• Veröffentlichungsdatum : 11.01.2022
  • – Letztes Update : 10.02.2022

  • 3 Min -
  • 517 Wörter

Das Ende des Ersten Weltkrieges und die Dolchstoßlegende

Gerhard P. Gross

Gerhard P. Gross

Das Ende des Ersten Weltkrieges und die Dolchstoßlegende

156 Seiten, 15 x21,5 cm, broschiert

€ 14,95

ISBN 978-3-15-011168-0

Philipp Reclam Verlag, Ditzingen 2018

Bereits 1918, unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, machte sich unter der Bevölkerung des Deutschen Reiches die „Dolchstoßlegende“ breit, gemäß der dieser Krieg unverschuldet und an den unbesiegten Soldaten vorbei verspielt wurde. Schuldige dafür waren schnell gefunden. Oberst Gerhard P. Groß, Leiter des Bereichs „Deutsche Militärgeschichte bis 1945“ im Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Deutschen Bundeswehr in Potsdam, räumt in diesem Buch endgültig mit der fingierten „Dolchstoßlegende“ auf. Er analysiert nicht nur die militärischen Entscheidungen und Schlachten des letzten Kriegsjahres, sondern bezieht auch die gesellschaftlichen und politischen Hintergründe in seine Forschung mit ein.

Eingangs schildert der Autor die Entwicklung des Kriegsverlaufs, der schließlich zu den Ereignissen 1918 geführt hat. Auf die Bedeutung des Wiederaufgreifens des uneingeschränkten U-Boot-Krieges und dem darauffolgenden Kriegseintritt der USA am 6. April 1917 wird gesondert eingegangen. Die 3. Oberste Heeresleitung unter Hindenburg und Ludendorff, deren Einfluss auf die Politik sowie deren Forderung eines Siegfriedens, werden klar herausgestrichen. Darüber hinaus kommt er zu dem Schluss, dass die vollkommene Falschbewertung, den Sieg über Russland über den Kriegseintritt der USA anzusetzen, in Kombination mit der katastrophalen Versorgungslage schlussendlich die Weichen für den Untergang stellten.

Schon während der Planung hätte Ludendorff erkennen müssen, dass es für eine Entscheidung im Westen bereits zu spät war. Zudem sollte sich das Umgehen der Befehlshaber und der kommandierenden Generale bei den Armeen als fatal erweisen. Im Kapitel „Planung und Vorbereitung“ beschäftigt sich der Autor intensiv mit Ludendorffs Maßnahmen, um das deutsche Heer für den Entscheidungsschlag im Westen umzuorganisieren und mobil zu machen. Allerdings schwebte schon vor Beginn der Schlacht das Damoklesschwert des Zeitdrucks, der fehlenden Mobilität, des Material- und Personalmangels sowie des fehlenden strategischen Konzepts der Obersten Heeresleitung über dem Angriff, der auf den 21. März 1918 festgesetzt wurde. Sowohl der Angriff selbst als auch der „schwarze Tag“ – der Auftakt der Schlussoffensive der Entende am 8. August 1918 – werden in eigenen Kapiteln detailliert bearbeitet.

Im Kapitel „Der lange Weg zurück“ beschreibt der Autor die Auswirkungen dieser schweren Niederlage und die damit einhergehenden Rückzugsbewegungen der deutschen Streitkräfte, bei der sich die festgelegten Rückzugslinien geradezu überschlugen. Anfang September waren alle im Frühjahr eroberten Gebiete bereits wieder verloren, es ging weiter rückwärts und vor allem die materielle Überlegenheit der Entente wirkte sich dramatisch aus. Das Ersuchen des Deutschen Reiches um einen Waffenstillstand Anfang Oktober 1918 wurde mit der Unterzeichnung in Compiegne am 11. November 1918 schlagend.

Abschließend beschäftigt sich der Autor eingehend mit der Entstehung der „Dolchstoßlegende“ und analysiert, wie diese zur Verwirklichung bestimmter politischer Ziele instrumentalisiert und gezielt vorangetrieben wurde. Vor allem für die führenden Militärs bot sie eine angenehme Ausrede für das eigene Versagen, bei der die Schuld auf das Hinterland und die politischen Gegner abgewälzt wurde. Der Großteil der Bevölkerung bekam somit, was sie hören wollte: Alle hatten ihr Bestes gegeben, wurden aber verraten. Wem die Schuld in die Schuhe geschoben wurde zeigte sich in den nächsten Jahren sehr deutlich und führte ungebremst in die nächste große Katastrophe des 20. Jahrhunderts.

-rei-

 

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