• Veröffentlichungsdatum : 09.01.2017
  • – Letztes Update : 11.01.2017

  • 6 Min -
  • 1122 Wörter

Das taktische Planungsverfahren

Georg Podlipny

Im Rahmen der Taktikausbildung am FH-Bachelorstudiengang "Militärische Führung" wurde zum Zwecke der Vertiefung des Verständnisses für das taktische Planungsverfahren eine alternative Lehrmethode angewendet. Die Aufgabe bestand in der Analyse eines fehlerhaften Lösungsvorschlages. Dies führte zu erstaunlich guten Ergebnissen in Hinblick auf das tiefere Verständnis der Lernenden für das taktische Planungsverfahren.

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Das taktische Planungsverfahren ist Teil des taktischen Führungsverfahrens und speziell auf die taktische Ebene zugeschnitten. Die taktische Ebene bezieht sich auf Größenordnungen wie etwa Bataillon, Brigade oder Korps. Dort wo zum Beispiel mehr als eine Teilstreitkraft zu organisieren und zu koordinieren ist, wird im Regelfall ein operatives Planungsverfahren angewandt. Der Unterschied verschiedener Planungsverfahren besteht meist darin, dass die Problemstellungen in Tiefe und Detail andere Methoden und Inhalte erfordern.

In der militärischen Ausbildungshierarchie werden die Anlernstufe, Festigungsstufe und Anwendungsstufe unterschieden. Dies gilt auch für die Taktikausbildung. Vor allem im Bereich der Ausbildung des Offiziersnachwuchses kommt die Anlernstufe im Bereich der Taktikausbildung zum Tragen. Im Bereich der Taktik und vor allem der Taktikgrundausbildung am FH-Bachelorstudiengang "Militärische Führung" ist die Konzeption grundsätzlich so angelegt, dass zunächst das taktische Planungsverfahren methodisch im Vordergrund steht, sowohl im Bereich der Lehre als auch im Bereich der Prüfungssystematik. Mit Fortschreiten der Ausbildung tritt das methodologische Verfahren zugunsten des Inhaltes mehr und mehr in den Hintergrund, da ein Ausbildungsfortschritt eintritt.

Das Ausbildungsziel der Teilnehmer am FH-Bachelorstudiengang "Militärische Führung" ist die Befähigung zum Führen einer Teileinheit bzw. als stellvertretender Einheitskommandant. Dementsprechend ist das Ziel der Taktikgrundausbildung, die Beherrschung der Ebene kleiner Verband (z. B. Bataillon) zu verstehen. Als Mindest­erfordernis ist der Abschluss der Anlernstufe der Elementartaktik und angewandten Taktik zu erreichen. Dies vor allem deshalb, weil als Grundsatz gilt: "zwei Führungsebenen darüber mitdenken und eine Führungsebene darunter befehlen".

Die Elementartaktik umfasst alles, was in Vorschriften an Normen und Verfahren festgelegt ist. Inhalte der Elementartaktik sind beispielsweise

  • Wissenschaftlichkeit in der Taktik,
  • Wesen und Wirkung von Truppengattungen,
  • Wesen und Wirkung von Waffengattungen,
  • Wesen und Wirkung anderer Akteure,
  • Kraft-, Raum-, Zeit-Normen,
  • Standardisierungen (taktische Zeichen, Task-Verbs etc.),
  • das Taktische Führungsverfahren etc. (siehe Schadenböck "Von der Taktik der Landstreitkräfte").

Zusammengefasst können alle diese Inhalte in Form von Grundlagenunterrichten vermittelt werden. Die Elementartaktik wird in konkreten Situationen mittels der angewandten Taktik veranschaulicht. Sie bildet gemeinsam mit der Führung die angewandte Truppenführung. Inhalte der angewandten Taktik sind beispielsweise

  • Planspiele,
  • Geländebesprechungen,
  • Kriegsspiele,
  • Simulationen etc. (siehe Schadenböck "Von der Taktik der Landstreitkräfte").

Hier muss in jedem Fall eine aktive Rolle durch den Lernenden eingenommen werden.

Hintergrund

Zur Lehre und Überprüfung der Anlernstufe der angewandten Taktik werden herkömmlicherweise vor allem Planspiele herangezogen, wobei der Schwierigkeitsgrad dem Niveau der Lernenden angepasst wird. Die Durchführung von Planspielen in dieser Lernebene sieht die Bearbeitung einer generierten Ausgangslage vor, die auch einen Bearbeitungsauftrag enthält, wobei ein, im Bearbeitungsauftrag definiertes Ziel zu erreichen ist. Häufig sind der "Plan der Durchführung" und Auszüge aus einem schriftlichen Befehl oder Funkbefehl als Ergebnis zu erstellen.

Je weiter die Lernentwicklung der Lernenden fortgeschritten ist, desto eher bietet sich die Möglichkeit an, alternative Wege zu beschreiten. Eine Möglichkeit besteht darin, sich mit fehlerhaften Ergebnissen zu beschäftigen und daraus einen Lernfortschritt zu erzielen. Es geht also um die Analyse eines fehlerhaften Ergebnisses und die Feststellung, in welchem Bereich des verwendeten Verfahrens diese Fehler entstanden sein könnten. Dies setzt zum einen die Fähigkeit voraus, selbst richtige Ergebnisse produzieren zu können, zum anderen das entsprechende Wissen um das Verfahren. Kurzum es soll eine falsche Lösung eines lösbaren taktischen Problems analysiert und die vorhandenen Fehler erkannt werden. Darüber hinaus ist eine Zuordnung zum Ursprung des Fehlers innerhalb des Verfahrens gefordert.

Dieser alternative Weg wurde beim 3. Jahrgang (Studierende im 5. Semester) 2013 als ergänzende Methode gewählt und auch für die Prüfung herangezogen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Taktikausbildung gemäß Curriculum beinahe abgeschlossen; das Wissen und die Fähigkeiten sollten an ihrem Höhepunkt angelangt sein.

Konkrete Umsetzung

Im Rahmen eines Planspieles wurden folgende Unterlagen ausgegeben:

  • Eine korrekte Ausgangslage;
  • Eine korrekte vermutliche Absicht der Konfliktpartei (Die Beistellung dieser Information ist für die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse Voraussetzung. Andernfalls müsste durch den Bearbeiter selbst eine vermutliche Absicht festgelegt werden. Dies würde zu vielen verschiedenen "Lösungssträngen" führen und wäre somit kaum noch strukturiert diskutierbar.);
  • Ein fehlerhafter Plan der Durchführung (siehe Grafik im TD-Heft S. 254);
  • Ein fehlerhafter Auszug aus dem Funkbefehl (fehlerhafte Aufträge an Unterstellte);
  • Eine fehlerhafte Truppeneinteilung.

Gefordert war, Fehler sowohl im Plan der Durchführung als auch im Funkbefehl und in der Truppeneinteilung zu identifizieren, zu beschreiben sowie festzuhalten, in welchem Schritt des Planungsverfahrens die Ursache der Fehler zu finden wäre. 

 

Ziel

Das Ziel dieser Art des Planspieles ist es, auf der einen Seite inhaltliches Wissen zu vertiefen (z.B. Reichweite von Waffensystemen, Ausdehnung von Räumen, Einsatzgrundsätze von Waffensystemen und Organisationselementen etc.). Auf der anderen Seite wird dadurch ein tieferes Verständnis für das taktische Planungsverfahren gefördert. Denn nur wenn dem Bearbeiter der Zusammenhang zwischen Beurteilungsschritt und Ergebnis klar ist und er dies auch entsprechend formulieren kann, kann er die Aufgabe im Sinne eines Erfolges lösen.

Das taktische Planungsverfahren hat die Aufgabe, vom taktischen Problem hin zu einer Lösung zu fokussieren. Jede Folgerung jeden Schrittes des Planungsverfahrens liefert entweder einen Beitrag zur Lösung oder fokussiert die nächsten Planungsschritte auf wesentliche Bereiche. Hier kann man zum Beispiel die räumliche Eingrenzung nach dem Erfassen des Auftrages anführen.

Vorteile

Es können das tiefere Verständnis für das taktische Planungsverfahren auf der einen Seite und die inhaltlichen Aspekte auf der anderen Seite gefördert und überprüft werden. Die Lernenden sind gezwungen, sich neben dem einfachen Abarbeiten der einzelnen Schritte des Planungsverfahrens auch mit dem jeweiligen Inhalt des Schrittes, also mit dem Zusammenhang von Schrittergebnis ("Was bringt mir der jeweilige Schritt für meine Lösung") und Lösung auseinanderzusetzen. Da die Taktikausbildung den Grundstein für die gesamte Offizierskarriere legt und somit auch für spätere Stabsverwendungen, ist der Aspekt des Verständnisses des taktischen Planungsverfahrens als stabsdienstliches Instrument ebenso anzuführen.

Nachteile

Die Erstellung benötigt einen erhöhten Zeitaufwand, da neben der Erstellung des Planspieles und eines Lösungsvorschlages auch ein "falscher" Lösungsvorschlag kreiert werden muss. Die Erstellung von Fehlern verursacht zumeist nicht intendierte "Kollateralfehler", da sich aufgrund des Zusammenhanges in der jeweiligen Struktur automatisch "Folgefehler" ergeben.

Auf einen Blick

Diese Art des Planspieles hat sich bei seiner ersten Durchführung in der Taktikausbildung am FH-Bachelorstudiengang "Militärische Führung" bewährt. Eine Anwendung der grundsätzlichen Systematik auf anderen Ebenen (gefechtstechnische oder höhere taktische), sofern dies im jeweiligen Ausbildungsabschnitt zweckmäßig erscheint, ist grundsätzlich denkbar.

Diese Methode eignet sich als gute Ergänzung zu herkömmlichen Ausbildungsmethoden, weil sie dem Bearbeiter dazu zwingt, eine andere Per­spektive einzunehmen. Dies kann auch anhand der Rückmeldungen durch die Angehörigen des Jahrganges nachvollzogen werden.

Zusätzlich lassen sich aufgrund dieser Methode Überprüfungen erstellen. Die Herausforderung bei der Bewertung durch den Prüfer ist ähnlich hoch wie bei herkömmlichen Planspielen. Bei entsprechender Aufbereitung der möglichen Fehler und der Festlegung hinsichtlich der Handhabung von nicht intendierten "Kollateralfehlern" kann auch in dieser Form eine transparente und nachvollziehbare Bewertung vorgenommen werden.


Major dG Mag.(FH) Georg Podlipny ist Hauptlehroffizier Taktik im Institut 1 der Theresianischen Militärakademie.

 

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