• Veröffentlichungsdatum : 02.09.2025

  • 15 Min -
  • 3051 Wörter

Codewort Broken Arrow

Michael Schrenk

Anfang 2024 verkündeten Medien, dass der Strand im spanischen Palomares nach dem dortigen Nuklearunfall endgültig für die Bevölkerung freigegeben ist. Immerhin – denn der Unfall, bei dem es „Atombomben von Himmel regnete“, ereignete sich bereits 1966. Die Dekontaminationsarbeiten konnten bislang nie zufriedenstellend abgeschlossen werden.

Der Nuklearwaffenunfall vom 17. Jänner 1966 wird in der US-amerikanischen Militärterminologie als „Broken Arrow“ bezeichnet – ein Vorfall mit Nuklearwaffen, der keine unmittelbare Gefahr eines Nuklearkrieges darstellte. In diesem Fall kontaminierten drei Kilogramm Plutoniumstaub ein bewohntes Gebiet im Ausmaß von mehreren Quadratkilometern.

Broken Arrow

Bei einem sowjetischen nuklearen Erstschlag auf das Gebiet der USA wurde befürchtet, dass ein Gegenschlag mit den dort stationierten strategischen Waffen nur mehr begrenzt durchführbar sein würde. Daher waren von 1960 bis 1968 mit Nuklearwaffen bestückte Langstreckenbomber Boeing B-52 ständig in der Luft. Diese flogen auf Routen, die teilweise den Nahbereich zur Sowjetunion abdeckten. Die Operation lief unter dem Namen „Chrome Dome“ und sollte garantieren, dass im Anlassfall innerhalb von zwei Stunden US-Bomber tief im Feindgebiet ihre strategischen Nuklearwaffen einsetzen konnten.

Die Bomber starteten und landeten auf Basen in den USA, waren 24 Stunden in der Luft und mussten während des Fluges durch Boeing KC-135A „Stratotanker“ betankt werden. Am 17. Jänner 1966 schlug ein Betankungsmanöver in der „Saddle Rock Refueling Area“ über der südspanischen Küste fehl. Aufgrund einer zu schnellen Annäherung verfehlte ein B-52-Pilot den Tankrüssel, der unmittelbar danach gegen die Tragflächenaufhängung krachte und dabei die linke Tragfläche abriss. Durch einen Funkenüberschlag entzündete sich der Treibstoff der Betankungsmaschine, die in einem Feuerball aufging. Alle vier Besatzungsmitglieder der KC-135A verbrannten, während sich vier der insgesamt sieben B-52-Besatzungsmitglieder mit Fallschirmen retten konnten.

Die Trümmer der beiden Maschinen fielen aus einer Höhe von 9 000 Metern auf die spanische Küstenregion im Bereich des andalusischen Dorfes Palomares hinab. Darunter befanden sich vier Wasserstoffbomben vom Typ B28RI mit einer Sprengkraft von je 1,45 MT. Bei zwei Nuklearwaffen öffnete sich planmäßig der Bremsschirm, während die beiden anderen auf dem Boden durch Zündung des konventionellen Sprengstoffes explodierten und Krater rissen. Die Bomben besaßen schon damals Sicherheitsvorrichtungen gegen unbefugtes oder unfallbedingtes Zünden des Nuklearteiles. Dadurch konnte eine nukleare Kettenreaktion verhindert werden, jedoch waren mindestens drei Kilogramm des spaltbaren Materials Plutonium pulverisiert und durch die Sprengkraft sowie den vorherrschenden Wind großflächig verteilt worden. Eine der zwei fallschirmgesicherten Bomben fiel auf das Festland, die andere versank außerhalb der Küste nach einer Wasserlandung im Meer. Sofort nach dem Unglück wurde in der U.S. Air Force das Codewort „Broken Arrow“ ausgegeben – ein Alarmruf für verlorene Atomwaffen und die spätere Bezeichnung für diesen Unfall der US-Atomstreitkräfte.

Bombensuche

Zum Unfallzeitpunkt fand in unmittelbarer Nähe eine weitere Betankung eines B-52-Bombers statt. Von diesem aus konnte der Feuerball durch die Entzündung von 150 000 Litern Kerosin beobachtet werden. Der Absturz wurde jedoch erst eine halbe Stunde später durch die Besatzung bestätigt, weil der Betankungsvorgang nicht abgebrochen werden konnte und das Flugzeug erst im Überflug, bei einer Höhe von 4 000 Fuß, die Wrackteile und Brände auf dem Boden erkannte. Auch die lokale Bevölkerung beobachtete den Feuerball und den Absturz der Flugzeugtrümmer und meldete diesen den Polizeikräften der Guardia Civil. Über beide Kanäle wurde der Unfall an die südspanische Morón Air Base gemeldet, von der aus die ersten US-Suchmannschaften entsandt wurden.

Das Auffinden und die Sicherung der verlorenen Wasserstoffbomben hatten höchste Priorität. Keiner der Suchtrupps war anfänglich mit ABC-Schutzbekleidung oder ABC-Schutzmasken ausgestattet. Rasch wurde eine gering beschädigte Bombe mit Fallschirm in einem ausgetrockneten Flussbett gefunden, von der keine radiologische Gefahr ausging. Zwei weitere Bomben explodierten beim Aufschlag und hinterließen Explosionskrater, die ebenfalls in kurzer Zeit gefunden worden waren. Obwohl man zu diesem Zeitpunkt schon annehmen konnte, dass radioaktives Material freigesetzt worden war, waren die Experten mit Strahlungsmessgeräten erst Stunden später vor Ort. Die Plutonium-Kontamination beschränkte sich nicht nur auf die Krater. Sie erstreckte sich über ein weitläufiges Gebiet aus Ackerland und Stränden – bis zum nie evakuierten Dorf Palomares.

Erst später wurde klar, dass durch die Explosion etwas mehr als drei Kilogramm Plutonium zerstäubt und durch den Wind auf einer Gesamtfläche von 170 Hektar verteilt worden waren. Die im Meer versunkene Nuklearwaffe konnte anfänglich nicht lokalisiert werden. Erst durch den Hinweis eines Fischers wurde sie – 80 Tage nach dem Absturz – acht Kilometer von der Küste entfernt geborgen. Dazu mussten 33 Wasserfahrzeuge der Marine das Suchgebiet sichern, während kleine U-Boote und Teams mit Taucherglocken den Meeresgrund in 800 Metern Tiefe absuchten. Nach zwei Wochen wurde die leicht eingebeulte Bombe lokalisiert und nach mehreren Versuchen geborgen. Die Kosten der Bergung beliefen sich auf elf Millionen Dollar. Insgesamt waren 3 000 Personen der Marine im Einsatz.

Räumung & Dekontamination

Für die Entfernung der Flugzeugteile und das Wiederherstellen des Bodens, der durch etwa drei Kilogramm Plutoniumstaub mit Partikelgrößen von unter einem Mikrometer bis zu einem Millimeter kontaminiert war, wurden 1 600 US-Soldaten und 100 Personen der Guardia Civil eingesetzt. Im Unterschied zu den ersten Kräften, die mit der Suche nach den Nuklearwaffen beschäftigt waren, wurden für diese bereits Schutzbekleidungen und Mund-Nasen-Masken ausgegeben, die aber nur geringen Schutz boten. Laut Angaben der US-Regierung waren die eigenen Soldaten auch mit Dosimetern ausgestattet und wurden regelmäßig auf Kontamination untersucht. Ein solches Service gab es zu diesem Zeitpunkt für die lokale Bevölkerung und die Angehörigen der Guardia Civil nicht.

Bei der Dekontamination wurde folgendermaßen vorgegangen:

  • Bei einer Flächenaktivität von über 1 200 kBq/m2 (Kilobecquerel pro Quadratmeter) wurde das Erdreich bis zu einer Tiefe von zehn cm manuell abgetragen und in 200 Liter Fässer geschaufelt; dies geschah vor allem in unmittelbarer Nähe der Einschlagstellen und umfasste eine Fläche von 850 m2;
  • bei einer Kontamination zwischen 1 200 und 120 kBq/m² wurde das Erdreich bis zu einer Tiefe von 25 bis 30 cm umgepflügt;
  • bei Werten unter 120 kBq/m² erfolgt das Pflügen mit einer variablen Tiefe von bis zu 25 cm;
  • Früchte und Vegetation auf Anbauflächen mit einer Belastung von über sieben kBq/m² wurden entsorgt – sie kamen in Fässer, die anschließend abtransportiert wurden. Wie sich später herausstellte, waren insgesamt 242 Hektar Agrarfläche betroffen.

Innerhalb von vier Monaten wurden 1 400 Tonnen aus Erde und Vegetation in 4 810 Fässern eingelagert und in die Vereinigten Staaten verschifft. Anfang April 1966 verließen alle Fässer die Küstenregion. 4 808 Fässer wurden in die Savannah River Facility in Aiken, South Carolina, zur Endlagerung transportiert. Zwei Fässer kamen für Forschungszwecke nach Los Alamos.

Unterschätzte Gefahr?

Die B28-Wasserstoffbombe mit dem W28-Gefechtskopf besteht aus zwei Nuklearteilen, auch Phasen genannt. Der Primärzünder ist eine Spaltbombe mit einem Kompositkern aus 2,5 Kilogramm waffenfähigem Plutonium (überwiegend Pu-239) und sieben Kilogramm waffenfähigem Uran (überwiegend U-235). Dieser Kern ist von einem Tamper, einer schweren Ummantelung aus mehreren Kilogramm Uran-238, die dazu dient, die Explosion effizienter zu machen, umhüllt. Zur Effizienzsteigerung enthält er geringe Mengen einer Lithium-6-Deuterium-Verbindung. Die zweite Phase ist für die Fusion verantwortlich. Dafür benötigt dieser Waffentyp mehrere Kilogramm Plutonium als „Zündkerze“, ein großes Volumen an einer Lithium-6-Deuterium-Verbindung sowie ein Tritium- und Deuterium-Gasreservoir. Sowohl der Spalt- als auch der Fusionsteil sind von einem dicken Mantel aus U-238 umhüllt.

Beim Palomares-Unfall wird meist nur die Zerstreuung von drei Kilogramm Plutoniumstaub thematisiert. Aufgrund der unterschiedlichen Radionuklide ist jedoch eine gemischte Zerstreuung mehrerer Kilogramm Nuklearmaterial wahrscheinlich. Erkenntnisse aus der Bergung der Nuklearwaffentrümmer weisen auf eine Gesamtmenge von etwa 20 kg Plutonium, 14 kg U-235 und mehreren Dutzend Kilogramm U-238 hin – eine hochrelevante Information für die ABC-Abwehr. Mittlerweile liegen wissenschaftliche Berichte vor, die das Vorhandensein von Uran-235 und Americium-241 bestätigen. Das Americium-241 stammt höchstwahrscheinlich aus dem Zerfall des Plutoniums-241 und nicht aus einer Neutronenquelle wie einem Am-241-Beryllium-Gemisch. Diese Bauweise erscheint plausibel, da in dieser Bombenvariante bereits ein elektrischer Neutronenstrahlgenerator integriert war.

Konsequenzen

Durch die Explosion in einer Höhe von 9 000 Metern verteilten sich die Trümmer der beiden Flugzeuge über ein Gebiet von 260 km². Davon waren nicht nur die Küstenregion mit ihren Agrarflächen, die Strände und das Meer, sondern auch die 2 000 Einwohner des Dorfes Palomares betroffen. Teile der Flugzeuge gingen direkt im Dorf nieder, jedoch ohne jemanden zu verletzen.

Die US-Regierung verhängte sofort eine Nachrichtensperre, um keine Aufmerksamkeit zu erregen – insbesondere nicht bei den Sowjets. Doch die Dorfbewohner und die internationale Presse identifizierten die knapp vier Meter langen „Silberdosen“ rasch als Atomwaffen, auch wenn das US-Verteidigungsministerium dies zunächst dementierte. In Pressekonferenzen gab das US-Militär nur zögerlich Informationen preis, was eine Protestwelle von Atomkraft- und Nuklearwaffengegnern auslöste. Der öffentliche Druck führte schließlich zu einem Flugverbot für NATO-Maschinen über spanischem Gebiet. Nur wenige Monate nach dem Unfall erklärten beide Regierungen die Angelegenheit für erledigt und bagatellisierten den Fall. Um diese Darstellung medienwirksam zu untermauern, nahmen der spanische Informations- und Tourismusminister sowie der damalige US-Botschafter demonstrativ ein Bad am Strand von Palomares.

1975 veröffentlichte die US-Regierung einen Abschlussbericht, worin es hieß, dass der Wind nach dem Unfall das stabförmige Plutonium verteilt habe und das gesamte Ausmaß der Kontamination niemals vollständig messbar sein werde. Erst zehn Jahre später erhielt ein Viertel der betroffenen Bevölkerung eine finanzielle Entschädigung, zudem wurde Geld für den Bau einer Meerwasserentsalzungsanlage bereitgestellt. Bei Nachmessungen im Jahr 2004 wurden weitere 660 Hektar kontaminiertes Gebiet entdeckt und für die landwirtschaftliche Nutzung gesperrt. Zwei Jahre später einigten sich Spanien und die USA auf eine vollständige Dekontamination der Region und eine gemeinsame Kostenübernahme. Seit 2015 warten 50 000 Kubikmeter kontaminierte Erde darauf, in die USA verschifft zu werden. Obwohl dies in einer bilateralen Vereinbarung festgelegt wurde, zog sich die US-Regierung unter Donald Trump aus der Verpflichtung zurück. 2023 erneuerte Spanien die Forderung, die kontaminierte Erde in den USA zu entsorgen, doch die Regierung Biden reagierte nicht darauf.

Aktuellen Berechnungen zufolge befinden sich in der Region noch etwa 0,5 kg Plutonium im Erdreich. Zudem wurden bereits Spuren von Am-241 nachgewiesen. Über andere in Wasserstoffbomben enthaltene Radionuklide wie U-235 und U-238 gibt es in der öffentlichen Diskussion kaum Informationen.


Operation „Chrome Dome“

Die Operation „Chrome Dome“ war eine von mehreren Operationen des Strategic Air Command der United States Air Force in der Zeit des Kalten Krieges, um die ständige Präsenz der US-Nuklearstreitkräfte in der Luft sicherzustellen. Aus diesem Grund flogen von 1960 bis 1968 täglich bis zu zwölf mit thermonuklearen Bomben bestückte B-52-D festgelegte Routen ab. Im Fall eines sowjetischen Nuklearangriffes sollten sie umgehend einen Vergeltungsschlag ausführen.

Jede Besatzung hatte festgelegte Ziele, die im Kriegsfall anzugreifen waren. Zu jeder Zeit befanden sich mehrere Bomber meist nicht mehr als zwei Flugstunden von sowjetischem Territorium entfernt. In der Regel war es folgender Rundkurs: Sheppard Air Force Base (Texas) – Neuengland  Atlantischer Ozean – Neufundland – Baffin Bay – Thule Air Base (Grönland) – Königin-Elisabeth-Inseln – Alaska – Sheppard AFB.

Standardmäßig waren zwei Luftbetankungen entlang der Nord- und Westroute eingeplant. Eine weitere Route führte über den Atlantik, die Straße von Gibraltar oder den Norden Spaniens entlang der französischen Grenze bis in die Adria und wurde als Südroute bezeichnet. Nach den Abstürzen über Spanien (Palomares, 1966) und Grönland (Thule Air Base, 1968), bei denen erhebliche Mengen radioaktiver Substanzen freigesetzt wurden, stellte die US-Regierung die Operationen Anfang 1968 ein. Zudem hatte sich die Militärdoktrin inzwischen geändert, denn mit land- sowie U-Boot-gestützten Interkontinentalraketen verfügten die US-Streitkräfte über strategische Alternativen.


Strahlungsüberwachung

Nachdem durch Messgeräte das Ausmaß des freigesetzten Plutoniums verifiziert wurde, mussten entsprechende Maßnahmen gesetzt werden. Zur Verringerung der Strahlenbelastung wurde sofort mit der Dekontamination von Agrarflächen und dem Vernichten von Früchten – hauptsächlich 
Tomaten – begonnen. Erst fünf Tage nach dem Unfall wurden die Häuser auf erhöhte Strahlung überprüft. Eine sofortige Testung, ob eine Kontamination der Bevölkerung vorlag oder eine Dekontamination bzw. Evakuierung notwendig sei, erfolgte nicht.

Außerdem existierten zu dieser Zeit nur in nuklearen Anlagen Plutonium-Kontaminationsgrenzwerte. Da man einen Austritt von Plutonium für unwahrscheinlich hielt, waren zu diesem Zeitpunkt noch keine Grenzwerte für die Bevölkerung vorhanden.

Die Strahlungsüberwachung erfolgte seitens der Amerikaner in Zusammenarbeit mit der spanischen Atomenergiekommission (JEN). Vier Luftüberwachungsstationen wurden installiert, die zur Detektion von radioaktiven Partikeln in der Luft dienten. Erst später wurden stichprobenartig 100 Bewohner bei einem Monitoring-Programm einer Lungenuntersuchung unterzogen, wobei alle Befunde negativ waren. In den Urinproben dieser Testgruppe wurde jedoch in 29 Fällen Plutonium nachgewiesen – ein deutlicher Hinweis, dass die Radioaktivität über lokale Lebensmittel aufgenommen wurde. Über Jahrzehnte wurden Teile der Bewohner regelmäßig getestet. Manche Medien verglichen diese Untersuchungen bereits mit Zuständen in einem Versuchslabor. Bis 1985 blieben die Gesundheitsakten unter Verschluss und mögliche Risiken durch das radioaktive und chemisch giftige Plutonium wurden heruntergespielt.

Seit 1997 übernahm das US-Energieministerium 25 Prozent der jährlichen Ausgaben des spanischen Forschungszentrums CIEMAT für Umweltüberwachung und medizinische Kontrolle – bis zu einer Obergrenze von 300 000 USD pro Jahr. Doch 2007 stellten die USA ihre Zahlungen ein, so dass Spanien gezwungen war, Unterstützung von der EU zu beantragen.

2010 und 2019 beauftragte die EU einige Evaluierungsmissionen, um den Schutz der lokalen Bevölkerung sicherzustellen. Der technische Bericht von 2019 ergab, dass die laufende Überwachung von Luft, Wasser, Boden und Agrarprodukten auf Plutonium inzwischen gut funktionierte und als ausreichend für den Schutz der lokalen Bevölkerung bewertet wurde. Derzeit werden 33 Messstellen zur Luft-, Lebensmittel- und Futtermittelkontrolle unterhalten. Die Messergebnisse liegen unter den strahlenschutzrelevanten Grenzwerten. Dennoch kann Plutonium bis heute in Schnecken und einigen Meerestieren nachgewiesen werden.

Die Spätfolgen für die damals Beteiligten lassen sich wie folgt zusammenfassen: In der lokalen Bevölkerung wurde keine erhöhte Krebsrate festgestellt. Auffällig war jedoch die deutlich erhöhte Krebsrate unter den 
Ersthelfern – insbesondere unter jenen, die an der Suche nach den Nuklearwaffen beteiligt gewesen waren. Etwa zehn Jahre nach dem Einsatz erkrankten überdurchschnittlich viele von ihnen als Dreißigjährige an Krebs. Eine offizielle Untersuchung durch die US-Regierung fand nie statt.


B28-Wasserstoffbombe

Die B28 wurde 1962 in den Dienst gestellt. Sie war eine nukleare Freifallbombe mit variabel wählbarer Sprengkraft, die sowohl von Bombern als auch von schnell fliegenden Kampfflugzeugen eingesetzt werden konnte.

Die Sprengkraft der B28-Wasserstoffbombe war in fünf Stufen zwischen 70 Kilotonnen und 1,45 Megatonnen wählbar, konnte jedoch nur auf dem Boden vor dem Start des Flugzeuges eingestellt werden. Dadurch war die Bombe sowohl für taktische als auch für strategische Einsätze geeignet. Sie war mit einem Fall- oder Bremsschirm sowie mehreren Zündmechanismen ausgestattet, darunter ein Aufschlag-, ein Annäherungs- und ein Zeitzünder. Zudem verfügte sie
über einen Permissive Action Link, der eine ungewollte oder
unbefugte Detonation verhinderte.


Plutonium

Plutonium wird in einem Kernreaktor aus U-238 erbrütet und kommt dort in den Isotopen Pu-238, Pu-239, Pu-240, Pu-241 und Pu-242 vor. Für waffenfähiges Plutonium muss der Anteil von Pu-239 über 90 Prozent im Pu-Gemisch sein. Plutonium als Gemisch emittiert hauptsächlich Alpha-, aber auch Beta-Teilchen, Gamma- und Neutronenstrahlung.

Chemische Giftigkeit

Plutonium ist ein Schwermetall mit hoher Toxizität bei Ingestion. Die letale Dosis für den Menschen liegt im Milligrammbereich. Plutonium bindet an Proteine im Blutplasma an und lagert sich unter anderem in den Knochen, den Nieren und der Leber ab.  Die Verweilzeit von inkorporiertem Plutonium in Knochen beträgt etwa fünfzig bis hundert Jahre und in der Leber zwanzig bis vierzig Jahre.

Radiologische Giftigkeit

Inhalation ist der gefährlichste Pfad der Inkorporation. Die Verweilzeit in der Lunge ist von vielen physikalischen, chemischen und biologischen Faktoren abhängig und kann zwischen 100 und 10 000 Tagen betragen. Nach Absorption in der Lunge verteilt sich Plutonium über das Blut im Körper. Zusätzlich zu den bereits oben genannten Geweben findet eine Anreicherung in den Lymphknoten des Atemtraktes statt.

Ein Beispiel verdeutlicht die radiologische Toxizität von Plutonium-239: Bereits eine Aufnahme von nur 20 Mikrogramm dieses Radionuklides (entspricht einer Aktivität von 36 Kilobecquerel) kann eine erhebliche Strahlenbelastung verursachen. Wird diese Menge als feines Aerosol (fünf Mikrometer Partikelgröße) eingeatmet, ergibt sich eine innere Strahlendosis von 1,2 Sievert – eine Dosis, die mit ernsten gesundheitlichen Folgen verbunden ist. Zum Vergleich: Bei Aufnahme über den Verdauungstrakt (z. B. durch verschluckte Partikel) beträgt die Strahlenbelastung lediglich 8,9 Millisievert, da Plutonium im Magen-Darm-Trakt nur schlecht aufgenommen wird.


Militärische Nuklearunfälle: Definitionen und Terminologie

Im Zuge des Wettrüstens und der ständigen Einsatzbereitschaft führte das US-Militär spezielle Codewörter für nukleare Stör- und Unfälle im eigenen Bereich ein –
die „Pinnacle“-Codes. Jedes Codewort stand für eine spezifische Unfallkategorie und das jeweilige Schadensausmaß. Dadurch konnten Ereignisse und deren Auswirkungen schnell und eindeutig kommuniziert werden. Die folgenden Bezeichnungen stammen aus der Terminologie der US-Streitkräfte und sind nicht mit NATO-Standards verknüpft.

Pinnacle

„Pinnacle“ (Gpifel, Zenit) ist die generelle US-Militär-Bezeichnung eines Ereignisses, das für das Major Command des Departements of Defence und der National Command Authority von Bedeutung ist. Es kann die folgenden Auswirkungen haben:

  • Militärische Maßnahmen auf höherer Ebene auslösen,
  • eine nationale Reaktion erfordern;
  • internationale Beziehungen beeinflussen;
  • zu umfassender und sofortiger Medienberichterstattung führen;
  • Handlungen beinhalten, die klar den nationalen Interessen widersprechen;
  • die aktuelle nationale Politik beeinflussen.

Bent Spear

Bent Spear bezeichnet signifikante Vorfälle im Zusammenhang mit Nuklearwaffen, Sprengköpfen, deren Komponenten oder mit Transportfahrzeugen für nukleares Material. Dazu zählen auch Verstöße gegen Sicherheits- und Handhabungsvorschriften. Nicht erfasst sind Ereignisse, die unter die Kategorien „Nucflash“ oder „Broken Arrow“ fallen.

Broken Arrow

Broken Arrow bezeichnet Unfälle mit Nuklearwaffen, Sprengköpfen oder deren Komponenten, die nicht das Risiko eines Nuklearkrieges bergen. Dazu zählen

  • eine nukleare Detonation durch Unfall oder ungeklärte Umstände,
  • eine nicht-nukleare Explosion oder der Brand einer Nuklearwaffe,
  • radioaktive Kontamination,
  • der Verlust nuklearer Fracht während des 
  • Transportes – einschließlich des möglichen Verlustes des Transportmittels,
  • der Notabwurf einer Nuklearwaffe oder nuklearer Komponenten sowie
  • die akute oder vermutete Gefährdung der Bevölkerung.

Nucflash

Mögliche oder bestätigte Nuklearwaffendetonation mit Risiko eines nuklearen Krieges.

Emergency Disablement

Maßnahmen, die die Notfallzerstörung von Nuklearwaffen beinhalten.

Emergency Evacuation

Missionen mit Notfallevakuierung von Nuklearwaffen.

Empty Quiver

Illegale Inbesitznahme, Diebstahl oder Verlust von Nuklearwaffen.

Faded Giant

Ereignisse mit militärischen Nuklearreaktoren oder radiologische Unfällen mit Nuklearwaffen.

Dull Sword

Vorfälle geringen Ausmaßes im Zusammenhang mit Nuklearwaffen, deren Komponenten oder Systemen, die möglicherweise deren Einsatzbereitschaft beeinträchtigen.


Lessons learned

Der „Broken Arrow“-Vorfall von Palomares war nicht der einzige Unfall, der sich im Zuge der nuklearen Gegenschlagsbereitschaft der USA ereignete. Bereits im Vorgängerprojekt, das „Cover All“-Programm, gab es zwei Unfälle auf US-amerikanischem Boden. Auch das „Chrome Dome“-Programm führte neben Palomares zu weiteren Zwischenfällen. Darunter der Nuklearwaffenunfall nahe der Thule Air Force Base im nordwestlichen Grönland im Jahr 1968. Noch im selben Jahr wurden „Chrome Dome“ und ähnliche Programme eingestellt.

Obwohl die US-Regierung versuchte, die Gegend um Palomares innerhalb von vier Monaten zu dekontaminieren, dauerte es fast 60 Jahre, bis das Gelände offiziell freigegeben wurde. Der politische Wille zu weiteren Dekontaminationsmaßnahmen und finanziellen Entschädigungen für die Bevölkerung nahm mit der Zeit ab und kam seitens der US-Regierung gänzlich zum Erliegen. Um das Monitoring-Programm aufrechtzuerhalten, musste die EU einspringen. Die Beobachtung der Gefahrenlage ist in Palomares noch immer notwendig, denn Plutonium ist eines der toxischsten chemischen und radiologischen Elemente.

 

Oberstleutnant dhmtD Ing. Dipl.-Ing. Michael Schrenk; RefLtr Grundlagen (Physik) & Ex Phys


Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST 2/2025 (403).

Zur Ausgabe 2/2025 (403).


 

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