• Veröffentlichungsdatum : 22.12.2020

  • 7 Min -
  • 1333 Wörter

Getrennt marschieren, vereint schlagen

Gerald Bstieler

Angriff auf einen zur Verteidigung eingerichteten Gegner - Einfache Umfassung 

Ein Angriff auf gegnerische Kräfte in starken Verteidigungsstellungen kann bei operativer Beweglichkeit der eigenen Truppen durch eine einfache Umfassung erfolgen. Die Umfassung soll zur Einschließung feindlicher Kräfte und damit zu einem entscheidenden Erfolg führen. Oft leitet sie Angriffe, auch luftbewegliche Einsätze, gegen die tiefe Flanke oder in den Rücken des Feindes ein. Am einfachsten lässt sich ein Angriff in die Flanken führen, wenn er sich aus der eigenen Bewegungsrichtung ergibt oder wenn sich die eigenen Kräfte bereits in der Flanke des Feindes befinden.

Konflikt im Großen

Gründe für die Kampfhandlungen in Königgrätz

Der Deutsche Krieg 1866 entsprang der lange andauernden preußisch-österreichischen Rivalität um die Vormachtstellung im Deutschen Bund und dem energischen Wunsch des preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck, eine Entscheidung zugunsten Preußens herbeizuführen. Vordergründig ging es aber um Streitigkeiten hinsichtlich der Verwaltung der beiden, seit 1864 von Österreich und Preußen besetzten, Elbherzogtümer Schleswig und Holstein. Der eigentliche Kriegsgrund war die von Preußen angestrebte Reform des Deutschen Bundes, die zu einem Ausschluss des Kaisertums Österreich aus diesem geführt hätte.

Beteiligte Konfliktparteien

Am östlichen Kriegsschauplatz, im Raum des heutigen Tschechiens, standen sich vor allem die Preußische Ostarmee und die Österreichische Nordarmee mit Teilen der Sächsischen Streitkräfte gegenüber. Beide Konflikparteien verfügten über eine annähernd gleiche Stärke, es gab jedoch wesentliche Unterschiede bei der Ausrüstung der Streitkräfte:

  • Die Preußische Ostarmee hatte eine modernere Infanteriebewaffnung (Zündnadelgewehr). Dadurch wurde eine defensive Einsatzführung wesentlich begünstigt und ein offensives Vorgehen des Gegenübers konnte kaum Erfolge erzielen.
  • Die Österreichischen Streitkräfte verfügten über fortschrittliche Artilleriesysteme, die einen Kampf auf große Entfernungen im offenen Gelände begünstigten. Dies war einer der wesentlichen Gründe der Österreicher für die Wahl der Verteidigungsstellung bei Königgrätz.

Zusätzlich nahmen am Krieg auch der Großteil der anderen Deutschen Fürstentümer, sowie das Königreich Italien teil, der Einsatz der Streitkräfte dieser Parteien fand jedoch auf anderen Kriegsschauplätzen statt.

Rahmenbedingungen des Handelns

Die Ausgangsbedingungen der beiden Konfliktparteien hätten kaum unterschiedlicher sein können. Die Preußische Ostarmee unter Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke besaß einen effizienten Führungsapparat und eine moderne Struktur. Zusätzlich ermöglichte das gut ausgebaute preußische Schienennetz erstmals in der europäischen Kriegsgeschichte einen raschen Anmarsch großer Truppenverbände durch die Eisenbahn. Moltke setzte bei seinen Planungen, gemäß seinem Leitspruch „getrennt marschieren, vereint schlagen"1 , auf ein rasches und autonomes Vorgehen seiner drei Elemente (1. Armee, 2. Armee, Elbarmee). Dies widersprach der damals geltenden preußischen Militärdoktrin und verursachte Unmut bei seinen Unterführern.

Die Österreichische Nordarmee wurde am 27. Mai 1866 durch Feldzeugmeister Ludwig von Benedek in Olmütz übernommen und besaß wesentliche Mängel im Bereich des Führungsapparats, sowie der Organisation im Allgemeinen. Auch die österreichischen Streitkräfte nutzten für den Anmarsch nach Olmütz die Eisenbahn, konnten allerdings nicht auf ein so gut ausgebautes Schienennetz wie die Preußen zurückgreifen. Im Gegensatz zu Moltke, ging Benedek zögernd vor und griff auf eine defensive und kompakte Einsatzführung zurück, die großteils der bereits bekannten Überlegenheit des preußischen Zündnadelgewehrs geschuldet war.

Vor der Schlacht von Königgrätz fanden mehrere kleinere Gefechte zwischen den Preußen und Österreichern statt. Bei diesen erlitten die Österreicher immer um ein Vielfaches höhere Ausfälle als die Preußen. Das betonte die Vorteile des Zündnadelgewehrs und bewog Benedek schließlich zur Wahl des Schlachtfeldes.

Taktische Ausgangslage 

Raum

Das von Benedek gewählte Gelände nordwestlich von Königgrätz ist zu großen Teilen offen, besitzt einige Wälder und ist von leichten Anhöhen durchzogen. Die Nord-Süd fließende Bistritz führte Hochwasser und war für den Angreifer nur an den Brücken passierbar. Die Stellungen der Österreicher sowie die Bistritzübergänge waren durch Pionierkräfte verstärkt worden. Der 3. Juli 1866 begann düster, wolkenverhangen und nebelig. Bei Eröffnung der Kampfhandlungen um 08:00 Uhr hatten bereits Regenschauer eingesetzt und die Felder waren aufgeweicht.2

Absicht der Konfliktparteien 

Die Absicht von Moltke war es, eine Umfassung durchzuführen. Die 1. Armee und die Elbarmee waren am Morgen des 3. Juli bereits im Raum und sollten nach Überqueren der Bistritz in den frühen Morgenstunden den Gegner frontal angreifen, abnutzen und binden. Das umfassende Element der preußischen Einsatzführung sollte die von Norden angreifende 2. Armee sein. Die kritische Variable hierbei war die Zeit: Die 2. Armee befand sich noch weit im Norden und musste mit hohem Tempo anmarschieren, um wirksam werden zu können. Bei verspäteten Eintreffen der 2. Armee bestand die Gefahr durch die Österreicher getrennt und geschlagen zu werden, was zu einer Niederlage geführt hätte.

Die Absicht von Benedek war es, die getrennt anmarschierende Ostarmee zu schlagen bevor sie sich vereinigen konnte. Seine Absicht war es, das starke Gelände auszunützen und die 1. Armee sowie die Elbarmee durch den Einsatz von Sperren und Artillerie abzunützen, um sie dann durch einen Gegenangriff am frühen Nachmittag zu zerschlagen. Zum Durchsetzen seines Entschlusses hielt Benedek eine starke Gegenangriffskraft (Reserve) bereit und setzte Kräfte zur Abwehr der 2. Armee im Norden ein, um die Ostarmee zu trennen und in Teilen zu schlagen.

Verlauf der Schlacht 

Die Schlacht verlief für die Österreicher3  zu Beginn günstig. Das schlechte Wetter, die Hochwasser führende Bistritz und der Sperreinsatz der Österreicher verzögerten die Annäherung der 1. Armee und der Elbarmee stark und begünstigten den Einsatz der Artillerie, der zu hohen Verlusten vor allem bei der 1. Armee führte. Keines der beiden Hauptquartiere besaß zu diesem Zeitpunkt genaue Informationen über die Position der zweiten preußischen Armee.

Der entscheidende Fehler der Österreicher war der eigenmächtige Entschluss der Kommandanten des IV. und II. Korps, die zur Abwehr der Armee bereitgehalten waren, Richtung Westen anzugreifen. Die beiden Kommandanten meldeten Benedek ihren Entschluss. Dieser genehmigte ihn unter der Annahme, dass die Armee noch zu weit entfernt sei, um einzugreifen. Bei den dadurch entstandenen Kämpfen im Swiepwald entfaltete das Zündnadelgewehr seine volle Wirkung und das IV. und II. Korps wurde zu großen Teilen zerschlagen und fixiert.

Kurz nach Mittag befahl Benedek das sofortige Beziehen der ursprünglichen Verteidigungsstellung. Zu diesem Zeitpunkt war ein Lösen der verbliebenen Teile des IV. und II. Korps aber nicht mehr möglich. Gegen 1400 Uhr trafen die Spitzen der 2. Armee auf dem Schlachtfeld ein. Sie konnten ohne großen Widerstand in die rechte Flanke der Österreicher vorstoßen und wichtige Geländeteile in Besitz nehmen. Zeitgleich gelang es der Elbarmee im Süden Erfolge zu erzielen und das Sächsische Korps zum Zurückweichen zu zwingen.

Trotz energischer Gegenstöße von Reserven gegen die 2. Armee im Laufe des Nachmittags konnte die Nordarmee die Initiative nicht mehr zurückgewinnen und die Umfassung der Nordarmee durch die Preußen stand unmittelbar bevor. Gegen 1700 Uhr blieb Benedek nur noch die Möglichkeit den Rückzug seiner Armee durchzuführen, um die völlige Vernichtung oder Gefangennahme zu verhindern. Durch den erneuten intensiven Einsatz der Artillerie sowie der Kavallerie konnten die Angreifer noch lange genug verzögert werden und ein Großteil der Kräfte über die Elbe in Sicherheit gebracht werden. Am Ende beliefen sich die Verluste der Österreicher bei Königgrätz insgesamt auf etwa ein Fünftel ihrer Gesamtstärke, wohingegen die Preußen nur geringe Verluste zu verzeichnen hatten.

„Besonderheit" der Schlacht 

Die Schlacht von Königgrätz zeigt die Risiken und Möglichkeiten einer Umfassung. Durch das Ausnutzen der operativen Mobilität mit der Eisenbahn und den getrennten Vorstoß der einzelnen Armeen erlangten die Preußen die Initiative und konnten den Verlauf der Schlacht diktieren. Das getrennte Vorgehen der Preußischen Ostarmee ermöglichte eine Umfassung der österreichischen Nordarmee und führte beinahe zu ihrer Vernichtung. Allerdings ging Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke dadurch das Risiko ein, in Teilen geschlagen zu werden.

Auf einen Blick 

Die Schlacht von Königgrätz war die entscheidende Schlacht des Deutschen Krieges von 1866. Moltke nutzte die Möglichkeiten, die ihm das moderne Eisenbahnnetz bot und setzte auf eine Aufteilung seiner Truppen in drei Teile, um die operative Beweglichkeit zu erhöhen. Im Raum der Verteidigungsstellungen der österreichischen Nordarmee bei Königgrätz führte er schließlich seine Truppen zusammen und führte so eine Umfassung der Österreicher durch. Benedek versuchte zwar durch die Wahl des Geländes die Überlegenheit des Zündnadelgewehrs auszugleichen und die Artillerie zur Wirkung bringen, allerdings gelang es ihm nicht die drei Preußischen Armeen zu trennen und einzeln zu schlagen. Nachdem alle drei Preußischen Armeen zum Zusammenwirken gebracht wurden, konnte Benedek der Umfassung und der damit einhergehenden Vernichtung seiner Truppen nur noch mit einem Rückzug begegnen.

zur Artikelserie

Oberleutnant Gerald Bstieler, BA ist stellvertretender Kommandant einer Panzerhaubitzenbatterie.

 

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