• – Letztes Update : 15.03.2016

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Die GSVP und Österreich

Johann Lattacher

Österreich stützt sich bei der Gestaltung seiner Außenpolitik stark auf die Gemeinsame Außen- und ­Sicherheitspolitik (GASP) der EU ab, die auch für die österreichische Verteidigungspolitik eine besondere Stellung einnimmt.

Österreich kann alle Beschlüsse der GSVP als gleichberechtigtes Mitglied in den entsprechenden Gremien mitgestalten. Dies beinhaltet, dass Österreich Beschlüsse auch verhindern kann. Im Gegensatz dazu kann es NATO-Beschlüsse nur teilweise begleitend beeinflussen (durch das sogenannte Decision Shaping). Im Bereich der Vereinten Nationen (VN) ist die Möglichkeit der Einflussnahme noch stärker begrenzt, es sei denn, Österreich sitzt gerade als nicht permanentes Mitglied im VN-Sicherheitsrat. Schon allein aus dieser Tatsache ergibt sich die Bedeutung einer leistungsfähigen (auch militärischen) Interessensvertretung gegenüber der EU.

Während der Entscheidungsfindungsprozesse der EU zur Einleitung von militärischen Einsätzen nehmen die Mitgliedstaaten ständig direkten Einfluss auf die zu erstellenden Planungsdokumente und beschließen diese in der Folge auch. Die relevanten Beschlüsse fallen hier im Wesentlichen im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee (PSK) bzw. in der zuständigen Ratsformation (Rat für Auswärtige Angelegenheiten) durch die Außen- oder Verteidigungsminister.

Das EU-Militärkomitee, in dem Österreich durch seinen Militärrepräsentanten vertreten ist, spielt im Entscheidungsfindungsprozess bei neuen, aber auch bei der Begleitung von laufenden Einsätzen, eine wichtige Rolle. Diese Rolle nimmt es durch die Übermittlung von militärischen Ratschlägen (military advices) an das PSK wahr, in dem Österreich auf Botschafterebene vertreten ist. Das PSK, oder bei bestimmten Grundsatzentscheidungen der Rat, entscheiden in militärischen Angelegenheiten dann auf Basis der Ratschläge des Militärkomitees. Die Möglichkeit gleichberechtigt mitzuentscheiden, im Zusammenwirken mit der bedeutenden Rolle des EU-Militärkomitees, verleiht der militärischen Interessensvertretung gegenüber der EU besondere Bedeutung.

Zukünftige Entwicklungen

Hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung der militärischen Interessensvertretung ist aber auch die „strategische Großwetterlage“ mit zu berücksichtigen. Obwohl mittlerweile bereits sehr lange von einem Krisenbogen um Europa gesprochen wird, und schon erhebliche Ressourcen in die Stabilisierung desselbigen investiert worden sind, entwickeln sich diese Räume tendenziell nicht positiv. Gleichzeitig werden die Verteidigungsbudgets der Mitgliedstaaten, von einigen Ausnahmen abgesehen, weiterhin geringer. Österreich nimmt hier bekanntermaßen eine „führende“ Stellung ein, obwohl es aufgrund seines sicherheitspolitischen Status eigentlich anteilsmäßig mehr in seine Verteidigung investieren müsste als ­z. B. Staaten, die sich auf den Artikel 5 ­des NATO Vertrages abstützen können.

Steigende Instabilität um Europa, sinkende Verteidigungsbudgets, Bedrohungen, welche durch einzelne Staaten alleine nicht mehr bewältigt werden können - dieses Lagebild wird eher früher als später zu einer weiteren Intensivierung der gemeinsamen Anstrengungen in der EU, aber auch in der NATO führen. Die oben dargestellten Elemente werden vor allem für kleinere Staaten dazu führen, dass sie die eigene Handlungsfähigkeit im Wesentlichen nur mehr über die Mitwirkung an internationalen Organisationen bzw. über das Eingehen von Kooperationen ausreichend sicherstellen werden können. Neben Konsequenzen in vielen anderen Bereichen, sollte diese Entwicklung ebenfalls Auswirkungen auf die Weiterentwicklung der österrei­chischen militärischen Interessensvertretung gegenüber der EU, sowie anderen internationalen Organisationen haben.

Militärische Interessensvertretung Österreichs

Die Militärvertretung Brüssel ist aus derzeitiger Sicht gut aufgestellt, wird jedoch innerhalb der allgemeinen finanziellen und personellen Möglichkeiten des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport/Österreichisches Bundersheeres (BMLVS/ÖBH) weiterentwickelt werden müssen. Wesentlich wird dabei sein, dass die grundsätzliche Zielsetzung der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, flexiblen und antizipativen österreichischen militärischen Interessensvertretung weiter konsequent verfolgt wird. Es muss hier nochmals erwähnt werden, dass wesentliche Einsatzgrundlagen für österreichische Soldaten in Auslandseinsätzen in Brüssel verfasst werden, und dass Österreich diese Einsatzgrundlagen über die Militärvertretung Brüssel mitbeeinflussen kann.

Es wird daher zukünftig notwendig sein, sowohl eine qualitative als auch eine quantitative Mindestdotierung sicherzustellen, die durch notwendige laufende Anpassungen in struktureller und prozessualer Hinsicht nur bedingt ersetzt werden kann. Da die militärische Interessensvertretung natürlich nicht zum Selbstzweck verkommen darf, wird es weiterhin wichtig sein, die allgemeine internationale Präsenz des BMLVS/ÖBH weiterzuentwickeln. Für den EU-Bereich betrifft das auch die Frage der Beteiligung an EU-geführten militärischen Einsätzen. Da Österreich diese Einsätze mitbeschließt, aber auch aufgrund des besonderen österreichischen sicherheitspolitischen Status (Österreich ist eines von sechs EU-Mitgliedern, die nicht gleichzeitig NATO-Mitglieder sind), sollte eine zumindest geringe konkrete österreichische Beteiligung an jedem EU-geführten Einsatz die Norm sein. Eine Nicht-Beteiligung sollte dementsprechend die Ausnahme sein und eigentlich nur bei besonders berücksichtigungswürdigen Umständen schlagend werden.

Eine Entscheidung zur Nicht-Beteiligung sollte genauso bewusst und fundiert aufbereitet fallen, wie ein Entschluss zur Beteiligung. Andererseits wäre die Präsenz des österreichischen militärischen Personals in den militärischen (EU-Militärstab - EUMS, Europäische Verteidigungsagentur - EVA) und politisch-militärischen EU-Strukturen (Crisis Management and Planning Directorate - CMPD) weiter zu entwickeln. Die allgemeinen und speziellen sicherheitspolitischen Begründungen dafür wurden bereits eingangs dargestellt.

Der allgemeine österreichische Personalbeitrag zu permanenten multinationalen Strukturen ist im Vergleich zu den meisten anderen EU-Mitgliedern, vor allem aufgrund der Nichtmitgliedschaft in der NATO, quantitativ klein. Es scheint klar zu sein, dass das System BMLVS/ÖBH von Auslandsrückkehrern, sowohl aus Auslandseinsätzen als auch aus Auslandsverwendungen, in mehrfacher Hinsicht profitiert. Es wäre dazu ein grundsätzlicher Mentalitätswechsel im BMLVS/ÖBH im Bereich der Bewertung von Auslandsverwendungen notwendig. Diese sollten einerseits noch stärker systematisch in die Karriereplanung einfließen und für höherwertige Verwendungen, im Zusammenwirken mit der Absolvierung von Auslandseinsätzen, als durchgehende Voraussetzung etabliert werden und andererseits karrierefördernd wirken.

Es ist für die nationale militärische Interessensvertretung gegenüber internationalen Organisationen wichtig, auf erfahrenes Personal zurückgreifen zu können. Militärische Interessensvertretung verlangt, neben allgemeiner militärischer Erfahrung und Können, Flexibilität, soziale Kompetenz, Einfühlungsvermögen und im Wesentlichen besondere Kenntnisse in internationalen Beziehungen (Strukturen, Prozesse, Verhaltensweisen, etc.) Diese Kenntnisse „fallen nicht vom Himmel“, sondern sollten längerfristig über einen Mix aus nationalen und internationalen Verwendungen aufgebaut werden. Für die Besetzung von internationalen militärischen Spitzenfunktionen ist ein mittel- bis langfristiger Aufbau inklusive der erforderlichen sprachlichen Qualifikation, der zu einem entsprechenden Lebenslauf und internationaler Reputation führt, erforderlich.

Siehe dazu auch: Together for a stronger Europe

Stabiles Umfeld

Abschließend ist in die Argumentationskette derjenigen einzustimmen, die nichts von einer Bevorzugung von Inlandsaufgaben gegenüber Auslandsaufgaben halten. Die diesbezügliche Argumentation folgt meist einer populistischen und schlichten Logik. Nicht nur die österreichische Sicherheit, sondern auch der österreichische Wohlstand hängen von einem stabilen Umfeld Österreichs ab, und jeder militärische Beitrag zu dessen Stabilisierung, vom Balkan bis in den Libanon, von Mali bis zum Indischen Ozean, trägt unmittelbar dazu bei. Das soll nun an zwei plakativen Beispielen erläutert werden:

Unsere stark import- und export­orientierte Wirtschaft und Energieversorgung hängt von der Sicherheit von Handelswegen ab. Versicherungsprämien für Schiffseigner steigen mit der Bedrohung durch Piraten stark an und werden letztlich auf die Endverbraucherpreise für Export- und Importgüter aufgeschlagen. Eine österreichische Beteiligung an der Operation EUNAVFOR „Atalanta“ (European Union Naval Force) ist daher angebracht und für den Staatsbürger einfach zu erklären. Somalische Flüchtlinge kommen auch nach Österreich. (1 013 Asylanträge von Jänner bis November 2014, Platz 5 nach Syrien, Afghanistan, der Russischen Föderation und dem Kosovo; Quelle: Stand Asylstatistik BM.I für November 2014).

Eine Beteiligung an der EU-Trainingsmission (EUTM) Somalia ist daher nicht „weit hergeholt“ und könnte gegenüber dem Staatsbürger, der sich am Stammtisch die Frage stellt: „Was machen wir eigentlich da unten?“ relativ leicht argumentiert werden. Ohne EUTM Somalia und die im EU-Comprehensive Approach vorgesehenen zahlreichen auf Somalia abzielenden Instrumente und Maßnahmen wäre das Land vermutlich vollkommen verloren („failed“) und die somalischen Flüchtlinge mit Syrien an erster Stelle der ­österreichischen Flüchtlingsstatistik.


Oberst dG Mag. Johann Lattacher ist Leiter der Abteilung der Militärvertretung Brüssel.

 

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