• Veröffentlichungsdatum : 17.03.2022
  • – Letztes Update : 24.03.2022

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Ungarns Kampf um das Burgenland 1921

Gabor Orban

Bereits am 20. April 1921 sprach der ungarische Ministerpräsident Graf István Bethlen während einer geheimen Sitzung von einem bewaffneten Aufstand. Im Sommer und Herbst 1921 sollte der „westungarische Aufstand“ Ödenburg und seine Umgebung um jeden Preis, falls nötig mit Waffengewalt, halten und die Stadt als Kristallisationspunkt für die Rückkehr des Burgenlandes in das ungarische Staatswesen etablieren. Während die Regierung einen zeitlich wie räumlich begrenzten Aufstand favorisierte, strebten die Freischaren die Eroberung des gesamten Gebietes an.

Die Burgenland-Problematik

Das Gebiet des heutigen Burgenlandes bildete bis zum ausgehenden 19. bzw. beginnenden 20. Jahrhundert keine politische oder administrative Verwaltungseinheit. Es beschrieb, rein geographisch gesehen, den westlichsten Teil des ungarischen Grenzlandes, der vorwiegend von deutschsprechenden Untertanen der Heiligen Stephanskrone bewohnt wurde. Da das Gebiet sowohl ethnographisch als auch demographisch einen heterogenen Charakter aufwies, spielte die Regionalität eine besondere Rolle. Diese zeigte sich beispielsweise in Ortsbezeichnungen wie Seewinkel (Fertözug) oder Wulkatal (Vulka-völgye).

In den Jahren 1905/06 veröffentlichte das „Alldeutsches Tagblatt“ mehrere Artikel, die das von der deutschsprachigen Minderheit dominierte „Heanzenland“ („Heinzenland“) für Österreich beanspruchten und die Vorlage der Großdeutschen Partei adaptierten. Der Artikel „Westungarn zu Deutschösterreich“ vom Februar 1906 ging noch weiter: Deutsch-Österreich solle demnach seine Stammesbrüder von der ungarischen „Schreckensherrschaft“ befreien und neben Ödenburg (Sopron) auch Pressburg (Bratislava), Raab (Györ) und Komorn (Komárom bzw. Komárno) einfordern. Während der Name „Heinzenland” stark in der Folklore verankert war und lediglich einen Teil des beanspruchten Gebietes beschrieb, klang der Begriff „Deutsch-Westungarn” zu ungarisch. Mit dem Zusammenbruch der Monarchie 1918 tauchte die Bezeichung „Vierburgenland” – bezogen auf die Komitate Pressburg, Ödenburg, Eisenburg (Vas) und Wieselburg (Moson) – auf. Diese musste allerdings mit der Besetzung von Pressburg durch die Tschechen auf „Dreiburgenland” und schließlich auf das heute gebräuchliche „Burgenland” („Örvidék”) umgeändert werden.

Die Republik Deutsch-Österreich verkündete Mitte Dezember 1918 ihren Anspruch auf das ungarische Grenzland. Die Verträge von Saint Germain (10. September 1919) sowie Trianon (4. Juni 1920) bestätigten diese Forderungen. Hinter dem Beschluss der Siegermächte stand jedoch in erster Linie die Vereitelung der tschechischen Pläne zur Schaffung eines „Slawischen Korridors” auf Kosten Ungarns. Die ethnographische (deutschsprachige Bevölkerungsmehrheit) oder wirtschaftliche Argumentation (Schaffung eines fruchtbaren Hinterlandes für Wien) spielte hingegen eine sekundäre Rolle.

Trianon versetzte das nun deutlich verkleinerte Ungarn in einen Dauer-Schockzustand, die österreichische Haltung löste jedoch eine Welle der Entrüstung aus. Dass Österreich nach einer etwa 400-jährigen „Ehe” mit Ungarn, vor allem nach der vierjährigen Waffenbrüderschaft im Ersten Weltkrieg, Gebiete der Heiligen Stephanskrone für sich beanspruchte, wurde als Verrat wahrgenommen. Der ehemalige Außenminister, Gusztáv Gratz, konstatierte: „Die Weltgeschichte kennt kein Beispiel, wo ein besiegtes Land vom Körper seines besiegten Verbündeten reißt und dass sich ein Verlierer noch Eroberungen verzeichnen kann.” Graf Tamás Erdödy, ein Jugendfreund und engster Vertrauter des letzten österreichischen Kaisers, formulierte in Bezug auf den späteren bewaffneten Widerstand noch klarer: „Daß wir Magyaren nicht untätig blieben, war ja sonnenklar (...)”.

Ungarns Situation war trotz ungünstiger Ausgangslage keineswegs aussichtslos. Zum Einen wurde das beanspruchte Gebiet von Österreich militärisch nicht besetzt. Zum Anderen enthielt der Vertrag von Trianon ziemlich vage Formulierungen, wenn es um „technische” Fragen und Fristen ging. Budapest war lediglich verpflichtet, das Gebiet nach der Ratifizierung Österreich zu überlassen. Dies sicherte der ungarischen Seite den nötigen Handlungsspielraum. Dementsprechend begann unter dem Motto „Zeit gewonnen, alles gewonnen” eine rege Propagandatätigkeit, die von der „Westungarischen Liga” („Nyugatmagyarországi Liga”) koordiniert wurde.

Diese, Anfang Dezember 1919 in Budapest gegründete, irredentistische Gruppe unter der Leitung des Ödenburgers Dr. Gusztáv Thirring baute rasch ihre Netzwerke in Westungarn auf. Sie widmete sich unter anderem der Verteilung von Flugblättern und dem Organisieren von Protestkundgebungen. Mit der Hilfe ihrer Informanten, die ab 1920 regelmäßig über die öffentliche Stimmung berichteten, konnte die Liga außerdem die negativen Einflüsse im Lande genau beschreiben. Demnach stellte das Ödenburger „Deutsche Haus” mit seinem pro-österreichischen Einfluss ebenso eine Gefahr dar, wie die wirtschaftlichen Engpässe, darunter fehlende Alltagsgüter (z. B. Salz).

Ob eine Gemeinde mit Österreich oder Ungarn sympathisierte, hing oft davon ab, wo ihre Bevölkerung arbeitete. Fehlende Poststellen oder Bahnhöfe konnten die Stimmung ebenfalls in die eine oder andere Richtung lenken. Während der deutschsprachige Bürgermeister von Ödenburg, Mihály Thurner, am 15. März 1921 vor 20.000 pro-ungarischen Demonstranten erklärte: „Deutsch sein, heisst treu sein!”, warnte Graf Antal Sigray, westungarischer Regierungsbeauftragter, in einem Brief an Thirring vor einer unüberlegten, plötzlichen Räumung des Gebietes durch die ungarischen Behörden, die „vollendete Tatsachen schaffen würde”.

Die ungarische Diplomatie versuchte indes auf die österreichischen Regierungen einzuwirken. Ab Anfang 1921 fanden in mehreren Runden Verhandlungen statt, die zwar die Themen Zollunion, Autonomie, Gebietsaufteilung usw. berührten, aber letztendlich an der kompromisslosen Haltung Wiens scheiterten. Nicht ohne Grund: Österreich, seit dem Ende der Monarchie vom Zentrum eines Großreiches zum Kleinstaat geworden, befand sich in einer Identitätskrise. Bundeskanzler Michael Mayr und anschließend auch Johann Schober, konnten und wollten daher bezüglich des Burgenlandes keinen Schritt zurückweichen. Nachdem die Verhandlungen allem Anschein nach von Anfang an im Sand verlaufen waren, rückte die Möglichkeit eines bewaffneten Widerstandes näher.

Am 20. April 1921 sprach der ungarische Ministerpräsident Graf István Bethlen während einer geheimen Sitzung bereits von einem bewaffneten Aufstand. Lediglich zwei Wochen vor dem Beginn der Kampfhandlungen formulierte er in Eisenburg (Vasvár) besonders deutlich: „Wir sind an dem Punkte angelangt, wo es nicht mehr weitergeht. Die ungarische Regierung, ihre Interessen vor Auge haltend, sagt daher: Österreich solle zur Kenntnis nehmen, dass wir – sollte Österreich unsere Freundschaft zurückweisen – unsere Verpflichtungen gegenüber unserer Heimat erfüllen werden.”
 

Die Rolle der Budapester Regierungskreise

Für Budapest ging es im Sommer und Herbst 1921 primär darum, Ödenburg und seine Umgebung um jeden Preis, falls nötig mit Waffengewalt, zu sichern. Die Anziehungskraft von Ödenburg, der wichtigsten und faktisch einzigen Stadt in der Region, würde nach Ansicht Budapester Regierungskreise für die Rückkehr des ländlichen Burgenlandes in das ungarische Staatswesen sorgen.

Den „westungarischen Aufstand“ gedachte die Regierung durch die Geheimorganisation „Etelközer Allianz“ („Etelközi Szövetség“ oder EKSZ, gegr. im Herbst 1919) bzw. ihrem paramilitärischen Flügel, die „Doppelkreuz-Blutallianz“ („Kettöskereszt Vérszövetség“ oder KKVSz, gegr. im Herbst 1919) zu steuern. Zu ihren prominenten Mitgliedern zählten, neben der Hauptfigur des Aufstandes Oberstleutnant Pál Prónay und dem berüchtigten Bandenführer Oberleutnant Iván Héjjas, Ministerpräsident Graf István Bethlen, Ex-Ministerpräsident Graf Pál Teleki, Außenminister Graf Miklós Bánffy oder Feldbischof Pater István Zadravecz, um nur einige zu nennen. An der Spitze der Etelközer Allianz stand hingegen der engste Mitarbeiter des Reichsverwesers Miklós Horthy, Gyula Gömbös. Aufgrund umfangreicher personeller Überlappung pflegte die Bewegung intensive Kontakte mit der mächtigsten irredentistischen Massenorganisation der Zeit, dem „Verein der Erwachenden Ungarn“ („Ébredö Magyarok Egyesülete“ oder ÉME) sowie dem, von Gömbös gegründeten, „Ungarischen Landeswehrmachtsverband“ („Magyar Országos Véderö Egyesület“ oder MOVE). Es wird angenommen, dass etwa 70 Prozent der westungarischen Freischärler Mitglieder der ÉME waren, wobei die Grenze zwischen den einzelnen Vereinen ziemlich durchlässig war. 

Trotz umfangreicher Vorbereitungen häuften sich die Probleme zunehmend. Während Budapest einen zeitlich und räumlich begrenzten Aufstand favorisierte, dessen Ziel die Sicherung von Ödenburg war, strebten die Freischaren die Eroberung des gesamten Gebietes an. Prónay, ab Oktober 1921 quasi Oberbefehlshaber der Kampftruppen, gewann verstärkt den Eindruck, dass die Leitung der Etelközer Allianz – nun unter dem Decknamen „Auferstehung“ („Feltámadás“) – und speziell Gömbös eine Marionette der Bethlen-Regierung sei. Als Gömbös Anfang September 1921 in Ödenburg eintraf, offenbarte er Prónay die Befürchtung Bethlens, durch die Vermehrung der Freischaren die Kontrolle zu verlieren. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war die Beziehung zwischen Budapest und den Insurgenten derart konfliktbeladen, dass er den Befehlen der „Auferstehung“ nur bedingt nachkam. Hinzu kam, dass Prónay mit den legitimistischen, von der Regierung nicht kontrollierten Gruppierungen in Verbindung trat, um eine breite Front gegen innere (Bethlen) und äußere (Österreich) Feinde zu bilden.

Die Reaktion aus Budapest war ambivalent. Während Ende August 1921 eine Reihe von Verordnungen in Kraft trat, um die Fahrt von „unverantwortlichen“ Insurgenten nach Westungarn durch Kontrollen in den Zügen oder den Erlass von speziellen Legitimationen der Etelközer Allianz zu unterbinden, zeugt die Korrespondenz zwischen Gömbös und Prónay von einer Unterstützung seitens der Regierung. Diese waren materieller (Munition) und nachrichtendienstlicher (betraf die legitimistischen Gruppen und Kaiser Karls Intentionen) Natur. Erst die Ausrufung des „Leithabanats“ durch Prónay am 4. Oktober 1921 trübte die Kooperation zwischen Budapest und den Freischärlern. Die Etelközer Allianz stellte ihre Lieferungen unverzüglich ein und die Regierung verschärfte die Blockade des kurzlebigen Staates. Prónay antwortete mit der Ausrufung der Neutralität des Banats während des zweiten Restaurationsversuches Karls. Darüber hinaus kündigte er Anfang März 1922 seine Mitgliedschaft in der Etelközer Allianz. Nur das energische Eingreifen des Reichsverwesers Miklós Horthy bewegte Prónay und seine Truppen zum Verlassen des „Leithabanats“, was die Durchführung der Ödenburger Volksabstimmung ermöglichte. 

Organisation, Stärke und Ziele der Freischärler

Mitte August 1921 verfügte das Königreich Ungarn über zwei reguläre Formationen auf burgenländischem Gebiet. Das Reserve-Gendarmerie-Bataillon Nr. 1 stand zunächst in Oberwart, zog am 28. August befehlsmäßig auf Dienling (Torony), westlich von Steinamanger (Szombathely) und befand sich somit jenseits der neuen Grenze auf ungarischem Gebiet. Das Kommando führte nominell Hauptmann Viktor (Gyözö) Ranzenberger, den eigentlichen Oberbefehl behielt aber Oberstleutnant Pál Prónay. Prónay wurde mit 26. August 1921 aus dem Verband der Armee „aus freiem Willen“ entlassen, um später entsprechend der Pläne der Etelközer Allianz die Führung der „südlichen Freischärler-Armee“ zu übernehmen. Ranzenberger besaß allerdings derart wenig Autorität, dass er bald nach Prónay rufen musste. 

Die zweite bewaffnete Formation, das Reserve-Gendarmerie-Bataillon Nr. 2 unter dem Befehl von Major Gyula Ostenburg-Moravek war hingegen in Eisenstadt stationiert und verlegte am 28. August nach Ödenburg. Beide Bataillone hatten ihren Ursprung in der Zeit der Gegenrevolution, wo sie als Offiziers-Detachements (Kompanien) am „Weißen Terror“ teilnahmen. Um die Mannschaftsstärke zu erhöhen, wurden ihnen die Ergänzungsbezirke des ehemaligen IR Nr. 46 (Szeged) sowie des IR Nr. 69 (Székesfehérvár) zugewiesen. In den Heeresbestand wurden sie als Jäger-Bataillon Nr. 1 bzw. 2 aufgenommen. Es handelte sich also um getarnte reguläre Armeeeinheiten, die aufgrund der militärischen Bestimmungen von Trianon am 1. Jänner 1921 in Gendarmerie-Formationen umgewandelt wurden.   

Während das Bataillon Ostenburg erst nach dem 28. August mit den Freischärlern in Verbindung trat, wurde das Bataillon Ranzenberger (ex-Prónay) aktiv. Die MG-Kompanie unter Oberleutnant Árpád Taby löste sich aus dem Bataillonsverband, um zusammen mit Hauptmann i. R. Miklós Budaházy, einem Offizier der Szekler-Division, den bewaffneten Widerstand im mittleren Burgenland zu organisieren. Oberleutnant Endre Molnár, ebenfalls vom ehemaligen Prónay-Detachement, übernahm den südlichen Bereich. Um diese Formationen gruppierten sich verschiedene Freischärler-Trupps (Gruppe Förster zu Oberleutnant Molnár, Gruppe Ürmössy und die Wieselburger-Studenten zu Oberleutnant Taby, Gruppe Láhner zu Hauptmann i. R. Budaházy, usw.). Sie agierten zwar unabhängig voneinander, akzeptierten aber Prónay ab etwa Mitte September als ihren Oberbefehlshaber. 

Weiter im Norden, im Bereich des Bataillons Ostenburg, organisierte der oppositionelle Abgeordnete und ehemalige Ministerpräsident István Friedrich ein, von der Etelközer Allianz unabhängiges, Widerstandsnest. Bis Ende September entstanden dort, unter dem Protektorat von Major Ostenburg, zwei größere Formationen, die 5. Offizierskompanie (Studenten der Bergbauakademie Ödenburg – zuvor Schemnitz, Eisenbahner aus Steinamanger und eine kleine Gruppe von Bosniaken) unter dem Kommando von Husarenrittmeister Viktor Maderspach in Mattersburg und die Gruppe Friedrich (Studenten der Budapester Technischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Universität sowie Mittelschüler aus Györ) unter der Leitung von Dr. Dezsö Wein in Eisenstadt. 

Die letzte größere, ganz im Norden aktive, bewaffnete Gruppe unterstand dem Reserveoffizier Oberleutnant Iván Héjjas. Seine Formation, die „Lumpengarde” („Rongyos Gárda”), zählte zu den berüchtigsten Freischaren. Im Frühjahr 1919 im Raum Kecskemét als antikommunistische Bewegung ins Leben gerufen, entwickelte sich die Lumpengarde rasch zum blutigen Instrument der weißen Gegenrevolution. Aufgrund zahlreicher Übergriffe und Morde in den Jahren 1919 und 1920 erließ die ungarische Staatsanwaltschaft gegen 60 Mitglieder der Héjjas-Bande – darunter die Unterführer Mihály Francia-Kiss und Árpád Rád –Haftbefehle, allerdings flohen sämtliche Beschuldigte in das westungarische Grenzland, um am Aufstand teilzunehmen.

Prónay kam erst am 6. September 1921 in Ödenburg an, wo er zwei Tage lang mit Ostenburg und dem westungarischen Regierungsbeauftragten Graf Sigray verhandelte. Das Thema war die Eindämmung des Einflusses der Etelközer Allianz. Den Aktionsplan von Gyula Gömbös, die Freischaren in drei Gruppierungen um Wieselburg („Nordarmee” unter Oberst István Inselt), Steinamanger („Mittlere-Armee” unter Major Ostenburg) sowie Kirment (Körmend, „Südarmee” unter Oberstleutnant Prónay) zu konzentrieren, bezeichnete Prónay als unseriös und verwarf diesen. Stattdessen erließ er am 8. September in Großpetersdorf einen Tagesbefehl, in dem er die Übernahme der militärischen Gesamtleitung mit Sitz in Oberwart verkündete. Seinem Befehl leisteten die Hauptgruppen Molnár, Taby, Budaházy und Héjjas tatsächlich Folge, die anschließend in vier „Armeen” („Felkelöhadsereg”) bzw. Korps organisiert wurden. Hinzu kam nach der Ausrufung des Leithabanats am 4. Oktober 1921 das V. Korps Maderspach. Prónay erwähnt in seinem Tagebuch auch die Aufstellung des VI. Korps, die Gruppe Friedrich/Wein aus Eisenstadt. Ihre Einteilung in eine selbstständige „Armee” fand allerdings nach den Worten des Hauptmanns Pál Gebhardt niemals statt. Vielmehr stand sie bis zu ihrem Abzug Ende Oktober im Bereich des V. Korps.

Die Gesamtzahl der Freischaren auf burgenländischem Gebiet wird von Prónay auf 4.200 Mann inklusive Bürgerwehr beziffert. Der im In- und Ausland anerkannte Archivar László Fogarassy aus Pressburg hingegen bezweifelt diese Zahlen und gibt eine Gesamtstärke von etwa 2.800 Mann an, während der Historiker Gerald Schlag, ziemlich vorsichtig, von einer Höchstzahl ausgeht, die 10.000 Mann „kaum überschritten” haben dürfte. Graf Sigray sprach wiederum in einem „Times”-Interview von 5.000 Insurgenten. Konkreter ist die Meldung der ungarischen Militärbehörde, wo Anfang November die Abrüstung von 2.125 Mann verzeichnet war. Hinzu kam das Bataillon Ostenburg, das am Vorabend des zweiten Restaurationsversuches laut Menageliste einen Verpflegsstand von 1.500 Mann hatte. Es ist anzunehmen, dass am Aufstand lediglich ein Bruchteil der Ostenburgschen Gendarmen aktiv teilnahm (der Historiker József Botlik weist auf 50 Deserteure hin), sodass die Gesamtzahl der kampffähigen Formationen wohl unter 2.500 Mann lag.

Beim Betrachten der Freischaren sticht ihre soziale und ideologische Diversität ins Auge. Unter ihnen waren aktive und pensionierte Offiziere, lokale Politiker, Adelige, Universitätsstudenten und Mittelschüler ebenso präsent wie Glücksritter, Bauern, Tagelöhner, Landstreicher oder gar Gesetzlose. Ähnlich heterogen war auch ihre ideologische Überzeugung. Während sich die ersten vier Korps als „Freie Königswähler” definierten und die Macht von Miklós Horthy unterstützten, plädierten die Legitimisten bzw. Karlisten (das V. Korps sowie das Bataillon Ostenburg), für die Rückkehr König Karls IV. Beide Lager verband jedoch ihre strategische Zielsetzung. Sie wandten sich scharf gegen die Formel Ödenburg der Budapester Regierung und strebten, im Zeichen des Irredentismus, die Unteilbarkeit des Burgenlandes an.

Bewaffneter Widerstand und erste Kämpfe

Am 17. August 1921 erschien in dem Blatt „A Nép“ („Das Volk“) ein Artikel von István Friedrich, in dem er sich für den bewaffneten Aufstand zum Schutze des westlichen Grenzlandes aussprach. Als oppositioneller Delegierter des ungarischen Parlamentes konnte der Legitimist Friedrich nicht ahnen, dass die Etelközer Allianz bereits an ihrem eigenen Widerstand arbeitete. Friedrich schlug sein Hauptquartier in Balatonfüred am nördlichen Ufer des Plattensees auf und beauftragte den Dentisten Dr. Dezsö Wein mit der Beschaffung von Geldern für die Bewegung. Ihm zur Seite standen auch die vaterländische Organisation von Nándor Urmánczy (ein Freier Königswähler) und Rittmeister Viktor Maderspach aus dem Raum Petroschen (Petrozsény/Siebenbürgen) mit 50 Landsleuten sowie einer kleinen Schar Bosniaken unter Omer Dencic.

Parallel dazu begann die Hochschülerschaft ihre Aktivitäten zu intensivieren. Der „Jugendkreis“ („Ifjúsági Kör“) der Bergbauakademie Ödenburg, beheimatet in der Károly-Kaserne, verschickte unter der Leitung von Ottó Leicht selbstverfasste „Einberufungsbefehle“. In Wieselburg kursierte bereits im Frühjahr 1921 ein Fragebogen unter den Studenten, auf dem die Namen jener Personen standen, die bereit wären, für Westungarn zu den Waffen zu greifen. Darüber hinaus erschienen immer größere Gruppen der Budapester Hochschülerschaft in Ödenburg. Die ungarische Regierung reagierte mit einer verstärkten Kontrolle des Bahnverkehrs und verwies jeden Einzelnen aus Westungarn, der nicht über die spezielle Legitimation der Etelközer Allianz verfügte. Auf diese Weise wurden allein im Monat August 160 Personen aufgegriffen. Rittmeister Maderspach war sogar gezwungen, Budapest auf dem Fahrrad zu verlassen.

In Ödenburg bzw. im benachbarten Wolfs (Balf), wohin Friedrich am 26. August sein Hauptquartier verlegte, herrschte Chaos. Von patriotischer Begeisterung erfasst, aber ohne Waffen, beriet dort der Stab über das weitere Geschehen. Einen Tag später, nach dem Abzug des ungarischen Militärs, übersiedelte die Führung in das Ödenburger Hotel Pannonia, wo es zum Kriegsrat kam. Ebenfalls eingetroffen war Oberleutnant Iván Héjjas. Er trat durch einen Mittelsmann mit Friedrich und Maderspach in Verbindung und dirigierte seine 120 ausgewählten Männer aus dem Raum Kecskemét, die Hauptstadt berührend, nach Westungarn. Etwa 40 Mann beließ er in Zurndorf, wo sich die Wieselburger Hochschülerschaft versammelte (130 Mann), der Rest erreichte die Ödenburger Károly-Kaserne am 27. August.

Um Friedrichs Bemühen ein Ende zu setzen, ließ die Etelközer Allianz, Gömbös mit Ministerpräsident Bethlen im Hintergrund, durch Graf Sigray mitteilen, dass weder Friedrich, noch Urmánczy oder Wein in Westungarn erwünscht seien. Héjjas wurde sogar des Hochverrats bezichtigt. Die an Friedrich gedachte Waffenlieferung aus Budapest – wahrscheinlich vom Fürstenfelder Waffenraub 1920 stammend – hielt man sogar, „auf höheren Befehl“, in Raab auf. Héjjas reagierte in dieser kritischen Situation prompt und entsandte seine Männer mit zwei Last- und einem Personenwagen nach Raab, um die Waffen abzuholen. Indessen versuchte die lokale Organisation der ÉME (Dr. Laky V. László) die Fracht für die Weiterfahrt freigeben zu lassen – mit Erfolg.

In den frühen Morgenstunden des 28. August 1921 überschritten die Marschkolonnen der österreichischen Gendarmerie die historische Grenze. Das Bataillon Ostenburg verließ daraufhin Eisenstadt und blieb an der Grenze der Zone A und B, unweit von Ödenburg stehen. Während die Kolonnen 1 und 2 ohne Kampfhandlungen ihre Marschziele erreichten, wobei sie im Raum Zurndorf – Nickelsdorf Freischaren (Wieselburger-Studenten und Héjjas-Leute) wahrnahmen, entbrannten in den Dörfern nordwestlich von Ödenburg heftige Kämpfe. Héjjas bildete aus seinen Männern und jenen von Maderspach drei Kampfgruppen. Am linken Flügel marschierten 30 Mann unter Mihály Francia-Kiss nach Agendorf, 50 Mann unter dem Kommando von Maderspach nach Schattendorf und zuletzt 40 Mann unter Károly Kaszala nach Siegendorf.

In der Mitte stieß Maderspach bis zum Hauptplatz von Schattendorf vor. Dort erbeutete er nach kurzem Schusswechsel einen Postautobus und mehrere Personenwagen und fuhr mit Einbruch der Dunkelheit nach Ödenburg zurück. Rechts von ihm, bei der Siegendorfer Zuckerfabrik, kämpfte Kaszala. Ein Großteil seiner Männer ließ ihn allerdings im Stich. Ein längerer Feuerkampf schallte auch vom äußerst linken Flügel herüber, wo die sechsköpfige Vorhut von Francia-Kiss eine gegnerische Fahrradpatrouille in der Höhe des Bahnhofes Agendorf bemerkte und das Feuer eröffnete. An diesem Ort verzeichneten die Insurgenten ihren ersten Toten, László Baracsi aus Kecskemét.

Eine kleine „Trophäe“ stellte jedoch der künftige Landesverwalter des Burgenlandes, Dr. Robert Davy, dar. Er geriet kurzzeitig in die Hände der Freischaren und musste vom anrückenden Major Ostenburg befreit werden. Nach dem Gefecht bei Agendorf ließ Ostenburg die Freischaren entwaffnen und zu seinem Stabsquartier in die 48er-Kaserne abführen. Maderspach und seine Männer schlossen sich daraufhin, zusammen mit den Studenten der Bergbauakademie, als „5. Offizierskompanie“ dem Bataillon Ostenburg an. Die Héjjas-Leute wurden im Gegenzug aus Ödenburg verwiesen. Iván Héjjas, der den ersten Tag des Aufstandes in einem Hotelzimmer verbrachte, fuhr auf Befehl von Gömbös (Etelközer Allianz) nach Budapest, während sich seine Männer unter Francia-Kiss nach Süden begaben, um sich dort der Gruppe Taby anzuschließen.

In den ungarischen Quellen ist vom Überfall auf St. Margarethen am Abend des 28. August wenig bekannt. Wer diese Aktion durchführte, ist nicht gesichert. Lediglich Viktor Maderspach weist in seinen Memoiren darauf hin, dass nördlich von Ödenburg eine bewaffnete Gruppe der Organisation Urmánczy unter dem Befehl von Oberleutnant Ferenc Horky stand, die durch die Bosniaken des Omer Dencic verstärkt wurde.
 

Der nördliche Frontabschnitt (August bis September) 

Das nördliche Operationsgebiet der Freischaren umfasste den Abschnitt Wiener Neustadt – Pressburg, und entsprach damit dem nördlichen Burgenland. Die Mitglieder der 5. Offizierskompanie, auch Ostenburgsche Freischärler genannt, starteten mit ihren Störaktionen am 4. September 1921. An diesem Abend bezog eine 18-köpfige Gruppe südwestlich von Eisenstadt Stellung und beschoss den Stadtrand sowie Kleinhöflein. Eine zweite Gruppe unter Leutnant O(b)stgarten nahm gleichzeitig St. Margarethen unter Feuer. Am nächsten Abend folgten Neufeld an der Leitha und Klingenbach. Am 6. September tauchten die Freischärler erneut vor St. Margarethen auf, um die Nachtruhe des dortigen Gendarmerie-Postens zu stören. Lediglich einen Tag darauf, in der Nacht vom 6. auf den 7. September, überfiel eine kleine Gruppe, unter dem Kommando von Oberleutnant Henrik Marschall, Zagersdorf und verschleppte mehrere Gendarmen.

Am 7. September konnte man auf beiden Seiten Vorbereitungen für eine größere Aktion feststellen. Landesverwalter Dr. Davy erschien in Agendorf, wo er vor dem anwesenden Publikum – zahlreiche Gäste waren extra aus Wiener Neustadt und Wien angereist – erklärte: „Morgen wird der Vormarsch nach Ödenburg vorgenommen!“ Auf ungarischer Seite erkundete Rittmeister Maderspach in Begleitung von Elemér Székely in der Nacht zuvor die österreichischen Stellungen bei Agendorf. Die dort stationierten etwa 400 Gendarmen verfügten über sechs Maschinengewehre (MG). In der Nacht auf den 8. September formierten sich ungefähr 110 Insurgenten in drei Gruppen, bewaffnet mit Gewehren und einem MG, die kurz vor 5 Uhr früh Agendorf angriffen. Die Schwärme Nr. 1 und 2 (Varga bzw. Obendorf) bestanden hauptsächlich aus Hochschülern, während der Schwarm Nr. 3 (Gebhardt) Eisenbahner und Muslime in seinen Reihen hatte. Die Gruppe Varga stieß, das Gebäude der evangelischen Kirche als Deckung nutzend, bis zum Lutherplatz vor, wurde aber von einer Schar österreichischer Gendarmen zurückgewiesen. Ein weiterer Angriff auf das Wachhaus des Bahnhofes scheiterte ebenfalls. Ein dritter, kombinierter Vorstoß gelang letztendlich. Bis dahin waren zwei Insurgenten und ein ungarischer Gendarm gefallen (Machatsek, Szechányi, Pehm) sowie zwei weitere schwer verwundet (Held, Zorkóczy) worden. Die inzwischen in Agendorf eingetroffene Abteilung des Bataillons Ostenburg entwaffnete vor den Augen der ebenfalls eingetroffenen Entente-Kommission und des Grafen Sigray die Freischärler, um sie am Nachmittag wieder freizulassen.

Obwohl die österreichischen Gendarmen-Abteilungen nach dem zweiten Gefecht bei Agendorf mit der Räumung der Zone A begannen, dauerten die Kämpfe weiter an. Am 12. September besetzte ein Trupp der sozialistischen Arbeiterwehr Eisenstadt, zog sich aber vor den ausgeschickten zwei Abteilungen des Bataillons Ostenburg kampflos zurück. Am 16. und 17. September unternahm die gesamte 5. Offizierskompanie eine Patrouille auf dem Gebiet der Zone A. Die Gruppe Jenö Fixek bewegte sich entlang der Linie Rohrbach bei Mattersburg – Mattersburg (damals: Mattersdorf) – Sigleß – Krensdorf – Hirm – Stöttera – Zemendorf – Draßburg; die Gruppe Conrad Rittmeister hingegen marschierte durch Klingenbach – Siegendorf – Trausdorf an der Wulka – St. Margarethen – Oslip – Schützen am Gebirge – Eisenstadt – Wulkaprodersdorf – Hirm – Draßburg.

Am 20. September 1921 trafen darüber hinaus die Freischaren der Gruppe Friedrich ein. István Friedrich musste zwar Ende August den Raum Ödenburg verlassen, er organisierte aber aus Budapester Studenten und Mittelschülern aus Raab eine etwa 100 Mann zählende Einheit unter Dr. Dezsö Wein, János Bogya und Béla Auer. Die Friedrich-Gruppe („Grünhütler“) zog nach Eisenstadt, wo sie sich im Schloss Esterházy einrichtete, die Offizierskompanie besetzte hingegen Mattersburg. Beide Formationen stellten später das V. Freischärler-Korps dar und standen unter dem Schutz von Major Ostenburg. Kommandant des Korps war Viktor Maderspach, ab dem 24. September sein Adlatus, Hauptmann Pál Gebhardt. Das Mattersburger Hauptquartier installierte bis Ende September eine Reihe von Sicherungsposten, womit das Gebiet fest in der Hand der Freischaren blieb. Für Unmut sorgte hingegen der voreilige Überfall der „Grünhütler“ auf Au am Leithaberge (Niederösterreich) am 27. September, wo sie elf österreichische Gendarmen gefangen nahmen.

Die militärischen Operationen im äußersten Norden des Burgenlandes begannen erst ab dem 21. September. Ähnlich wie Friedrich wurde auch Oberleutnant Héjjas Ende August 1921 aus Ödenburg verwiesen und nach Budapest beordert. Anfang September entwich er jedoch der Etelközer Allianz und nahm mit Oberstleutnant Pál Prónay in Bicske, westlich der Hauptstadt, Kontakt auf. Mitte September meldete er sich im Hauptquartier Prónays in Oberwart. Auf die Frage, „Was soll jetzt mit mir geschehen?“, stellte ihm Prónay 50 Mann, zwei MG und zwei kleinere Minenwerfer unter der Leitung von Oberleutnant Jenö Huszka zur Verfügung.

Mit dieser Gruppe tauchte Héjjas, unterstützt von Hauptmann István Bachó als Militärberater, am Abend des 21. September 1921 vor Parndorf auf und ließ diesen Ort, ohne einen Schuss abzugeben, besetzen. Sein Hauptquartier schlug er im ehemaligen, heute nicht mehr existierenden, Schloss Harrach auf. Von dort aus griff die Gruppe Héjjas in der Nacht auf den 24. September Bruck an der Leitha sowie das Brucker Lager an, wo das III. Bataillon/IR 1 des Bundesheeres stationiert war. Eine kleine Schar unter Feldwebel Sándor Várkonyi (15 Mann) beschoss den Harrachschen Schlossgarten und die dortige Leithabrücke, während der Haupttrupp (25 Mann) unter Héjjas und Bachó gegen den Bruckneudorfer Bahnhof und das Lager vorgingen. Die Einnahme der Ortschaft schlug fehl, die Freischaren konnten sich allerdings in den angrenzenden, taktisch wichtigen Bergen (Spitalberg, Gaisberg, Ungerberg) behaupten. Als Verlust hatten sie einen Verwundeten zu verzeichnen.

Noch am 24. September traf in Parndorf eine Verstärkung von 100 Mann, darunter Albaner, ein, die gegen Neusiedl am See vorgingen. Am nächsten Tag fielen Jois und Winden am See an die Insurgenten. Die vereinten, etwa 130 Mann starken Abteilungen der Gruppe Héjjas rannten in der Nacht vom 26. auf den 27. September Kaisersteinbruch von drei Seiten an und drangen bis Sommerein vor. Im Gefecht fielen zwei namentlich nicht bekannte Freischärler. Ein Gegenangriff der österreichischen Kräfte konnte abgewehrt werden. Am 27. September nahm Hauptmann Bachó Breitenbrunn und nahm damit Fühlung mit der Gruppe Friedrich in Donnerskirchen auf, während sich Héjjas am Tag darauf Purbach bemächtigte. Am Abend des 27. September erfolgte ein neuerlicher Gegenangriff der österreichischen Kräfte aus Sommerein in Richtung Kaisersteinbruch, wo ein Aufständischer fiel (Mihály Vágó). Héjjas drang indes durch Neudorf auf Haslau, Prellenkirchen und Edelstal vor. Bei Potzneusiedl, auf dem Gelände des Schlosses Batthyány wurde der Insurgent István Éhn aus Oberungarn (heute Slowakei) schwer verwundet und verstarb am 29. September im Wieselburger Krankenhaus. Am 30. September streifte eine Patrouille der Gruppe Héjjas unter Oberleutnant Gyula Bocskay gegen Berg und Kittsee – bei Engerau (Petržalka; heute Stadtteil von Bratislava) stieß sie sogar auf eine tschechische Abteilung, die sofort beschossen wurde.
 

Der südliche Frontabschnitt (August bis September)

Im Gegensatz zum nördlichen Frontabschnitt spielte sich ein Großteil der entscheidenden Gefechte auf dem südlichen Kriegsschauplatz (Mittleres- und Südburgenland) zwischen dem 28. August und dem 5. September ab. Ab diesem Zeitpunkt gab es, abgesehen von Überfällen und kleineren Scharmützeln, keine bedeutenden Zusammenstöße. Hier war ein Großteil der Freischaren – insgesamt drei Korps – massiert, wobei sich ihre Gesamtstärke in den ersten Tagen des „westungarischen Aufstandes“ auf einige hundert Mann belief.

Am 28. August besetzten die einrückenden Kolonnen 5 und 6 der österreichischen Gendarmerie kampflos das mittlere Burgenland. Lediglich schwache Reitertruppen der Insurgenten unter Dr. Imre Egán beobachteten die Bewegung der Marschkolonnen. Weiter südlich waren die Freischaren erst im Aufbau begriffen. Eine unbewaffnete Gruppe unter Vitéz László Endre wurde zwischen Oberwart und Pinkafeld von kolonialen Truppen der Entente aufgehalten und nach Oberwart gebracht. Die Gefangenen wurden noch am selben Tag von Graf Tamás Erdödy und seinem Trupp befreit. Heftige Kämpfe entbrannten nördlich von Pinkafeld, wo eine etwa 50 Mann starke Gruppe mit zwei MG (Oberleutnant László Kuti) die aus Friedberg anrückende gegnerische Marschkolonne 7 beschoss. Obergefreiter Pál Papp und Zugsführer József Szabó starben, drei weitere Insurgenten wurden verwundet (Gergely Tassy, Aladár Danics sowie Antonia Albrecht, Gräfin Erdödy).

Bei Allhau leisteten 40 Insurgenten unter dem Kommando von Leutnant László Kaas sowie Leutnant Tibor Héjjas (ein Bruder von Iván Héjjas) erfolgreich Widerstand. Sowohl Kuti als auch Kaas zogen sich am Abend auf Großpetersdorf zurück. Auch die Burgauer Marschkolonne (9) gewann wenig Terrain, nachdem sie von einer 70 Mann zählenden Freischar (László Somogyi-Köllö) beschossen wurde. Der Bindermeister Ferdinand Schmidt aus Neudauberg erlitt dabei einen tödlichen Herzschuss. Ganz im Süden erreichten die Kolonnen 10 und 11 ihre Ziele bei Heiligenkreuz am Lafnitztal. Sie wurden aber in der Nacht auf den 29. August von 70 Freischärlern aus Kotenburg (Sárvár) unter Oberleutnant Ferenc Pletszkáts angegriffen, wobei die Gruppe im lokalen Gasthaus mehrere Gendarmen gefangen nahm. Anschließend ging die Gruppe Pletszkáts tagsüber über Poppendorf, Eltendorf und Königsdorf bis nach Dobersdorf vor. 

Eine 20 Mann starke Gruppe unter Leutnant Kaas verließ am 29. August den Bereitstellungsraum Großpetersdorf und marschierte über St. Michael nach Heugraben und weiter nach Rohr sowie Neusiedl bei Güssing (beide am 30. August). Die Gruppe erreichte am 31. August Rudersdorf, womit die Fühlung mit der Gruppe Pletszkáts hergestellt wurde. Weiter südlich überfiel Oberleutnant Endre Molnár mit einer kleinen Schar Mogersdorf, vereinigte sich am nächsten Tag mit der Gruppe Förster und bemächtigte sich Welten, Mühlgraben und Neuhaus am Klausenbach. Die Freischaren von Vitéz Lajos Förster marschierten zuvor von St. Gotthard (Szentgotthárd) entlang der Linie Jennersdorf und Hohenbrugg, wo der Hochschüler Ákos Gubicza beim dortigen Wachhaus eine tödliche Wunde erhielt.

Im Raum Oberwart-Pinkafeld-Allhau überschritt die Marschkolonne 7 am 29. August erneut die historische Grenze und ging über das nun unbesetzte Pinkafeld bis zum Oberwarter Hauptplatz vor. Hier wurden die österreichischen Gendarmen von 29 Freischärlern unter dem Kommando von Oberleutnant Árpád Taby angefallen. Den Insurgenten fielen vier militärische Autobusse in die Hände. Auf die Nachricht des Oberwarter Misserfolges kehrte die Kolonne 8 von Allhau unverzüglich in die Steiermark zurück. Ein neuerlicher Vorstoß derselben Kolonne gegen die Allhauer Lafnitz-Brücke am 31. August scheiterte. Das Südburgenland stand nach dreitägigen Kämpfen unter der Kontrolle der Freischaren, wobei beide Seiten bemüht waren, kleinere Störaktionen durchzuführen. Darüber hinaus kam es immer wieder zu Feuergefechten zwischen den gegnerischen Patrouillen. So geriet am 4. September László Dékány bei Rudersdorf verwundet in Gefangenschaft. Auch Neudau stand wiederholt im Mittelpunkt des Geschehens, wo am 17. September ein Insurgent verwundet wurde. Die österreichischen Zeitungen und der Pester Lloyd meldeten zudem mehrere Verwundete bei Gillersdorf am 15. September sowie zwei Tote bei Hohenbrugg am 30. September.

Das mittlere Burgenland blieb bis zum 2. September von Zusammenstößen verschont. Bereits am 30. August wurden Teile der bei Großpetersdorf konzentrierten Gruppen nach Norden beordert, um die Bernsteiner Gruppierung (Reitergruppe Egán) zu unterstützen. In Bad Tatzmannsdorf stand der Stab des II. Freischärler-Korps (Hauptmann i.R. Budaházy und Oberleutnant Láhner). Am 2. September geriet der Anführer der Bernsteiner Freischärler, Dr. Imre Egán, bei Pilgersdorf in Gefangenschaft. Am selben Tag fielen in Günseck, am 4. September bei Salmannsdorf (Gemeinde Pilgersdorf) Schüsse. Hier fand Leutnant Imre Kalocsay den Tod. János Hencz und drei weitere Männer wurden verwundet.

In der Nacht auf den 5. September 1921 startete Oberleutnant Taby mit der größten koordinierten Militäraktion des gesamten „westungarischen Aufstandes“. In vier Gruppen (Taby, Gerley, Francia-Kiss, Ürmössy bzw. Örményi) eingeteilt, rannten die Freischärler die Posten Lockenhaus – Gerisdorf – Bubendorf an und marschierten im Anschluss daran auf Pilgersdorf. Budaházy besetzte zu ihren Linken mit zwei Gruppen Redlschlag und Kogl (Gemeinde Pilgersdorf). Die nun vereinten Kräfte von Taby und Budaházy – insgesamt etwa 250 bis 290 Mann – versuchten, Kirchschlag zu erstürmen. Den Angriff wehrte das II./IR 5 des Bundesheeres ab. Mindestens sieben Ungarn starben, die Gesamtzahl der Verwundeten ist hingegen nicht bekannt. Bekannt ist ein gewisser Fähnrich Zsigmond Beretvás, der fünf Schusswunden erhielt. Den Abend des 5. September verbrachten Tabys Kräfte bei Pilgersdorf. Noch am selben Abend schwärmten stärkere Sicherungen nach Unterrabnitz und Schwendgraben aus, um eine mögliche gegnerische Umzingelung zu vereiteln.

Nach dem am 9. September 1921 angeordneten Rückzug auf die historische Grenze räumte die österreichische Gendarmerie auch die Linie Oberpullendorf-Lackenbach. Am 16. September besetzte eine Gruppe unter Oberleutnant István Hrabák den Hauptplatz von Landsee und setzte sich in den Wäldern um die Burgruine fest.

Taktik und Bewaffnung

Aufgrund der vergleichsweise geringen Zahl der einzelnen Freischar-Gruppen setzten die westungarischen Insurgenten auf den Guerillakampf und nächtliche Raids. Die Idee hinter dieser Taktik war es, den Gegner durch Störaktionen zu ermüden. Dementsprechend sank die Moral der österreichischen Gendarmen rasch, was sich wiederum auf deren Kampfwert auswirkte. Die Taktik der Ungarn fasst Dr. Jenö Héjjas, ein weiterer Bruder von Iván Héjjas, folgendermaßen zusammen: „Das Wesentliche in der Taktik der Aufständischen sind kleine, mobile, aber über verhältnismäßig große Feuerkraft verfügende Kampfeinheiten, die in sich die zwei Erfordernisse der infanteristischen Kampfart vereinen, nämlich die Feuerkraft und die Stoßkraft“.

Die kleinste taktische Einheit der Kampftruppen bildete der zehn bis 15 Mann zählende „Schwarm“ (raj) oder „Trupp“ (csapat) unter dem Kommando eines Leutnants oder Oberleutnants. Dieser wurde aus dem Verband einer „Abteilung“ oder „Gruppe“ (csoport) vor einem nächtlichen Raid zusammengestellt. Diejenigen Schwärme, die den eigentlichen Hauptstoß durchführten, nannte man „Stoßtrupp“ (rohamcsapat). Die Männer dieser Formation trugen gewöhnlich mehr Munition und Handgranaten mit sich. Vor der jeweiligen Unternehmung herrschte striktes Alkohol- und Ausgangsverbot, wobei Ersteres nicht immer eingehalten wurde.

Das eigentliche taktische Verhalten hing in erster Linie von der Art des Einsatzes ab. Der Sturm auf Ortschaften oder Stellungen erfolgte idealerweise nachts von drei Seiten, wobei der Schwarm mit dem zugeteilten MG (vermutlich mehrere) Feuerunterstützung gab und die Aufmerksamkeit des Gegners auf sich zog. Oft kam es zu Scheinangriffen, während derer versuchten die als „Stoßtrupp“ operierenden Schwärme ein Flankenmanöver. Der Feuerüberfall auf Ortschaften setzte ebenfalls die Aufteilung der Schwärme voraus und entsprach dem Muster „Hit and Run“. Das wesentliche Element war die übermäßige, die Größe des eigentlichen Trupps weit übersteigende, Feuerkraft. Längere Feuergefechte sollten jedoch vermieden werden. Zuletzt ist der Feuerüberfall auf sich bewegende gegnerische Einheiten (Marschkolonnen) zu nennen. Im Normalfall ließen die Freischaren die Spitze vorbeimarschieren und eröffneten das Feuer auf die geschlossenen Formationen dahinter.

Zur operativen Fortbewegung dienten zweiachsige Bauernwagen oder erbeutete Personen- und Lastkraftwagen (inkl. Autobusse). Die Bernsteiner Gruppe (Dr. Egán) war sogar mit Pferden ausgerüstet. Der strategische Aufmarsch Ende August – Anfang September erfolgte hingegen via Bahn mit Ödenburg und Oberwart als Verteilzentren.

Das Waffenarsenal bestand aus infanteristischen Handfeuerwaffen. Als Hauptbewaffnung trugen die Insurgenten verschiedene Modelle des Mannlicher-Gewehrs M95, dazu Stiel- oder Splitterhandgranaten. Die Günser Gruppe soll sogar „alte verrostete russische“ Gewehre bekommen haben. Die größte Feuerkraft sicherte das MG M07/12 Schwarzlose, wobei die Héjjas-Leute auch zwei kleine Minenwerfer im Bestand hatten. Da diese Waffen auf den Befehl von Oberstleutnant Prónay ausgeteilt wurden, ist davon auszugehen, dass sie zum Bestand des Bataillons Ranzenberger gehörten. Aus einem auf den 28. September datierten Schreiben der Etelközer Allianz geht hervor, dass die benötigte Munition durch das in Ungarn verbliebene Detachement des Bataillons Ranzenberger den Freischaren zugewiesen wurde.

Waffen erhielten die Insurgenten aus drei Quellen. Erstens, zeitweilige Übergaben von Waffen für Unternehmungen seitens der Bataillone Ranzenberger und Ostenburg. Zweitens, Beutestücke vom Fürstenfelder Waffenraub (1920) und drittens, in geringerer Anzahl erbeutete, Waffen der österreichischen Gendarmerie. Um Feuerkraft vorzutäuschen, bediente man sich verschiedener Methoden. So schossen drei Bosniaken während des Gefechts von Agendorf (8. September) in, mit Regenwasser gefüllte Fässer, die den Knalleffekt eines Geschützes mittleren Kalibers erzeugt haben sollen.  
 

Alltagsleben in den umkämpften Gebieten

Der „westungarische Aufstand“ bedeutete für die multinationale Bevölkerung einen negativen Einschnitt in das Alltagsleben. Sowohl die deutschsprachige Mehrheit als auch die magyarische und kroatische Minderheit waren den täglichen Schikanen und Gewaltakten beider Kampfparteien ausgesetzt. Während die mediale Propaganda beiderseits vom „freudigen Empfang“ berichtete und den Gegenspieler als „Bandit“ (=Ungar) oder als „Kommunist“ (=Österreicher) beschimpfte, verhielt sich die Zivilbevölkerung abwartend. Das wichtigste Kommunikationsmittel zwischen den Freischaren und der lokalen Bevölkerung war der Klebezettel, mit dessen Hilfe Verordnungen, Erlässe und Befehle verkündet wurden.

Die Freischaren betrachteten die von ihnen kontrollierten Gebiete als Kampfgebiet und führten das Standrecht ein. Damit traten strenge Verordnungen wie Ausgangsbeschränkungen und -verbote in Kraft. Plünderung, Diebstahl und Raub wurden ebenso mit dem Tod bestraft wie der Versuch, Kontakt mit der Entente oder den österreichischen Behörden aufzunehmen. Die Grenze blieb grundsätzlich Sperrgebiet, die Überquerung war lediglich mit einem von den Freischärlern ausgestellten Pass zulässig. Darüber hinaus wurden in jenen Dörfern, wo sich Insurgenten-Posten befanden, kostenpflichtige Legitimationen ausgegeben. Verlassen konnte man ein Dorf nur nach der Ausweisung mit dieser Legitimation. Probleme bereiteten der willkürliche Umgang (erhöhter Preis für pro-österreichisch eingestellte Personen) mit diesen Dokumenten sowie ihre eingeschränkte Gültigkeit.

Die immer öfter auftretenden Übergriffe reichten von Gelderpressung über Prügel bis hin zu Mord. Ein auf den 20. September 1921 datiertes Warnschreiben (Nr. 1085/1921.) des Generalleutnants Pál Hegedüs an das Oberkommando der Insurgenten berichtet von mehreren Missetaten. Demnach sollen Freischärler am 17. September von einem Kaufmann aus Draßmarkt namens Holzer Tuch und Gewebe, oder vom Kaufmann Kopstein aus Neusiedl bei Güssing 20.000 Kronen entwendet haben. Auch wurde von mehreren Bauern Getreide konfisziert, für dessen Freigabe ein Erlös von 800 bis 1.400 Kronen verlangt wurde. Außerdem soll eine bewaffnete, 16-köpfige Gruppe im Mattersburger Gemeindeamt erschienen sein, wo sie vom Notar ein Mittagsmahl forderte. Anschließend sollen sie das Haus eines jüdischen Bürgers betreten und von ihm 5.000 Kronen verlangt haben. Solche Gewaltakte seien, so Hegedüs, auf keinen Fall zu tolerieren, da sie die öffentliche Stimmung äußerst negativ beeinflussen würden.

Das Oberwarter Oberkommando reagierte unverzüglich. Prónay erließ am 16. September ein Dekret über den Umgang mit zivilen Personen, gefolgt von der Bekanntmachung des generellen Standrechts am 20. September. Demnach hatte Gewalt gegen Amtsträger die standrechtliche Erschießung zur Folge. Außerdem wurde am 23. September die Aufstellung einer „Freischar-Polizei“ unter dem Kommando von Miklós Potyondi sowie von zwei „Freischar-Feldgendarmerie“-Formationen zur Aufrechterhaltung der Ordnung bekanntgegeben. Das Gebiet südlich des Neusiedler Sees übernahm Graf Tamás Erdödy mit Sitz in Oberwart, nördlich davon Tibor Héjjas mit Sitz in Parndorf.

Vom Ernst der Verordnungen zeugen mehrere Fälle. In Mattersburg ließ Hauptmann Gebhardt zwei Gauner erschießen, nachdem sie einen örtlichen jüdischen Händler ausgeplündert hatten. In Eisenstadt wurde ein Insurgent, namentlich Kecskés, exekutiert, weil er einen silbernen Löffel entwendet haben soll. In Donnerskirchen fand ein weiterer Mann den Tod. Er soll seinem Kameraden Schuhe und Hose gestohlen haben. Den weitaus größten Vorfall stellte die standrechtliche Hinrichtung von drei Insurgenten in Oberpullendorf dar. Im Bereich des II. Korps (Hauptmann i.R. Budaházy) soll eine Bande unter Unterleutnant Soós von einem Kaufmann 40.000 Kronen erpresst und unter sich aufgeteilt haben, woraufhin Soós vom Kommandanten Budaházy mit 100 Stockschlägen bestraft wurde. Fünf weitere Offiziere wurden verhaftet, drei davon (Leutnant Sátori, Leutnant Bakonyi und Offiziersanwärter Bokor) der Meuterei bezichtigt und erschossen. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass Sátori unschuldig war und aufgrund einer Falschaussage hingerichtet wurde.

Ein weiteres, weit verbreitetes Phänomen war die Verschleppung. Österreichische Gendarmen galten als beliebte Zielpersonen der Insurgenten, weil sie eine Art Zusicherung darstellten, sollte ein ungarischer Freischärler in Gefangenschaft geraten. Auf Seiten der Österreichers hingegen diente die Geiselnahme lokaler Amtsträger, Lehrer und Geistlicher zur Einschüchterung der magyarophilen Intelligenz. Missuray-Krúg nennt in seinem Buch etwa 70 namentlich bekannte Personen, die aufgrund ihrer pro-ungarischen Haltung misshandelt wurden. Dezsö Giczy aus Ödenburg wurde beispielsweise am 3. September wegen Spionage verhaftet (Beschluss Nr. XXXI. A. 9007/21.16) obwohl er lediglich seine in Ebenfurth lebende Braut besuchen wollte. In Wulkaprodersdorf wurde der Hilfsnotar János Horváth mit der Begründung vertrieben, dass er ab jetzt von den Magyaren sein Gehalt beziehen solle. Eine in Raab gegengezeichnete Depesche aus Bruckneudorf ließ wiederum wissen, dass die dort festgehaltenen Eisenbahner und Beamten samt ihrer Familie exekutiert werden, sollte sich dort ein ungarischer Soldat zeigen. In Bruckneudorf gingen die dortigen österreichischen Behörden so weit, dass sie zwei ungarische Kriminalbeamte, János Pálinkás und Vitéz József Simon, als Geiseln verschleppten. Im Internierungslager Oberhollabrunn wurden zeitweilig insgesamt 147 (Missuray-Krúg) bis 159 (Hess) Personen festgehalten.

Erwähnenswert ist der Einsatz von „Dum-Dum“-Geschoßen (Projektile, die ihren Durchmesser beim Auftreffen auf ein Ziel vergrößern und dadurch größere Wunden hervorrufen; Anm.), die laut Haager Landkriegsordnung als geächtet galten und von der österreichischen Gendarmerie mindestens in zwei Fällen (Salmannsdorf/Pilgersdorf am 4. September sowie Agendorf am 8. September) und vom Bundesheer in einem Fall (Kirchschlag am 5. September) eingesetzt wurden. Aus Rache exekutierten die Insurgenten von Oberleutnant Taby nach dem Gefecht von Kirchschlag mehrere Gefangene des Bundesheeres, die „Dum-Dum“-Patronen bei sich trugen.

Das Ende – Abzug der Freischaren

Im Laufe des Oktobers kam es weiterhin, wenn auch nur mehr vereinzelt, zu kleineren Zusammenstößen und Schießereien. Am 2. Oktober soll in Gillersdorf im Zuge eines Überfalls ein Freischärler gefallen sein. Bei Henndorf erhielt der dortige Posten der Freischärler zwischen dem 6. und 8. Oktober jede Nacht MG-Feuer. Am Abend des 10. Oktober zogen daher die Insurgenten unter der Führung von Oberleutnant Pletszkáts 42 Mann zusammen und überfielen das benachbarte Gillersdorf. Ende Oktober wurde in diesem Bereich sogar eine lokale Waffenruhe zwischen der Gruppe Pletszkáts und den österreichischen Kräften in Gillersdorf gemeldet. Im Raum Müllendorf starben am 5. Oktober zwei Mitglieder der Gruppe Friedrich (Antal Losonczy und Tibor Vámossy), die von einer österreichischen Fahrradpatrouille erschossen wurden. Rege Patrouillentätigkeit herrschte auch entlang der Linie Habich – Ungerbach. In Ungerbach sollen nach einem Feuergefecht drei Insurgenten verwundet worden und einer gefallen sein (31. Oktober), während in Habich einen Monat zuvor ein Insurgent den Tod gefunden haben soll (30. September).

Trotz dieser ungünstigen Entwicklung gewann die Politik, und mit ihr offizielle staatliche Kräfte, nach und nach wieder die Oberhand. Am 3. Oktober 1921 übergab Generalleutnant Pál Hegedüs im Namen der ungarischen Regierung das Gebiet des künftigen Burgenlandes offiziell an die Entente-Kommission. Wien verweigerte jedoch die Übernahme mit der Begründung, das Gebiet sei noch nicht befriedet. Diese kurzzeitige Verwirrung nutzte Oberstleutnant Prónay, um vollendete Tatsachen zu schaffen. Am 4. Oktober 1921 rief er in Oberwart, unter dem Vorwand des „Selbstbestimmungsrechtes der Völker“, das Leithabanat („Lajtabánság“) als neutralen und unabhängigen Staat aus. Der Posten des Banus blieb unbesetzt, Prónay erhielt allerdings dessen Wirkungskreis, übte also eine ähnliche Macht aus wie Horthy im Königreich Ungarn. 

Das Leithabanat verschärfte erneut die ambivalente Beziehung zwischen Budapest und den Freischärlern. Einerseits war die Ausrufung eines „unabhängigen“ Staates von langer Hand geplant. Darüber zeugt der Briefverkehr zwischen Prónay und Gömbös (Etelközer Allianz). Andererseits war Ministerpräsident István Bethlen von der Nachricht vollkommen verblüfft und forderte Prónay in einem Brief auf, solche „Spiele“ sofort zu unterlassen. Ein ungarischer Staatsbürger – so Bethlen – sei nicht befugt, einen neuen Staat auszurufen. Darüber hinaus würde Ungarn weder ein Banat noch eine Republik bzw. ein Königreich in seinem Rücken dulden. Eine von Bethlen geschickte Deputation der Etelközer Allianz, um Prónay zur Vernunft zu bringen, scheiterte.

Die Situation war für Budapest auch insofern heikel, weil die ungarische Diplomatie am 13. Oktober 1921 in Venedig einen politischen Teilerfolg verzeichnen konnte. Die Venediger Protokolle sicherten Ungarn eine Volksabstimmung über die Zugehörigkeit der Stadt Ödenburg und den umliegenden Dörfern zu, während der Rest des Burgenlandes an Österreich fiel. Das wiederum lehnten die Insurgenten entschlossen ab. Horthys persönlicher Brief vom 12. Oktober, indem er die sofortige Räumung forderte, hatte deshalb keinen Erfolg. Ebenso wenig Erfolg hatten die Androhungen von Bethlen, jene Offiziere, Beamten und Amtsträger, die am Aufstand teilnahmen, vor Gericht zu stellen oder die Studenten für ein Semester zu sperren. In der Proklamation der Regierung vom 21. Oktober hieß es: „Wir, die für das Schicksal des Vaterlandes verantwortlich sind, fordern euch auf, jeglichen Widerstand zu unterlassen und zu eurem friedlichen Beruf zurückzukehren. (…) Wer aber unser Wort nicht hört, der verstößt gegen das heiligste Interesse der Nation, (…) und wird die Härte der ungarischen Gesetze zu spüren bekommen.“

In dieser angespannten Situation platzte die nächste politische Bombe. Am 20. Oktober waren König Karl IV. und Königin Zita aus der Schweiz zurückgekehrt und unweit von Ödenburg gelandet. Das legitimistisch gesinnte V. Korps der Freischaren (Maderspach bzw. Gebhardt und die Gruppe Friedrich-Wein) sowie das Bataillon Ostenburg schlossen sich daraufhin dem König an. Damit nahm der zweite Restaurationsversuch seinen Lauf. Einige Tage zuvor, am 15. Oktober, überfielen die Héjjas-Leute die Posten der Gruppe Friedrich in Rust, St. Margarethen und Donnerskirchen. Wer Héjjas zu diesem Schritt verleitete, ist nicht gesichert. Prónay war jedoch über das Vorhaben des abgesetzten Herrschers dank Gömbös Meldungen bereits seit Ende September bestens informiert.

Auffällig ist, dass die Héjjas-Leute kurz nach Prónays Besuch in Parndorf über die legitimistisch gesinnten Freischaren herfielen. Von Eisenstadt meldete Hauptmann Karner den Vormarsch von Héjjas nach Süden. Die Legitimisten in Donnerskirchen und St. Margarethen wurden entwaffnet, die Besatzung von Rust wechselte hingegen zu Héjjas. Major Ostenburg entsendete daraufhin eine kleine Gendarmerie-Abteilung zur Beruhigung der Lage und zur Entwaffnung der Héjjas-Leute in die genannten Ortschaften. Am 19. Oktober gab die Gruppe Friedrich Eisenstadt auf und zog sich nach Mattersburg zurück, um weitere Provokationen zu vermeiden. Die Zusammenstöße zwischen den Legitimisten und den Freien Königswählern im Burgenland forderten weder Tote noch Verwundete.

Der Restaurationsversuch fiel unerwartet schnell in sich zusammen, nachdem sich die königstreuen Truppen im Gefecht von Budaörs-Kelenföld geschlagen geben mussten. Prónay war indessen damit beschäftigt, „sein“ Banat zu sichern. Am 22. Oktober erließ er ein Rundschreiben, in dem er die Neutralität des Leithabanats betonte. Die Korpskommandanten Oberleutnant Taby und Oberleutnant Molnár wurden hingegen ihres Postens enthoben, weil sie dem Ruf Horthys folgen wollten. Um die Lücke der Front im Nordburgenland zu schließen, marschierte Hauptmann i.R. Budaházy am 25. Oktober in Ödenburg ein. Die Héjjas-Leute hingegen erhielten den Befehl Prónays, nach Parndorf zurückzukehren. Oberleutnant Iván Héjjas hatte bereits das Gebiet zwischen Raab und Komorn erreicht, bevor er umkehrte. Während Héjjas zwecks Rekrutierung in Gschirnau (Csorna) verblieb, eilte sein Adlatus Hauptmann Bachó nach Parndorf, um die erneut vorgerückten österreichischen Einheiten zu stoppen. Am 25. Oktober eroberten Bachós Männer ihre alten Positionen rund um Bruckneudorf zurück. Ein am 31. Oktober durchgeführter Überfall auf die Brückenwache des Bundesheeres scheiterte jedoch. István Makó und ein namentlich nicht bekannter Aufständischer wurden dabei so schwer verwundet, dass sie am 11. November verstarben.

Um Prónays Ungehorsam ein Ende zu setzen, beorderte ihn Reichsverweser Horthy nach Budapest, wo er am 31. Oktober 1921 in Begleitung mehrerer seiner Unterführer erschien. Horthy stellte während der Audienz klar, dass er gezwungen sei die Honvédség einzusetzen, sollte sich Prónay nicht gefügig zeigen. Er habe, so Horthy, keine Wahl, sonst würde Ungarn „verrecken“. Prónay lenkte ein. Er befahl, bis zum 4. November 1921 das Gebiet des Leithabanats zu räumen. Die letzte größere Truppe (Gruppe Pletszkáts) verließ das westungarische Grenzland am 6. November. Die Insurgenten sammelten sich in Wieselburg, Kobrunn (Kapuvár), Steinamanger und Kirment, wo sie – insgesamt 2.125 Mann – von den ungarischen Behörden entwaffnet und am 8. November nach Budapest abtransportiert wurden. Damit stand dem Einmarsch des Bundesheeres ab dem 13. November sowie der Ödenburger Volksabstimmung Mitte Dezember keine organisierte Freischar mehr im Wege.

In Anbetracht der Ereignisse im Jahre 1921 fällt der heterogene Charakter des „westungarischen Aufstandes“ ins Auge. Dies betrifft sowohl die Beziehung der einzelnen, miteinander verfeindeten Freischaren unter sich, wie auch ihre Beziehung zu den Regierungskreisen. Eine besondere Rolle kommt dabei den Geheimorganisationen zu. War in der Zeit nach 1945 ein ziemlich eintöniges schwarz-weißes Narrativ vorherrschend – das teilweise heute noch aufgegriffen wird – so tastet sich die Wissenschaft immer mehr an die „Grauzonen“ heran. Ob die Lösung der burgenländischen Frage letztendlich der politischen, der militärischen oder beider Ebenen zu verdanken war, ist bis heute umstritten.

Gábor Orbán, MA ist Militärhistoriker mit Schwerpunkt (Infanterie-) Taktik im 19. und 20. Jahrhundert.

 

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