• Veröffentlichungsdatum : 06.07.2016
  • – Letztes Update : 07.07.2016

  • 4 Min -
  • 822 Wörter

Grenzmanagement in Bad Radkersburg

Gerold Keusch

Der Grenzübergang Bad Radkersburg am 16. November 2015 um 0930 Uhr: Der Kommandant einer Assistenzkompanie des Österreichischen Bundesheeres spricht sich mit dem österreichischen und slowenischen Polizeikommandanten ab. In einigen Minuten werden etwa 700 Flüchtlinge hier ankommen.

Themenschwerpunkt Migration

Die Soldaten des Bundesheeres haben ihre Posten bezogen und sind für die Neuankömmlinge bereit. Diese erreichen kurz nach der Absprache zwischen den Kommandanten den Übergabeort an der Grenze. Dorthin werden sie von der slowenischen Polizei in Zweierreihe gebracht. Die Flüchtlinge sind ruhig und folgen den Anweisungen der Sicherheitskräfte. Nach der „Übergabe“ der Personen teilen die österreichischen Soldaten die Flüchtlinge in Gruppen von etwa zwanzig Menschen. Diese bewegen sich geordnet am Gehsteig neben der Straße über die Brücke in Richtung Bad Radkersburg.

Die Brücke über die Mur ist Niemandsland zwischen Österreich und Slowenien. Offiziell verläuft die Grenze in der Mitte des Flusses. Auf der Straße bei der ehemaligen Zollhütte befinden sich Soldaten, die die Gruppen leiten. Es ist nur eine Fahrbahn befahrbar. Die andere ist für die Soldaten, die die Schutzsuchenden beaufsichtigen reserviert.

Stationsbetrieb

Durchsuchung

Die erste Station nach der Brücke ist eine stichprobenartige Durchsuchung der Flüchtlinge. Sie erfolgt für alle anderen Personen sichtbar neben der Straße. Daneben fahren Autos, und Personen gehen vorbei. Dennoch wirkt die Situation normal und entspannt. Hier wird auch das Gepäck kontrolliert. Die Durchsuchung erfolgt für Frauen und Männer getrennt. Für die Frauen ist an diesem Tag eine Polizistin zuständig, an anderen Tagen macht das eine Soldatin. Die österreichischen Sicherheitskräfte strahlen eine beruhigende Routine, sowohl auf die Einheimischen, als auch auf die Schutzsuchenden aus und scheinen die Situation unter Kontrolle zu haben.

Ein Beispiel um die Routine vor Ort zu beschreiben: Eine junge Frau soll durchsucht werden. Eine Polizistin bittet sie, zu ihr zu kommen. Die Frau bekommt das jedoch nicht mit. Die Polizistin kommt nun auf sie zu, nimmt mit ihr höflich aber bestimmt Kontakt auf. Die junge Frau geht mit. Sie zeigt der Beamtin ihr Gepäck und wird kurz durchsucht. Ihr Vater, der schon weiter gegangen ist, bemerkt, dass seine Tochter fehlt und geht zurück. Ein Soldat weist ihn darauf hin, dass er in die falsche Richtung geht und wieder umdrehen soll. Der Schutzsuchende erklärt ihm, dass seine Tochter nicht da ist. Daraufhin geht der Soldat mit ihm einige Schritte zurück, bis er seine Tochter wieder sieht. Der Vater wirkt beruhigt. Der Soldat weist ihm einen Platz zu, an dem er auf seine Tochter warten soll. Kurz darauf kommt diese und beide gehen weiter. Die gesamte Situation verläuft völlig ruhig und entspannt.

Wartezone 


Die nächste Station ist ein Wartebereich vor der Datenaufnahme. Hier befinden sich Zelte als Schutz gegen die Witterung und Sanitär-Container. Die Flüchtlinge stehen in einer Reihe hintereinander und warten. Ein Soldat weist sie an, in ein größeres Zelt zu gehen. Dort stehen Bänke bereit, und die Personen nehmen Platz. Hier warten die Schutzsuchenden auf die nächste Station, die Datenaufnahme.

Bei Bedarf werden in diesem Wartebereich Essen, Getränke oder Bekleidung ausgegeben. Heute Vormittag geschieht das nicht. Die Flüchtlinge bekamen bereits kurz vor ihrer Ankunft in Österreich ein Frühstück im slowenischen Quartier.

Datenaufnahme


Ein Soldat kommt ins Zelt und geht mit etwa zwanzig Personen zur Datenaufnahme. Diese befindet sich am Beginn eines Ganges, der mit Zelten überdacht ist. Dort sitzen Polizisten und nehmen die Personalien der Schutzsuchenden auf. Die Flüchtlinge stehen in einer Schlange und warten bis sie an der Reihe sind.

Weitertransport


Wer mit dieser Station fertig ist, geht den Gang weiter. Dieser führt zum Ausgang der Sammelstelle. Dort wartet bereits ein Bus für den Weitertransport, meist in ein Transitquartier an der Grenze zu Deutschland. Ein Polizist steht vor dem Bus und vermerkt die Anzahl der Personen, die bereits eingestiegen sind.

Sobald alle Sitzplätze besetzt sind, fährt er ab. Der erste Bus setzt sich an diesem Tag um 1030 Uhr in Bewegung. Von der Übernahme der ersten Schutzsuchenden bis zu ihrer Abfahrt sind ca. 50 Minuten vergangen.

Auf einen Blick

Phasen von der Übernahme bis zum Transport

  • Beziehen der Zelte durch Einsatzkräfte und freiwillige Helfer
  • Aufstellung der eigenen Kräfte
  • Absprache mit der slowenischen Polizei
  • Übernahme der Flüchtlinge/Aufteilung in Gruppen
  • Durchsuchung
  • Erster Wartebereich
  • Datenaufnahme durch die Polizei
  • Zweiter Wartebereich
  • Parkplatz für Busse - Weitertransport

Die Versorgung mit Lebensmitteln, Getränken und Bekleidung, aber auch die medizinische Akutbetreuung fand in Bad Radkersburg im ersten Wartebereich statt. Die Versorgung der Schutzsuchenden wurde von zivilen Organisationen übernommen. Aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer der Personen, benötigten die Flüchtlinge keine Schlafgelegenheit vor Ort. Zelte dafür waren jedoch aufgestellt. Darüber hinaus gab es etliche Sanitär-Container auf dem Areal.

Resümee


Die Abwicklung der Übernahme durch die österreichischen Behörden in Bad Radkersburg erfolgt geordnet, ruhig und zügig. Sowohl die Soldaten, als auch die Polizisten sowie Mitglieder von zivilen Organisationen wirken routiniert und gelassen. Das Verhalten der Behörden scheint sich auch positiv auf die Schutzsuchenden auszuwirken, die ruhig und entspannt sind.

Innerhalb weniger Tage haben das Bundesheer und zivile Behörden vor Ort ein System entwickelt, um große Menschenmengen abzufertigen das funktioniert. Es ist ein gutes Beispiel, wie man solche Aufgaben bewältigen kann.


Offiziersstellvertreter Gerold Keusch ist Redakteur bei TRUPPENDIENST.

 

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