Impfgegner*innen unter dem ‚Judenstern‘

Verschwörungsideologien, Rechtspopulismus, Antisemitismus – Phänomene, die in westlichen Gesellschaften nie verschwunden waren, traten während der COVID-19-Pandemie mit neuer Vehemenz zutage. Die Krise wirkte dabei wie ein Katalysator für Akteure und Ideologien, die bis dahin in manchen Diskursräumen marginalisiert schienen, jedoch stets virulent geblieben waren. Ihren sichtbarsten Ausdruck fanden diese Tendenzen in den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen, bei denen Shoah und die Gräueltaten des NS-Regimes relativiert, instrumentalisiert und in empörender Weise zur Mobilisierung sowie ideologischen Radikalisierung missbraucht wurden.

Robert Zanko beleuchtet diesen Zusammenhang in seinem Werk „Impfgegner*innen unter dem ‚Judenstern‘ – Wie Corona-Maßnahmen-Gegner*innen die Shoah und das NS-Regime instrumentalisieren“. Unter Anwendung der Frame-Analyse untersuchte der Autor shoah-relativierende analoge und digitale Beiträge aus Österreich und Deutschland – darunter Schilder und Transparente von Corona-Maßnahmen-Gegnern, Social Media Posts sowie gesprochene Inhalte. Ergänzend zieht er die Ergebnisse einer eigens durchgeführten Feldforschung auf einer Impfgegner-Demonstration in Wien heran.

Das Resultat: Zanko identifiziert acht dominante Frames, über die eine populistische Logik sichtbar wird, die antisemitische Verschwörungsmythen zirkulieren lässt, sie normalisiert und weiter verfestigt. Im Zentrum dieser Frames steht die Konstruktion eines ‚Volkes‘, das durch Impfungen, Quarantäne sowie Ausgangs- und Verkehrsbeschränkungen in seiner Freiheit von einer vermeintlich ‚bösen Elite‘ unterdrückt wird – einer Elite, die nicht selten mit offen oder latent antisemitischen Chiffren belegt und als Teil einer globalen Verschwörung inszeniert wird.

Zankos Studie folgt dem klassischen Aufbau einer Masterarbeit: einem theoretischen und einem methodischen Teil. Die theoretische Grundlage bildet eine Typologisierung der Corona-Maßnahmen-Gegner sowie eine Analyse verschiedener Erscheinungsformen von Antisemitismus und Verschwörungsnarrativen. Im methodischen Teil erläutert der Autor die Frame-Analyse, legt den Forschungsrahmen dar und wertet exemplarisch mediale Beiträge aus. Daran schließen sich die Darstellung der Forschungsergebnisse, die Beantwortung der zentralen Fragestellung sowie die abschließende Conclusio an.

Zanko gelingt es überzeugend, die Funktionsweise antisemitischer Verschwörungsmythen im Kontext der Corona-Proteste offenzulegen. Seine Arbeit bietet der Leserschaft nicht nur differenzierte Einblicke in die Denkweisen einer in sich heterogenen Protestbewegung, sondern ermöglicht zugleich eine tiefere Reflexion über das kollektive westliche Gedächtnis – ein Gedächtnis, in dem antisemitische Denkmuster seit Generationen fest verankert sind.

-gam-

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