• Veröffentlichungsdatum : 08.07.2022
  • – Letztes Update : 07.07.2022

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Chance Militärarzt

Anna Hlawatsch

TRUPPENDIENST-Redakteurin Anna Hlawatsch traf Oberstleutnant dIntD Hannes Bauer, den stellvertretenden Projektleiter und Referatsleiter Personalbindung und -freisetzung der Abteilung Personalführung und -entwicklung, zum Interview.

TRUPPENDIENST: Warum hat sich das Bundesheer dazu entschieden, Nachwuchs für den Beruf des Militärarztes zu verpflichten?

Hannes Bauer: Der allgemeine Ärztemangel bei einem unveränderten Bedarf an medizinischen Versorgungsleistungen im In- und Ausland hat diesen Schritt notwendig gemacht. Trotz einer Vielzahl an unbesetzten Arbeitsplätzen konnten in den vergangenen Jahren nur wenige besetzt werden. Mit der Etablierung der Militär-Medizinstudenten hoffen wir, dass das bisher überschaubare Interesse am Militärarzt an Fahrt aufnimmt. 

TD: Warum sind so wenige Medizin-Absolventen an einer Karriere beim Bundesheer interessiert?

Bauer: Wir wissen, dass es nur wenige Medizinstudenten und ausgebildete Ärzte gibt, die die spannenden und komplexen Möglichkeiten im Bundesheer kennen. Gleichzeitig ist uns bewusst, dass die meisten Absolventen in ihrem Fachbereich arbeiten wollen. Viele wollen Krankheiten therapieren oder chirurgisch tätig sein. Diese Vorstellung deckt sich nur zum Teil mit den Möglichkeiten im Bundesheer, das zwar interessante Tätigkeitsbereiche im In- und Ausland bietet, aber im Dienstbetrieb meist wenig komplexe kurative Aufgaben und auch viele gutachterliche Tätigkeiten zu erbringen hat.

TD: Was erwartet die künftigen Militär-Medizinstudenten?

Bauer: Nach dem Bestehen des Aufnahmetestes (MedAT-H; Anm.) erhalten zehn Bewerber einen Studienplatz im Studiengang Humanmedizin an der Medizinischen Universität Wien. Nach Abschluss des Studiums werden sie als Militär-Assistenzärzte der Ausbildung zum Allgemeinmediziner oder Facharzt zugeführt, bevor sie schließlich als ausgebildete Ärzte im Bundesheer tätig sind. Dafür erhalten sie vom ersten Tag ihres Studiums an monatliche Bezüge, sind durchgehend bei der BVAEB versichert und haben freie Arztwahl, um sich in vollem Umfang auf ihre Ausbildung konzentrieren zu können. Die Gesamtverpflichtungsdauer beträgt 20 Jahre. Geplant sind sechs Jahre Studium und drei bis sechs Jahre Arztausbildung. Ergänzt wird diese von acht bis elf Jahren Mindestdienstzeit im Bundesheer. 

TD: Wie sehen die Vorbereitungen für den Aufnahmetest aus?

Bauer: Für die Teilnahme am MedAT gibt es mit Stand Anfang Mai 40 Interessenten. Das Kriterium für die Aufnahme zum Medizinstudium ist das Erreichen der 75-Prozent-Hürde. Die Medizinstudentenanwärter müssen demnach unter den besten 25 Prozent aller Teilnehmer sein. Um dieses Ziel zu erreichen, ist ein Vorbereitungskurs geplant, den das Bundesheer zur Verfügung stellen wird. 

TD: Können sich auch Zivilisten für einen Studienplatz als Militär-Medizinstudent bewerben? 

Bauer: Ja, neben den allgemeinen Voraussetzungen wie der Freiwilligenmeldung wird bei der Eignungsprüfung die physische und psychische Leistungsfähigkeit überprüft, sofern noch keine Kadereignung vorhanden ist. Die Kadereignung ist notwendig, da die künftigen Militärärzte eine Offiziersfunktion innehaben.  

TD: Was sind die Rahmenbedingungen während des Studiums? Welche Aufgaben haben Militär-Medizinstudenten in der lehrveranstaltungsfreien Zeit? 

Bauer: Während des akademischen Semesters können sich die Studenten vollständig ihrem Studium widmen. In der lehrveranstaltungsfreien Zeit versehen sie Dienst im Sanitätszentrum Ost, wo erste Erfahrungen für den späteren Berufsalltag gesammelt werden können. Das Absolvieren der verpflichtenden Famulaturen (Praktika in der klinischen Ausbildung; Anm.) und die Teilnahme an den periodisch stattfindenden militärischen Ausbildungen des Kaderpersonals sind während der lehrveranstaltungsfreien Zeit gewährleistet. Gleichzeitig ist die Aufrechterhaltung der sportlichen Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Auch das Absolvieren der Schießverpflichtung und militärischen Zusatzausbildungen für den Bereich der Menschenführung sind zwischen den Studiensemestern vorgesehen.  

TD: Was geschieht im Fall eines Abbruches oder Ausfalles?

Bauer: Bei einem vorzeitigen Ausstieg aus dem Dienstvertrag, der ab dem ersten Studientag gilt, ist eine Vertragsstrafe festgesetzt. Diese soll verhindern, dass sich Interessierte auf Kosten des Steuerzahlers ausbilden lassen und dann keine Dienstleistung dafür erbringen. Toleranzsemester sind zwar vorgesehen – was darüber hinausgeht, wird nicht toleriert. 

TD: Was passiert, wenn eine Studierende schwanger wird? 

Bauer: Eine Schwangerschaft ist kein Ausfallsgrund. Das Vertragsbediensteten-Gesetz sieht in diesem Fall vor, dass die Zeit einer Karenz zu den 20 Jahren der Verpflichtung addiert wird. 

TD: Wie erfolgt die Integration in die Truppe?

Bauer: Natürlich befinden sich die Studierenden während ihrer Ausbildung in einem eigenen Rhythmus. Neben den Verwendungen während der lehrveranstaltungsfreien Zeit im Sanitätszentrum Ost und der militärischen Ausbildung ist auch eine Job-Rotation geplant, um andere medizinische Dienste (Ordinationen, andere Sanitätszentren etc.; Anm.) im Bundesheer kennenzulernen. Dadurch soll es möglich sein, weitere Kontakte zu knüpfen, um den Einstieg in den militärischen Berufsalltag zu erleichtern. 

TD: Stichwort Auslandseinsatz: Wie oft werden die künftigen Militärärzte in den Einsatz gehen?

Bauer: Im Kaderpräsenz-Einsatzplan ist vorgesehen, dass die Soldaten alle drei Jahre für sechs Monate in den Auslandseinsatz gehen. Für Ärzte besteht die Möglichkeit, diese sechs Monate in Blöcken zwischen ein und drei Monaten aufzuteilen. 

TD: Gibt es Einschränkungen im Spezialisierungswunsch?

Bauer: Ja, das Bundesheer behält sich vor, die Fachrichtungen zuzuteilen. Die Ausbildung der Studierenden ist insofern eingeschränkt, als dass sich die angehenden Mediziner nur in jenen Fachrichtungen spezialisieren können, die es im Bundesheer gibt. Der Hauptbedarf liegt derzeit auf der Allgemeinmedizin. Die Leistungen im Studium, die individuellen Fähigkeiten der Studierenden und persönliche Neigungen werden in der Zuteilung der Fachrichtungen berücksichtigt. Wird eine Schlüsselfunktion aufgrund einer Pensionierung frei, wird einer der angehenden Ärzte für diese Position ausgebildet.

TD: Werden die Studienplätze in Zukunft aufgestockt?

Bauer: Aus derzeitiger Sicht ist keine Aufstockung vorgesehen. Der Zulauf wird aber über die nächsten Jahre evaluiert werden. Das Bundesheer hat zudem weitere Einstiegsmöglichkeiten vorgesehen. So ist eine Aufnahme in das Programm für Studenten vorgesehen, die sich bereits im Studium befinden und im Optimalfall eine militärische Vergangenheit haben. 

TD: Sind Attraktivierungsmaßnahmen für bereits fertig ausgebildete zivile 
Ärzte geplant?

Bauer: Ein Attraktivierungspaket ist derzeit in Arbeit.

Mag. Anna Hlawatsch, Redakteurin beim TRUPPENDIENST.

 

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