• Veröffentlichungsdatum : 20.05.2021
  • – Letztes Update : 27.05.2021

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Militärgeschichte im Gouverneurspalast

Michael Ellenbogen

Stolz thront der Gouverneurspalast von Rijeka auf einer Anhöhe im Zentrum der wichtigsten kroatischen Hafenstadt in der nördlichen Adria. Das einstige Fiume oder St. Veit am Flaum prägte eine jahrhundertealte Geschichte, deren Anfänge in der Ära der Illyrer und später in jener der Römer rund 180 v. Chr. dokumentiert sind. Das Museum für Seefahrt und Geschichte zeugt mit seinen umfangreichen und einzigartigen Exponaten von der Bedeutung dieses Ortes.

Das erhabene Gebäude plante der österreichisch-ungarische Architekt Alajos Hauszmann, der auch für dessen Errichtung 1896 verantwortlich war. Die Räumlichkeiten wurden erst nach dem Zweiten Weltkrieg für den Museumsbetrieb adaptiert. In den ersten Jahren nach der Eröffnung präsentierte das Museum ausschließlich die regionale Geschichte. 1961 erweiterte man die Sammlungen mit dem Bereich Seefahrt, der bis in die Gegenwart in ökonomischer und militärischer Hinsicht ein wesentliches Element des gesellschaftlichen Lebens Rijekas ist.

Das heutige Museumsgebäude repräsentiert die jüngere Stadtgeschichte in besonderer Weise. Ursprünglich war in dem Anwesen der Wohn- und Amtssitz der obersten Verwaltungsbeamten Fiumes, das – wie der Rest Kroatiens auch – ein Teil der ungarischen Reichshälfte war. Während der Friedensverhandlungen in Paris nach dem Ersten Weltkrieg besetzte der italienische Schriftsteller Gabriele D’Annunzio mit mehr als 2.500 bewaffneten, nationalistisch gesinnten Mitstreitern Rijeka ohne die Zustimmung der Regierung in Rom.

Die kroatischen Einwohner hatten lediglich die Möglichkeit sich rasch zu assimilieren, oder in das Königreich Jugoslawien auszuwandern. Trotz des am 12. November 1920 zwischen Italien und Jugoslawien ausgehandelten Grenzvertrages von Rapallo verblieb Gabriele D‘ Annunzio in Fiume. Für die italienische Regierung ein unhaltbarer Zustand, der zur Beschießung der Stadt durch das Schlachtschiff „Andrea Doria“ führte, bei dem auch der Gouverneurspalast schwer getroffen wurde. Erst danach gaben die Freischärler die Stadt auf.

Rijeka verblieb bis zur Kapitulation Italiens 1943 unter dessen Herrschaft. Bis dahin wurden in der gesamten Region militärische Befestigungsanlagen errichtet, die ein Teil des „Vallo Alpino“ (Alpenwall) waren. Im Zuge dieser Bautätigkeit wurden die Kellergeschosse des Palastes zu weitläufigen Luftschutzbunkern ausgebaut. Während des Kalten Krieges wurde die unterirdische Anlage in den 1970er-Jahren erweitert, aber auch mit Be- und Entlüftungsgeräten sowie mit Kommunikationstechnologie ausgestattet.

Heute dienen die Räumlichkeiten mit der Bezeichnung „Schutzraum 37“ der Zivilschutzbehörde Rijekas als Nachrichtenzentrale und Zufluchtsort vieler Bürger im Falle einer bewaffneten Auseinandersetzung oder einer Umweltkatastrophe. Während des Unabhängigkeitskrieges wurde der Bunker als Versorgungszentrale für die Angehörigen der Heimatverteidigungstruppen genutzt. Außerdem wurden dort zwischen 1991 und 1995 mehr als 40.000 Flüchtlinge aus anderen Landesteilen Kroatiens sowie Bosnien und Herzegowinas untergebracht. Die Dauerausstellung „Als die Heimat verteidigt wurde – U obrani domovine“ zeugt von den Geschehnissen jener Zeit und gedenkt der 222 Menschen, die während der Kriegshandlungen in diesem Gebiet ums Leben kamen.

Relikte österreichischer Geschichte

Das Museum beherbergt auch Exponate mit einem direkten Bezug zu Österreich. Eines ist das im Eingangsbereich ausgestellte Reisetrinkglas von Kaiser Joseph II., das er anlässlich seines Besuches in St. Veit am Flaum am 13. Mai 1775 jener Familie schenkte, die ihn als Gast aufgenommen hatte. Eine Schwimmweste der „S.S. Titanic“ erzählt die Geschichte des Seemannes aus Rijeka, Josip Car, der auf der „Carpathia“ in der eisigen Nacht der Schiffskatastrophe mithalf, die halberfrorenen Überlebenden zu retten. Darüber hinaus zeugt das detailreiche Modell des Segelschiffes „Splendido“ von einem Meilenstein österreichischer Seefahrtsgeschichte, als dieses von 1852 bis 1859 erstmals die Welt umsegelte. Das Gemälde der Dampffregatte „Donau“, die an der siegreichen Seeschlacht bei der Insel Lissa (heute Vis) teilnahm, ist ebenfalls ein Teil der Sammlung. Die Dauerausstellung „Die Segel des Quarnero – Jedra Kvarnera“ präsentiert die historische Segelschifffahrt in diesem Teil der Adria.

„Unsere Sammlungen sind entsprechend der Gattung eines Exponates geordnet. Verschiedene Gegenstände, die der Militär- und Marinegeschichte zugerechnet werden, befinden sich im kulturhistorischen Bereich unseres Museums“, sagt Kurator Ivo Mileusnic zur Anordnung der Ausstellungsstücke. In verschiedenen Sammlungen, wie jene der alten Ansichtskarten, der Gemälde, militärischer Orden und Münzen lässt sich die Entwicklung der militärischen Seefahrt in der Adria vielseitig nachvollziehen. Jene Besucher, die an militärtechnischen Erfindungen interessiert sind, finden diese in der ehemaligen Torpedofabrik, einer Außenstelle der historischen Einrichtung. Dort gibt es unter anderem ein Richt- und Prüfgerät für Torpedos, von dem weltweit nur noch dieses Exemplar existiert.

Eindrucksvoll ist die Darstellung eines aus Irland abstammenden Adeligen: Feldmarschall Laval Graf Nugent von Westmeath. Er wurde durch seine militärischen Erfolge in den österreichisch-napoleonischen Kriegen, insbesondere durch die Befreiung von St. Veit am Flaum von den französischen Truppen, berühmt. Im Ausstellungsbereich sind sein Portrait sowie Büsten von ihm und seiner Angehörigen, eine dekorative Ritterrüstung und eine silberne Votivkrone zu besichtigen, die ihm von Papst Pius VII. verliehen wurde.

„Im Zuge einer geplanten Revitalisierung des Gouverneurspalastes, wollen wir im Bereich der Militär- und Seefahrtsgeschichte die bereits vorhandenen Schiffsmodelle, wie jenes des k.u.k.-Schlachtschiffes ,Szent Istvan‘ zu einer Sammlung ausbauen“, berichtet Ivo Mileusnic von den zukünftigen Vorhaben des Museums. Apropos „Szent Istvan“: Das erste der vier im Stil der britischen „Dreadnoughts“ erbauten Kriegsschiffe wurde von der Danubius Werft von Ganz & Co in Fiume gebaut und lief 1914 von Stapel. Das Museum für Seefahrt und Geschichte ist auch an einem von der EU geförderten Interreg–Projektes beteiligt. Dessen Gegenstand ist die Erforschung eines Ringes von Festungsanlagen aus der Zeit des römischen Kaiserreiches in Kroatien und Slowenien, die unter der Bezeichnung „Claustra Alpium Juliarium“ bekannt sind.

Fazit

Der ehemalige Gouverneurspalast mit dem Museum ist neben dem Stadtturm im Zentrum der Stadt sowie der mittelalterlichen Festung „Trsat“ eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten Rijekas. Aufgrund der Auswahl an Exponaten, dem Zusatzangeboten (Workshops, Veranstaltungen und Sonderausstellungen) sowie dem imposanten Ambiente dieses historischen Anwesens wird jeder Besuch zu einem Erlebnis für Jung und Alt.

Michael Ellenbogen, MA, BA ist freier Journalist.

Link zum Museum 

 

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