• Veröffentlichungsdatum : 22.12.2017
  • – Letztes Update : 07.02.2018

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  • 1321 Wörter

Rehabilitationstraining

Martin Krempl

Im Alltag bedeutet ein eingeschränkter Dienst vor allem eines: Innendienst. Das mag gut gemeint sein, ist aber nicht immer optimal. Bewegung ist grundsätzlich positiv, denn wer sich zu wenig bewegt, wird unbeweglich - auch und vor allem wenn man eine Verletzung hat.

Diese Personengruppe scheint größer zu werden. Die auftretenden Probleme, Schmerzen oder Verletzungen des Stütz- und Bewegungsapparates haben Auswirkungen auf den Organismus: Dies bedeutet nicht nur eine Steigerung der täglichen Personenanzahl in der Truppenärztlichen Ambulanz stationär (TAs), sondern auch Schwierigkeiten während der geplanten Ausbildungs- und Übungsvorhaben der jeweiligen Kompanie, in der diese Soldaten dienen. Aufgrund der ärztlichen Befreiungen wird die Gruppen- bzw. Zugsstärke nicht erreicht. Für eingeschränkt dienstfähige Soldaten müssen auch Ausbilder organisiert und abgestellt werden. Aber es gibt Lösungen.

Neue Wege sind wichtig

Befreiungen sind kein Randproblem. Viele Personen im Präsenz- und Ausbildungsdienst haben Verletzungen des Bewegungsapparates. Und zwar solche, die keine gänzliche Befreiung, sondern nur eine Verminderung der Belastung und ein zusätzlich gezieltes Aufbau- bzw. Rehabilitationstraining benötigen würden. Das zeigen auch die Daten zu verletzten Personen im Jägerbataillon 18 (JgB18) in den Jahren 2014 und 2015. Während dieser Zeit leisteten ca.1 000 Personen ihren Präsenz- oder Ausbildungsdienst ab. Spitzenreiter waren Verletzungen im Kniegelenk, gefolgt von Verletzungen an der Wirbelsäule. Auf Platz 3 findet sich das Sprunggelenk. Platz 4 bleibt dem Unterschenkel vorbehalten und Platz 5 dem Oberschenkel.

Die Soldaten des JgB18 sind keine Ausnahme. Ein Vergleich mit den statistischen Aufzeichnungen der Abteilung Physiotherapie im Sanitätszentrum Ost  und einer Studie des Heeres-Sportwissenschaftlichen Dienstes (HSWD) im Heeres-Sportzentrum mit Einjährig-Freiwilligen  zeigt übereinstimmende Diagnosen und Verletzungsmuster, mit geringfügigen Abweichungen.

Dauer der Einschränkung

Diese Verletzungen haben vor allem eines gemeinsam: Sie führen in den meisten Fällen zu einer eingeschränkten Dienstfähigkeit. Ein Soldat wird von einzelnen dienstlichen Tätigkeiten aus medizinischen Gründen vorübergehend befreit, wenn vom zuständigen Militärarzt eine stationäre Aufnahme zur Erreichung der vollen Dienstfähigkeit als nicht notwendig erachtet wird.

Spitzenreiter ist - im Falle des JgB18 - das Kniegelenk. Dieses ist für 2 500 Tage eingeschränkten Dienstes verantwortlich, gefolgt von Verletzungen der Wirbelsäule und der Sprunggelenke.

All das zeigt Veränderungen im Allgemeinzustand der körperlichen Leistungsfähigkeit der einrückenden Präsenz- und Ausbildungsdienst leistenden Personen. Das Österreichische Bundesheer passt sich diesen Veränderungen an. 1999 entstand im Heeres-Sportzentrum (HSZ) aus der Lehrstabsgruppe Körperausbildung eine eigene Abteilung, der Heeres-Sportwissenschaftliche Dienst (HSWD), mit einer personellen Verstärkung des Lehrbereiches und der Schaffung einer sportwissenschaftlichen Zelle. In den Jahren 2003 bis 2006 wurden durch die Lehrgruppen der Abteilung HSWD, in Kooperation mit den Bundessportakademien, pro Jahr etwa 350 Lehrwarte und 50 Trainer für Allgemeine Körperausbildung ausgebildet.

Spezialisten gehen neue Wege

Trainer und Lehrwarte für die allgemeine Körperausbildung können in Zukunft das Schlüsselpersonal für die Rehabilitation nach Verletzungen des Bewegungsapparates sein. In der Lehrwarteausbildung wird im Fach Sportbiologie die Anatomie und Physiologie des menschlichen Körpers gelehrt. Trainingspraktische Übungen und Mittel zur Verletzungsprophylaxe, sowie aktive und passive Regenerationsmaßnahmen sind ein integrativer Bestandteil regelmäßigen Trainings und gehören ebenso zur Ausbildung. Lehrwarte wissen über die Anpassungen des aktiven und passiven Bewegungsapparates, Gelenkstrukturen und Anpassung durch sensomotorisches bzw. muskelaufbauendes Training Bescheid.

Im Bereich der Sensomotorik lernen sie das Zusammenspiel von informationsaufnehmenden und -verarbeitenden Systemen, u. a. lokale Stabilisation und Bewegungslernen. Wichtige Lerninhalte für das Verständnis von körperlichen Einschränkungen sind

  • das phasische Muskelfaserkonzept, 
  • die langfristige Rumpf- und Stützkraftentwicklung, 
  • die inter- und intramuskuläre Trainingswirkung, 
  • die Unterscheidung von Bewegungseinschränkungen und Muskelverkürzungen sowie 
  • die Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit.

Während der Trainerausbildung werden die Themen der Lehrwarteausbildung wiederholt und vertieft. Genaue Kenntnisse des menschlichen Körpers und seiner Funktionen werden gelehrt, um das Training nach den biologischen Grundsätzen der Sportmotorik und Sportbiologie richtig gestalten zu können. Außerdem lernen Trainer den Aufbau und die Funktion der Zelle in der Gewebelehre kennen, wissen über Gelenke und Knochenverbindungen Bescheid und kennen die Wirkung verschiedener Trainingsbelastungen.

In speziellen Abschnitten lernen sie, wie eine Bewegung im Körper „entsteht“, nehmen den Muskelstoffwechsel genauer unter die Lupe und behandeln spezifische Probleme bei der Körperausbildung und im Training. Diese theoretischen Inhalte werden sowohl in der Lehrwarte- als auch in der Trainerausbildung durch praktisch methodische Übungen komplettiert.

Bundesheer-Sport-Ausbilder (BHSpoAusb) Trainer und Lehrwarte/Instruktoren sollen für ein gezieltes Training herangezogen werden. Diese können die zu vermittelnden Trainingsinhalte bei der Gesundheitsförderung und im allgemeinen präventiven Bereich einsetzen, um so den Überlastungen des Stütz- und Bewegungsapparates vorzubeugen.

Reha-Training Ansätze und Ziele

Kräftigendes Training hat seinen Ursprung im Militär der Antike. Durch gymnastische und athletische Übungen steigerten schon vor 2 500 Jahren die Spartaner die körperliche Leistungsfähigkeit ihrer Krieger. Trainingsinhalte des Kraftsportes werden seit Jahren auch von Ärzten und Physiotherapeuten für die Prävention, Rehabilitation und besonders bei der Wirbelsäulenbehandlung eingesetzt. Bei der Planung und Durchführung von kräftigenden Übungen muss auf die entwicklungsbedingte Übungsfolge geachtet werden. Zuerst müssen Übungen 

  • im Liegen, dann 
  • im Vierfüßlerstand, danach
  • im Sitz und erst zum Schluss
  • im Stand und 
  • in der Fortbewegung

durchgeführt werden.

Der Vorteil beim Einhalten dieser Übungsfolge ist, dass man sich für einige Übungen nicht umziehen bzw. seinen Arbeitsplatz verlassen muss. Einige Trainingspläne bieten Kurzprogramme an, um in Pausen für Erleichterungen (z. B. bei langem Sitzen) zu sorgen. Hier wird, so wie bei den Entspannungsübungen, nicht nur die betroffene Muskulatur trainiert, sondern auch die Muskeln der Mit- und Gegenspieler. Außerdem werden bei kräftigenden Übungen angrenzende Muskelpartien  in das Training mit eingebaut, um Synergien zu nutzen.

Diverse Trainingsgeräte wie der Gymnastikball, das Theraband, das Trampolin, das Luftkissen und viele andere Hilfsmittel bilden immer wieder neue Trainingsreize. Das Core-Training ist ein spezielles kräftigendes Trainingskonzept für die Wirbelsäule. Hier liegt der Fokus auf der inneren Rumpfmuskulatur. Die Körpermitte gilt als Zentrum des gesamten Bewegungsgeschehens. Sie ist für die koordinativ-dynamische Stabilität verantwortlich, damit die Wirbelsäule in jeder Körperlage und bei allen Bewegungen gesichert und geschützt ist. 

Der Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnisse bringt immer wieder neue Trainingsmethoden wie Schlingen- oder Faszien-Training hervor. Diese werden in den Fachbüchern für das Rehabilitations- oder als Ersatztraining empfohlen.

Das Ziel des Trainings ist die Leistungssteigerung im Bereich der eingeschränkten Funktion und in weiterer Folge die volle Wiedereinsetzbarkeit der eingeschränkten Person. Die Durchführung des Trainings erfolgt einzeln oder in Gruppen. Einzeltraining ist immer dann notwendig, wenn eine Person aufgrund ihres physischen oder psychischen Zustandes noch nicht in der Lage ist, an einem Gruppentraining teilzunehmen. Während das Reha-Training für Knie, Sprunggelenk und Achillesferse auf Muskelaufbau und  Steigerung der Ausdauer abzielt, liegt der Fokus beim Wirbelsäulentraining auf der Wahrnehmung des Körpers beim Bewegungsablauf. Die Muskelkoordination, also das Zusammenwirken der Muskulatur mit dem zentralen Nervensystem, spielt beim Rehabilitationstraining und bei der Prävention eine große Rolle.

Implementierung des Trainings

Der Auftrag zur Erstellung und die Koordination der Termine für das Rehabilitationstraining fällt in den Aufgabenbereich des Kommandanten Ambulanzgruppe/ Arzt (KdtAmbGrp) der jeweils zuständigen Sanitätseinrichtung. Für die Erarbeitung der Trainingsprogramme ergeben sich zwei Möglichkeiten. Geht man von einer österreichweiten Umsetzung aus, müsste der Heeres-Sportwissenschaftliche Dienst  (HSWD) diese Programme erstellen und in den Trainer- und Lehrwartekursen sowie bei Fortbildungskursen lehren. 

Oder der Truppenarzt und Sanitätsunteroffizier/Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger (SanUO/DGKP), die eine Trainer- oder Lehrwarteausbildung absolviert haben, erarbeiten sich selbst für die jeweiligen Diagnosen die Rehabilitations-Übungsprogramme aus. Diese können in einer Kaderfortbildung erarbeitet werden.

Der Dienstplan für diese mehrtägige Kaderfortbildung wird durch den KdtAmbGrp und einen SanUO/Trainer oder San-UO/Lehrwart erstellt. Zunächst wird in theoretischen Unterrichtseinheiten das Verständnis über die Verletzungen gelehrt. Im praktischen Teil der Fortbildung werden die Tätigkeiten der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung vermittelt. Speziell für die Durchführung werden die Bewegungsabläufe genau vorgezeigt und erklärt. Trainer und Lehrwarte können die Unterschiede und Fehler von Bewegungsausführungen erkennen und Korrekturschritte zur effektiven Bewegungsausführung einleiten.

So wie bisher Physiotherapietermine vereinbart werden, können auch die Termine für das Training, mit den BHSpoAusb, Lehrwarten oder Trainern vereinbart werden. Sollte aus ärztlicher Sicht eine betroffene Region überhaupt nicht bewegt werden, besteht die Möglichkeit, Programme zu erarbeiten, die den restlichen Teil des Körpers trainieren. Ebenso können auch Trainingsprogramme für Personen mit dauerhaften Befreiungen erstellt werden.

Was bringt das Reha-Training?

Das Rehabilitationstraining liefert einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Rekonvaleszenz und reduziert die eingeschränkt dienstfähigen Tage. Doch das gelingt nur unter einer Bedingung: Das Reha-Training muss von den Kommandanten und Ärzten, den Sanitätsdienststellen und den Trainern umgesetzt und überwacht werden.

Oberstabswachtmeister Martin Krempl ist diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, Sanitätsunteroffizier beim Jägerbataillon 18.

 

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