Sniper

Christin Désirée Rudolph
Sniper – Die Scharfschützen der Bundeswehr
Verlag: Motorbuch Verlag
Erscheinungsjahr: 2025
368 Seiten, 175 Illustrationen
ISBN-13: 978-3-613-04656-6
29,90 €
„Die liegen ja bloß da!“ – mit diesem Ausruf würden militärische Laien wohl die Szenerie umreißen, die sich vor ihrem inneren Auge beim Gedanken an einen Scharfschützen entfaltet: bereits im Versteck eingenistet, in perfekter Schussposition, den Körper vollkommen regungslos, den Blick konzentriert durch die Zieloptik einer Präzisionswaffe gerichtet.
In ihrem Werk „Sniper – Die Scharfschützen der Bundeswehr“ möchte Christin-Désirée Rudolph den Vorhang zu einer Welt öffnen, die für Außenstehende meist im Verborgenen bleibt. Sie versucht die Ausbildungsgänge, das taktische Vorgehen sowie die besonderen Fähigkeiten und Fertigkeiten dieser verdeckt operierenden Elitekräfte zu beleuchten – und rückt damit ein Berufsbild in den Fokus, das in der öffentlichen Wahrnehmung häufig auf ein statisches Bild reduziert wird.
In Teil 1 skizziert Rudolph die historische Entwicklung des Scharfschützenwesens – von den jagenden und sammelnden Gemeinschaften der Vorzeit über den zunehmenden Einsatz von Handfeuerwaffen im Spätmittelalter bis hin zur Etablierung moderner Präzisionsschützen im Ersten Weltkrieg. Teil 2 führt den Leser in die komplexe Ausbildung der Sniper ein: Körperliche und mentale Fitness bilden dabei lediglich das Fundament. Anwärter müssen zudem eine außergewöhnliche Frustrationstoleranz mitbringen, charakterliche Eignung beweisen sowie Geduld und Anpassungsfähigkeit in höchstem Maße verkörpern – wahre „Chamäleons“ des Gefechtsfeldes. Als besonderes Plus ergänzt Rudolph diesen Abschnitt um Interviews mit einem aktiven Scharfschützen, einem Ausbildungsleiter und Vertretern des Kommandos Spezialkräfte. Teil 3 und Teil 4 widmen sich der Ausrüstung und der Ballistik, während Teil 5 mit prägnanten Porträts von Persönlichkeiten aufwartet, die die Autorin als „legendär“ einstuft – darunter auch zwei weibliche Scharfschützen des Zweiten Weltkrieges. Den Abschluss bildet Teil 6, in dem die Darstellung von Scharfschützen in Film und Fernsehen unter die Lupe genommen wird.
Das Buch ist klar strukturiert und insgesamt angenehm zu lesen – easy on the eye, wie man im Englischen sagen würde. Zahlreiche Illustrationen und Fotografien lockern den Text auf und erleichtern den Zugang, selbst bei technischeren Passagen. Positiv hervorzuheben ist zudem, dass Rudolph durchgängig gendert und den Blick auch auf weibliche Scharfschützen lenkt – ein Aspekt, der im militärhistorischen Kontext selten Beachtung findet. Umso bemerkenswerter wirkt daher die Feststellung der Autorin, dass bis heute keine Soldatin der Bundeswehr die Ausbildung zur Scharf- oder Präzisionsschützin absolviert hat.
Gleichwohl bleibt eine kritische Einordnung angebracht. So weist das Buch im sprachlichen Bereich deutliche Schwächen auf – bereits im Vorwort finden sich zahlreiche Kommafehler, was auf ein nicht konsequent durchgeführtes Lektorat schließen lässt. Auch inhaltlich ist nicht jede Passage gleich überzeugend: Im historischen Teil finden sich Passagen, die stark an öffentlich zugängliche Onlinequellen erinnern, ohne dass dies durchgehend transparent gemacht wird. Fachlich versierte Leser könnten zudem feststellen, dass bestimmte Themen – etwa Ausrüstung, ballistische Details oder verschiedene Schießtechniken – nur oberflächlich behandelt werden, während andere Abschnitte durch eine Vielzahl wenig aussagekräftiger Bilder in die Länge gezogen werden.
Insgesamt bietet „Sniper – Die Scharfschützen der Bundeswehr“ einen leicht zugänglichen Überblick und interessante Einblicke in ein für viele Leser unbekanntes Fachgebiet. Wer jedoch eine tiefgehende, aus erster Hand recherchierte Abhandlung mit hoher Detailtiefe und technischer Präzision erwartet, wird möglicherweise enttäuscht sein.
-gam-