• Veröffentlichungsdatum : 06.07.2017
  • – Letztes Update : 10.07.2017

  • 6 Min -
  • 1142 Wörter

AEGIS 2016

Roland Scherscher, Rupert Schoisswohl

Die „AEGIS 16“ war eine gemeinsame Übung von Bundesheer, Polizei und den Bezirkshauptmannschaften von Mödling und Bruck an der Leitha. Vom 21. bis zum 24. November 2016 trainierten 750 Soldaten der 3. Panzergrenadierbrigade aus Mautern sowie 50 Polizisten, darunter die Spezialeinheit „Cobra“, den Schutz kritischer Infrastruktur.

Die „AEGIS 16“ war das letzte große Übungsvorhaben der 3. Panzergrenadierbrigade, die in der aktuellen Gliederung des ÖBH mit 1. Jänner 2017 zum Kommando Schnelle Einsätze (KSE) wurde. Die Hauptaufgabe des KSE ist die Unterstützung der Abwehr terroristischer Bedrohungen und die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung bei einer Terrorsituation, in der mit den Kräften der Polizei alleine nicht mehr das Auslangen gefunden werden kann. 

Ziel der Übung

Das Übungziel war das Trainieren des sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatzes des Österreichischen Bundesheeres zum Schutz kritischer Infrastruktur. Der Fokus lag auf der Eingliederung von Assistenzkräften des Bundesheeres in die sicherheitsbehördliche Führungsstruktur auf allen Ebenen und auf der Übertragung sicherheitspolizeilicher Aufgaben und Befugnisse an die eingesetzten Soldaten. Ein weiterer wesentlicher Aspekt war die Integration der Sicherheitsbehörden erster Instanz in die Besondere Aufbauorganisation der Landespolizeidirektion sowie der Kontakt und das Zusammenwirken mit den Betreibern von Einrichtungen der kritischen Infrastruktur.

Die ursprünglich für den Objektschutz geplante Übung wurde dahingehend adaptiert, dass auch Szenarien bearbeitet wurden, bei denen das Bundesheer die Polizei bei der Abwehr terroristischer Angriffe unterstützt. Dabei sollte das First und Second Responder-Paket zum Einsatz kommen. Bei diesem Unterstützungspaket stellt das Bundesheer der Polizei Flugtransportkapazitäten, gepanzerte Fahrzeuge, ABC-Abwehreinheiten, Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung oder übernimmt den unmittelbaren Objektschutz.

Besondere Aufbauorganisation

Die Besondere Aufbauorganisation ist eine zeitlich begrenzte Organisationsform der Polizei zur Bewältigung umfangreicher und komplexer Aufgaben. Sie wird dann eingenommen, wenn die Kapazitäten der Allgemeinen Aufbauorganisation, welche dazu dient, die „normalen“ Aufgaben des täglichen Dienstes zu erfüllen, nicht ausreichen, um eine spezielle Aufgabe zu bewältigen. Das gilt vor allem bei Situationen, die einen erhöhten Bedarf an Personal bedingen, wie etwa ein Großschadensereignis, eine Katastrophe oder auch ein Terroranschlag.

Übungsvorbereitung

Die Vorbereitungen zur Übung begannen bereits im Mai 2016. Sämtliche Themenfelder wie das Erstellen des Szenarien-Kataloges, rechtliche Aspekte oder die Öffentlichkeitsarbeit wurden in gemeinsamen Arbeitsgruppen vom Bundesheer und der Polizei ausgearbeitet. In dieser Phase wurden auch die betroffenen Infrastrukturbetreiber, die Behörden und Gemeinden über das Vorhaben in gemeinsamen Veranstaltungen informiert und in die Planungen eingebunden. 

Ein Vertreter der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres schulte Soldaten des Bundesheeres, die an der AEGIS 16 teilnahmen, im Vorfeld anhand des Behördenauftrages hinsichtlich rechtlicher Aspekte. Dabei wurden vor allem die übertragenen sicherheitspolizeilichen Aufgaben und Befugnisse, die sich wesentlich von den militärischen unterscheiden, erläutert. 

Die 3. Panzergrendierbrigade stellte jedem Soldaten eine Taschenkarte zur Verfügung, in der sämtliche Aufgaben und Befugnisse in kurzer und prägnanter Form beschrieben waren. Während der vorbereitenden Ausbildung gaben Einsatztrainer der Landespolizeidirektion Niederösterreich den Soldaten eine praktische Einweisung hinsichtlich der Personen- und Fahrzeugkontrolle. Am 18. November 2016 fand die offizielle Übergabe des Behördenauftrages in der Landespolizeidirektion Niederösterreich statt. Nun konnte die Übung beginnen. 

Übungsverlauf

Nach den umfangreichen Vorbereitungen, der Lagebeurteilung und dem Erstellen der Befehle rückten die ersten Kräfte des ÖBH am 21. November 2016 zu den Schutzobjekten aus, wo sie von einem Abschnittskommandanten der Polizei eingewiesen wurden. Ein real beübtes Objekt war die Zentralwarte der NÖ-Netz EVN Gruppe in Maria Enzersdorf, Bezirk Mödling, ein weiteres das Umspannwerk Sarasdorf der Austrian Power Grid im Bezirk Bruck/Leitha. Beide Objekte zählen zur kritischen Infrastruktur. 

Darüber hinaus übten die Melker Pioniere in der Kaserne Zwölfaxing, wo sie  unter anderem ein Flugfeld errichteten, von dem aus Hubschrauber der Typen „Alouette 3“, OH-58, AB 212 und „Black Hawk“ zu ihren Einsätzen starteten. Auf dem Übungsplatz wurden auch Checkpoints für die Eigenobjektsicherung sowie für die Fahrzeug- und Personenkontrolle errichtet. 

Das Objekt in Maria Enzersdorf wurde von Kräften des Jägerbataillons 19, das Objekt Sarasdorf von der neu formierten Jägerkompanie Tulln (Miliz) - beide der Bataillonskampfgruppe 33 unterstellt -übernommen und für die übertragenen Aufgaben ausgebaut. Darüber hinaus kamen Kräfte der Militärpolizei, der ABC-Abwehrschule und der Pioniere zum Einsatz. Insgesamt wirkten an der Übung rund 500 Soldaten sowie 50 Polizisten mit insgesamt etwa 100 Fahrzeugen, vom Kleintransporter bis zum Radpanzer „Pandur“, mit. 

Bei den Schutz- und Überwachungsaufgaben bewährten sich insbesondere die neuen Fahrzeuge der Typen „Husar“ und „Dingo“ mit ihrer modernen Technik. Diese boten durch ihre Panzerung einen Schutz für die Soldaten und waren durch die Nachtsichtfähigkeit in der Lage, große Geländeabschnitte bei Dunkelheit zu beobachten. Zudem hatten sie aufgrund ihrer Bewaffnung eine abschreckende Wirkung auf mögliche Täter. 

Die Übungsleitung in der Kaserne Zwölfaxing spielte mehr als 100 Einlagen ein, die einerseits von den polizeilichen und militärischen Stäben, andererseits von den eingesetzten Kräften vor Ort zu bearbeiten waren. Zunächst waren es niederschwellige Aufgaben wie das Erkennen von Ausspähungen oder offensichtlichen Vorbereitungshandlungen für folgende Straftaten. Im weiteren Verlauf der Übung waren dann gezielte Anschläge unter Verwendung von chemischen Stoffen und Schusswaffen von den eingesetzten Kräften zu bewältigen.

Vorführung und Medientag

Am 23. November 2016 wurde am Schutzobjekt Maria Enzersdorf ein Anschlagsszenario unter Verwendung eines chemischen Kampfstoffes dargestellt. Dieses wurde im Zusammenwirken von Polizei und ÖBH bearbeitet. Dabei kamen seitens der Polizei Kräfte der Luftpolizei, der Direktion für Spezialeinheiten (Cobra), gefahrstoffkundige Organe, die Einsatzeinheit sowie Regelkräfte aus dem Bezirk Mödling und seitens des ÖBH Kräfte des Jägerbataillons 19, der Militärpolizei sowie der ABC-Abwehrschule zum Einsatz. 

In Anwesenheit des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport, Mag. Hans Peter Doskozil, und des Bundesministers für Inneres, Mag. Wolfgang Sobotka, bewiesen diese Übungsteilnehmer ihre Fähigkeiten bei der gemeinsamen Lösung dieser Aufgabe. Nach der Vorführung zeigten beide Organisationen ihre moderne Ausrüstung bei einer Fahrzeug- und Geräteschau. Beide Minister nutzten diese Gelegenheit, um neues Gerät zu übergeben. Verteidigungsminister Doskozil übergab die neuen Einsatzhelme an die Truppe - Innenminister Sobotka neue gepanzerte Fahrzeuge an die Direktion für Spezialeinheiten. Nach diesem Tag lief die praktische Phase der Übung noch bis Donnerstag, 24. November 2016 weiter. Danach erfolgte die Phase der Nachbereitung mit der Rückverlegung und den ersten Nachbesprechungen durch die eingesetzten Behörden und Organisationen.

Resümee

Die AEGIS 16 zeigte, dass die Zusammenarbeit von Polizei und Bundesheer in Österreich auf einem hohen Niveau funktioniert. Dennoch gibt es einige Punkte, die eine Weiterentwicklung notwendig machen. Beispielsweise sollte die Vereinheitlichung von Begriffen und technischen Kommunikationsmöglichkeiten vorangetrieben werden, da unterschiedliche Interpretationen zu divergierenden Lageeinschätzungen führen können. Die Milizkräfte sollten eine spezielle, polizeiähnliche Ausrüstung für diese Einsatzform erhalten, da es zum Beispiel an Leuchtstäben für Anhaltungen in der Nacht fehlte. 

Neben den Verantwortlichen in den Ministerien haben auch die Objektbetreiber die Notwendigkeit und Relevanz von Übungen in ihrem Bereich erkannt und aktiv am Gelingen des Vorhabens mitgewirkt. Auch Österreich ist von den aktuellen bedrohlichen weltpolitischen Ereignissen nicht verschont geblieben. Die Aufrechterhaltung der Sicherheit im eigenen Land ist primär eine Aufgabe der Polizei. Durch den Einsatz motivierter Soldaten mit moderner Technik und Ausrüstung leistet aber auch das Bundesheer einen wertvollen Beitrag in diesem Bereich. 

Hofrat Mag. Roland Scherscher ist Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in Niederösterreich. Oberst Rupert Schoisswohl, BA ist stellvertretender Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in Niederösterreich.

 

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