• Veröffentlichungsdatum : 20.01.2017
  • – Letztes Update : 29.06.2017

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  • 956 Wörter

Franz Conrad von Hötzendorf

Wolfram Dornik

Als Franz Xaver Josef Conrad von Hötzendorf am 2. September 1925 in Wien begraben wurde, waren die Straßen gesäumt von Zehntausenden Trauergästen. Die konservative und restaurative politische Elite des Landes nutzte das Ereignis für ein politisches Hochfest im Herzen des „Roten Wien“. Damit wirft das Begräbnis des Feldherren ein bezeichnendes Licht auf die bereits Mitte der 1920er Jahre angespannte Lage der Ersten Republik. 

Serie: Der Erste Weltkrieg in Europa

Der Offizierssohn Franz Conrad von Hötzendorf, geboren am 11. November 1852 in Penzing, schlug eine mustergültige militärische Karriere ein: Zuerst Militärkadetten-Schule in Hainburg, dann Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt. Unter strenger Aufsicht seiner Mutter wurde der älteste Sohn schon früh auf seine Rolle als Familienernährer vorbereitet (die Mutter war um 32 Jahre jünger als der Vater) und mit Strenge zu Disziplin und Pflichterfüllung erzogen.

Auf die schulische Ausbildung folgten der Truppendienst als Leutnant und die Kriegsschule in Wien. Er nahm 1878/79 am Okkupationsfeldzug in Bosnien-Herzegowina sowie im Sandschak Novi Pazar (Anm.: am Balkan) teil. Gleich darauf erwarb er die militärische Praxis in der Bekämpfung des Aufstandes in Süd-Dalmatien. Der Kampf gegen irreguläre Truppen sollte ihn nachhaltig prägen. 

Ab 1899 war er Kommandant der 55. Infanteriebrigade in Triest und hatte in dieser Funktion im Februar 1902 die Niederschlagung eines Streiks mit Waffengewalt zu verantworten. Sein ausgesprochen energisches Vorgehen brachte ihm sogar eine allerhöchste Belobigung ein. Seine bisherigen Erfahrungen verfestigten in ihm die Vorstellung von Serbien und Italien als zentrale Bedrohungen der Habsburgermonarchie, im Inneren wie im Äußeren. Daneben rückte für ihn immer wieder auch Russland als Hauptgegner in den Mittelpunkt.

Mit militärwissenschaftlichen Publikationen zur Taktik und zur Ausbildung der Infanterie erwarb er sich einen europaweiten Ruf als Militärtheoretiker und Reformer. Geschickt nutzte er die Kaisermanöver, um sich als genialer Feldherr und beinharter Kommandeur zu positionieren, der seinen Truppen alles abverlangt.

1906 wurde er zum Chef des Generalstabes ernannt. Erzherzog Franz Ferdinand versuchte seit der Jahrhundertwende Vertraute in Schlüsselpositionen zu setzen. Auch gefiel dem Thronfolger der Ruf Conrads als Modernisierer und energischer General. In den folgenden Jahren drängte Conrad unzählige Male auf einen Präventivschlag gegen Serbien und Italien, insbesondere während der Annexion Bosnien-Herzegowinas 1908 und dem italienisch-türkischen Krieg um Libyen 1911/12. Im Gegensatz dazu schlug der Thronfolger einen kriegsskeptischen Kurs ein, der mehr und mehr zur Entfremdung der beiden führte. 

Darüber hinaus setzte Conrad von Hötzendorf, wenn auch durch die geringen finanziellen Möglichkeiten Österreich-Ungarns beschränkt, Modernisierungsschritte und technische Vorbereitungen für einen Krieg durch. So wurden zum Beispiel die Befestigungsanlagen zu Italien weiter ausgebaut. Unter seiner Führung wurden wichtige Schritte zur gesellschaftlichen Kriegsvorbereitung getroffen, darunter waren das Kriegsleistungsgesetz, die Ausnahmeverfügungen sowie die Verjüngung des Offizierskorps.

Er förderte den „Offensivgeist“ und verstärkte die seit der Revolution von 1848 gefestigte antiliberale, antidemokratische und antinationale Grundgesinnung innerhalb der k.u.k. Armee. In der Ausbildung setzte er verstärkt auf größere Praxisnähe, der Ablauf der Manöver und Kriegsspiele orientierte sich an realistischeren Szenarien. Vehement aber erfolglos protestierte er gegen das teure Flottenausbauprogramm, das seiner Meinung nach strategisch irrelevant war.

Als Sozialdarwinist, der biologische Ansätze auf menschliche Gesellschaften übertrug, verfolgte er auch ein rassehierarchisches Denken - wie nur allzu viele, politisierende Generale im Europa des frühen 20. Jahrhunderts. In der Juli-Krise 1914, nach der Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolger-Ehepaares in Sarajewo, drängte er, trotz aller Bedenken der politischen Entscheidungsträger, zum Krieg. Conrad von Hötzendorf war die schwierige Lage im Sommer 1914 sehr wohl bewusst.

Er befürchtete, durch den Zweifronten-Krieg keinen raschen Sieg gegen Serbien zu erringen und in einen langen Zermürbungskrieg abzugleiten. Trotzdem drängte er auf Losschlagen. Es war ein Vabanquespiel, wie er es selbst bezeichnete. Als am 28. Juli Österreich-Ungarn Serbien den Krieg erklärte, wurde ganz Europa in einen „Großen Krieg“ gerissen. Für die Habsburgerarmee folgte eine militärische Katastrophe nach der anderen: Die Kriegsplanungen erwiesen sich als Farce und der Aufmarsch wurde zu einem Fiasko. Die russischen Truppen besetzten die Bukowina sowie einen Großteil Galiziens und die Niederwerfung Serbiens zog sich über ein Jahr hin. Als Sündenböcke wurden die südslawische Bevölkerung und die pauschal als „russophil“ bezeichneten Ruthenen im eigenen Staatsgebiet gebrandmarkt. Zwar versuchte die monarchische Führungsriege - von Kaiser Franz Joseph bis zum Oberbefehlshaber Erzherzog Friedrich - mäßigend einzuwirken, doch gelang dies nur bedingt.

Die von Conrad von Hötzendorf maßgeblich mitgestalteten Rahmenbedingungen sowie seine direkten Befehle förderten das rücksichtslose Vorgehen gegenüber der verdächtigten Zivilbevölkerung. Allein aus Galizien und der Bukowina wurden rund 7 000 Einwohner in Graz/Thalerhof interniert (1 767 starben im Lager), mehrere Tausend wurden standrechtlich abgeurteilt und gehängt. Hunderttausende wurden zu Flüchtlingen, und viele von ihnen konnten nie mehr in ihre Heimat zurückkehren. 

Trotz aller Niederlagen konnte sich Conrad von Hötzendorf bis Anfang des Jahres 1917 auf seinem Posten halten. Erst Kaiser Karl fand kein Vertrauen mehr in den alten Feldherrn und ersetzte ihn durch Artur Arz von Straußenburg. Conrad wurde an die Tiroler Front versetzt und Namensgeber für eine Heeresgruppe. In seiner neuen Verwendung fand er aber nicht mehr das Gehör, das er sich für seinen Krieg gegen Italien wünschte. Er war nur mehr ein Symbol für den Kampfeswillen. 

Seine endgültige Absetzung im Sommer 1918, die kurz darauf folgende Implosion der Habsburger-monarchie und das Kriegsende radikalisierten Conrad von Hötzendorf. In seinen in den frühen 1920er Jahren herausgegebenen Schriften versuchte er, sein „Lebenswerk“ zu verteidigen, und rechtfertigte sich mit immer radikaleren sozialdarwinistischen Diskursmustern. Den Staat Österreich lehnte er ab und suchte das Heil in einem „Anschluss“ an Deutschland.

Für die „Katastrophe“ - worunter er nicht das vierjährige Schlachten, sondern den Zusammenbruch der Habsburgermonarchie verstand - machte er Juden, Sozialisten, Freimaurer, Ungarn, Tschechen, Serben und die Entente-Staaten verantwortlich. Damit machte er sich zu einem der Ideologen jener Kräfte in Österreich, die die neue politische Ordnung Europas ablehnten. Körperlich schwer gezeichnet und psychisch fragil verstarb er am 25. August 1925 im deutschen Mergentheim.

Mag. Dr. Wolfram Dornik ist Leiter des Museums im Tabor in Feldbach.

 

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