• Veröffentlichungsdatum : 16.03.2022
  • – Letztes Update : 29.03.2022

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Schießanlage „Kurze Distanz“ am Feliferhof

Gerold Keusch, Selina Lukas

Seit dem Herbst 2006 läuft der Schießbetrieb auf der Anlage „Kurze Distanz“ am Feliferhof bei Graz. Die Initiative zu dessen Errichtung kam vom Schießplatzpersonal selbst. Damit haben sie nicht nur den Feliferhof gerettet, sondern auch eine moderne Schießanlage errichtet, auf der die Truppe oft und gerne übt. Somit kann der Schießplatz neben dem Schulschießen für das Sturmgewehr und die Pistole auch für Einzel- und Truppgefechtsschießen genutzt werden.

Die Schießausbildung im Bundesheer erfolgt – so wie de facto alle Ausbildungen – aufbauend und stufenweise. Nach der „Trockenausbildung“ gibt ein Soldat seine ersten Schüsse bei den insgesamt 16 Schulschießübungen ab. Mit diesen wird er – ebenfalls Schritt für Schritt – an die nächste Stufe herangeführt: das Gefechtsschießen. Dabei wird das Scharfschießen in einen kürzeren oder längeren Gefechtsablauf eingebaut, um möglichst realistische Bedingungen unter gesteigertem Schwierigkeitsgrad (und Wirklichkeitsnähe) zu gewährlisten. Dieser Philosophie folgend sind auch die Gefechtsschießen stufenweise aufgebaut und bestehen in aufsteigender Reihenfolge aus: Einzel-, Trupp-, Gruppen-, Zugs- und Kompaniegefechtsschießen.

Die Schulschießen sind normiert, die Einzel- und Truppgefechtsschießen ebenfalls, wenngleich sie an spezielle Bedürfnisse (Funktion, Einsatzraum etc.) angepasst werden können. Ab dem Gruppengefechtsschießen sind die Kommandanten der einzelnen Ebenen gefordert. Diese Vorhaben sind gemäß den gefechtstechnischen bzw. taktischen Bedürfnissen und den Einschränkungen durch die Sicherheitsbestimmungen sowie der Benutzungsordnung des jeweiligen Schießplatzes zu planen und umzusetzen.

Schießplatz Feliferhof

Damit die Schießausbildung umgesetzt werden kann, benötigt es Schießplätze. Neben jenen auf den Truppenübungsplätzen gibt es auch „eigenständige“ Anlagen, wie den Schießplatz Feliferhof der Garnison Graz. Auf diesem befinden sich (neben anderen Einrichtungen) aktuell drei Schießbahnen, zwei für das Schulschießen und eine für Einzel- und Truppgefechtsschießen: die Schießanlage „Kurze Distanz“ (auch Gefechtsschießanlage).

Die Schießanlage „Kurze Distanz“ eignet sich für Übungen mit Entfernungen von fünf bis dreißig Metern. In Österreich gibt es aktuell nur zwei derartige Einrichtungen: Jene in Graz und eine auf dem Truppenübungsplatz Seetaler Alpe. Die Anlage bei Graz besteht aus vier Zielgruppen mit jeweils zwei Klappscheiben und einem geschotterten Platz mit einer Fläche von etwa 20 m Breite und 30 m Länge, dem Feuerstellungsraum. Zwischen den Zielgruppen können zusätzliche Scheiben aufgestellt werden. Dahinter ist ein asphaltierter Vorplatz, auf dem ein Container steht. Dort steuert das Schießplatzpersonal die frei programmierbare Anlage mit einem Bedienpult und auch die Munitionsausgabe findet dort statt. Zusätzlich gibt es noch einen überdachten Sitzbereich als Aufenthaltsraum und einen Container für Scheiben und sonstiges Gerät.

Die Klappscheiben hinter den Erdwällen können einzeln angesteuert werden. Je nach Programmierung fallen diese nach einem oder mehreren Treffern um oder bleiben stehen. Bei Schießübungen mit Freund-Feind-Zivilisten-Unterscheidung werden den olivgrünen Scheiben färbige T-Shirts „übergestreift“, denen eine Bedeutung zugeordnet wird. Mit zusätzlichen Schießscheiben und mobilen Elementen, wie Holzbarrikaden oder Türen, können für die Schützen unterschiedliche Szenarien dargestellt werden. Hier sind auch individuelle Übungen möglich, solange die örtlichen und allgemeinen Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden. Die Flexibilität der Anlage ist nicht nur bei Soldaten, sondern auch bei der Exekutive beliebt, die dort regelmäßig zu Gast ist und schießt.

Zentral zwischen den beiden Zielgruppen befindet sich eine Felswand mit einer Höhle. Diese wurde aus Sicherheitsgründen (Abpraller) mit einer Holzwand bekleidet und darf nicht beschossen werden. Durch die geschützte Lage im Graben des 114,7 Hektar großen Areals ist die Lärmbelästigung für die Anrainer relativ gering. Eine Einschränkung hinsichtlich der Benutzung ergibt sich durch die Schulschießanlage (offizielle Bezeichnung Schießanlage I/b), die sich unmittelbar davor befindet, weshalb die Schießanlage „Kurze Distanz“ in dessen Gefahrenbereich liegt. Eine parallele Nutzung mit der Pistolen/Maschinengewehr Schießanlage (wird auch für Schulschießen mit dem Sturmgewehr verwendet) ist jedoch möglich, da diese so baulich getrennt ist, dass keine Gefährdung besteht.

Adaption einer Schießübung

Das Beispiel der 5. Einzelgefechtsschießübung zeigt, wie eine Schießübung auf der Anlage am Feliferhof angepasst werden kann. Diese Übung hat den Zweck, den Schnellschuss mit Zielwechsel zu festigen. Dazu gibt der Schütze nach einem akustischen Signal mit dem Sturmgewehr 77 vier Schuss auf zwei Konturenscheiben ab, die sich in einer Entfernung von 15 m befinden. Dabei feuert er zuerst auf die eine, dann auf die andere Scheibe und wiederholt diesen Vorgang. Danach geht er mit dem Ausbilder am Stand zu der Tafel mit der Konturenscheibe für die Trefferaufzeige.

Auf der Schießanlage „Kurze Distanz“ kann diese Übung wie vorgesehen oder in vielerlei Hinsicht angepasst durchgeführt werden. So könnte

  • der Schütze auf vier Klappscheiben nacheinander feuern, die bei einem Treffer umfallen, damit eine rasche Trefferanzeige möglich ist (die genaue Trefferaufzeige erfolgt danach, z. B. mit Konturenscheiben, die auf der Klappscheibe kleben),
  • man die vier Klappscheiben mit einer Freund-Feind-Erkennung (T-Shirts) ausstatten,
  • die Entfernung zum Ziel erhöht bzw. verringert werden oder
  • der Schütze mehr Patronen erhalten.

Zugegeben, diese Adaptionen sind nicht nur bei der vorgestellten Anlage am Feliferhof möglich, sondern beinahe immer. Wesentlich leichter und somit auch schneller geht das, wenn die Infrastruktur dafür ausgelegt ist, was bei der Schießanlage „Kurze Distanzen“ der Fall ist.

Von der Idee zur fertigen Anlage

Bereits seit 1869 wird das aktuell 114,7 Hektar große Areal für militärische Zwecke genutzt. Während des Zweiten Weltkrieges wurden dort Gegner des NS-Regimes hingerichtet, wodurch er auch ein Gedenk- und Erinnerungsort ist. Nachdem der Feliferhof in der Zeit der Raumverteidigung noch stark frequentiert war, nahm seine Auslastung nach 1990 ab. Im Jahr 2004 drohte das Aus: Die bis dahin meistgenützten Schießanlagen mussten aus Sicherheitsgründen – der Freiflugbereich (Die Summe aus Fehlschusswinkel (Schütze), Waffen und Munitionsstreuung; Anm.) von 30 Grad war nicht gegeben – geschlossen werden. Die Truppe kam nur noch selten auf den Feliferhof, da sie diesen kaum nutzen konnte. Sie war damit gezwungen, ihre Schießvorhaben an anderen Orten, wie dem Ortnerhof bei St. Michael oder auf dem Truppenübungsplatz Seetaler Alpe, durchzuführen. Im Jänner 2005 stand es so schlecht um den Schießplatz, dass das dortige Personal bereits darauf eingestimmt wurde, wohl der nächsten Reform zum Opfer zu fallen.

Das Schießplatzpersonal ergriff nun selbst die Initiative und schmiedete einen Plan zur „Rettung“ des Feliferhofs. Der erste Schritt waren Arbeiten bei der Schulschießanlage um den notwendigen Freiflugbereich zu erreichen. Der nächste, deutlich ambitioniertere und aufwendigere Schritt war der Bau der Schießanlage „Kurze Distanz“. Nach der Planung, Präsentation und Genehmigung des Projektes begannen im Juni 2005 die Bauarbeiten. Diese schritten rasch voran, wenngleich sie durch diverse brisante Funde immer wieder verzögert wurden. Mehrere Granatenteile und Splitter, aber auch eine komplette Granate aus dem Ersten Weltkrieg wurden gefunden und von Kampfmittelbeseitigern vernichtet.

Beinahe das gesamte Bauvorhaben wurde heeresintern durchgeführt. Neben dem Personal des Feliferhofes arbeiteten auch Pioniere des Militärkommandos Steiermark mit. Nach dem Ende der Bauarbeiten im ersten Halbjahr 2006 und der Abnahme durch die zuständige Stelle im Bundesministerium für Landesverteidigung fiel im August 2006 der erste Schuss auf der Anlage. Nach der offiziellen Eröffnung am 23. November 2006 kehrte auch die Truppe wieder auf den Feliferhof zurück. Heute wird der Feliferhof gut und gerne von (vorwiegend steirischen) Soldaten und Polizisten genutzt – etwa 12.000 Personen schießen dort jedes Jahr. Das Engagement des Schießplatzpersonals und seiner Mitstreiter hat sich somit ausgezahlt und die Existenz wohl auch für die Zukunft gesichert.

„Train as you fight“

Die Schießausbildung ist ein Kernelement der militärischen Ausbildung. Um diese durchzuführen, braucht das Bundesheer Schießanlagen, die die gefechtstechnischen und taktischen Bedürfnisse der Truppe berücksichtigen. Doch bevor ein Schuss auf einem Schießplatz fällt, gilt es bürokratische Hürden zu überwinden. Amtsdirektor Michael Lindner ist Referent für Sicherheitstechnik im Amt für Rüstung und Wehrtechnik. TD-Redakteur Gerold Keusch sprach mit ihm über seine Tätigkeit und die Zukunft der Schießplätze des Österreichischen Bundesheeres.

„Als Referent Sicherheitstechnik bin ich für die Sicherheit der Schießplätze des Bundesheeres verantwortlich“, erklärt Lindner seine Aufgabe. Sein Aufgabebereich erstreckt sich von der Abnahme neuer Schießanlagen über die Genehmigung überarbeiteter Benützungsordnungen von Schießplätzen bis zu Scharfschießen im freien Gelände oder Sonderschießen. „Das Spektrum meiner Tätigkeit ist sehr breit und umfangreich. Egal ob für die Pistole oder den Eurofighter, am Ende landet jedes Projekt für eine Schießanlage oder ein Sonderschießen auf meinem Schreibtisch.“ Dort prüft er das jeweilige Vorhaben hinsichtlich der gültigen Auflagen, egal ob es sich um die Sicherheitsbestimmungen für das Scharfschießen der jeweiligen Waffe oder um Beratungen hinsichtlich Umweltauflagen handelt. Darüber hinaus arbeitet er an der Erstellung bzw. Adaption der Schießprogramme mit, wobei sein Fokus auf deren praktischen Umsetzung liegt.

Lindner ist aktuell der einzige Sachverständige für Schießanlagen im Bundesheer und hinsichtlich seiner Funktion ein „Exot“. „In Österreich gibt es keine Ausbildung für meine Funktion. Deshalb absolvierte ich die notwendigen Ausbildungen in Deutschland. Konkret war das die Ausbildung zum Sachverständigen für Schießanlagen beim Deutschen Schützenbund, die heute bei der Deutschen Bundespolizei stattfindet.“ Seinen Arbeitstag verbringt der Amtsdirektor aber nicht nur am Schreibtisch hinter Akten. „So oft es möglich ist, bin ich auf den Schießplätzen des Bundesheeres, die ich mittlerweile sehr gut kenne. Das gilt auch für das Schießplatzpersonal, mit dem ich seit vielen Jahren zusammenarbeite. Für meine Tätigkeit ist es unbedingt notwendig, die Gegebenheiten und die Ansprechpartner vor Ort zu kennen.“ Warum das wichtig ist, erklärt er wie folgt: „Jede Schießanlage ist ein Unikat, auch wenn dort häufig die gleichen, im Schießprogramm normierten, Übungen geschossen werden.“ Darüber hinaus ist Lindner auch das Vertrauen zwischen ihm und den handelnden Personen vor Ort ein Anliegen, die er so gut wie möglich unterstützt.

Die Anforderung an moderne Schießanlagen sind umfangreich. Sie müssen nicht nur gefechtstechnisch richtige Schießen ermöglichen, sondern auch die Bedürfnisse der Anrainer (z. B. Lärmschutz) und die immer strenger werdenden Umweltauflagen berücksichtigen. Wie sieht der optimale Schießplatz der Zukunft aus? „Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre das eine etwa 100 m lange und breite Schießhalle“, sagt Lindner. „In dieser wäre, zumindest theoretisch, ein Schießen in alle Richtungen möglich. Die Ziele in einer solchen Anlage sollten sowohl real sein, in Form von Klappscheiben mit digitaler Trefferauswertung, als auch virtuell, mit modernen Mitteln der Projektionstechnik.“

Für den Sicherheitsexperten steht außer Zweifel: „Ein Schießplatz muss ein realistisches, gefechtsmäßiges Schießen ermöglichen. Der Grundsatz: ,train as you fight!? gilt auch und vor allem beim Scharfschießen!“ Deshalb sollten auch umfassende Szenarientrainings im scharfen Schuss, mit beweglichen Zielen an immer neuen Orten, möglich sein. Aber nicht nur die Wirklichkeitsnähe ist für Lindner ein Merkmal einer zeitgemäßen Anlage, auch eine moderne Auswertetechnik sollte für die Analyse des Schützen beim Schießen inklusive seines Schießergebnisses zur Verfügung stehen. Hinsichtlich der technischen Ausstattung ist er überzeugt: „Umso mehr, desto besser!“ Diese sollte es dem Ausbilder am Stand auch ermöglichen, den Schützen aus einer gewissen Entfernung zu beobachten. Auch Videoanalysen etc. wären denkbar und zielführend.

Kein Argument für eine Schießhalle ist für Lindner jedoch der Umstand, dass es darin wärmer oder angenehmer wäre als draußen. Bei der Sicherheit sieht es hingegen anders aus. „Vereiste Schießdämme oder gefrorene Böden sind ein Risiko beim Scharfschießen, da ein Projektil leicht abprallen und somit Dritte gefährden kann. In einer Schießhalle könnte man eine relativ sichere Umgebung herstellen. Darüber hinaus könnten die Bestimmungen des Umwelt- oder des Lärmschutzes einfacher berücksichtigt werden.“ Diese Aspekte sind, neben dem Willen für den Bau ein solches Projekt, wohl entscheidend für deren Realisierung. Damit sind sie auch der Schlüssel zum Bau von zeitgemäßen Schießanlagen, die eine moderne, sichere und gefechtsmäßige Schießausbildung im Bundesheer garantieren.

Hofrat Gerold Keusch, BA MA ist Leiter Online Medien beim TRUPPENDIENST.

Selina Lukas, Bakk.phil. MA ist Redakteurin beim TRUPPENDIENST.

 

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