• Veröffentlichungsdatum : 18.01.2021
  • – Letztes Update : 19.01.2021

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Im Gespräch: „Hören wir endlich auf zu sagen, was alles nicht geht!“

Michael Barthou

Am 7. Jänner 2020 wurde Mag. Klaudia Tanner als erste Bundesministerin für Landesverteidigung angelobt. In ihrer mittlerweile fast einjährigen Amtszeit hat sich einiges in ihrem Ressort getan. Mit TRUPPENDIENST sprach sie über ihre persönlichen Erfahrungen beim Militär, das neue Tauglichkeitssystem, den Grundwehrdienst und die Miliz.

TRUPPENDIENST (TD):

Frau Bundesministerin, Sie sind seit elf Monaten im Amt. Wie geht es Ihnen?

FBM Klaudia Tanner (FBM): Sehr gut – es ist manchmal eine sehr anstrengende, aber auch sehr reizvolle und abwechslungsreiche Tätigkeit, das Verteidigungsressort zu führen. So etwas liegt mir sehr, daher fühle ich mich auch sehr wohl in diesem Ressort. Kein Tag gleicht dem anderen. Das Zeitmanagement ist äußerst strikt, da müssen zum Beispiel Besprechungen wirklich effizient abgehalten werden.

TD: 

Was hat sich seitdem im Österreichischen Bundesheer getan?

FBM: Wer hätte das gedacht, wenn ich ein Jahr zurückblicke, und man sich heute die Bilder von der Terrorattacke Anfang November anschaut und ansieht, was das COVID-19-Virus für Veränderungen ausgelöst hat. Gerade hier zeigt sich, wie wichtig es ist, dass sich das Bundesheer an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anpasst. Neben Terroranschlägen und Pandemien zählen z. B. auch die Folgewirkungen von Cyberattacken und Blackouts dazu. Wir waren vom Terroranschlag alle tief betroffen, aber wir werden keinen Millimeter von unserem Rechtsstaat weichen und unsere demokratischen Werte mit allen Mitteln verteidigen. Das Bundesheer hat noch in der Terror-Nacht vollständig den Objektschutz in Wien übernommen und damit die Polizei für die Ermittlungsarbeiten entlasten können. Militärpolizei und Jagdkommando wurden ebenfalls alarmiert und hielten sich für Aufträge bereit, dazu wurden auch gepanzerte Fahrzeuge bereitgestellt. Wenn ich dem Ganzen etwas Gutes abgewinnen kann, dann, dass jeder Österreicher und jede Österreicherin gesehen hat, wie wichtig und unverzichtbar das Bundesheer ist. Es hat sich in dieser Zeit so unglaublich vieles bewegt – die erste Teilaufbietung der Miliz, der Aufschubpräsenzdienst sowie die neuerliche Botschaftsbewachung. Und zum krönenden Abschluss die Bekanntgabe, dass der italienische „Leonardo“-Hubschrauber als Nachfolgemodell der „Alouette“ III eingeführt werden wird.

TD: Bereits im vergangenen Jahr wurde die Einführung eines neuen Tauglichkeitssystems bei der Stellung verkündet. Wie sieht das genau aus und wann wird es wirksam? 
FBM: Wir haben mit der Teiltauglichkeit eine neue Tauglichkeitsstufe festgelegt, die bereits ab Jänner 2021 in den Stellungsstraßen umgesetzt wird. „Volltaugliche“ werden wie bisher uneingeschränkt beim Bundesheer oder beim Zivildienst eingesetzt. „Teiltaugliche“ hingegen werden in einer für sie passenden Verwendung und Tätigkeit wie etwa im Verwaltungs-, Versorgungs- oder Cyberbereich Dienst leisten. Nur wer aufgrund einer körperlichen oder geistigen Behinderung wirklich nicht dazu in der Lage ist, soll vom Wehrdienst befreit werden. Dadurch können wir sicherstellen, dass volltaugliche Rekruten auch tatsächlich primär für die Einsatzorganisation verwendet werden. 

TD: Der Grundwehrdienst ist Ihnen besonders wichtig. Wie wird sich dieser verändern? Was haben Sie in dieser Hinsicht geplant? 
FBM: Die Grundwehrdiener sind die Basis unseres Bundesheeres. Ohne Grundwehrdienst gibt es keine Kadersoldaten, ohne Grundwehrdiener gibt es keine Miliz. Daher wollen wir beides attraktiver machen. Abgesehen von der neuen Tauglichkeitsstufe werden die Stellungsstraßen laufend aufgewertet, verbunden mit der Weiterentwicklung der Stellung als wichtige Säule der Gesundheitsvorsorge. Der Grundwehrdienst selbst soll neben den militärischen Aufgaben auch eine Zeit der Weiterbildung und Integration in die Gesellschaft sein. 

TD: Die Miliz ist ein wesentlicher Bestandteil des Bundesheeres. Diese wurde durch ein Mobilitätspaket gestärkt. Was kommt noch? 
FBM: Was die Miliz betrifft, so haben wir bei der erstmaligen Aufbietung während der Corona-Krise gesehen, wie wichtig sie für den Schutz unserer Republik ist, aber auch welchen Veränderungsbedarf es gibt. Ein Punkt war die gesetzlich geregelte unterschiedliche Bezahlung bei gleichen Einsatzaufgaben. Darum haben wir uns schon gekümmert und es liegt bereits ein neuer Gesetzestext vor, der bald in Begutachtung geht. Auch bei der Beseitigung verschiedener sozialversicherungsrechtlicher Nachteile von Milizsoldaten sind wir am Weg. Mitte September sind zwei Novellierungsersuchen an die beiden zuständigen Ministerien BMSGPK und BMAFJ an das Sozialministerium und das Arbeitsministerium ergangen. Die Miliz soll außerdem auch wieder mehr zum Üben kommen, die Ausbildungs- und Übungstätigkeit der Milizverbände sollen verbessert werden. Wir müssen auch Maßnahmen ergreifen, dass sich ausreichend viele Grundwehrdiener zu Milizübungen verpflichten. Auch die Heranbildung von Milizkadern, vor allem im Bereich der Unteroffiziere, muss attraktiver gestaltet werden. All das ist bereits in Arbeit und wird in Kürze präsentiert werden. 

Klaudia Tanner privat gefragt:

    TD: In vielen Portraits über Sie kann man lesen, dass Sie eine bekennende Schnitzelliebhaberin sind. Wenn das Schnitzel einmal nicht verfügbar ist, was ist dann in der engeren Wahl?
    FBM: Wenn es die Zeit erlaubt, koche ich selbst gerne und viel. Und ich verwende dazu Gemüse und Kräuter aus dem Garten. Trotz und gerade wegen meines übervollen Terminkalenders ist das gemeinsame Frühstück ein wichtiger Bestandteil unseres Familienlebens. Zu diesem gehören Müsli und frisches Obst und am Sonntag ein ausgedehntes Frühstück mit regionalen Lebensmitteln wie Wurst, Käse, Speck und Eier.

TD: Es wird viel darüber geredet, was für die Miliz und die Grundwehrdiener verbessert wird. Aber was ist mit den Bediensteten des Bundesheeres selbst – oder ist da alles in Ordnung?
FBM: Unsere Bediensteten – ob in Uniform oder in Zivil – sind das wertvollste Kapital des Bundesheeres und des gesamten Ressorts Landesverteidigung. Wir wissen das. Durch Versäumnisse in den vergangenen Jahren haben wir hier viel aufzuholen. Aber wir sind auf dem richtigen Weg. Wir haben das Entwicklungsprogramm „Unser Heer“, das mit zahlreichen Projekten die Basis zu einem modernen, weiterentwickelten und vielseitig einsetzbaren Bundesheer schaffen soll, das sich den sicherheitspolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts stellen kann. Wir haben außerdem mit über 2,545 Milliarden Euro und einer Steigerung der Mittel um 9,9 Prozent im Jahr 2020 das größte Budget erreicht, das wir jemals gehabt haben. Das sind 258 Millionen Euro mehr. Diesen Kurs behalten wir im nächsten Jahr bei und schalten dabei noch einen Gang höher. Denn auch 2021 wird das Budget wieder erhöht – um 204 Millionen Euro (8,3 Prozent). Im Vergleich zum Bundesfinanzrahmen wird unser Heeresbudget gesteigert. Wir werden damit viele notwendige Investitionen tätigen, auf die unser Heer schon so lange wartet. In den kommenden Jahren werden wir zusätzlich in die Bereiche COVID-19- Miliz-/Assistenzeinsatz, Miliz generell, Cyber-Sicherheit, ABC, Sanität, Terror- und Katastrophenschutz investieren. Wir beschaffen neue Hubschrauber, Fahrzeuge, Ausrüstung und Gerät. Wir investieren in die Infrastruktur. Von der Nasszelle bis zur Generalsanierung werden unsere Kasernen auf Vordermann gebracht.

TD: Frau Bundesministerin, wie sehen Sie die weitere Entwicklung des Verteidigungsbudgets?
FBM: Die eine Seite ist folgende: Das Budget war bereits über Jahrzehnte ein Problem. Das weiß man. Jetzt haben wir heuer und auch nächstes Jahr jedoch ein Budget, das das höchste der vergangenen Jahre ist. Dennoch müssen wir weiterhin darum kämpfen, dass es auch künftig steigt. Wichtig ist, dass das Bundesheer beworben wird, dass wir ein Dienstgeber sind, der einem Sicherheit gibt, interessante Möglichkeiten aufzeigt und in der Lage ist, eine Vielfalt an Ausbildungen und beruflichen Wegen anzubieten. Hören wir endlich auf zu sagen, was alles nicht geht!

TD: Sie haben Anfang September die Übung „Handwerk 20“ der 4. Panzergrenadierbrigade besucht. Welches Bild konnten Sie sich dort machen? 
FBM: Es war wirklich beeindruckend. Vor allem, als ich mit dem Kampfpanzer „Leopard“ 2 mitfahren durfte. Da ich eine weiße Lederjacke getragen habe, gab es Vorbehalte, ob ich wirklich mitfahren sollte. Doch ich habe gleich gesagt, dass das gar nicht infrage kommt und ich selbstverständlich mitfahre. Nach einem Beobachtungshalt sind wir ziemlich steil bergauf und bergab gefahren. Aber so schlimm, wie alle gesagt haben, war das gar nicht – im Gegenteil, ich war beeindruckt. 

TD: Im Juli sind 700 Unteroffiziere, Anfang Oktober 77 junge Leutnante in das Bundesheer ausgemustert. Was wollen Sie ihnen auf ihren weiteren Weg mitgeben? 
FBM: „Hic Rhodus, hic salta!“ – „Beweise, was du kannst“, appelliere ich an die jungen Berufsoffiziere und -unteroffiziere. Sie sollen dem Bundesheer und den Österreicherinnen und Österreichern zeigen, was sie gelernt haben. Sie sollen mutig sein, sich selbst und ihre Mitarbeiter fordern und nie den Anspruch verlieren, immer besser zu werden. Sie sollen aber auch immer das Gemeinsame suchen. Dann werden wir gemeinsam unser Heer wieder stärker, schneller und schlagkräftiger machen. 
TD: Frau Bundesministerin, vielen Dank für Ihre Zeit und das Gespräch. 

Oberst dhmfD Mag.(FH) Michael Barthou, MA ist Chefredakteur des TRUPPENDIENST m.d.F.b.

 

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