• Veröffentlichungsdatum : 08.07.2022
  • – Letztes Update : 12.08.2022

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European Mountain Thunder 2022

Rene Auer

Vom 9. bis 20. Mai 2022 fand am Truppenübungsplatz Wattener Lizum in den Tuxer Alpen die internationale Übung „European Mountain Thunder 2022“ statt. Etwa 600 Soldaten aus Montenegro, Spanien, Tschechien und Österreich nahmen an der Gebirgsjägerübung teil. Im Fokus standen das Überleben, der Marsch und der Kampf im hochalpinen Umfeld.

Internationale Zusammenarbeit

Die Ausbildungsplattform „European Union Pooling and Sharing Mountain Training Initiative (MTI)“ wurde geschaffen, um die Einsatzfähigkeiten europäischer Gebirgstruppen weiterzuentwickeln. Unter der Führung der 6. Gebirgsbrigade des Österreichischen Bundesheeres soll der Erfahrungsaustausch im Rahmen der Truppen- und Gebirgskampfausbildung über Staatsgrenzen hinweg erfolgen. Dabei liegt das Hauptaugenmerk darauf, Techniken der Gebirgsausbildung sowie des Gebirgskampfes zu standardisieren und zu verbessern.

An der Übung, die ein Teil der Mountain Training Initiative ist, beteiligten sich neben über 400 österreichischen Soldaten auch Truppen aus Montenegro (25 Soldaten), Spanien (90 Soldaten) und Tschechien (60 Soldaten). Zusätzlich besuchten auch internationale Militärbeobachter aus Italien, Schweden, Kroatien, Rumänien und Slowenien die „European Mountain Thunder 22“ um sich persönlich einen Eindruck vom Engagement der Soldaten und von der hohen Qualität der Alpin- und Gebirgskampfausbildung beim Bundesheer zu machen.

Die European Mountain Thunder wurde bereits seit mehreren Jahren geplant, aber aufgrund der Corona-Pandemie immer wieder verschoben. Bei der internationalen Übung sollten ursprünglich auch Soldaten aus den Niederlanden, Polen und Bulgarien mitwirken. Diese mussten Ihre Teilnahme aber aufgrund der sicherheitspolitischen Entwicklungen im Zuge des Ukraine-Krieges absagen.

Kein One-Man-Job

Das Gebirgstraining fand am höchsten Truppenübungsplatz Europas in Lizum-Walchen statt. Der Truppenübungsplatz Lizum-Walchen ist mit über 50 km² der zweitgrößte Truppenübungsplatz Österreichs. Bis zu 40.000 Soldaten absolvieren dort ihre Truppenalpin- und Gebirgskampfausbildung.

Da ein derart großes Trainingsvorhaben wie die Übung „European Mountain Thunder 22“ einen hohen logistischen Aufwand bedeutet, waren verschiedene Verbände und Einheiten des Bundesheeres zur Unterstützung in die Übung mit eingebunden. Für die Versorgung der Truppe im Hochgebirge waren die Tragtiere des Tragtierzentrums vom Stabsbataillon 6, Universalgeländefahrzeuge BvS10 „Hägglunds“ des Pionierbataillon 2 und zwei Hubschrauber der Luftunterstützung (eine Aloutte 3 und eine Agusta Bell 212) eingesetzt.

Um die Verpflegung der rund 600 Soldaten sicherzustellen, bereiteten die Küchen vom Lager Walchen und dem Hochlager Lizum-Walchen täglich hunderte Portionen zu. Neben dem bekannten Grundsatz „ohne Mampf kein Kampf“ bemühten sich die Köche auch um eine zeitgemäße Ernährung. Beim Zubereiten der Mahlzeiten wurde deshalb besonders auf Regionalität und Bio-Produkte geachtet.

Für den medizinischen Ernstfall standen ein Notarztteam, mit Flugretter und Notfallsanitäter des Bundesheeres mit einem Hubschrauber Alouette III bereit. Die Soldaten des Führungsunterstützungsbataillons 1 stellten den Aufbau und Betrieb der Fernmeldeverbindungen sicher, während das Pionierbataillon 2 aus Salzburg die Bewegung und die Kampfunterstützung im Hochgebirge garantierten.

Durch modernste Duellsimulatoren und GPS-Tracking wurde der Ablauf und die Gefechtseinlagen während der European Mountain Thunder 22 in der Übungsleitung koordiniert und gesteuert. Dabei wurden beispielsweise simulierte Ausfälle von Soldaten nach Feuergefechten digital erfasst, um einen umfangreichen Überblick über das Übungsgeschehen zu bekommen.

Woche 1: Marsch und Ferngefecht

Am Montag, dem 9. Mai 2022, wurde die multinationale Übung am Truppenübungsplatz Lizum-Walchen mit einem militärischen Festakt, der "Opening Ceremony", feierlich eröffnet. Bei seiner Ansprache betonte der stellvertretende Kommandant der Streitkräfte und Übungsleiter, Generalmajor Wolfgang Wagner, den hohen Stellenwert der militärischen Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union.

Am darauffolgenden Tag stand für die Soldaten aus Montenegro der "Gesicherte Marsch im Gebirge" am Programm. Nach der Befehlsausgabe des montenegrinischen Zugskommandanten und einer Einweisung in die Alpin- und Gefahrensituation durch einen Heeresbergführer des Bundesheeres, ging es los. Ziel war es, am ersten Ausbildungstag ein mehrere Stunden entferntes Marschziel zu erreichen und dabei 500 Höhenmeter im hochalpinen Gelände zu bewältigen. Zunächst starteten die Montenegriner auf schneefreiem Untergrund. Nach wenigen Höhenmetern folgte aber bereits eine Schneeoberfläche, die nur mit Schneeschuhen zu überwinden war. Während des Marsches mussten die Soldaten immer wieder auf Übungseinlagen und gegnerische Beobachtungsposten reagieren.

Am selben Tag stellten sich 90 spanische Gebirgssoldaten ebenfalls einer Herausforderung – sie mussten die 2.826 Meter hohe „Kalkwand“ in den Tuxer Alpen überwinden. Währenddessen mussten die Spanier verschiedene Alpintechniken wie Orientieren im verschneiten und weglosen Gelände, Klettern im Gebirge sowie ausgesetzte Gratwanderungen und Abseilpisten im schweren Fels meistern. Österreichische Heeresbergführer begleiteten die spanischen Soldaten beim Aufstieg zum Gipfelkreuz. Die Tiroler Alpen sorgten bei den spanischen Soldaten für großes Staunen. „Es war ein vielfältiges Ausbildungserlebnis und ich bin beeindruckt von der österreichischen Bergwelt", sagte ein spanischer Unteroffizier am Gipfelgrat.

Nach der Übernachtung im Biwak setzten die Soldaten am zweiten Tag ihren Marsch in Richtung Mölser-Hochleger fort. Die Montenegriner mussten stellenweise metertiefe Schneedecken überwinden. Dabei störten Teile der Kaderpräsenzeinheit, gebildet aus Soldaten des Jägerbataillons 23, als Feinddarsteller die Übungsteilnehmer immer wieder. Um die Ausbildung möglichst realistisch darzustellen, wurden die Soldaten mit Duellsimulatoren ausgerüstet. Diese Geräte simulieren mithilfe von Lasern die Wirkung vom Waffensystem.

Am dritten und vierten Tag besuchte der stellvertretende Chef des Generalstabes Generalmajor Rudolf Striedinger die Teilnehmer der European Mountain Thunder 2022. Medienvertreter und Ehrengäste hatten dabei die Gelegenheit, sich einen Eindruck von der Leistungsfähigkeit der 6. Gebirgsbrigade und der europäischen Teilnehmer zu holen.

Am fünften Tag der Übung wurde der Marsch fortgesetzt. Beim Aufstieg auf das auf 2.386 m Seehöhe gelegene Torjoch wurde die gemischt tschechisch-montenegrinische Kompanie in ein Feuergefecht mit österreichischen Soldaten der 6. Gebirgsbrigade verwickelt. Ein weiteres Feuergefecht folgte um 2300 Uhr, nachdem das Lager für die Übernachtung errichtet wurde.

 

Woche 2: "Natur als Hauptgegner"

In der zweiten Woche mussten sich die Übungsteilnehmer vier Tage lang von Hochfügen ohne Versorgung in die Lizum durchschlagen: „Dieser Marsch findet durchgehend im Hochgebirge statt. Die Soldaten müssen alles, das sie benötigen, selbst mittragen – vom Essen über den Kocher oder ihre Schlaf-Zelte bis hin zum Treibstoff. Die Härten des Gefechtes werden von der Natur und vom Gebirge bereitgestellt. Der Hauptgegner sind quasi die Gefahren der Natur“, so der stellvertretende Kommandant der Gebirgsbrigade, Stephan Lehner gegenüber dem ORF.

Für diese Aufgabe verlegte der überwiegende Teil der Teilnehmer am frühen Morgen des 17. Mai 2022 mit etwa 20 Fahrzeugen in den Raum Hochfügen. Unter Frühlingswetter marschierten die tschechischen, spanischen und österreichischen Soldaten etwa 500 Höhenmeter zum „Sidanjoch“. Um die Mittagszeit zog Schlechtwetter auf. Starker Regen behinderte das Weiterkommen über mehrere Stunden hinweg. Als die Übungsteilnehmer ihr Ziel im Talschluss der „Sidanalm“ erreicht hatten, begannen sie mit dem Aufbau der Biwaks, Zelte und Regenplanen im Verfügungsraum. In diesen Unterschlupfen wurden kleinere Blessuren versorgt und warme Mahlzeiten am Gaskocher zubereitet.

Nach einer regnerischen und kühlen Nacht marschierten die Soldaten am frühen Morgen des 18. Mai 2022 weiter durch die Tuxer Alpen in Richtung Rastkogel. Mittlerweile machte sich das Gewicht der mitgeführten Ausrüstung von etwa 30 kg pro Person deutlich bemerkbar. Das Marschieren wurde immer herausfordernder, die Soldaten immer erschöpfter. Während der letzten Tage fand das Übungsszenario „Angriff eines multinationalen Bataillons auf gegnerische Kräfte im Hochgebirge“ am Torjoch auf 2.365 Metern Seehöhe statt. Dabei wurde Feuerunterstützung durch die Artillerie angefordert, die durch Soldaten der gebirgsbeweglichen Pionierkompanie mittels Pyrotechniksprengungen realistisch nachgestellt wurde.

Am 19. Mai 2022 besuchten Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, Tiroler Landeshauptmann Günther Platter und der Generalmajor Martin Dorfer die Mountain Thunder. Nachdem sie sich ein Bild von der Gebirgskampfübung gemacht hatten, betonte Tanner die Relevanz der Zusammenarbeit zwischen den europäischen Streitkräften: „Durch internationale Kooperationen und Übungen, vor allem mit unseren europäischen Nachbarn, können wir gemeinsam unser Verfahren optimieren und dadurch die Sicherheit verbessern.“

 

Übungsende

Am Abend des 19. Mai 2022 wurde die "European Mountain Thunder 2022" durch einen militärischen Festakt, der „Closing Ceremony“, im Hochlager des Truppenübungsplatzes Lizum-Walchen vom Kommandanten der Landstreitkräfte, Generalmajor Martin Dorfer, offiziell beendet. Dorfer, aber auch Übungsleiter Generalmajor Wolfgang Wagner und der Kommandant der 6. Gebirgsbrigade, Brigadier Gerhard Pfeifer, lobten die Soldaten für ihre erbrachte Leistung und ihr Engagement. Als Zeichen der Anerkennung erhielten die Kameraden aus Montenegro, Tschechien und Spanien das Kappen-Edelweiß der Österreichischen Gebirgstruppe.

Übungen wie die „European Mountain Thunder“ sollen auch in Zukunft weiterhin stattfinden, um die Zusammenarbeit innerhalb der europäischen Militärverbände zu stärken. Gerade die Soldaten der 6. Gebirgsbrigade nehmen beim Gebirgskampf eine Vorreiterrolle innerhalb Europas ein und leiten des Öfteren multinationale Übungen.

Major Rene Auer, Offizier Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation, 6. Gebirgsbrigade.

 

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