreiben die Autoren, jene für sie relevanten Prozesse, warum die dortigen Demokratien – die meisten nur vorübergehend, jedoch für mehrere Jahre oder Jahrzehnte – zu Diktaturen wurden. Obwohl der Fokus auf dem 20. Jahrhundert liegt, werden auch das antike Griechenland (Athen), Frankreich nach der Revolution 1789 sowie – besonders aktuell – das Entstehen der autokratischen Strukturen des heutigen Russlands thematisiert. Eine Betrachtung der Verhältnisse im Österreich der 1930er-Jahre fehlt jedoch – ein Manko, auch für die potenzielle österreichische Leserschaft.

Die einzelnen Abschnitte sind je nach Autor von unterschiedlicher Qualität hinsichtlich des analytischen Ansatzes bzw. der Lesbarkeit und Relevanz, welche wiederum vom Interesse des Lesers abhängt. Ohne Vorwissen zu den behandelten Fällen ist es nicht einfach, die beschriebenen Prozesse in ihrer Tiefe zu verstehen und die dargestellten – teils komplexen, jedoch klar und verständlich beschriebenen – Vorgänge zu erfassen. Wenn dieses Wissen vorhanden ist, öffnen die Darstellungen einen profunden Blick auf jene Strukturen, Prozesse und Inhalte, die damals relevant waren, und beim Beispiel Russland noch sind.

Ein besonderer Mehrwert des Werkes ist, dass vor allem jene Aspekte im Vordergrund stehen, die der breiten Öffentlichkeit wohl weniger bekannt sind. Damit liefert es wertvolle Puzzlesteine, nicht nur für die Demokratieforschung, sondern auch für ein allgemeines historisches und politisches Verständnis. In diesem Kontext sind vor allem die Darstellung der Inhomogenität politischer Kräfte und die Motivationslagen der Kräfte, die sie unterstützen (von der Gesellschaft bis zur Wirtschaft) spannend.

Fazit: Das vorliegende Werk ist hinsichtlich seines Aufbaues ein Vorbild, wie man ein politikwissenschaftliches Thema mit historischem Ansatz, wissenschaftlich anspruchsvoll, verständlich und mit hohem Erkenntnisgewinn gestalten kann. Vor allem die Frage, die im Buchtitel gestellt wird, also „wie Demokratien enden“, wird vom Herausgeber Christoph Nonn treffend und prägnant am Ende des Werkes beantwortet, wenngleich er auf die Limitationen des historischen Ansatzes hinweist. Alle, die sich für Politik und Geschichte interessieren werden mit diesem Buch eine Freude haben.

-keu-

 

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