• Veröffentlichungsdatum : 14.05.2020
  • – Letztes Update : 19.05.2020

  • 7 Min -
  • 1437 Wörter
  • - 7 Bilder

Analog zu Digital

Kurt Reinprecht

Dokumentation in der Militärluftfahrttechnik

Der gesamte Lebenszyklus eines Luftfahrzeuges muss gemäß den internationalen und nationalen Vorschriften der Luftfahrt dokmentiert und jederzeit verfügbar sein. Das dient einerseits der Qualitätssicherung, andererseits können bei einem Flugvorfall die Ursache nachvollzogen und Maßnahmen für die Zukunft gesetzt werden. Die digitale Dokumentation und die Einführung der elektronischen Unterschrift bei den Militärluftfahrttechnisch/-logistischen Diensten beschleunigt diesen Prozess erheblich.

Die Militärluftfahrttechnisch/-logistischen Dienste (MLLD) sind Fachdienste des Österreichischen Bundesheeres (ÖBH), die die Sicherheit der Militärluftfahrt gewährleisten. Die Aufgaben reichen von der Beschaffung bis zur Außerdienststellung von Luftfahrtgerät. Weiters liegt der Vollzug der Militärluftfahrt-Personalverordnung 2012 sowie der Militärluftfahrzeug- und Militärluftfahrtgerätverordnung 2008 im Wirkungsbereich der MLLD. Dies umfasst das Erstellen von Richtlinien für die Aufbau- und Ablauforganisation der MLLD, für die Materialerhaltung, die Aus-, Fort- und Weiterbildung des Fachpersonals bis hin zu Tätigkeiten direkt an den Luftfahrzeugen. Zusätzlich werden gesetzliche Regelungen sowohl im nationalen Bereich als auch im Zusammenwirken mit internationalen Organisationen koordiniert. Organisatorisch gehören den MLLD folgende Dienststellen an:

  • Luftzeugabteilung;
  • Materialstab Luft;
  • Fliegerwerft 1, 2 und 3;
  • Ausbildungs- und Simulationszentrum Zeltweg;
  • Fliegertechnische Kompanie C-130;
  • Luftfahrttechnisches Logistikzentrum;
  • Technisches Wartungspersonal der fliegenden Staffeln;
  • Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule.

Zum Personal der Militärluftfahrttechnisch/-logistischen Dienste gehören nach Diktion der Militärluftfahrtpersonalverordnung alle in der Militärluftfahrt tätigen Militärluftfahrttechniker, die Aufgaben im Zusammenhang mit der Feststellung oder Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit von Militärluftfahrzeugen oder der Betriebstüchtigkeit von Militärluftfahrtgerät wahrnehmen.

Lufttüchtigkeit

An jedem Luftfahrzeug muss vor der Betriebsaufnahme im ÖBH die Lufttüchtigkeit festgestellt werden. Das positive Ergebnis wird durch das Ausstellen der Lufttüchtigkeitsbescheinigung dokumentiert. Nur mit einer gültigen Lufttüchtigkeitsbescheinigung darf ein Militärluftfahrzeug betrieben werden. Diese bleibt aufrecht, solange die Kriterien des Luftfahrtgesetzes (§ 17) erfüllt werden. Darin wird angeführt: „Ein Luftfahrzeug ist lufttüchtig, wenn nach dem jeweiligen Stand der Technik auf Grund seiner Bauart und technischen Ausrüstung die Betriebssicherheit gewährleistet ist.“

Der Faktor Betriebssicherheit wird über die Qualität der Wartungsaktivitäten beeinflusst. Um das Sicherheitsniveau halten zu können, werden von den Luftfahrzeugherstellern Wartungsintervalle vorgeschrieben. Diese werden in Form von Wartungsereignissen durch das luftfahrttechnische Fachpersonal der Fliegerwerften und Staffeln durchgeführt. Alle Tätigkeiten sind in den luftfahrttechnischen Publikationen (z. B. Wartungshandbuch, Ersatzteilkatalog etc.) beschrieben und nach der Durchführung zu dokumentieren. Die Dokumentation erfolgt im Wartungsbericht, in dem die technischen Vorgaben und Abläufe detailliert angeführt sind.

In den MLLD wird – wie im gesamten ÖBH – das logistische Informationssystem (LOGIS) verwendet. LOGIS dokumentiert, neben den allgemein üblichen Versorgungsaufgaben der Luftfahrzeuge, des Luftfahrtgerätes sowie des luftfahrtspezifischen Materials, auch den technischen Zustand. Nach den Materialerhaltungsmaßnahmen wie einem Bauteilwechsel werden über das System LOGIS die Wartungsintervalle und die Laufzeiten neu berechnet und der technische Zustand dokumentiert.

Wartungsdokumentation

Zurzeit werden alle Materialerhaltungsmaßnahmen in den Militärluftfahrttechnisch/-logistischen Diensten (MLLD) doppelt dokumentiert. Einerseits werden die durchgeführten Tätigkeiten in LOGIS festgehalten, andererseits muss auch ein Papierausdruck, mit der Handparaphe des Wartungsorganes, abgelegt werden. Diese Maßnahme ist zwingend erforderlich, weil in der Luftfahrt alle Tätigkeiten am Luftfahrzeug zu einhundert Prozent nachgewiesen werden müssen. Jedes Wartungsorgan muss jede Tätigkeit nachweislich durchgeführt haben. Als Folge dieser Maßnahme werden die Dokumentationszentralen der Wartungsbetriebe jährlich mit enormen Mengen an Papier befüllt, wobei das Auffinden der einzelnen Dokumente im Anlassfall zunehmend ein Problem darstellt. Erhebungen bei routinemäßigen Überprüfungen haben ergeben, dass pro Fliegerwerft und Jahr etwa zehn Laufmeter an Aktenordnern nur für die Dokumentation anfallen.

Zukunft der Wartungsdokumentation

Die Dokumentation von Materialerhaltungsmaßnahmen soll in weiterer Folge aus Gründen der Effizienz und der Ressourcenschonung nur einmal in elektronischer Form erfolgen. Einerseits sind elektronisch abgelegte Dokumente einfacher und schneller auffindbar, andererseits werden elektronische Speichermedien immer kostengünstiger. Deshalb war die Einführung der elektronischen Unterschrift für die Wartungsdokumentation zeitgemäß und dringend notwendig.

Elektronische Unterschrift

Seit mehr als 20 Jahren sind die MLLD bestrebt, Dokumente digital zu signieren und im Anschluss zu archivieren. Obwohl die in LOGIS generierten Dokumente grundsätzlich den Vorgaben der elektronischen Signatur entsprochen haben, durfte trotzdem die Papierdokumentation nicht aufgegeben werden. Erst mit Inkrafttreten des Signaturgesetzes gilt ein elektronisch signiertes Dokument als rechtlicher Nachweis und ist einem ausgedruckten Wartungsbericht mit eigenhändiger Unterschrift des Wartungsorganes gleichgestellt. Der Begriff „digitale Signatur“ ist ein genau definierter Begriff in der Gesetzgebung und beinhaltet technische Vorgaben, die das ÖBH aufgrund des Budgets derzeit nicht erbringen kann. Die Arbeitsgruppe in den MLLD ist 2017 zur Überzeugung gelangt, das eine Realisierung nur mit Abstrichen von der gesetzlichen Forderung für die digitale Signatur möglich ist. Mit dem derzeitigen zentralen Berechtigungssystem kann jederzeit der „Besitzer“ identifiziert werden. Die Speicherung der unterschriebenen Dokumente erfolgt manipulationssicher mittels WORM-Archiv (Write once/read multiple). Um eine Vereinfachung der Administration zu erreichen, hat die Arbeitsgruppe bewusst auf Teilforderungen (z. B. personenbezogenes Zertifikat) verzichtet. Es musste daher eine eigene Bezeichnung festgelegt werden. Die neue Bezeichnung lautet „elektronische Unterschrift".

Problembereiche

Für die Qualifizierte Signatur ist ein qualifiziertes Zertifikat eines unabhängigen Zertifikatsdienstanbieters erforderlich. Die Einführung der elektronischen Signatur musste vorerst verschoben werden, nachdem weder ein Zertifkatsdienstanbieter verfügbar war noch die Finanzierung im BMLV sichergestellt werden konnte. Mit der Firma A-Trust GmbH (Gesellschaft für Sicherheitssysteme im elektronischen Datenverkehr) als Zertifikatsdienstanbieter wurde am 17. November 2011 ein Vertrag abgeschlossen.

Ab diesem Zeitpunkt hätte grundsätzlich mit der Wartungsdokumentation in digitaler Form begonnen werden können. Aufgrund sich immer wieder ändernder Prioritäten im BMLV standen bis Ende 2017 keine Ressourcen für die Umsetzung der digitalen Signatur zur Verfügung.

Veränderungswunsch

Nachdem innerhalb der MLLD der Wunsch immer größer wurde, die administrativ aufwändige, doppelte Nachweisführung im Dokumentationswesen zu beenden, gelang schließlich 2017 der „Spagat“ zwischen den Dokumentationserfordernissen der MLLD und den zur Verfügung stehenden Ressourcen und technischen Möglichkeiten.

Seither wurden in mehr als 20 Arbeitssitzungen die Anforderungen detailliert. Als erste Maßnahme wurde das Vorhaben in einzelne Arbeitspakete mit den dazugehörenden Meilensteinen unterteilt. Begonnen wurde mit jenen Tätigkeiten, die bis zum heutigen Tag den meisten (Papier-)Aufwand verursachen. Der entsteht beim Arbeitsauftrag, dem Teilarbeitsauftrag und bei den einzelnen Arbeitsschritten. Hierbei mussten die Arbeitsunterlagen mit hohem personellen Aufwand von Papier nach LOGIS übergeführt bzw. gespeichert werden. Durch den erhöhten EDV-Einsatz wurden zusätzliche IKT-Mittel erforderlich, die in weiterer Folge zu einer „Hardware“-Aufstockung mit Desktopcomputern, Monitoren und Notebooks in den MLLD führte. Mit der Einführung der elektronischen Unterschrift mussten auch die Verfahren der MLLD adaptiert werden.

Einführung der elektronischen Unterschrift

Im IT-Service LOGIS wird die elektronische Unterschrift mit Hilfe des Produktes Adobe Acrobat Reader erzeugt. Nach einer PIN-Eingabe wird die Unterschrift in ein definiertes Feld eingefügt. Im Hintergrund erfolgt durch LOGIS eine Überprüfung der Zuständigkeit bzw. Verantwortung. Damit der elektronische Unterschriftsprozess überhaupt erfolgen kann, sind Vorbereitungsarbeiten erforderlich:

  • Aufbau von Wartungskatalogen in LOGIS MatE, die mit Datenbankeinträgen der luftfahrttechnischen Publikationen befüllt werden;
  • Einweisung und Ausbildung des Wartungspersonals in den Ablauf der elektronischen Unterschrift;
  • Freigabe der Organisationselemente in LOGIS mittels Freischaltung im Prozessmodell Lz-EleUnt (elektronische Unterschrift). Mit dem Prozessmodell können die unterschiedlichen Bedürfnisse im Ablaufprozess sowohl in der Luftzeug- als auch in der Feldzeugverwaltung geregelt werden, ohne den jeweilig anderen Bereich zu beeinflussen;
  • Entwicklung diverser Formulare (Reports) in elektronischer Form zur Abbildung des Wartungsberichtes.

Praktische Umsetzung

Die Abbildung zeigt einen elektronisch unterschriebenen Wartungsbericht, dargestellt auf der Liste Arbeitsauftrag. Der Wartungsbericht ist jenes Dokument, das die Tätigkeiten auf dem Luftfahrzeug nachweislich dokumentiert. Darin wird festgehalten

  • wer die Arbeiten durchgeführt hat bzw. wann diese erfolgt sind (siehe Feld Unterschriftsblock AA Freigaben links unten) und
  • welche Tätigkeiten (Feld in der Mitte) konkret erledigt wurden.

Authentifizierungsvorgang

Aus dem zentralen Berechtigungssystem (ZBS) der SMN-Chipkartenverwaltung ist ersichtlich, wer zu einem konkreten Zeitpunkt, mit einer Chipkarte belastet ist (der Nachweis ist immer tagesaktuell). Damit die Manipulationssicherheit gegeben ist, ist eine Unterschriftsleistung nur mit einer Chipkarte mit gültiger Berechtigung möglich. Im Hintergrund überprüft Adobe mittels Hashwerten (Hashfunktionen werden verwendet, um digitale „Fingerabdrücke“ zu berechnen; Anm.) die Authentizität des erzeugten pdf-Dokumentes.

Evaluierung und Anordnung der elektronischen Unterschrift

Damit der Unterschriftsprozess nicht nur in der Theorie ordnungsgemäß abläuft, fand in zwei Fliegerwerften ein Parallelbetrieb mit doppelter Nachweisführung statt. Nach einem etwa zweimonatigen Probebetrieb erfolgte eine Überprüfung der Funktionalität. Dabei konnten keine relevanten Fehler festgestellt werden. Die Dokumentation der Papierausdrucke und der in LOGIS gespeicherten pdf-Dokumenten stimmten überein.

Aufgrund der positiven Überprüfungsergebnisse wurde mit Wirkung vom 1. Oktober 2019 die elektronische Unterschrift als alleiniges Dokumentationsmittel für die Fliegerwerft 2, Fliegertechnische Kompanie C-130 und das Ausbildungs- und Simulationszentrum in Zeltweg angeordnet. Die restlichen Teile der MLLD werden gemäß Planung im Jahr 2020 nachgezogen.

Resümee und Herausforderungen

Nach fast zwei Jahren intensiver Vorbereitung ist es den Militärluftfahrttechnisch/-logistischen Diensten (MLLD) gelungen, einen technischen Fortschritt in der Wartungsdokumentation zu erreichen. Die Implementierung der elektronischen Unterschrift im logistischen Informationssystem (LOGIS) in den Bereichen Arbeitsauftrag, Teilarbeitsauftrag bis zum Arbeitsschritt ist ein wichtiger Meilenstein zum effektiven und effizienten Arbeiten.

Aus Sicht der MLLD sind die ersten Schritte in eine digitalisierte Nachweisführung gesetzt. Die Umstellung auf die elektronische Unterschrift wird kurzfristig mehr Arbeitsaufwand (Erstellung der Wartungskatalogselemente) hervorrufen, letzlich aber eine deutliche Verbesserung durch das Einsparen der enorm aufwändigen Papieradministration und das schnellere Finden und Zuordnen bei Flugunfällen durch die digitale Wartungsdokumentation bringen.

Oberst Ing. Kurt Reinprecht ist Technischer Offizier im Referat luftfahrzeugspezifische IKT-Systeme.

 

Ihre Meinung

Meinungen (0)