• – Letztes Update : 01.03.2016

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Der Europäische Rat Verteidigung und die Europäische Verteidigungsagentur (EDA)

Günther Rozenits

Die EU-Gipfeltreffen im Dezember 2013 sowie im Juni 2015 thematisierten die Vertiefung der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungsanstrengungen der Europäischen Union. Diese soll durch eine verstärkte Zusammenarbeit der europäischen Streitkräfte, die Einbindung der europäischen Verteidigungsindustrie und Begleitmaßnahmen, etwa im Bereich der Forschung von Dual-Use-Gütern, erreicht werden. Das Ziel ist eine wirksame Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), die öffentlich stärker wahrgenommen wird. 

Der gegenständliche Beitrag erörtert Ergebnisse der beiden EU-Gipfeltreffen - Dezember 2013 und Juni 2015 - mit Bezug zur Europäischen Verteidigungsagentur und spricht dessen praktische Auswirkungen auf das Österreichische Bundesheer an.

Sicherheit und Verteidigung sind allen Menschen wichtig. Die weltweiten Konflikte und Kriege, der Religions-Terror gegen Andersdenkende in der unmittelbaren Nachbarschaft der Europäischen Union, der auch vor den Toren der EU nicht Halt macht, und die wöchentlichen Flüchtlings-, Natur- oder technischen Katastrophen bewegen die Gemüter aller Bürgerinnen und Bürger.

Auf europäischer Ebene liegen die Themen Sicherheit und Verteidigung in den Händen der Staats- und Regierungschefs (dem Europäischen Rat) und der Fachminister als zweite Ebene. Institutionell dient der Europäische Rat dazu, die entscheidenden Kompromisse zwischen den Mitgliedstaaten zu finden und Impulse für die weitere Entwicklung der Union zu setzen. Hier kommen die Staatsvertreter mindestens zweimal im Halbjahr als „EU-Gipfel“ zusammen.

Der Europäische Rat

Nach dem Europäischen Rat im Dezember 2013, bei dem die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik behandelt wurde, trat dieser im Juni 2015 erneut zu diesem Thema zusammen. Der Weg dorthin war ein zäher Prozess, in dem hunderte Experten und Unterstützungskräfte tausende Stunden Tag- und Nachtarbeit leisteten. Zunächst waren die Beschlüsse von 2013 auf europäischer Ebene in einen Zeitrahmen zu projizieren und in den Mitgliedstaaten Arbeitsgruppen einzurichten, Workshops zu organisieren und schließlich war zugleich „top down“ sowie „bottom up“ zu arbeiten. Dabei hatten die EU-Kommission, der Europäische Auswärtige Dienst (EAD - mit dem EU-Militärstab als seinem militärischen Bearbeitungsgremium) und die EDA eng zusammenzuarbeiten und in eigenen Gremien (z. B. EDA-Lenkungsausschuss) Beschlüsse zu fassen.

Die Schlussfolgerungen, die am 26. Juni 2015 präsentiert wurden, sind das Ergebnis eines umfassenden Abstimmungsprozesses der 28 EU-Mitgliedstaaten und EU-Einrichtungen.

Mit aller Nüchternheit ist festzustellen, dass nun eine Analyse zum Geleisteten und ein Bündel neuer Aufträge vorliegen. Damit starten die Bearbeitungen von Neuem. Aus österreichischer Sicht fällt dabei der Militärvertretung Brüssel (MVB) als Einrichtung des BMLVS vor Ort eine bedeutende Rolle zu. Jetzt besteht die Möglichkeit zur inhaltlichen Mitgestaltung - wobei einige Mitarbeiter der MVB bereits beide Gipfeltreffen (Dezember 2013 und Juni 2015) vorbereitet haben.

Schlussfolgerungen des Europäischen Rates

Ein Teil der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Dezember 2013 umfasst zehn Seiten mit 22 Paragraphen und spricht die EDA oder ihr zufallende Themen in zwei Drittel der Kapitel an. Dies zeigt, welch hohe Bedeutung die 2004 gegründete Agentur hat. Österreich ist seit Beginn ein verlässlicher Partner der EDA. Der österreichische Verteidigungsminister wirkt in ihrem höchsten Gremium, dem Lenkungsausschuss, entscheidend mit.

Kapitel und Unterkapitel zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik:

  • Erhöhung der Wirksamkeit und öffentlichen Wahrnehmung der GSVP;
  • Intensivierung der Fähigkeitenentwicklung;
  • Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie.

Diese Stärkung soll erreicht werden durch:

  • Forschung für Güter mit doppeltem Verwendungszweck (Dual-Use: zivile
    und militärische Nutzung);
  • Zertifizierung und Normung;
  • Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU);
  • Versorgungssicherheit.

Die Schlussfolgerungen sind, neben themenspezifischen Feststellungen, u. a. direkte Aufträge, z. B. an die Europäische Kommission, den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und die EDA. Deren Umsetzung hat direkte Auswirkungen auf die Soldatinnen und Soldaten des Bundesheeres, die Zivilgesellschaft und die Industrie, aber vorrangig die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Zugleich waren die Schlussfolgerungen vom Dezember 2013 die Ausgangsbasis für alle Bearbeitungen der Außen- und Verteidigungsminister sowie der EU-Institutionen für den Europäischen Rat im Juni 2015.

Mit den Schlussfolgerungen vom Juni 2015 werden die Themenfelder (Kapitel und Unterkapitel) vertieft weitergeführt und es kommen die strategische Überprüfung der EU Sicherheitsstrategie 2003/2008, die Analyse der hybriden Bedrohungen (Vermischung von konventioneller militärischer Kampfführung mit terroristischen Methoden sowie der Einsatz herkömmlicher aber auch moderner Waffensysteme und elektronischer Einrichtungen; Anm.) sowie die Erarbeitung eines strategischen Rahmens für die Reform des Sicherheitssektors dazu. Zugleich wurde ein Bekenntnis zu „Verteidigungsausgaben in ausreichender Höhe“ gemäß der Übereinkunft der EDA-Verteidigungsminister 2007 abgegeben.

Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP)

Die Staats- und Regierungschefs stellten 2013 fest:

„Verteidigung ist wichtig. Eine wirksame Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik trägt zur Erhöhung der Sicherheit der europäischen Bürger bei und leistet einen Beitrag zu Frieden und Stabilität in unserer Nachbarschaft und in der Welt. Doch das strategische und geopolitische Umfeld Europas entwickelt sich rasch weiter. Die Verteidigungshaushalte in Europa sind begrenzt, was die Möglichkeiten einschränkt, militärische Fähigkeiten zu entwickeln, zu verlegen und im Einsatz zu halten. Fragmentierte europäische Verteidigungsmärkte gefährden die Tragfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie.“

Mit dieser Feststellung gewinnt man den Eindruck, dass die höchste politische Führung im Dezember 2013 den Bedarf zur Sicherung der Existenz und zur Wahrnehmung der internationalen Aufgaben der Mitgliedstaaten und der EU als „Global Player“ erkannt hat. In der Praxis hat sich im letzten Jahr allerdings gezeigt, dass Österreich dem nicht entspricht. Die wiederholte Reduzierung des Verteidigungsbudgets hat das Österreichische Bundesheer an die Grenze der Erstarrung gedrängt sowie Investitionen und militärische Forschung beinahe unmöglich gemacht.

EU-Verteidigungsausgaben

Bereits 2007 haben die EU-Verteidigungsminister (also auch der österreichische), beim Lenkungsausschuss der EDA als Richtwerte innerhalb der Verteidigungsausgaben festgelegt:

  • 20 Prozent des Verteidigungsbudgets für Beschaffungen von Ausrüstung und Ausstattung, davon 35 Prozent für Beschaffung im Bereich der europäischen Zusammenarbeit sowie
  • zwei Prozent des Verteidigungsbudgets für Forschung und Technologie, davon 20 Prozent im Rahmen der europäischen Zusammenarbeit.

Bei dieser Übereinkunft der EDA-Verteidigungsminister 2007 gab es Einstimmigkeit - die direkte Umsetzung oblag bzw. obliegt jedoch den Staaten selbst. Dasselbe gilt für alle Ratsbeschlüsse. Sie sind rechtlich weder bindend noch einklagbar - also politische Übereinkünfte.

NATO-Verteidigungsausgaben

Im September 2014 haben sich die 22 Außenminister jener EU-Länder, die zugleich NATO-Mitglieder sind, geeinigt, ihre Verteidigungsbudgets nicht zu reduzieren. Vielmehr sollen sie, dem Wirtschaftswachstum angepasst, erhöht werden. Zugleich haben sie sich dem Ziel verschrieben, innerhalb von zehn Jahren die Zwei-Prozent-Marke für Verteidigungsaufwendungen (bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt des jeweiligen Staates) und die NATO-Fähigkeitsziele zu erreichen sowie Fähigkeitslücken zu schließen. Auch wurde die Anhebung der Ausgaben für „neues Großgerät“ (inkl. der Forschung und Entwicklung in diesem Bereich) auf 20 Prozent der Verteidigungsausgaben vereinbart.

Mit Bezug auf den Gipfel von Wales (NATO Wales Summit 2014) unterstrichen die 28 EU-Verteidigungsminister am 18. Mai 2015 die Bedeutung ausreichender Finanzmittel für die Verteidigung, die Steigerung der Fähigkeitenentwicklung und vermehrte Zusammenarbeit sowie die Erhöhung der Verteidigungsforschung.

GSVP - Erhöhung der Wirksamkeit und Wahrnehmung

Ende 2013 waren im Rahmen der GSVP über 7 000 Personen in zwölf zivilen Missionen und vier militärischen Operationen im Einsatz. Bis Juni 2015 hat sich die sicherheitspolitische Lage dramatisch verschlechtert und die Zahl der Personen in GSVP-Einsätzen ist gestiegen.

Bereits 2013 hat der Europäische Rat die Notwendigkeit hervorgehoben, die Krisenreaktionsfähigkeit zu verbessern. Insbesondere wurden EU-Gefechtsverbände mit höherer Flexibilität und rascher Verfügbarkeit thematisiert. Darüber hinaus sollten finanzielle Aspekte zügig geprüft und das System der Finanzierung (u. a. ATHENA-Mechanismus) verbessert werden. Einige EU-Länder, darunter auch Österreich, haben sich allerdings (aufgrund ihrer angespannten finanziellen Lage) eher abwartend verhalten und somit diese Entwicklung gebremst.

Am 18. Mai unterstrich der Rat der Außenminister zur GSVP die Notwendigkeit zur vermehrten Zusammenarbeit in den Bereichen innere und äußere Sicherheit. Die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Rahmen der EU-Einrichtungen und mit Partnern sowie mit Partnerorganisationen, insbesondere den Vereinten Nationen, der NATO, der OSZE, der Afrikanischen Union, der Liga der Arabischen Staaten und dem ASEAN (Association of Southeast Asian Nations - Verband Südostasiatischer Nationen) ist für die EU wichtig. Dazu wurden als politische Rahmenbedingungen Transparenz und Informationsaustausch mit gemeinsamen Verteidigungsplanungen, Ressourceneffizienz mit Kostenvorteilen, Interoperabilität und die Verhinderung von Duplizierungen vorgegeben.

Hier bringt sich Österreich seit März 2015 durch die Abstellung eines Offiziers an das UNO-Verbindungsbüro in Brüssel (UNLOPS) ein. Dies ist ein sichtbarer Beitrag zur Verbesserung der Abstimmung der UNO mit internationalen Organisationen vor Ort.

Bezüglich der hybriden Bedrohungen wurde die Hohe Vertreterin der EU für Auswärtige Angelegenheiten und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, eingeladen, mit den Einrichtungen der EU-Kommission, der EDA und den Mitgliedstaaten bis Ende 2015 die Auswirkungen zu analysieren und konkrete Vorschläge zur Reaktion zu unterbreiten. Dabei sollen relevante Partner, insbesondere die NATO eingebunden werden.

Bis Mitte 2016 ist durch die Außenbeauftragte der EU in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten ein EU-weiter strategischer Rahmen für die Reform des Sicherheitssektors zu erarbeiten.

Intensivierung der Fähigkeitenentwicklung

Der Europäische Rat hält am Ziel fest, über konkrete Projekte der Mitgliedstaaten Schlüsselfähigkeiten bereitzustellen und kritische Defizite zu beseitigen. Damit wurde die EDA beauftragt und gemeinsam sollen die nachstehenden Schlüsselprojekte entwickelt werden:

  • Ferngesteuerte Flugsysteme (Remotely Piloted Aircraft Systems - RPAS)
    im Zeitraum von 2020 bis 2025;
  • Luftbetankungskapazitäten 2020 (Air to Air Refueling - AAR);
  • Regierungs-Satellitenkommunikation 2025 (Governmental Satellite
    Communication - GOVSATCOM);
  • Cyber Defence.

Als zusätzliche Aufgabe wurde der EDA die Rolle „Militärischer Koordinator“ für einen einheitlichen europäischen Luftraum (Single European Sky - SES) übertragen.

EDA-Lenkungsausschuss der Verteidigungsminister

Das Entscheidungsgremium der EDA ist der Lenkungsausschuss (Steering Board) in verschiedenen Formaten. Zumindest zweimal jährlich kommen die Verteidigungsminister, die Direktoren für Fähigkeitenentwicklung, für Rüstung sowie für Forschung und Technologie zusammen. Bei diesen Tagungen werden Beschlüsse zur Umsetzung der Vorgaben des Europäischen Rates gefasst und Aufträge an die EDA erteilt. Bei der Militärvertretung Brüssel nimmt dieses Thema die Rüstungsabteilung wahr (siehe TD-Heft 3/2015).

Bis zum Juni 2015 wurden bei allen vier Schlüsselprojekten (RPAS, AAR, GOVSATCOM, Cyber Defence) signifikante Fortschritte erzielt. Parallel dazu wurde der „europäische“ Fähigkeitenentwicklungsplan (Capability Development Plan - CDP) überarbeitet und Ende 2014 in Kraft gesetzt. Mit der neu aufgesetzten Kooperationsdatenbank (Collaborative Data Base - CoDaBa) verfügen die EDA und die Mitgliedstaaten über eine fundierte Grundlage für gemeinsame Projekte. Neue oder zusätzliche Schlüsselprojekte wurden von den EDA-Verteidigungsministern am 18. Mai 2015 nicht willkommen geheißen. Es wurde jedoch der EDA die Analyse der Auswirkungen der hybriden Bedrohungen auf die Fähigkeitenentwicklung übertragen.

Fähigkeitenentwicklung - Pooling & Sharing

Für die EDA stehen die gemeinsame Nutzung von Kapazitäten (Pooling & Sharing), Ausbildungsinitiativen (u. a. bei Hubschrauberpiloten oder Experten für Counter Improvised Explosive Device - C-IED) sowie die direkte Unterstützung von GSVP-Operationen auf dem Programm. Darunter fallen vor allem die Deckung der Bedürfnisse von Soldatinnen und Soldaten im Einsatz (z. B. Feldlagerbetrieb mit Unterbringung, Verpflegung und Wasser), Transport, Satellitenkommunikation und der Betrieb eines Auswerte- und Analyselabors für behelfsmäßige Sprengladungen. Zusätzlich werden gemeinsame Beschaffungen (u. a. bei der Munition) koordiniert.

Cyber Defence

Sicherheit im Internet ist für jeden Computernutzer eine tägliche Herausforderung. In der Verwaltung und bei der militärischen Führung lauten die Begriffe Cyberspace mit Cyber Defence und Cyber Security - aber auch Cyber Attack und Cyber Counter Attack.

Seit Jahren gilt Cyberspace neben den traditionellen militärischen Bereichen, Land, Meer, Luft und Weltraum, als die fünfte Dimension der Kriegsführung. Daher haben viele Nationen - auch Österreich - Cyberspace zum Bestandteil der Sicherheitsstrategie gemacht und bedeutende Mittel investiert. Die Vernachlässigung oder gar bewusste Nichtbeachtung dieser aktuellen und allgegenwärtigen Bedrohung wäre fahrlässig.

In der Praxis sind die Schlüsselbereiche von Cyber Security der Mensch mit der notwendigen Ausbildung und einem umfassenden Training sowie die Technologie. Seitens der EDA wird am Cyber-Schutz von EU-Missionen und -Operationen und an einer Verbesserung der zivil-militärischen Zusammenarbeit mit Schulungen sowie Übungen gearbeitet. Zwanzig Mitgliedstaaten, darunter Österreich, nutzen die EDA-Kurse und Ausbildungsanlagen (Cyber Ranges). Zusätzlich arbeitet die EDA an Schutzmaßnahmen und verlegbaren Einrichtungen für militärische Hauptquartiere im Einsatz (z. B. FHQ).

Initiative für „Cyber-Hygiene“

Im Mai 2015 präsentierten Estland und Lettland beim Lenkungsausschuss der Verteidigungsminister eine neue Initiative zum Cyber-Schutz. Ausgangspunkt dazu ist, dass rund 95 Prozent der Cyber-Bedrohungen auf individuelles Fehlverhalten zurückzuführen sind. Ursachen dafür sind, dass User u. a. die Programme und Geräte nicht ausreichend schützen und/oder „schwache“ Passwörter verwenden und/oder leichtsinnig agieren.

Beim EDA-Lenkungsausschuss bestätigte Bundesminister Gerald Klug, dass sich Österreich gemeinsam mit Estland, Finnland, Lettland, Litauen und den Niederlanden an der Initiative „Cyber-Hygiene“ beteiligen wird. Diese zielt darauf ab, mehr Bewusstsein für Sicherheitsrisiken zu schaffen. Österreich wird dazu mit allen Bediensteten des Verteidigungsministeriums ein individuelles und persönliches Training sowie eine E-Learning-Schulung durchführen. Dabei wird u. a. darüber informiert, wie man sich vor Cyber-Bedrohungen schützt und mit Passwörtern umgeht.

Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie

Bei den Themen Verteidigungstechnologie und -industrie steht für den Europäischen Rat v. a. die Autonomie der EU als Global Player (auch im Weltraum) im Zentrum der Überlegungen. Denn Abhängigkeiten verursachen enorme Kosten, schränken den Handlungsspielraum ein und schwächen die Gemeinschaft an sich. Es sollen daher Schlüsseltechnologien (z. B. Luft- und Raumfahrt, Elektronik) und Liefersicherheit gewährleistet werden. Dazu sollen industrielle Rahmenbedingungen (u. a. Hochtechnologie, Arbeitsplätze, Fachkräfte mit deren Fähigkeiten) erhalten bleiben und mittels Innovation Neues geschaffen werden. Entscheidend sind die Existenzsicherung und vermehrte Einbindung der Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) in den Sicherheits- und Verteidigungssektor.

Auch bei der Forschung und Entwicklung im Sicherheits- und Verteidigungsbereich ist Handlungsbedarf gegeben, denn diese sind von 2011 auf 2012 um 38 Prozent zurückgegangen. Hier setzt der Europäische Rat seit 2013 auf eine aktive Förderung, womit er die Europäische Kommission und die EDA beauftragte.

Die EDA arbeitet auch an Anreizen, welche Mitgliedstaaten zur vermehrten Zusammenarbeit bewegen sollen. Gemeinsam mit der EU-Kommission wird mittels einer „Vorbereitenden Maßnahme“ ein Pilotprojekt zur Dual-Use-Forschung betrieben. Danach sollen im EU-Finanzhaushalt von 2021 bis 2027 klar definierte Mittel für die Sicherheits- und Verteidigungsforschung zur Verfügung stehen. EU-Forschungsprojekte für Sicherheit und Verteidigung sollen dann direkt aus dem EU-Budget finanziert werden können. Auf keinen Fall sollte dies zu einer Kürzung nationaler Forschungs- oder Verteidigungsmittel führen.

„Group of Personalities“

Die Einrichtung einer „Group of Personalities On Defence Research“ durch die EU-Außenbeauftragte wurde vom Europäischen Rat unterstützt. Ehemalige Politiker und hohe Industrievertreter (u. a. der ehemalige NATO-Generalsekretär Javier Solana, der ehemalige schwedische Ministerpräsident Carl Bildt sowie Generaldirektoren großer Technologiekonzerne wie Saab oder der Airbus Group) sollen die Forschungstätigkeit zum Thema Verteidigung breit gefächert fördern. Österreich hat hier keine Einmeldung vorgenommen.

Energie und Umwelt

Zum Thema Energie und Umwelt arbeitet eine Arbeitsgruppe an der Förderung der Energieeffizienz in den Streitkräften, insbesondere bei GSVP-Einsätzen. Das ÖBH wirkt dabei am Modell eines energieeffizienten Camps für EU-Operationen mit. Ab Herbst 2015 beim Betrieb von Feldlagern sollen Kosten gespart und die Gefährdung von Menschenleben aufgrund des geringeren Transportes von Energieträgern oder Wasser reduziert sollen erste Ergebnisse zur Verfügung stehen. Durch eine gesteigerte Energieeffizienz werden.

Zertifizierung, Normung und Zusammenarbeit

Der Europäische Rat begrüßte das Erreichte bei der Zertifizierung und Normung im Produktionsprozess und die dadurch erzielbare Kostenreduktion (bis zu 30 Prozent Einsparung) und raschere Systemverfügbarkeit. Damit wird auch die Zusammenarbeitsfähigkeit verbessert.

Conclusio

Nach dem zweiten Europäischen Rat Verteidigung und Sicherheit kann die Bedeutung dieses Themas für die EU als Global Player und ihre Mitgliedstaaten eingeschätzt werden.

Einerseits gibt es neben dem Bekenntnis für gemeinsame Aktionen im Bereich der GSVP, für gemeinsame Schlüsselprojekte und die europäische Verteidigungsindustrie kleine bis beachtliche Fortschritte, andererseits hemmen nationale Interessen weitere Entwicklungen. Der Europäische Rat hat das klar angesprochen. Die beiden Räte 2013 und 2015 haben die Zusammenarbeit der EU-Institutionen: EU-Kommission, Europäischer Auswärtiger Dienst und Europäische Verteidigungsagentur positiv beeinflusst - das Gemeinsame ist in den Vordergrund getreten. Als Beispiele dafür können die politische Rahmenvereinbarung zur nachhaltigen und langfristigen Zusammenarbeit mit der gemeinsamen Fähigkeitenentwicklung (CDP 2014), die Maritime Sicherheitsstrategie der EU, die politische Rahmenvereinbarung für Cyber Defence der EU sowie die Initiativen im Bereich Verteidigungsindustrie (European Defence and Industrial Technological Base - EDITB), der KMU und die Förderung von GSVP-bezogenen Forschungsprojekten (inkl. Dual-Use) genannt werden.

Handlungsbedarf besteht bei den Mitgliedstaaten, welche bei der Umsetzung der eigenen Beschlüsse in den EU-Gremien säumig sind oder Antrieb vermissen lassen.

Zur Initiative des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker vom Frühjahr 2015 für eine Europäische Armee und dem Report von Javier Solana vom Februar 2015 für „Mehr Union in der Europäischen Verteidigung“ gab es v. a. in Österreich wenig Resonanz. In einer Union, die als Global Player weltweit Interessen verfolgt, in der jedoch zugleich unkoordiniert enorme Mittel für die „getrennte“ Verteidigung von 28 Mitgliedsländern ausgegeben werden, wäre eine tiefere Auseinandersetzung mit diesem Thema angebracht. Die EDA könnte als Forum dazu dienen, denn sie leistet einen bedeutenden Beitrag zur Optimierung des Ressourceneinsatzes der Mitgliedstaaten und hat beim Fähigkeitenentwicklungsplan weit in die Zukunft (2035) geblickt. Außerdem ist für die EDA die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Auswärtigen Dienst (mit dem EU-Militärstab) ein eingeübtes Verfahren. Der Auftrag an die EDA zur Analyse der Auswirkungen der hybriden Bedrohungen auf die Fähigkeitenentwicklung stellt einen ersten Schritt in diese Richtung dar.

 

 

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