• Veröffentlichungsdatum : 27.03.2020

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Reformation und Militär

Angelika DÖRFLER-DIERKEN

Wege und Irrwege in fünf Jahrhunderten/im Auftrag des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr

320 Seiten, 16 x 24 cm, gebunden mit Schutzumschlag

€ 35,00

ISBN 978-3-525-31115-8

Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2019

Im Jahr 2017 fand das Refomationsjubiläum anlässlich 500 Jahre Veröffentlichung der 95 Thesen durch Martin Luther statt. Dies bot auch den Anlass für die hier besprochene Publikation. Sie dokumentiert eine Tagung des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam. Die Herausgeberin Angelika Dörfler-Dierken ist Theologin und lehrt an diesem Zentrum. Das Spektrum der Tagung und demgemäß des Tagungsbandes ist weitgespannt und reicht von der Reformationszeit bis in die Gegenwart. Auch die ökumenische Dimension ist erfreulich prominent abgebildet.

Nach einer thematischen Hinführung zu den militärethischen Positionen des 16. Jahrhunderts (Erster Teil) wenden sich die Essays (im Zweiten Teil) der „Sicherung der Reformation durch Krieg“ zu, wobei die sehr interessante historische Frage Betrachtung findet, inwieweit militärische Mittel der Ausbreitung und v. a. der Sicherung der Reformation – angesichts der gegenreformatorischen Grundhaltung der habsburgischen katholischen Kaiser – in Deutschland gedient haben. Bemerkenswert ist hier der Aufsatz von Reinhard Baumann, der die schwierige konfessionelle Verortung der deutschen Condottieri beleuchtet. Auch die komplexe Frage nach der Rolle der Religion im Dreißigjährigen Krieg, dargestellt am Beispiel Gustav Adolfs, wird hier behandelt.

Eine Konkretisierung dieser Entwicklung bietet der dritte Teil, der sich vor allem mit der Entstehung einer modernen Militärseelsorge und, damit in Verbindung, einer Militärethik beschäftigt. Dem komplexen Verhältnis von Staat und Religion bzw. Kirche widmen sich der vierte und fünfte Teil. Sie umspannen Fragen nach dem Ge- und/oder Missbrauch der Religion/Konfession im XIX. Jahrhundert bis zum religiösen Widerstand gegen das Hitler-Regime im XX. Jahrhundert. Der religiös motivierte Widerstand gegen den NS-Staat bleibt dabei etwas blass; er wurde und wird aber an vielerlei Stellen sehr intensiv behandelt, sodass hier keine Notwendigkeit besteht, die Thematik noch intensiver zu beackern.

Der Sechste und Siebente Teil behandeln die Gegenwart. Nach der Friedensbewegung und der Bedeutung der Religion in der Politik (Fr. Stengel und H.-P. Großhans), nach der Inneren Führung (A. Dörfler-Diepken), nach evangelikalen Strömungen beim wesentlichen Militär (N. Ditscher-Haußecker) wird gefragt. Es sind dies Auswahlthemen; seltsam blass bleibt bspw. die Behandlung der aktuellen militärethischen Grundsatzpositionen der beiden Kirchen (Stichwort: friedensethische Kritik an der Bellum-Iustum-Lehre, die bis vor wenigen Jahrzehnten die Militärethik prägte).

Von den rund 300 Seiten der Dokumentation beschäftigen sich rund 250 mit Themen der Geschichte; auch wenn sie – wie jede gute Geschichtsschreibung – Impulse für das Denken heute und in Zukunft geben. Mit diesem Aufbau hat das Buch einen eindeutig historischen Charakter. Im Vorwort wird auf die Bedeutung verwiesen, die der Religion in militärischen Auseinandersetzungen zukommt und wie einander antagonistisch gegenüberstehende religiöse Ansprüche ausgeglichen werden können. Diese Frage zielt vehement auf die gegenwärtige Situation im In- und Ausland. Ob die Schrift diesen Anfragen gerecht werden kann (oder das überhaupt will), mag angesichts der starken historischen Ausrichtung bezweifelt werden. Nur rund ein Sechstel des Buches (die beiden letzten Teile) beschäftigt sich mit der Gegenwart. Manche Fragen bleiben hier leider offen. Als Gang durch die wechselvolle Geschichte von fünf Jahrhunderten und zweier Konfessionen bietet das Buch ein farbenprächtiges Kaleidoskop anregender Darstellungen, ist von hohem Wert und ein wertvoller Beitrag zum Reformationsgedenken.

Es können hier keine Ergebnisse der einzelnen Essays dargestellt werden, am knappen Überblick wird jedoch deutlich, wie umfassend der Band das Thema „Reformation und Militär“ behandelt und man kann ermessen, wie viele fruchtbare Facetten in dem Tagungsband enthalten sind. Das Reformationsjubiläum 2017 hat in vielerlei Hinsicht Impulse gegeben. Der Tagungsband deckt einen Bereich ab, der in der Diskussion normalerweise nur als Randthema wahrgenommen wird, bei Lichte besehen (wie der Tagungsband eindrücklich dokumentiert) aber Kernthemen der neuzeitlichen Entwicklung betreffen, die weit über den binnenmilitärischen Bereich hinausgehen. Reformation und Militär sind, dass macht dieser Band deutlich, zwei Bereiche, die nicht separiert werden können.

-krt-

 

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