• Veröffentlichungsdatum : 13.07.2017

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Deutsches Marinemuseum

Jürgen R. Draxler

Deutsches Marinemuseum

Das Deutsche Marinemuseum in Wilhelmshaven zeigt die Entwicklung der deutschen Marinen seit 1848. Der Schwerpunkt des Museums liegt auf der Darstellung der Bundesmarine/Deutschen Marine. Es besteht seit 1998 und wird von einem privaten Trägerverein geführt.

Es sticht nicht gleich ins Auge. Das Deutsche Marinemuseum fügt sich harmonisch in den Stadthafen der Marinestadt Wilhelmshaven ein. Dominant dabei: der an der Museumspier festgemachte Lenkwaffenzerstörer „Mölders“. Auch zwei weitere Großexponate, das Minenjagdboot „Weilheim“ sowie das U-Boot „U10“, ziehen bei genauerem Hinschauen den Blick auf sich. Befremdlich wirkt dagegen der über dem Eingangsbereich des Museums scheinbar schwebende „Starfighter“ F-104 G. Denn dass die Marineflieger zwischen 1963 und 1981 rund 120 dieser - wegen ihrer immens hohen Absturzzahlen auch als „Sargfighter“ verspotteten - Maschinen als Jagdbomber einsetzten, wissen viele der heutigen Museumsbesucher nicht mehr.

Doch Deutschlands einziges Marinemuseum ist weit mehr als eine bloße Waffenschau. Es beleuchtet zwar weniger die Seefahrtsgeschichte, dafür aber umso intensiver die Entwicklung der deutschen Flotten - beginnend mit der Reichsflotte 1848. Sein unverkennbarer Schwerpunkt: die 1956 aufgestellte Bundesmarine, die 1990, nach der deutsch-deutschen Vereinigung, in Deutsche Marine umbenannt wurde. Die Gründung des Museums geht auf eine Initiative der Stadt Wilhelmshaven aus dem Jahr 1988 zurück. Zwei Jahre später wurde der, insbesondere von Marineoffizieren und Persönlichkeiten aus der Wirtschaft initiierte, Förderverein Deutsches Marinemuseum ins Leben gerufen.

Nachdem die Bemühungen gescheitert waren, gemeinsam mit der Stadt eine Trägerschaft zu begründen und einen geeigneten Standort zu finden, entschloss sich der Förderverein, das Projekt allein weiterzubetreiben. 1998 eröffnete das Museum am Südstrand seine Pforten - und zwar auf dem Gelände der ehemaligen Scheibenhofwerkstatt in einem 1888 errichteten Gebäude des Torpedohofes der Kaiserlichen Werft, das zuletzt von der (damaligen) Bundesmarine genutzt worden war.

Heute ist das Deutsche Marinemuseum Mitglied im Museumsverband Niedersachsen und Bremen sowie in der Arbeitsgemeinschaft Militärgeschichtlicher Museen und Sammlungen. Bemerkenswert für eine Einrichtung dieser Art: Das Museum erhält keine regelmäßigen öffentlichen Zuwendungen. Obwohl der an der Nordseeküste gelegene Standort Wilhelmshaven in Deutschland eher eine Randlage darstellt, zählte das Marinemuseum dennoch allein im Jahr 2014 über 100 000 Besucher.

TRUPPENDIENST wollte von den Verantwortlichen erfahren, welches Konzept sie verfolgen und warum es sich lohnt, das Museum zu besuchen. Wir sprachen mit dem Vorsitzenden der Stiftung Deutsches Marinemuseum, Konteradmiral a. D. Gottfried Hoch, und dem Leiter des Museums, Dr. Stephan Huck, der zugleich Stiftungsgeschäftsführer ist.

„Die Rahmenbedingungen für ein solches Museum begründen sich“, wie Huck erklärte, „in der deutschen Geschichte und unserem Verhältnis zum Militär.“  Unter den Besuchern seien - weil häufig Urlaubsgäste an der Nordsee - viele Familien mit Kindern. Daher müsse man das Angebot so strukturieren, dass es auch diesen Gästen gerecht werde - „ohne etwas zu verniedlichen oder zu verschweigen, das sich um Militär, Krieg und Gewalt dreht.“  Richtig sei allerdings ebenso, wie Huck ergänzte, dass Deutschland auf eine mittlerweile 70-jährige Friedensperiode zurückschauen könne, in der der Marine eine wesentliche Rolle in der Friedenssicherung zukomme. Hoch wies seinerseits darauf hin, dass das Deutsche Marinemuseum ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland besitze. „Alles, was man entlang der Nord- oder Ostseeküste sehen kann, sind maritime Einzelstücke. Da fehlt immer die Einbindung in die Gesamtgeschichte. Selbst Laboe mit seinem „U995“ stellt das Boot als - zugegeben faszinierendes - Technikdenkmal aus. Es gibt dazu aber keine abgerundete museale Konzeption zur deutschen Marinegeschichte.“

Wie alle Museen steht auch das Marinemuseum vor dem Spagat, dass man einerseits ein Fachpublikum hat und auf der anderen Seite interessierte Laien. Für Huck keine unüberwindbare Hürde: „Das breite Publikum soll durchaus Neues entdecken. Das Fachpublikum soll die Ausstellungen mittragen und feststellen, dass die Akzente richtig gesetzt sind. Gleichwohl bringt es die Genese der Sammlungsbestände mit sich, dass sowohl Marineangehörige wie marineaffine oder marinehistorisch Interessierte durchaus Neues - oder neue Aspekte dessen, was sie bereits kennen - entdecken.“  Dass dies gelingt, belegen die Besucherzahlen und die Tatsache, dass neben der Marine längst auch die Bundeswehr insgesamt das Haus als Bildungseinrichtung angenommen hat. Auffällig für ein militärisch geprägtes Museum ist jedoch, dass zahlreiche Schulklassen - unterschiedlichster Altersstufen und Schularten - die Einrichtung besuchen. „Darüber freuen wir uns besonders“,  betonten beide Gesprächspartner.

Natürlich sei es immer etwas abhängig vom jeweiligen Curriculum. „Es gibt Themenkomplexe, da passen wir gut rein, wie beispielsweise die Geschichte der Revolutionen oder das Zeitalter der Weltkriege“,  erläuterte Huck. Bei der Konzeption der Dauerausstellung habe man sich bewusst entschieden, den historischen Kontext zu stärken, „so dass wir Abholpunkte für ein Publikum haben, das mit der Marinegeschichte nicht sonderlich vertraut ist, die aber letztlich die Nationalstaatsgeschichte widerspiegeln.“ 

Hinzu kämen spezielle Programme für Schulklassen. Und: Tragödien wie der Erste Weltkrieg werden dem Besucher nicht nur anhand von Schiffen und Schlachten präsentiert. Dieser Krieg wird beispielsweise auch aus einer Mikroperspektive erzählt - nämlich mithilfe der Tagebücher zweier Matrosen und deren Biographien. „Damit wird deutlich gemacht“,  so Huck, „welche Rolle der Hochseeflotte vor dem Krieg zugedacht war und wie sie sich über die Skagerrakschlacht hinaus bis hin zu den Marinestreiks im Jahr 1917 und der Revolution des Jahres 1918 entwickelte.“

Aktuell gibt es eine Sonderausstellung zum Kreuzer „Emden“  (Titel: „SMS EMDEN - zwischen Mythos und Wirklichkeit“).  Dabei wird hinterfragt, wie es mit dem Heldenkult aussieht und was den Mythos um ein solches Schiff ausmacht. Hoch verwies an dieser Stelle darauf, dass es in jedem Raum Videosequenzen gebe, die in die jeweilige Epoche einführen. Zudem seien die Darstellungen gezielt so aufgebaut, „dass man sich bei einzelnen Schaustücken durch mehrere Ebenen durcharbeiten kann, indem man sich über Schubfächer beispielsweise Originalschriften - oder Viten gezeigter Personen - selbst erschließt. Zugleich hat man einen Zeitstrahl, so dass man jedes Datum der Marinegeschichte in Korrelation zu einem zeitgleichen nationalen Ereignis setzen kann.“

Ob in der Dauerausstellung, den Sonderausstellungen oder zum Beispiel auf dem Zerstörer „Mölders“: Biographische Splitter und Vertiefungszüge finden sich insbesondere bei Exponaten, die eine persönliche Herkunfts- oder Trägergeschichte aufweisen. Das soll übrigens auch bei einem der künftigen Paradestücke des Marinemuseums so sein, dem Schnellboot S71 „Gepard“, der Klasse 143 A. Wenn die letzten Boote dieser Art 2016 Geschichte werden, geht damit zugleich eine dann 100-jährige Nutzungszeit des Waffensystems Schnellboot zu Ende. Wie auf der „Weilheim“, dem „U10“ und der „Mölders“ soll auf dem „Gepard“ ein Rundgang über das Oberdeck in das Innere des Bootes führen. „Auch auf dem ‚Gepard‘ lassen wir ehemalige Besatzungsangehörige aus ihrem Alltag an Bord erzählen“, kündigte Huck an, „so dass für den Museumsbesucher Menschen sichtbar werden, die auf diesem Boot gefahren sind.“

Was den grundsätzlichen Ansatz betrifft, sucht das Deutsche Marinemuseum seine Akzeptanz in der Vielfalt - sowohl der Themen (beispielsweise „Marinemalerei“) wie der Veranstaltungen im Museum, deren Amplitude von Lieder- und Konzertabenden bis hin zu Theateraufführungen reicht. Huck: „Hier kann ein Museum als Plattform eine große Bandbreite anbieten. Und da liegt für uns als Museumsmacher wie für das Publikum gleichermaßen der Reiz.“  Das ist nicht allein eine fachliche Herausforderung, sondern vor allem ein betriebswirtschaftliches Muss. Denn auch wenn Hoch und Huck, ohne jeden Unterton, auf die „ausgezeichnete“ und hilfreiche Zusammenarbeit mit der Bundeswehr verweisen: Die Tatsache, dass das Verteidigungsministerium mit dem Militärhistorischen Museum in Dresden und dessen Ableger, dem Luftwaffenmuseum in Berlin-Gatow, zwei solcher Einrichtungen betreibt, ist für das Marinemuseum eher hinderlich denn dienlich.

Mit einem auskömmlichen und kontinuierlichen Finanzierungszuschuss aus dem Verteidigungsetat, der selbst alle Jahre wieder unter einem enormen Rechtfertigungsdruck steht, lässt sich (auch auf absehbare Zeit) nicht rechnen. Und obwohl die Bundeswehr, wie andere Geldgeber, immer wieder Sonderausstellungen und -projekte fördert, ist dem Marinemuseum damit nur bedingt geholfen. Denn was ihm fehlt, sind regelmäßige Einnahmen zur Sicherung seines Grundbetriebes sowie zur konzeptionellen Weiterentwicklung. Damit sind dem Wachstum ebenso wie der personellen Ausstattung oder der internationalen Kooperation Grenzen gesetzt. Zur Sonderausstellung zum Ersten Weltkrieg „Die Flotte schläft im Hafen ein“ gibt es beispielsweise eine Kooperationsanfrage des National Museum of the Royal Navy in Portsmouth, Großbritannien. Huck ist hier „guten Mutes, dass wir 2016 zu einem sichtbaren Resultat im Hinblick auf die Skagerrakschlacht kommen.“ 

Problematisch sei dagegen die Anfrage des Navy Museums im australischen Perth zum 100. Jahrestag der Versenkung des Kreuzers „Emden“. Hoch: „Es findet sich einfach niemand, der die hohen Transport- und Reisekosten übernimmt. Das zeigt, wo die uns gesetzten Grenzen in puncto Internationalität sind.“  Als erfreulich und deutlich unkomplizierter bezeichnete Hoch die Beziehungen zum Heeresgeschichtlichen Museum (HGM) in Wien, mit dem man sich regelmäßig austausche. Dies gelte sowohl für Exponate wie für wissenschaftliche Expertise und Publikationen.

Trotz eines für ein Museum wie das Deutsche Marinemuseum kleinen Teams (acht Vollzeit-, 21 Teilzeitkräfte) wird - über die museumstypischen Begleitpublikationen hinaus - mit­ Unterstützung aus der ­Marine(-offiziers­­­schule) eine wissenschaftliche Schriftenreihe zur Militär- und Marinegeschichte herausgegeben. Sie ist in den 14 Jahren ihres Bestehens auf aktuell 24 Bände angewachsen. Eine der neuesten wissenschaftlichen Publikationen wurde kürzlich im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien präsentiert.

Die Dauerausstellung

Warum meuterten 1918 die Matrosen? Welche Rolle spielte die legendäre Schlüsselmaschine „Enigma“ im Zweiten Weltkrieg? Wozu wurde die Marine in Deutschland in den vergangenen 50 Jahren eingesetzt? Antworten auf diese und andere Fragen geben die in den drei Epochenräumen zu sehenden Dauerausstellungen „Marinen im Nationalstaat 1848-1914“, „Zeitalter der Weltkriege 1914-1945“ sowie „Marinen im Bündnis 1945 bis heute“.

Den roten Faden durch die wechselvolle Marinegeschichte liefert das Museumsmotto „Menschen-Zeiten-Schiffe“. Es rückt den Menschen als historischen Akteur mit einer eigenen gestalterischen Darstellungsebene in den Mittelpunkt des Ausstellungsinteresses. Multimediale Präsentationen führen in ruhigen Bildfolgen in den politik- und kulturgeschichtlichen Rahmen der jeweiligen Epoche ein. Schiffsmodelle schließlich vermitteln die technikgeschichtliche Dimension der Marinegeschichte und bieten Gelegenheit, den ereignisgeschichtlichen Rahmen der deutschen Marinegeschichte zu entdecken.

Das Freigelände

Im Mittelpunkt steht der Lenkwaffenzerstörer „Mölders“, Deutschlands größtes Museumskriegsschiff. Auf dem Rundgang über und durch die Decks, vorbei an Waffensystemen, Arbeitsplätzen und Unterkunftsbereichen spürt man hautnah die Atmosphäre, in der die ehemals 334 Besatzungsangehörigen lebten und arbeiteten. Videoinstallationen bringen dem Besucher das Bordleben und das Einsatzspektrum des Schiffes im Wandel seiner 34-jährigen Fahrenszeit nahe.

Für jeden verständlich wird der komplexe, fast 70 000 PS starke Dampfturbinenantrieb des Schiffes erläutert. Am Beispiel der umstrittenen Namensgebung wird auf die Entwicklung des Traditionsverständnisses in der Bundeswehr eingegangen. Die Besichtigung des Minenjagdbootes „Weilheim“ und des ebenfalls begehbaren Unterseebootes „U10“ vervollständigt den Einblick in die Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Bundesmarine. Die auf dem 3 000 Quadratmeter großen Freigelände ausgestellten Originale bieten lebendige Eindrücke von der Entwicklung maritimer Technik vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart.

Hafenrundfahrt

An Bord der Motorbarkassen des Deutschen Marinemuseums, „Neptun“ und „Poseidon“, kann man zwischen April und Oktober bei einer einstündigen Rundfahrt durch den Hafen und durch das Marinearsenal die marinehistorische Seite Wilhelmshavens kennenlernen.

Die Barkassen fahren täglich um 1100, 1200, 1300, 1500 und 1600 Uhr im Hafen des Marinemuseums ab. Karten für die Hafenrundfahrt sind in Kombination mit dem Museumseintritt, aber auch einzeln an der Museumskasse, erhältlich.

Hörführungen

Eine 120-minütige Hörführung leitet den Besucher zu den wichtigsten Exponaten in der Dauerausstellung im historischen Museumsgebäude und auf dem Freigelände. Das speziell für Kinder und Jugendliche konzipierte Hörspiel „Mit Max und Paula durch das Marinemuseum“ erzählt leicht verständlich und unterhaltsam das Wesentlichste aus der Deutschen Marinegeschichte und drückt sich auch nicht um schwierige Themen.

Weil es auch für Erwachsene interessant ist, liegt es auf der gleichen Tonspur wie die Erwachsenenführung, so dass beliebig zwischen den Führungen gewechselt werden kann. Die Ausleihgebühr für die Geräte beträgt zwei Euro. Sie sind gegen die Hinterlegung eines Pfandes an der Kasse erhältlich.

Das Museumscafé

Das Museumscafé verwöhnt die Besucher mit Kaffee, Kuchen, maritimen Snacks und einem schmackhaften Mittagstisch. Mit seinen 60 Sitzplätzen und der großzügigen Terrasse am Rande des Freigeländes verfügt es über ausreichend Platz.

Fregattenkapitän d. R. Mag. Jürgen R. Draxler

Der Artikel ist im TRUPPENDIENST-HEFT 5/2015 erschienen

 

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