• Veröffentlichungsdatum : 31.07.2025

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„Checke ich denn gar nichts?“

Alexander Birner, Alina Bugelnig

Mit dieser oder anderen Fragen wie „Bin ich ungerecht behandelt worden?“ oder „Kann man den Test nicht kürzer machen?“ sind Militärpsychologen, die in der Personalauswahl tätig sind, häufig konfrontiert. Die Personalauswahl stellt ein wesentliches Aufgabengebiet der Psychologie im Militär dar. Unter anderem werden alle Stellungspflichtigen sowie Anwärter für eine Kaderausbildung, für einen Auslandseinsatz, das Jagdkommando, eine Verwendung als militärisches Luftfahrtpersonal, das Abwehramt, das Nachrichtenamt, den Generalstabslehrgang, die Ausbildung zum militärischen Hundeführer und für Lehrstellen einem Auswahlverfahren unterzogen. Die eingangs genannten Fragen haben jedoch nicht nur auf individueller Ebene Relevanz, sondern sind auch vor dem Hintergrund der personellen Notwendigkeiten des Aufbauplanes 2032+ brisant.

Psychologische Auswahlverfahren können unterschiedliche Ziele haben. Beispielsweise die am besten geeigneten Personen zu finden – wie das im Bundesheer unter anderem bei der Auswahl von zukünftigen Piloten der Fall ist. Andere Auswahlverfahren sind darauf ausgerichtet, Risiken – wie Selbst- oder Fremdgefährdung – zu minimieren oder die Passung zwischen Testperson und einem Aufgabenbereich zu überprüfen. Auch wenn es weniger Bewerber gibt als Verwendungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, ist es zielführend, nach psychologischen Minimalanforderungen zu selektieren, die eine Person mitbringen muss, um eine Funktion langfristig und effektiv ausführen zu können. So ist es möglich, Überforderung, Abbrüche, Risiken und Kosten für die Bewerber und das Ressort zu reduzieren. Dieses Spannungsfeld zwischen psychologischer Personalauswahl und geringer Bewerberzahl bietet Raum für Diskussionen. Um die am Beginn des Textes erwähnten Fragen zu beantworten, werden nachfolgend Aspekte der Konstruktion von Auswahlverfahren beleuchtet. Psychologische Auswahlverfahren entstehen nicht im regelfreien Raum, sondern sind klaren Normen – wie dem Psychologengesetz 2013 oder der ÖNORM D4000 – unterworfen. Diese erfordern unter anderem die Durchführung einer Anforderungsanalyse, bei der die für den Erfolg in bestimmten Verwendungen oder Ausbildungen notwendigen Anforderungen ermittelt werden.

Diese Analyse wird stets in enger Zusammenarbeit mit den Bedarfsträgern durchgeführt, die im Ressortbereich meist aus der Truppe kommen. Welche Anforderungen die jeweiligen militärischen Funktionen verlangen, wissen jene am besten, die diese ausüben. Unterschiedliche Werkzeuge werden verwendet (z. B. Befragungen), um diese Expertise in psychologische Dimensionen zu übersetzen. Die abgeleiteten Anforderungen lassen sich zumeist in kognitive Fähigkeiten (z. B. Merkfähigkeit), Interesse/Motivation, Persönlichkeitseigenschaften (z. B. Gewissenhaftigkeit) und soziale Fähigkeiten (z. B. Durchsetzungsvermögen) unterteilen. Auf Grundlage der Anforderungsanalyse wird ein Anforderungsprofil erstellt, dem die Bewerber bis zu einem gewissen festgelegten Grad entsprechen müssen. Um diese Anforderungen messbar zu machen, werden im Zuge der Operationalisierung –  der „Messbarmachung“ psychologischer Dimensionen –  psychologische Verfahren entwickelt oder von seriösen Quellen angekauft. Das Ziel ist, eine möglichst ökonomische, genaue, verlässliche und faire Erhebung zu gewährleisten.

Bezüglich der Dauer von Auswahlverfahren müssen aus psychologischer Perspektive Abwägungen zwischen der Zumutbarkeit für Bewerber und der Nützlichkeit für die Beantwortung einer konkreten Fragestellung getroffen werden. Da das Anforderungsprofil eines Soldaten unter anderem eine hohe psychische Belastbarkeit sowie gut ausgeprägte soziale Kompetenzen voraussetzt und der Beruf nicht nur sicherheitsrelevant, sondern unter Umständen risikoreich ist, wurde die Erhebungszeitspanne entsprechend der Notwendigkeit einer ausreichenden Abklärung der zu messenden Dimensionen festgesetzt. Um für alle Bewerber möglichst gleiche Bedingungen zu schaffen, werden das Anforderungsprofil und dessen Genese, die Beschreibung der erhobenen Dimensionen, die Verfahren, die Rahmenbedingungen der Verfahrensdurchführung etc. in einem Handbuch festgehalten. Gemäß der Normen sind Auswahlverfahren in bestimmten Intervallen hinsichtlich ihrer Verlässlichkeit und Messgenauigkeit zu prüfen und allfällig zu optimieren.

Die eingangs formulierten Fragen lassen sich also unter Berücksichtigung der vorstehenden Erläuterungen wie folgt beantworten:

  • Wie lange ein Auswahlverfahren dauert, ist immer eine Abwägung der Zumutbarkeit und Nützlichkeit;
  • Durchführungshandbücher, psychologische Verfahren sowie deren regelmäßige Evaluierung bilden die Grundlage für eine faire Behandlung der Bewerbenden;
  • Wer ein Auswahlverfahren nicht besteht, ist keineswegs jemand, der „gar nichts checkt“, sondern jemand, der zum Erhebungszeitpunkt lediglich nicht (alle) definierten Parameter eines Anforderungsprofiles erfüllt.


Hofrat Mag. Dr. Alexander Birner; Leiter Referat Personalpsychologie und stellvertretender Leiter des Heerespsychologischen Dienstes

Rätin Mag. Alina Bugelnig; Psychologin im Referat Personalpsychologie 


Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST 2/2025 (403).

Zur Ausgabe 2/2025 (403).


 

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