• Veröffentlichungsdatum : 16.02.2021
  • – Letztes Update : 26.02.2021

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Erinnerung an die Operation „Anthropoid“

Gerold Keusch

Das Attentat auf Reinhard Heydrich und die anschließenden Racheaktionen des NS-Regimes haben einen festen Platz in der Erinnerungskultur der Tschechischen Republik und ihrer Hauptstadt Prag. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass das Attentat als Akt des Widerstandes und des Kampfes verstanden wird und die Verfolgung und Ermordung der Beteiligten und ihrer Angehörigen als Opfer der Nation auf dem Weg zu einem freien und selbstständigen Staat angesehen wird. Aber nicht nur in Tschechien, auch im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen findet man Spuren dieser Kommandoaktion.

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Die Prager Erinnerungslandschaft zur Operation „Anthropoid“ besteht aus

  • der Gedenkstätte für die Heydrich-Attentäter in der Kyrill-und-Method-Kirche,
  • dem Denkmal der Operation „Anthropoid“, an dem Ort des Attentats,
  • dem Denkmal des antifaschistischen Widerstandes auf dem Schießplatz Kobylisy, wo 1942 Massenerschießungen stattfanden und
  • einer Vielzahl von Gedenktafeln an Häusern, in denen Unterstützer der Kommandosoldaten gelebt haben.

Zusätzlich befinden sich wichtige Exponate zum Heydrich-Attentat im Prager Armeemuseum, das derzeit jedoch umgebaut und vermutlich bis 2021 geschlossen sein wird. Das Museum im Prager Gefängnis Pankrac, in dem viele NS-Gegner und Widerstandskämpfer eingesperrt und hingerichtet wurden, erinnert ebenfalls an die Folgen des Anschlages auf Heydrich. Darüber hinaus gibt es im Petschek-Palast, dem ehemaligen Sitz der Gestapo in Prag, in dem sich heute das tschechische Ministerium für Handel und Industrie befindet, ein Erinnerungszeichen an der Gebäudeecke und eines im Eingangsbereich.

Aber nicht nur in Prag, auch außerhalb der Stadt existiert eine Vielzahl von Gedenkstätten, Erinnerungszeichen und -orten, die mit den Ereignissen rund um das Heydrich-Attentat in Verbindung stehen, wie

  • die Gedenkstätte an das Massaker von Lidice (fünf Kilometer nordwestlich von Prag),
  • das ehemalige Konzentrationslager Theresienstadt (etwa 50 Kilometer nordwestlich von Prag),
  • die Gedenkstätte in Ležaky (etwa 100 km südöstlich von Prag),
  • das Denkmal der nationalen Unterdrückung und des Widerstandes in Panenske Brešany (etwa 15 km nördlich von Prag),
  • der Gedenkstein an dem Ort, wo Josef Gabcik und Jan Kubiš bei Nehvizdy (etwa zehn Kilometer östlich von Prag) mit dem Fallschirm landeten,
  • Büsten, Denkmäler und Gedenktafeln für die beiden an verschiedenen Orten Tschechiens und der Slowakei, beispielsweise an deren Geburtsorten.

Darüber hinaus wird die Operation „Anthropoid“ in anderen Museen, beispielsweise im Militärluftfahrtmuseum Letnany oder im Militärtechnikmuseum von Lešany, in dem ein Sowjetpanzer T-34 mit der Aufschrift „Lidice“ zu besichtigen ist, erwähnt.

Gedenkstätte für die Heydrich-Attentäter

Der zentrale Erinnerungsort zum Heydrich-Attentat ist das Museum bzw. die Gedenkstätte in der Kyrill-und-Method-Kirche in der Resselstraße. Dieses Museum ist eine Außenstelle des staatlichen Militärhistorischen Institutes in Prag, zu dem auch das Prager Armeemuseum, das Militärluftfahrtmuseum im Prager Stadtteil Letnany und das Militärtechnikmuseum in Lešany (etwa 50 km südlich von Prag) gehören.

Auf dem Kirchengebäude sind die Einschusslöcher der Maschinengewehrsalven bei der Fensteröffnung der Krypta zu sehen, bei der sich eine Gedenktafel für die Kommandosoldaten und einigen ihrer Helfer befindet. Unter dieser Tafel brennen Kerzen, die Passanten und Besucher dort aufstellen, und auf dem Gehsteig befindet sich die Jahreszahl 1942 – das Jahr des Attentats und des Todes der meisten am Anschlag beteiligten Personen – auf den Pflastersteinen. Auf dem Plateau vor dem Kircheneingang steht ein weiteres Denkmal, das an jene Personen erinnert, die im Konzentrationslager Mauthausen ermordet wurden.

Das Museum besteht aus drei Teilen. Der erste Bereich ist ein Ausstellungsraum mit einer Fläche von etwa 100 m², der Krypta mit etwa 40 m² und einem etwa 50 m² großen Filmsaal. Im Ausstellungsraum befinden sich auf drei Wandseiten mehrere Informationstafeln mit jeweils einer Vitrine. Auf diesen werden alle Informationen zur Operation „Anthropoid“ kurz und dennoch umfassend dargestellt. In den Vitrinen befinden sich Artefakte, die mit dem Attentat im Zusammenhang stehen, wie Uniformteile eines tschechischen Kommandosoldaten, Heydrichs SS-Rangabzeichen, eine Maschinenpistole, wie sie Gabcik benutzen wollte, oder ein Maschinengewehr 34, mit dem die Kirche beschossen wurde. Darüber hinaus sind persönliche Gegenstände, wie eine Aktentasche oder der Schuh eines Kommandosoldaten mit Einschusslöchern ausgestellt. In der Mitte befindet sich eine Vitrine mit Gegenständen, die dort als „stumme Zeugen der Gefechte in der Kirche“ stehen und auch als solche bezeichnet werden.

Vom Ausstellungsraum gelangt man durch einen Gang mit einer künstlerisch gestalteten Eingangstüre, die eine Falle symbolisiert – die dieser Raum unter der Kirche für die Kommandosoldaten tatsächlich war – in die L-förmige Krypta. Darunter befindet sich das Loch in der Kellerwand, das die Soldaten in ihrer Verzweiflung gruben, um ihrer auswegloses Situation doch noch zu entkommen. In diesem Bereich der Krypta sind Einschusslöcher an den Wänden, die von dem Gefecht im Gewölbe zeugen sowie Erinnerungszeichen und Informationstafeln, die die Kommandosoldaten würdigen und die damaligen Geschehnisse erklären.

Am Hauptgang der Krypta sind die Büsten der sieben Männer mit jeweils einer Tafel, die ihr Leben und ihre Kommandomission beschreiben. Am Ende des Ganges steht jener Stein zwischen dem Kellerabgang und den Nischen, den die Angreifer im Altarraum sprengten, um sich den Zutritt zum Keller zu verschaffen. Die Artefakte und Spuren des Kampfes in diesem Teil der Ausstellung vermitteln die schaurige Atmosphäre des Todes, die durch den Umstand verstärkt wird, dass dieser Raum früher der „Beinkeller“ der Kirche und somit eine Grabstätte war.

Vom zentralen Ausstellungsraum gelangt man über einen Gang in den Kinosaal. Dort wird ein Film vorgeführt, der etwa 15 Minuten dauert und im Wesentlichen den Inhalt der Schautafeln zeigt. Beim Ausgang des kleinen, aber anspruchsvollen und mit Sinn für Details gestalteten, sehenswerten Museums, besteht die Möglichkeit eine Broschüre über die Operation „Anthropoid“ oder eine Karte mit den wichtigsten Gedenkplätzen der Operation zu erhalten. Sowohl die Broschüre als auch die Karte sind kostenlos, genauso wie der Eintritt zur Gedenkstätte. Gegenüber dem Ausgang befindet sich ein Lokal, das mit Artefakten, Bildern und Schildern der tschechoslowakischen Exilarmee, ihren Einsätzen sowie des Kampfes in der Kyrill-und-Method-Kirche gestaltet ist und den offiziellen Gedenkort passend ergänzt.

Denkmal der Operation „Anthropoid“

An dem Ort des Heydrich-Attentates im Prager Stadtteil Liben befindet sich die Denkmalgruppe für die Operation „Anthropoid“. Dort stehen eine dreieckige Säule, eine Fahnenstange mit der tschechischen Nationalflagge, ein Gedenkstein und eine Informationstafel, die die historischen Ereignisse erklärt. Die örtlichen Gegebenheiten haben sich im Laufe der Jahrzehnte stark verändert, da diese Kreuzung ein wichtiger Verkehrsknoten der Stadt ist. Dennoch ist die ursprüngliche Straßenführung erkennbar und aufgrund der Abbildungen auf der Informationstafel nachvollziehbar.

Das zentrale Monument ist die neun Meter hohe dreieckige Säule (das Dreieck ist ein Symbol für Tschechien), an dessen Spitze drei – zum Sprung bereite – bronzene Männerskulpturen stehen, die am 27. Mai 2009 – dem Jahrestag des Anschlages – enthüllt wurde. Zwei der Männerskulpturen sind Soldaten, die aufgrund ihres Helmes (der britische Tellerhelm, auch „Tommy“ genannt) als Mitglieder der tschechischen Exilarmee erkennbar sind und den militärischen Widerstand symbolisieren. Ein Mann ist als Zivilist dargestellt, der auf den zivilen Widerstand und die Unterstützung der Kommandoaktionen durch die Bevölkerung hinweist.

Schießplatz Kobylisy - Denkmal des antifaschistischen Widerstandes

Der im 19. Jahrhundert errichtete Schießplatz wurde nach der „Zerschlagung der Rest-Tschechei“ 1939 von den deutschen Besatzern für das Schießtraining von Polizei- und Wehrmachtseinheiten genutzt. Zwischen 30. September 1941 und 7. Mai 1945 wurde er auch als Hinrichtungsstätte für Gegner des deutschen Besatzungsregimes verwendet. Das berühmteste Opfer war der General und ehemalige Ministerpräsident des Protektorates Böhmen und Mähren, Alois Eliáš, der dort am 19. Juni 1942  hingerichtet wurde. Insgesamt wurden 755 Personen in Kobylisy getötet, 539 Personen (463 Männer und 76 Frauen) im Zuge der Vergeltungsmaßnahmen nach dem Heydrich-Attentat im Jahr 1942.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte die Tschechoslowakische Armee den Schießplatz bis 1968, der bereits 1964 zum nationalen Kulturdenkmal erklärt worden war. Bereits wenige Tage nach der Befreiung der Tschechoslowakei 1945 wurde ein Holzkreuz mit einer Dornenkrone am unmittelbaren Ort der Exekutionen errichtet. 1978 wurde das zentrale Erinnerungszeichen, die Bronzeskulptur mit einer weinenden Frau, dort enthüllt. Zusätzlich befinden sich Gedenktafeln mit den Namen und Alter der Opfer sowie dem Datum und der Uhrzeit ihres Todes gegenüber der Bronzeskulptur. Eine Mauer, die eine Inschrift mit den mahnenden Worten: „Steh' eine Weile still, unser Blut drang in diesen Boden ein, aber wir richteten uns wieder auf“ trägt, und ein Steinmosaik schließen die Denkmalkomposition ab. Das „Denkmal des antifaschistischen Widerstandes“, wie die Erinnerungslandschaft offiziell heißt, ist entlang eines Weges zwischen den Dämmen des Schießplatzes angelegt, den man durch einen kurzen Tunnel betritt.

Gedenktafeln für die Unterstützer von „Anthropoid“

An mehreren Prager Wohnhäusern zwischen dem Zentrum und den nordöstlichen Stadtteilen befinden sich Gedenktafeln, die an die zivilen Unterstützer der Kommandosoldaten erinnern. Sie geben einen Eindruck davon, wie diese in der Stadt verteilt vor dem Zugriff der Gestapo geschützt werden sollten, zeugen aber auch von der breiten Unterstützung der Prager Bevölkerung bzw. der Widerstandsbewegung. Ein Beispiel sind die beiden Häuser mit den Wohnungen der Familien Moravec, Zelenka-Hajsky und Rut im Stadtteil Žižkov. In diesen Objekten, die sich in der gleichen Straße befinden, war der Hauptaufenthaltsort von Jan Kubiš und Josef Gabcik und ihre Operationsbasis für die Vorbereitung des Attentates.

Erinnerung in Mauthausen

Das Gedenken an die Opfer der Helfer der Kommandosoldaten beschränkt sich nicht auf Tschechien. Auch im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen, in dem 288 Männer, Frauen und Kinder starben, weil sie Jan Kubiš, Josef Gabcik und deren Kameraden unterstützten, gibt es mehrere Gedenkzeichen, die an die Opfer des NS-Regimes im Zusammenhang mit dem Heydrich-Attentat erinnern und das Denkmal für die tschechoslowakischen Mauthausen-Opfer, zu denen sie zählen. Die meisten Gedenktafeln befinden sich bei der Mauer gegenüber des Blocks 1, dem Lagertar und der „Klagemauer“. Sie werden außerdem in der Dauerausstellung erwähnt und man findet sie auch im Raum der Namen. Ihr Schicksal war auch Anlass der Sonderausstellung „Anthropoid“, die vom Tschechoslowakischen Legionärsverband im Jahr 2018 organisiert wurde und auch auf dem Vorplatz des Mauthausen-Memorials gezeigt wurde.

Das vermutlich emotionalste Gedenkzeichen ist jenes, das an Jindriška Novakovas Schicksal erinnert, die in Mauthausen starb. Nach dem Attentat flüchtete, der beim Bombenwurf im Gesicht verletzte Jan Kubiš in die Wohnung der Familie Novak, wo er behandelt wurde. Die 14-jährige Jindriška wurde von ihrer Mutter an den Ort geschickt, wo Kubiš sein Fahrrad, mit dem er nach dem Attentat geflüchtet war, abgestellt hatte. Im Zuge der Ermittlungen wurden die Mitglieder der Familie Novak festgenommen und von einem Standgericht zum Tode verurteilt. Am 24. Oktober 1942 wurde Jindriška um 11:12 Uhr in Mauthausen ermordet.

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Hofrat Gerold Keusch, BA ist Redakteur beim TRUPPENDIENST.

 

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