• Veröffentlichungsdatum : 16.03.2015
  • – Letztes Update : 21.09.2018

  • 40 Min -
  • 7950 Wörter

Österreichische Militärische Zeitschrift (ÖMZ)

01/2016-03/2016

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Über dieses Magazin

Die Österreichische Militärische Zeitschrift (ÖMZ) ist mit ihrem Gründungsdatum 1808 das weltweit älteste gesamt-militärwissenschaftliche Fachperiodikum. Sie bietet Analysen in ihren Kernbereichen Sicherheits-, Verteidigungs- und Rüstungspolitik, Kriegstheorie einschließlich Polemologie, Strategie und operative Führung. Die Zeitschrift ist ein Organ des österreichischen Bundesheeres und erscheint in deutscher Sprache im zweimonatigen Rhythmus. Die ÖMZ hat eine Auflagenstärke von 4.500 Stück pro Ausgabe, kann auf 3.353 Abonnements verweisen, wird in der Druckausgabe vor allem im deutschsprachigen Raum gelesen und erfreut sich darüber hinaus auch einer zwar hinsichtlich der Stückzahlen begrenzten, aber doch weltweiten Verbreitung.

Medieninhaber ist die Republik Österreich, der Herausgeber ist das Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport.

Heft 5/2018

Seemacht Russland (Teil 2) -
Die sowjetische Marine im „Großen vaterländischen Krieg“

Gerald Böhm/Matthias Wasinger

Die Einsatzführung der sowjetischen Streitkräfte wurde besonders zu Beginn des Zweiten Weltkrieges noch wesentlich durch den Wissens- und Vertrauensverlust, ausgelöst durch Stalins große Säuberungswelle, beeinflusst. Im Zuge dieser Maßnahme entledigte sich das System einer Vielzahl so genannter „Umstürzler“. Besonders erwähnenswert erscheint in diesem Zusammenhang, dass gerade im Bereich der Seestreitkräfte, welchen grundsätzlich eine untergeordnete Rolle beigemessen wurde, die gesamte Führung ersetzt wurde. Die eigene Geschichte hatte wohl gelehrt, dass eben die Marine sehr zugänglich für revolutionäre Ideen sei. Trotz dieser offensichtlichen Schwächung in allen Bereichen der Streitkräfte, sollte die Sowjetunion über Jahre die Hauptlast der Kampfhandlungen im Zweiten Weltkrieg tragen. Das größte Geschenk, dass die Russen den Alliierten gemacht haben, ist der Zeitgewinn, ohne den Großbritannien noch nicht einmal im Stande gewesen wäre, die Wunden zu heilen, die ihm bei Dünkirchen geschlagen wurden, und ohne den die USA die Rüstungsproduktion nicht hätten auf Hochtouren bringen und ihre Land- und Seestreitkräfte ausbauen können. Eingebettet in die historisch gemachten Erfahrungen, auf Basis einer gerade erst zerrütteten Befehlskette und konfrontiert mit den geostrategischen Herausforderungen versuchte v.a. die politische Führung durch den quantitativen Aufwuchs der Sowjetflotte die Stellung als Großmacht auch im Kriege darzustellen. Die Zeichen der Zeit wiesen bei allen damaligen Großmächten auf Großkampfschiffe zur Umsetzung einer mahan’schen Doktrin der Entscheidungsschlacht. Die Realität jedoch sollte all dies überholen. Mit dem so genannten Überfall der Deutschen Wehrmacht auf die UdSSR im Jahre 1941 wurden auch die Seestreitkräfte überrumpelt. Obwohl im Zuge der einleitenden Angriffe sowjetischer Marinestützpunkte durch die Deutsche Luftwaffe kein einziges Kriegsschiff versenkt wurde, unterband der rasche Vorstoß der Deutschen Wehrmacht bald das Verschieben kleinerer Schiffseinheiten auf Binnengewässern. Klimabedingt erwies sich die Umgruppierung von Kräften über den Stillen Ozean ausschließlich während weniger Monate im Jahr als praktikabel. Durch den erfolgreichen deutschen Vorstoß in der heutigen Ukraine sowie den Einschluss Leningrads wurden sowohl die Ostseeflotte als auch die Schwarzmeerflotte abgeschnitten. Auf See selbst isolierten deutsche und finnische Seeminen in der baltischen See sowie durch die Luftwaffe spezialisierte Minenlege-, Torpedoflugzeuge und Marinebomber - nach Verlegung aus dem Mittelmeer - im Schwarzen Meer die jeweiligen sowjetischen Flotten Das Ziel, mittels Großkampfschiffen selbst „Power Projection“ betreiben zu können, war unterlaufen worden. Bereits unmittelbar nach Kriegsbeginn waren die sowjetischen Seestreitkräfte im Großen getrennt worden. Was blieb, war aus russischer Sicht die Beschränkung der Einsatzführung in räumlich und zeitlicher Hinsicht, da ein Zusammenwirken der Flotten im Großen, gerade auch im Kampf Flotte gegen Flotte, so unterbunden worden war. Dies wurde dafür umso erfolgreicher umgesetzt. Strategisch hatte sich die Sowjetunion ausschließlich auf die Bekämpfung des Deutschen Reichs ausgerichtet. Erst 1945, nach der Kapitulation des Deutschen Reichs, marschierte die Rote Armee in die Mandschurei ein. 

Reformbestrebungen zur Neuordnung des UNO-Sicherheitsrates
Interessen - Modelle - Perspektiven

Heinz Brill

Achtzehn Jahre nach den Millenniumsfeiern ist die Welt endgültig im neuen Jahrtausend angekommen. Wie jeder „Paradigmenwechsel“ in der Weltpolitik fordern auch die derzeitigen geopolitischen Machtverschiebungen die internationale strategische Elite zu Zukunftsprognosen heraus. In ihren Entwürfen geben die Experten dem 21. Jahrhundert Adjektive wie amerikanisch, pazifisch, asiatisch, unipolar (amerikanisch), bipolar (Demokratien/Autokratien), multipolar, europäisch oder „Chimerika“ (USA/China). Damit steht die Weltpolitik in der Diskussion ihrer Ordnungsvorstellungen am Beginn eines neuen Zeitalters. Aufgrund der neuen Weltlage versuchen Politologen, Historiker, Geographen, Ökonomen, Völkerrechtler, Medientheoretiker u.a. eine Bestandsaufnahme bzw. Skizzierung der politischen Kräfte und Zusammenhänge in weltpolitischer Perspektive zu entwickeln. Internationale Institutionen wie UNO, EU, NATO, Weltbank, WTO, IWF etc. und deren Mitgliedstaaten sehen sich mit zahlreichen Reformvorschlägen konfrontiert, wie die neuen geopolitischen Realitäten besser berücksichtigt werden können. So könnte z.B. Chinas „Seidenstraßen-Projekt“ die WTO ablösen. In einem neu strukturierten Sicherheitsrat soll die völlig unausgewogene Repräsentanz der Kontinente beseitigt werden. Und dabei stellt sich sofort die Frage, wer die einzelnen Weltregionen als ständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat vertreten soll. Fast alle Staaten stimmen darin überein, dass der Sicherheitsrat erweitert werden müsse, zumal er in Größe, Zusammensetzung und Verteilung von Privilegien die historische Ausnahmesituation am Ende des Zweiten Weltkrieges widerspiegelt. Der Grundsatz, dass sowohl die Entwicklungsländer als auch jene UNO-Mitglieder, die zum UNO-Haushalt am meisten beitragen, mehr Gewicht haben müssten, wird weithin geteilt. Doch fällt es außerordentlich schwer, sich auf konkrete Kandidaten zu einigen. 

Die jetzigen Reformbestrebungen um die Erweiterung des Sicherheitsrates, um wieviel Mitglieder und mit welchen Nebenabreden auch immer, wird nur im Rahmen einer allgemeinen UNO-Organisations- und Aufgabenreform zu bewerkstelligen sein. Sollten die Interessen der Mächte jemals konsensfähig sein, würde eine veränderte Zusammensetzung des Sicherheitsrates auf folgender Verhandlungsgrundlage erfolgen:

- Zuerst würde in einer sog. „Rahmenresolution“ der künftige Umfang des Sicherheitsrates, d.h. die Anzahl der künftigen ständigen und nichtständigen Sitze und die Frage des Vetorechts festgelegt werden;

- dann folgt die Kandidatur und Wahl der neuen ständigen Mitglieder;

- und am Schluss müsste mit einer Zweidrittelmehrheit der 194 Mitgliedstaaten die entsprechende Änderung der UNO-Charta beschlossen und von den jeweiligen Parlamenten ratifiziert werden.

Die „G2“-Weltordnung wird sich wahrscheinlich wiederholen. Aber diesmal werden die globalen Machtkoordinaten offensichtlich am Kreml vorbei neu ausgerichtet, wobei die USA und China den Kurs vorgeben. Henry Kissinger meint dazu: „Der Aufstieg Chinas ist unwiderruflich, er muss in Kooperation und im Dialog gesteuert und begleitet werden.“ 

Traditionsverständnis im Lichte der Traditionserlasse von
Bundesheer und Bundeswehr

Manuela R. Krueger 

Armeen brauchen Traditionen. Aber bedarf eine lebendige zeitgemäße Traditionspflege nicht zunächst ihres Verständnisses? Im Folgenden werden die immer wieder aufbrechenden Debatten über das Traditionsverständnis im Vergleich von Bundesheer und Bundeswehr behandelt. Zunächst blicken wir auf das aktuelle Leitbild zur Traditionspflege im Ressort des BMLVS, einer DIN A4-Seite des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport (BMLVS) von 2017, in welchem der Begriff des Traditionsverständnisses ausgelassen wurde. Im aktuellen Traditionserlass des Österreichischen Bundesheeres vom 16. Juni 2010 taucht der Begriff Traditionsverständnis erst im Abschnitt C, Anwendungsbereich, auf. Der Titel des bisherigen Traditionserlasses der Bundeswehr vom 20. September 1982 lautet hingegen Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege in der Bundeswehr. Diese beiden hier aufgeführten Begriffe scheinen Schlüsselbegriffe in den Traditionsdebatten zu sein. Im Fokus dieses Beitrags soll jedoch das Traditionsverständnis stehen, aus welchem sich die Traditionspflege ableiten lässt. Anfänglich werden Debatten über das Traditionsverständnis vorgestellt, Definitionen von einzelnen Begriffen und Fragen um die Traditionswürdigkeit der Wehrmacht sowie kritische Stimmen reflektiert und abschließend die Weiterentwicklung in den Gedanken und Erlassen zum Traditionsverständnis im Österreichischen Bundesheer (ÖBH) und der Deutschen Bundeswehr (DBW) erörtert. In Österreich und Deutschland werden Traditionsverständnis und Traditionspflege der Streitkräfte in Erlassen der Führung (VerteidigungministerInnen) verordnet. Wie sie in der Truppe umgesetzt werden, erschließt sich nur in Gesprächen mit vielen Soldatinnen und Soldaten sowie durch Recherchen in der Truppe, in Stäben und Schulen sowie in den Ministerien. Die Handhabung der Tradition scheint zwischen ihrer offiziell verordneten und reell praktizierten Form ungenügend miteinander verzahnt zu sein, was zu bedenken mich bei einem vorbereitenden Gespräch der frühere Generaltruppeninspektor General i. R. Horst Pleiner anregte. 

In beiden Ländern, Österreich und Deutschland, ist offensichtlich bisher die emotionale und physische Seite des Traditionsverständnisses zu kurz gekommen. Doch die fortwährenden Debatten und der neue deutsche Traditionserlass beweisen, dass dieser Aspekt nicht mehr ausgespart werden soll und bei seiner anstehenden Umsetzung Berücksichtigung finden wird. Die österreichische und deutsche Militärgeschichte kann bei diesem Umsetzungsprozess einen gewichtigen Beitrag leisten. Traditionsverständnis der multinational verflochtenen Armeen im Einsatz darf keine Grenzen kennen. Nur wenn Traditionen von Soldatinnen und Soldaten angenommen und mit Leben erfüllt werden, bleiben die Regelungen der Traditionserlasse keine trockene Theorie. Eine derartig gestaltete Traditionspflege schärft für die Truppe die Konturen der Militärkulturen beider Armeen in den Wechselfällen der Geschichte, also ihr tradierwürdiges Erbe, von dem sie so vielfältig zehren. Wir wissen zurzeit nicht, wie die europäische Perspektive, zum Beispiel die mögliche Aufstellung einer Europa-Armee, die Streitkräfte und deren Traditionsverständnis langfristig beeinflussen wird.

Die Bedeutung deutscher, italienischer und britischer Befahrbarkeitskarten für den
Krieg in Nordafrika 1941-42

Hermann Häusler

Im Gesamtbild des Zweiten Weltkrieges war der nordafrikanische Kriegsschauplatz zweifellos ein Nebenkriegsschauplatz. Dies beurteilte auch die oberste deutsche Führung so, unbeschadet der - teilweise bis heute nachwirkenden - Faszination des „exotischen“ Kriegsschauplatzes und der psychologischen und propagandistischen Wirkung des „Wüstenfuchses“ Erwin Rommel (1891-1944). Zu ersten Kampfhandlungen kam es im Sommer 1940, nachdem Italien im Juni 1940 Frankreich und Großbritannien den Krieg erklärt hatte. Im September 1940 griffen italienische Truppen von Libyen aus das unter britischer Kontrolle stehende Königreich Ägypten an, stoppten aber schon nach kurzer Zeit. Im Dezember 1940 führte ein erfolgreicher britischer Gegenangriff zur Eroberung der Cyrenaika (d.h., des nordöstlichen Teils Libyens). Um einen Verlust auch des westlich gelegenen Tripolitaniens abzuwenden, entsandte das Oberkommando der Wehrmacht ab Februar 1941 zwei schwache Divisionen als „Deutsches Afrikakorps“ (DAK) unter dem damaligen Generalleutnant Erwin Rommel nach Nordafrika (Operation „Sonnenblume“). Entgegen dem Auftrag, sich defensiv zu verhalten - immerhin stand das Deutsche Reich unmittelbar vor dem Überfall auf die Sowjetunion (Unternehmen „Barbarossa“, ab Juni 1941) und musste überdies Truppen zur Unterstützung des italienischen Verbündeten in Südosteuropa abstellen - ergriff Rommel die Initiative und rückte 1941 weit nach Ägypten vor. Angesichts der mangelnden Versorgung (der wichtige Hafen Tobruk wurde von britischen und Commonwealth-Truppen gehalten) mussten sich die deutschen und italienischen Truppen Ende 1941 wieder nach Libyen zurückziehen. Eine neue Offensive der Achsenmächte im Frühjahr 1942 war zunächst erfolgreich, endete aber im Juli 1942 bei El Alamein. Auch ein zweiter Versuch, die britische Stellung im September 1942 zu durchbrechen, scheiterte. Im Oktober 1942 gelang es den Alliierten dann, die deutsch-italienischen Truppen nach Westen zurückzudrängen; wenig später landeten britische und amerikanische Truppen in Marokko und Algerien (Operation „Torch“). Die Reste der deutsch-italienischen Kräfte in Nordafrika mussten im Mai 1943 bei Tunis kapitulieren.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass während des von Juni 1940 bis Mai 1943 dauernden Nordafrikafeldzuges sowohl Befahrbarkeitskarten der Achsenmächte als auch „Going Maps“ der Britischen Armee als wichtige Führungsmittel zur Geländebeurteilung eigener und gegnerischer Bodenoperationen dienten. Während die italienischen Befahrbarkeitskarten vom Italienischen Militärtopographischen Dienst in Tripolis und die britischen „Going Maps“ von der südafrikanischen Kartenstelle südlich von Kairo in größerer Auflage gedruckt wurden, kamen die deutschen Befahrbarkeitskarten nicht mehr zum Druck und blieben daher handkolorierte Unikate, von denen nur wenige Kartenblätter in Archiven überliefert sind.

Der Fall der Ölpreise und die geopolitischen Auswirkungen

Frank Umbach 

Die beeindruckenden technologischen Innovationen (Automatisierung und Digitalisierung) im Bereich der Fracking-Technologie könnten auch in den nächsten Jahren die Produktionskosten für die Schieferöl- und Schiefergasproduktion weiter sinken lassen. „Digitale Ölfelder“ werden die US-Ölprodukte auf dem Weltmarkt noch konkurrenzfähiger machen. Zudem ist Erdgas in Amerika und in einigen anderen Ländern, einschließlich im Mittleren Osten und in Lateinamerika, zu einem direkten Konkurrenten für Erdöl im Transportsektor geworden. Dies verlangsamt bereits das Wachstum bei der weltweiten Ölnachfrage. Wenn sich dieser Energie-Trend im globalen Transportsektor durch Elektromobilität und andere alternative Antriebsarten fortsetzt, wird er die weltweite Ölnachfrage weiter reduzieren und könnte die Ölpreise auf einem niedrigen Niveau von weniger als 50 US-Dollar stabilisieren. Auf lange Sicht scheint selbst Saudi-Arabien das Vertrauen in seine Ölreserven als bestes Instrument zur Erhaltung der wirtschaftlichen Stabilität und seines regionalen Einflusses verloren zu haben. In der mittel- und längerfristigen Perspektive wirft das Szenario eines „Peak Oil Demand“ somit bereits seine Schatten voraus, das alle Ölförderstaaten schon heute zwingt, langfristige strukturelle Reformen zur Diversifizierung der Wirtschaft und der Verringerung der Abhängigkeit von Ölexporten für den jeweiligen Staatshaushalt einzuleiten. „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ gilt bei dieser Schicksalsfrage einer globalen Dekarbonisierung der Energiesysteme mehr denn je. Die amerikanische Schieferrevolution ist unzweifelhaft zu einem globalen „Game Changer“ auf dem globalen Rohölmarkt und den regionalen Gasmärkten geworden und sowohl im Mittleren Osten als auch in Europa völlig unterschätzt worden. Würde das riesige Permian-Becken optimal ausgebeutet, könnte dies allein bis zu 10bd/ produzieren - so viel wie Saudi-Arabien insgesamt. Würde zudem auch Russland in der Lage sein, sein riesiges Bazehnov-Schieferölfeld effektiv zu nutzen, würde dies zusammen sicher der OPEC den endgültigen Todesstoß versetzen. In diesem Fall wären sowohl Russland als auch die USA faktisch dann unabhängig von Netto-Energieimporten, was nicht nur gravierende Auswirkungen auf die globalen Öl- und Gasmärkte hätte, sondern auch geopolitisch, da dies ihre Rivalität zusätzlich anheizen und neue geostrategische Bündniskonstellationen zur Folgen haben könnte. Die US-Schieferöl- und -gastechnologien werden künftig durch US-Firmen nicht allein in den USA zum Einsatz kommen, sondern auch in zahlreichen anderen Staaten. Vor allem die gigantischen Schieferölvorräte der Maca Muerta-Ölfelder in Argentinien könnten mit Hilfe amerikanischer Ölfirmen gehoben und damit künftig weitere große Mengen an Öl zusätzlich auf die globalen Rohölmärkte gelangen und den globalen Ölpreis weiter unter Druck setzen. 

Heft 4/2018

Seemacht Russland (Teil 1)

Gerald Böhm/Matthias Wasinger

Wie in so vielen Staaten dominierten auch in Russland unterschiedliche politische Systeme. Von föderalen Fürstentümern über das zentralistische Zarensystem, den sozialistischen Sowjetstaat bis hin zur Russischen Föderation der heutigen Zeit als semipräsidiale, föderale Republik. Trotz dieser Vielzahl an politischen Systemen gab es jedoch immer wieder gewisse Konstanten. Die Relevanz von Russland als Staat ergibt sich für Europa allein schon aufgrund der geographischen Nähe des flächenmäßig größten Landes der Welt. Auch sind die ökonomischen Interdependenzen von eminenter Wichtigkeit, auch für Österreich, da Russland der größte Energie-Exporteur nach Europa ist. Diese beiden Faktoren bringen mit sich, dass auch langfristig die Sicherheitspolitik der Russischen Föderation von besonderer Bedeutung für die Staaten Europas sein wird. Das Ziel der Autoren war es im nachstehenden Artikel die Seestrategie des östlichen Nachbarn der Europäischen Union im Laufe der Zeit zu beleuchten, Ursachen zu erheben, deren Wirkung in der Seemacht Russlands hervorzuheben, Gemeinsamkeiten darzustellen und abschließend die Auswirkungen der Geschichte im 21. Jahrhundert zusammenzufassen.

Ein roter Faden bedingt aus Sicht der Verfasser weiters gedanklich bis in die frühen Anfangsphasen der russischen maritimen Einsatzführung zurückzublicken, sozusagen einen Bogen von den Waräger-Fürsten bis in die Marine Russlands der heutigen Zeit zu spannen. Wo als zweckdienlich beurteilt, wurde auf handelnde Personen - wie zum Beispiel Zar Peter der Große oder Flottenadmiral Sergej Gorschkow - Bezug genommen und deren Denken erläutert. Erst dieses angesprochen gesamtheitliche Erfassen der Genese der russischen Seestreitkräfte lässt deren Ratio des Handelns im Heute erkennen und sogar Handlungsfelder in der Zukunft antizipieren. Somit werden in den Betrachtungen immer wieder einzelne Personen in den Fokus gerückt, da diese prägend für die Intensität des maritimen Wirkens waren.

Der Aufbau der Roten Marine ist als bemerkenswerter gesamtstaatlicher Kraftakt zu bewerten, wobei er immer nachrangig zum Aufbau von Armee und Luftwaffe blieb. Die strategische Ausrichtung änderte sich, wie damals bei Peter I., mit der Vision des Anführers, Stalin - nun zur ozeanischen weltweit einsetzbaren Flotte („Blue-Water“). Dennoch vernachlässigte die Sowjetflotte nicht den küstennahen Bereich und die Binnengewässer („Brown-Water“). Letzteres wird durch die Existenz zahlreicher kampfstarker Schiffe und Boote für den Einsatz auf Strömen und Seen untermauert. Die Flotte als Mittel der Machtprojektion auf allen vier Meeren wurde erkannt und durch den Aufbau von vier getrennten Flotten der geostrategische Nachteil zu verringern versucht. Der geostrategische Nachteil im Norden wurde durch den Bau des Stalin-Kanals gemindert. Die Sowjetunion versuchte den zu Beginn vorhandenen Mangel an technischen Knowhow zunächst durch Zukauf von außen und langfristig durch die Etablierung eigener technologischen Rüstungsforschung zu beheben.

Gestaltende Intentionen, Interessen und Instrumente externer Akteure im südlichen Kaukasus (Teil 2)

Andranik Aslanyan/Wulf Lapins

Die Entstehung von acht neuen Staaten im Südkaukasus und in Zentralasien nach 1991, von denen fünf hauptsächlich von Turkvölkern bewohnt sind und mit denen die Türkei (Osmanisches Reich) eine gemeinsame Geschichte, Religion und Sprachverwandtschaft teilt, nachdem Vorfahren der anatolischen Türken ab dem 10. Jahrhundert abwanderten, führte in Ankara zur Hoffnung, eine regional-wirtschaftspolitische Führungsrolle einnehmen und insbesondere die pantürkische Ideologie in Form einer pantürkischen Blockbildung etablieren zu können. Aserbaidschan nimmt in der pantürkischen Denkfigur wegen seiner geographischen Nähe zur Türkei eine Brückenfunktion zu Zentralasien ein. Durch die enge Verwandtschaft wurde aserbaidschanisch sehr oft als aserbaidschanisch-türkisch und die Aserbaidschaner bis Anfang des 20. Jahrhunderts als kaukasische Türken oder Tataren bezeichnet. Um die politischen Beziehungen und ökonomische Zusammenarbeit mit den Turkrepubliken zu institutionalisieren, lud die Türkei Ende Oktober 1992 zu einem Spitzentreffen der Turkstaaten in Ankara ein. Dieses türkische Konzil verfolgte das Ziel, „die wirtschaftliche und humanitäre Zusammenarbeit unter den Turkstaaten zu fördern“ und „international mit einer Stimme zu sprechen und zu diesem Zweck in ferner Zukunft die Allianz der Turkstaaten nach dem Vorbild der Europäischen Union“ zu gestalten. Der damalige türkische Staatspräsident Turgut Özal (1989-93) kündige auf dem Gipfel die Gründung einer türkischen Welt „von der Adria bis zur chinesischen Mauer“ an. Ankara war bestrebt, sich im Kaukasus und in Zentralasien als Gegenmacht zu den Einfluss-Ambitionen des Irans zu etablieren, als politisches Gegengewicht zum revitalisierenden russischen Vordringen im Rahmen der gesteuerten GUS wie auch als ökonomischer „headhunter“ für potenzielle EU-Markterschließungen im Kaukasus-Kaspi-Raum. Unter Zugrundelegung der Intentionen und Interessen von Russland, Türkei, Iran, USA und EU in der Region werden die fünf externen Akteure diese mit ihren bekannten politischen-militärischen-diplomatischen Instrumenten fortsetzen. Die Türkei und der Iran scheinen auch hier, wie es der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel dies bereits für das Verhalten im Syrien-Konflikt ausmachte, „bereit, eine Art „Großmachtsteuer“ für ihren Status zu entrichten. Wirtschaftliche Einbußen, diplomatische Ächtungen, finanzielle Bestrafungen - vieles wird von ihnen in Kauf genommen, um den regionalen Führungsanspruch und die nationale Souveränität zu dokumentieren.“ Der südliche Kaukasus wird weiter konfliktdynamisch als geopolitische Null-Summen-Spiel-Region wirken. In der Geopolitik gibt es kein geopolitisches Niemandsland, wohl aber Grauzonen des balancierenden Ringens um Gleichgewicht, Dominanz und Hegemonie. Vor diesem Hintergrund erscheint es als illusorisch, auf nähere Zeithorizonte für die Ausformung von Armenien, Aserbaidschan und Georgien als stabile Einheitsstaaten zu setzen. Grundsätzliche oder radikale Änderungen ihres internationalen Status stehen nicht auf der vorausschaubaren Agenda. Graduelle Besserungen sind als Wirkung westlicher entwicklungspolitischer kooperativer Unterstützungs- und Fördermaßnahmen dagegen durchaus möglich. Die dargelegten jeweiligen politisch-ökonomischen Dependenzen werden strukturell fortdauern, in jedoch vorstellbar verschiedenen neuen Spielarten und Abwandlungen. Die Südkaukasus-Republiken Georgien und Aserbaidschan sind durch ihre sezessionistische Gebiete „failing states“. Armenien gehört nicht dazu, denn der Berg-Karabach-Konflikt hat keine territoriale Konnotation mit Armenien. Der gebietsbezogene Konflikt betrifft formal nicht Armenien, das Karabach weder politisch noch völkerrechtlich als zu ihm gehörendes Territorium reklamiert. Berg-Karabach verwächst gleichwohl militärisch und ökonomisch sowie gesellschaftspolitisch schrittweise de facto zu einem „integralen“ Bestandteil von Armenien. Russland und die Türkei werden voraussichtlich weiterhin kein Interesse aufbringen, ihre aktiven Rollen am Fortbestand der Konflikte aufzugeben, um vielmehr konstruktiv-einhegend zu wirken. Die prinzipielle NATO-Beitrittszusage für Georgien (Bukarest Gipfel 2008) wird nicht aufgehoben, aber ein Membership Action Plan steht eher lang- als mittelfristig nicht auf der Tagesordnung der Allianz. Die USA könnten jedoch mit Georgien die sicherheitspolitische Kooperation eines „Major Non-NATO Ally“ eingehen. EU-Europa wird mit seiner limitierten Ordnungsprojektionsmacht weiterhin nur minimal-invasive wirken können. Ressourcen, Geographie und Geschichte verdeutlichen mit Blick auf den südlichen Kaukasus einmal mehr den geringen politischen Spielraum kleinerer Staaten, aus dem Korsett des Adressaten von externen Mächten hin zu politisch selbstbestimmenden Akteuren entfliehen zu können.

Ein umfassendes Bedrohungsbild für Unternehmen
(als Teil der sicherheitspolitischen Aufgabe Schutz kritischer Infrastruktur)
Bedrohungsbild (Teil 2)

Josef H. Bogensperger

Im ersten Teil des Beitrages wird ein Überblick über das Thema Schutz kritischer Infrastruktur gegeben und ein Vergleich zu den Ansätzen der ÖNORM gezogen. Anschließend wird versucht die Auswirkungen von Großschadensereignissen auf die wesentlichen wirtschaftlichen Kennzahlen eines Unternehmens zu zeigen. Überlegungen zur Risikoanalyse schließen den ersten Teil ab. Das hier gezeigte Bedrohungsbild fasst die vielfältigen Bedrohungen für Unternehmen in übersichtliche Kategorien zusammen, illustriert die einzelnen Bedrohungskategorien mit Beispiel-Ereignissen und bildet damit die Grundlage für eine umfassende Analyse der bedrohten Wertschöpfungs-Voraussetzungen. Erst im Zusammenhang mit einem Bedrohungsbild, das auf einer abstrakten Ebene einen umfassenden Bogen spannt, lassen sich mögliche Ereignisse in vollem Umfang ableiten. Dies stellt sicher, dass in einer nachfolgenden Risikoanalyse alle relevanten Ereignisse verarbeitet werden können.

Grundsätzlich ergibt sich unter anderem eine militärische Bedrohung aus dem Verhältnis des zur Verfügung stehenden Militärpotenzials und den politischen Absichten, dieses Militärpotenzial auch einzusetzen. Derzeit gibt es zwar in Europa keine aggressiven politischen Absichten, Rüstungsgüter sind aber weiterhin massiv vorhanden. Bis zur vollständigen militärischen Integration stellt auch die Gefahr der Renationalisierung der europäischen Sicherheitspolitik ein nicht ganz auszuschließendes militärisches Restrisiko dar. Um besonders wirksam zu sein, ist es wesentlich, Möglichkeiten zu verbinden. In diesem Zusammenhang sind noch zwei weitere Aspekte zu beachten. Staatliche Exekutivorgane und militärische Kräfte (wie auch andere Akteure) können sowohl harte als auch weiche Macht generieren. Der springende Punkt ist, dass die weiche Macht, die sich aus der Qualität der Lauterkeit, der Kompetenz, der Legitimität und des Vertrauens ergibt, der harten Macht militärischer Einsatzkräfte zusätzlichen Schub verleihen kann. Strategien, die harte und weiche Macht erfolgreich kombinieren, sind Ausdruck einer intelligenten Machtausübung. Hybride Machtprojektion bedeutet die Fähigkeit staatlicher und nicht-staatlicher Konfliktakteure, die unterschiedlichsten Machtmittel auf strategischer, operativer und taktischer Ebene und in verschiedenen Handlungszusammenhängen (politisch, militärisch, diplomatisch, wirtschaftlich, medial, kulturell, etc.) durch systematisches, phasenweises oder permanentes Zusammenwirken in einem multidimensionalen und multiperspektivischen Einsatzszenario zur Wirkung zu bringen. Hybride Machtprojektion erreicht ihre Effizienz aufgrund einer bis dato nicht vorhandenen Breite von Verwundbarkeiten weltweit vernetzter Staaten, Gesellschaften und Wirtschaften sowie der vorhandenen Hochleistungsinfrastruktur. 

Der Artikel beschreibt die vielfältigen Bedrohungsbilder für heutige Unternehmen, wobei es letztlich gilt, die kritischen Infrastrukturen in einer Gesellschaft möglichst umfassend zu schützen.

DYNAMISCHER SCHUTZ - Embracive Leadership im Rahmen der experimentellen Fähigkeitsentwicklung der Landstreitkräfte

Peter Hofer

Das Kommando Landstreitkräfte sieht die Fähigkeitsentwicklung als eine prioritäre Aufgabe an. Dabei hat sich aus den Bearbeitungen der Übung SCHUTZ 2018 ein Fähigkeiten- und Methodenportfolio ergeben, welches sich im Rahmen der Erarbeitung eines militärischen Beitrages zu einer gesamtstaatlichen Strategie gegen hybride Bedrohungen sehr gut bewährt hat. Dieses Embracive Leadership Model ist geprägt von hoher Anpassungsfähigkeit und will gegebene Situationen in ihrer Tiefe verstehen. Diese „Umarmung“ des Umfeldes (to embrace) verlangt erfahrene Führungspersönlichkeiten, die in der Lage sind, ihre Fähigkeiten in einem Comprehensive Environment gezielt zur Wirkung zu bringen. Die Definitionen für den Comprehensive Approach sind vielfältig, können aber im Kern auf folgende Definition zusammengefasst werden: Der Comprehensive Approach ist ein traditionelles Muster jener permanent erforderlichen Aktivitäten, die uns mit anderen Akteuren innerhalb eines paradoxen Umfeldes verbinden, welches wir als das Comprehensive Environment bezeichnen. Experten des Embracive Leadership beherrschen Mitarbeiterführung unter extremen Bedingungen, können das strategische und politische Umfeld erfassen, die Schnittstellen zu anderen Akteuren im Comprehensive Environment identifizieren und die Bemühungen der eigenen Organisation optimal wie langfristig anpassen, so dass ein nachhaltiger Erfolg gegeben ist. Experimentelle Fähigkeitsentwicklung ist ein entscheidender Beitrag zur Anpassung der Leistungen der Landstreitkräfte an den erwartbaren Bedarf. Unter Berücksichtigung der Ausgewogenheit von Widerstandskraft und Anpassungsfähigkeit kann die optimale Resilienz erreicht werden, um nach dem Eintritt krisenhafter Ereignisse möglichst rasch die ursprüngliche Leistungsfähigkeit wiederherzustellen und im besten Fall zu verbessern. Das Embracive Leadership Model hat sich als sehr gut geeignetes Modell zum Verständnis des paradoxen Umfeldes herausgestellt, unterstützt bei der Identifikation erforderlicher Fähigkeiten sowie deren optimalen Abstimmung auf das Umfeld. Der Umgang mit den Akteuren des Interaktionsumfeldes hat sich durch die Anwendung des Embracive Leadership Models ebenfalls gewandelt. Ein besseres Verständnis der handelnden Akteure für die Struktur ihrer Partnerorganisationen bedeutet selbstredend eine Optimierung ihrer Zusammenarbeit, von der am Ende jeder einzelne profitieren wird. Nicht zuletzt wird das Kommando Landstreitkräfte auch der Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeitern gerecht, sie bestmöglich auf alle Eventualitäten vorzubereiten, damit sie möglichst wohlbehalten aus dem Einsatz zurückkehren.

Schlaglichter auf Chinas Beziehungen zu Afrika

Irene Giner-Reichl/Christof Tatschl

China empfindet und bezeichnet sich nach wie vor als Entwicklungsland - mit einer Bevölkerung von über 1,3 Milliarden Menschen, ist es das größte Entwicklungsland der Welt. Seit den 1980er-Jahren hat China anerkanntermaßen rund 700 Millionen Menschen aus extremer Armut befreit. Die Lebenserwartung erhöhte sich von 35 (1949) auf 76 Jahre (2015). China hat das weltweit größte Sozialversicherungssystem. Während 1949 noch rund 80% der Bevölkerung Analphabeten waren, hatten 2015 praktisch alle Kinder in China Volksschulbildung; 93% vollendeten die verpflichtende neunjährige Schulzeit, 87% besuchten eine höhere Schule. Die Vereinten Nationen bescheinigen China Rang 90 (von 188 Ländern) im Index Menschlicher Entwicklung. Mit weniger als 10% des fruchtbaren Bodens ernährt China mehr als 20% der Weltbevölkerung. Entwicklung wird - wie es in einem Weißbuch des chinesischen Staatsrates vom Dezember 2016 ausdrücklich heißt - als der Schlüssel zur Lösung aller Probleme gesehen. Als nächstes Etappen-Ziel peilt die chinesische Regierung bis zum Jahr 2020 bescheidenen Wohlstand für Alle an. Und bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts soll China den Status eines voll entwickelten Landes erreicht haben. Der 13. Fünfjahresplan (2016-2020) soll China ökologisch und innovativ machen. Noch mehr als in anderen Ländern auch ist die chinesische Außenpolitik eine Funktion dieser innenpolitischen Zielsetzungen. Es gilt, die Rahmenbedingungen für eine weitere gedeihliche wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu schaffen.

Afrika ist für China eine Teststellung, wie man seinen Einfluss in allen Bereichen ausbauen kann. Das gilt für den Bereich Wirtschaft, aber auch für die Sicherheit - siehe Djibouti, die UNO-Einsätze, den Waffenhandel und die bestehenden umfassenden bilateralen Programme in der militärischen Zusammenarbeit. Die chinesische Kooperation mit Afrika ist deutlich weiter gefasst als jene der EU mit Afrika und die Länder Afrikas scheinen den chinesischen Ansatz vorzuziehen.

Weitläufige Unterstützung zu bekommen und den afrikanischen Kontinent hinter sich vereint zu wissen, hat z.B. auch in der UNO ein wesentliches Gewicht. Wir sehen das Engagement in Afrika als eine Etappe auf dem Weg zur Verwirklichung des chinesischen Anspruchs, seine globale Führerschaft in einer multipolaren Welt ohne gemeinsame Werte weiter auszubauen.

Heft 3/2016

Die neue PKK (Teil2)

Der zweite Teil des Beitrags über die kurdische Aufstandsbewegung schildert deren Lage „zwischen Extremismus, politischer Gewalt und strategischen Herausforderungen“. Es geht dabei um ein Volk, das keinen gemeinsamen Staat besitzt, sondern in fünf verschiedenen Staaten unter jeweils völlig verschiedenen Bedingungen als Minderheit leben muss. Es ist aber entschlossen, gegen seine Unterdrückung in verschiedener Form zu kämpfen. Dies geschieht durch eine bunte, höchst unterschiedliche Reihe von Bewegungen und Organisationen. Hierzu entdeckt man im Artikel an die fünfzig Abkürzungen für die verschiedenen kurdischen Gruppierungen und Kampfverbände. Die neue PKK nennt sich demnach HPG, d. h. „Volksverteidigungskräfte“. Der Hauptteil des Beitrags befasst sich mit ihrer Organisation. Unter der Leitung des aus seinem Gefängnis heraus agierenden Abdullah Öcalan steht ein Generalkommandant an deren Spitze, dem ein Kommandorat unterstellt ist. Für die Ausbildung ist das „Akademiekommando Apollo“ verantwortlich, wobei der Name des griechischen Gottes eine Anspielung auf Öcalans Spitznamen „Apo“ sein soll. Diesem Kommando unterstehen eine Rekrutenschule, eine Attentatsschule, eine Schule für mittlere und eine für schwere Waffen. Die eigentlichen Streitkräfte werden in die „Sonderkräfte“, eine Art professionelle Einsatztruppe, die „Stadtguerilla“ und die milizartigen „Selbstverteidigungskräfte“ eingeteilt. Ein besonderer Abschnitt ist den Frauenkampfeinheiten gewidmet. Interessant ist dabei der Hinweis auf „örtliche kulturelle Gegebenheiten“. So seien in den aufgeschlosseneren alewitischen Gebieten die Frauen wesentlich aktiver als in sunnitisch-konservativen Bereichen. Den Abschluss des Beitrags bildet ein Überblick über die Einsatzräume Irak, Iran, Syrien und Türkei. Dabei wird auch der Kampf gegen den IS mit den Gefechten bei Sindschar und Kobane geschildert. Abschließend erfolgt ein Hinweis auf die besorgniserregende Entwicklung in der Türkei.

 

Der Stratege des 21. Jahrhunderts

Bei der Lektüre dieses Artikels, der einer „Renaissance prinzipienorientierter Strategielehre“ gewidmet ist, muss man zweifellos die militärische Definition der Strategie beiseitelassen. Es geht hier nämlich nicht um Strategie als Bezeichnung jener Ebene, die über der taktischen und operativen liegt. Dieser Strategiebegriff, die „Anwendung aller militärischen und nichtmilitärischen Mittel durch die Staatsführung zur Erreichung des politischen Ziels im Falle von Bedrohung und Krieg“, ist hier nicht gemeint. Der Ansatz des Autors ist viel breiter. Ihm geht es um Personen, die er „Strategen“ nennt und die man als Entscheidungsträger verschiedenster Ebenen und Bereiche identifizieren könnte. Deren schnelleres Erfassen, flexibleres Denken und effektiveres Handeln steht im Mittelpunkt aller Bemühungen. Dazu wird eine „prinzipienorientierte Strategielehre“ entwickelt, ein universelles Curriculum erstellt und ein strukturiertes Lehrkonzept aufgestellt. Es geht hier also um die Ausbildung von Führungskräften aller Ebenen, die durch strategisches Handeln Erfolge erreichen sollen. Hierzu wird eine lange Reihe von Prinzipien entwickelt, die zusammen eine zielorientierte Strategie ergeben sollen. Als ein Beispiel für ein solches Prinzip sei hier die „Destabilisierung des Gegners als vorbereitende Maßnahme eines Konflikts“ erwähnt, wie sie bereits Sun Tsu um 500 v. Chr. in seiner „Kunst des Krieges“ niedergeschrieben hat. Strategisches Handeln beruht freilich nicht nur auf lehrbaren Prinzipien. Es ist auch als eine Kunst zu sehen, bei der neben Wissen und Können durchaus auch Emotionen und nicht zuletzt auch die besondere Begabung des jeweiligen Strategen für den Erfolg entscheidend sind.

 

Die Brigadeambition des Österreichischen Bundesheeres

Für den seit dem Vorjahr laufenden Assistenzeinsatz zur Migrationsbewältigung mussten von den Brigaden Kaderpräsenz- und Kadereingreifkräfte formiert und den Militärkommanden übergeben werden. Parallel dazu mussten aber auch alle „Normaufträge“ fortgeführt werden, wie etwa die Formierung von Auslandseinsatzkontingenten, die Wehrpflichtigen-Ausbildung oder die Teilnahme an Übungsserien. Diese Aufgaben wurden im Wesentlichen zufriedenstellend erfüllt. Trotzdem ist die Brigade als Organisationsform des ÖBH nicht unumstritten. Ihre Existenz, so stellt der Autor fest, reicht weiter zurück als die des Verteidigungsministeriums selbst, denn die Aufstellung von acht Brigadekommanden erfolgte bereits am 22. Juni1956 durch Erlass des damaligen Amtes für Landesverteidigung. Dass dies eine zukunftsträchtige Entscheidung war, ist heute unbestritten. Denn die Strukturierung von Landstreitkräften in Brigaden zu Lasten der Divisionsebene hat sich auch international weitgehend etabliert. Dabei kann auch auf die Brigadeambition im Rahmen des Militärstrategischen Konzepts 2010 (MSK 2010) verwiesen werden, die im vorliegenden Artikel eingehend besprochen wird.

Brigaden sind die Träger des Kampfes und nehmen Aufgaben selbständig wahr. Sie bestehen aus mehreren Bataillonen und unmittelbaren Einheiten aller Waffengattungen. Brigadetruppen befähigen die Brigade, die unterstellten Truppen zu führen, zu unterstützen und Schwergewichte zu bilden.

Es stellte sich allerdings heraus, dass auf Grund der sich laufend verschlechternden Ressourcenlage des Bundesheeres die Brigadeambition für Auslandseinsätze nicht zu halten war. Damit stand im Ergebnis der Planungen ‚ÖBH 2025‘ nicht mehr die Brigade wie beim MSK 2010 im Mittelpunkt, sondern die Bataillonskampfgruppe (BKG) als Hauptleistungsträger. Der Beitrag schildert sodann die weitere Entwicklung, darunter die Planungen für das MSK 2015 und das ‚ÖBH 2018‘. Es folgen eingehende Überlegungen zum Verhältnis Militärkommando und Brigade im Inlandeinsatz einerseits und Bataillonskampfgruppe und Brigadeambition für den Auslandseinsatz andererseits. Der Beitrag schließt mit einer Darlegung der Folgerungen und möglichen Zukunftsperspektiven.

 

Israels Sicherheitsbedrohungen im Wandel der Zeit

Einleitend wird festgestellt, dass kaum ein Staat einer so andauernd feindlichen Umwelt ausgesetzt sei, wie Israel. Im Lauf seiner Geschichte hatte der jüdische Staat zunächst eine Reihe konventioneller Bedrohungen abzuwehren.

1. Unabhängigkeitskrieg 1948/49: Kombinierter Angriff Ägyptens, Jordaniens, Syriens, des Iraks und des Libanon am Tag der Staatsgründung (14. Mai 1948); erfolgreicher Gegenangriff und Eroberung der Negev-Wüste, Galiläas und eines Korridors nach Jerusalem.

2. Sinai-Feldzug 1956: Präventivangriff im Verlauf der Suezkrise gemeinsam mit Großbritannien und Frankreich gegen das mit Ostblockwaffen hochgerüstete Ägypten; Besetzung der Sinaihalbinsel und des Gazastreifens; auf Grund des Drucks von USA und der Sowjetunion erfolgte der Rückzug und die Übergabe des Gebiets an die UN-Peacekeeping-Truppe UNEF.

3. Sechstagekrieg 1967: Nach Abzug der UNEF und Vorrücken Ägyptens gegen die israelische Grenze erfolgte ein vernichtender Präventivschlag von Israels Luftwaffe und danach die Eroberung von Sinai, Gazastreifen, Westbank und Golanhöhen.

4. Jom-Kippur-Krieg 1973: Überraschungsangriff Ägyptens trifft Israel unvorbereitet; doch kann die israelische Armee (IDF) schließlich den Krieg erfolgreich beenden; aber auch Sadats Kalkül geht auf - er gilt als erfolgreich, findet Anerkennung in der arabischen Welt und kann sich mit Israel auf einen Friedensprozess einigen.

5. Libanonkrieg 1982: Israelische Intervention mit dem Ziel der Zerschlagung der Stützpunkte der Palestine Liberation Organization (PLO) im Libanon und ihrer syrischen Unterstützer sowie der Förderung israelfreundlicher christlicher Kräfte; nach der Ermordung des Präsidenten Gemayel und nach ständigen Angriffen auf die israelische Besatzung erfolgte 1985 der Rückzug aus dem Libanon.

In der folgenden Periode kam es zu asymmetrischen Bedrohungen verschiedener Art: Intifada I 1987-1991, Intifada II 2000-2005, Hisbollah-Tätigkeit im Südlibanon (mit kurzer militärischer Auseinandersetzung – Libanonkrieg II 2006), Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen (Raketen- und Terroristenangriffe auf Israel und militärische Gegenschläge).

Im derzeitigen Syrischen Bürgerkrieg binden sich zwar israelfeindliche Kräfte ­ - Assad-Regime, IS und Hisbollah - durch Kämpfe untereinander, doch könnten sie gewonnene Kampferfahrung und die moderne Waffenausrüstung später auch gegen Israel richten. Schließlich rücken noch die seit 2015 auftretenden Sicherheitsprobleme, wie die häufigen Messerattacken durch Einzelpersonen, verstärkt ins Blickfeld. Auch mögliche Änderungen der Haltung der USA, die als unverzichtbare Schutzmacht Israels betrachtet wird, werden erörtert.

Abschließend aber wird auf die derzeit größte Bedrohung Israels eingegangen. Es ist der Iran, der sowohl Hisbollah als auch Hamas massiv unterstützt. Mit seinem Atomprogramm aber stellt er „ein potenziell existenzgefährdendes Risiko für Israel“ dar. Überdies besteht die Gefahr eines Rüstungswettlaufs am Golf. Zweifellos muss Israel derzeit besonders darauf achten im regionalen Kräftegleichgewicht nicht ins Hintertreffen zu geraten.

-kfl-

Heft 2/2016

Die neue PKK

Als Abdullah Öcalan, der Anführer der PKK, im Februar 1999 in Kenia durch türkische Sondereinheiten festgenommen und in die Türkei verbracht wurde, schien das Ende seiner Bewegung nahe. Doch ihre Rückkehr in die politische und militärische Szene wurde möglich, weil sowohl der türkische Staat als auch die PKK-Führung das Aufkommen alternativer kurdischer Kräfte erfolgreich hintertreiben konnten. Öcalan selbst reagierte auf die Sinnkrise seiner Bewegung, indem er von seiner Gefängnisinsel aus eine ideologische und organisatorische Neuausrichtung forderte. Die PKK, die „Arbeiterpartei Kurdistans“, wird seither auch als KCK, „Union der Gesellschaften Kurdistans“, bezeichnet. Die neue Organisationsform wurde 2005 durch ein eigenes Abkommen schriftlich festgehalten. Der Text besteht aus zwei ideologischen Präambeln und 46 Artikeln. Auffällig ist die Beibehaltung der kommunistischen Ideologie. In der Symbolik sind zwar Sichel und Hammer verschwunden, doch der rote Stern ist geblieben und nur durch das kurdische Sonnensymbol ergänzt worden. Modernisierungsversuche im Sinne der europäischen Linken werden festgestellt, mit Ökologie und Feminismus im Vordergrund. Während erstere freilich nur in Spurenelementen sichtbar wurde, hat sich die PKK in der Frauenfrage unbestreitbar Verdienste erworben. Sie ist jedenfalls die einzige bedeutende Organisation in der Region, die die Gleichberechtigung der Frau auf säkularer Grundlage propagiert. Die Teilnahme junger Frauen an den Guerillakämpfen wurde als Befreiungsakt sowohl von der Bevormundung durch den türkischen Staat als auch durch das Familienpatriarchat verstanden. Weitere Elemente sind die Ablehnung des Nationalstaates, des Kapitalismus und der Demokratie westlicher Prägung. Auch bleibt die PKK ihrer berüchtigten Selbstgerechtigkeit treu und sieht sich als einzige legitime Vertretung der Kurden. Hierher gehören auch die Ablehnung der Regionalregierung des irakischen Kurdistan und die – wohl auch persönliche – Animosität zwischen Öcalan und dem dortigen Kurdenführer Massud Barzani. Die Rolle des ersteren in der Führung der Gesamtorganisation, sein Verhältnis zum Exekutivrat und zum Volkskongress und die Tätigkeit dieser Organe bilden einen weiteren Teil der intensiven Analyse des Abkommens. Der Beitrag soll im nächsten Heft fortgesetzt werden.

 

Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr

In Geltow, südlich von Potsdam, in ländlicher Umgebung zwischen den Havelseen, befindet sich das Einsatzführungskommando der deutschen Bundeswehr, das deren Auslandseinsätze führt und koordiniert. Der Gebäudekomplex trägt nach einem der führenden Offiziere des Widerstands gegen Hitler den Namen „Henning von Tresckow-Kaserne“. Das Kommando besteht seit Juli 2001 und bereits seit 2002 ist das Österreichische Bundesheer dort durch einen Verbindungsoffizier vertreten. Dessen Aufgaben lassen sich kurz zusammengefasst wie folgt definieren: Koordinierung und Vertiefung der bilateralen Zusammenarbeit bei Auslandseinsätzen, Unterstützung bei deren Führung durch Beiträge zur Lagebeurteilung, Übermittlung und Koordinierung von fach- und ausbildungsspezifischen Anfragen und gegenseitige Information über österreichische bzw. deutsche Auslandseinsatzplanungen. Anhand einer instruktiven Organisationsskizze und einiger weiterer Graphiken werden Gliederung und Aufgabenerfüllung des Kommandos detailliert geschildert. Sein Auftrag ist die nationale Planung, Führung und Auswertung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr auf operativer Ebene. An Personal umfasst das Kommando an die 600 Mitarbeiter aus allen Teilstreitkräften und Bereichen der Bundeswehr mit reichlich Erfahrungen und Kenntnissen aus allen Ebenen und Gebieten. Dem Befehlshaber, einem Generalleutnant, unmittelbar unterstellt sind die Stellen für Rechtsberatung, politische Beratung, Controlling, ADSB (Administrative Datenschutzkomponente), Presse- und Informationszentrum, Abteilung Spezialoperationen, Dezernat Beobachtermissionen, Zentrum Counter-IED (= Improvised Explosive Devices), d. h. die Abwehr improvisierter Spreng- und Brandmittel, sowie die Personalvertretung und die Gleichstellungsbeauftragte. Ferner verfügt das Kommando über ein Stabs- und Fernmeldebataillon. Dem Chef des Stabes untersteht die Abteilung Einsatzkoordination mit eigenen Unterabteilungen für die verschiedenen Einsatzbereiche (Afghanistan, Irak, Kosovo, Mali etc., sowie Maritime Operationen und Standby Forces). Die eigentlichen Stabsabteilungen umfassen J1 (Personal), J2 (Nachrichtendienst), J3/5/7 (Operation, Planung, Ausbildung), J4 (Logistik), J6 (Führungsunterstützung), J8 (Rechnungswesen), J9 (Zivil-militärische Zusammenarbeit) und JMed (Sanitätsdienst). Beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr sind zahlreiche Staaten durch Verbindungsoffiziere vertreten. Derzeit sind es 14 Nationen, nämlich die NATO-Staaten Belgien, Dänemark, Estland, Frankreich, Großbritannien, Kroatien, Litauen, Niederlande, Norwegen, Ungarn und USA. Von den nichtpaktgebundenen Ländern haben außer Österreich auch Finnland und Schweden Vertreter in Geltow.

 

BACnet als Erfordernis im militärischen Umfeld und als Chance für mehr Wirtschaftlichkeit

Was bedeutet die Abkürzung „BACnet“? Nach der Definition des Autors handelt es sich um ein interoperables Protokoll in der Gebäudeautomation. Diese umfasst die Gesamtheit von Überwachungs-, Steuer-, Regel- und Optimierungseinrichtungen in Gebäuden. Dazu gehören nicht nur die Gebiete HLKSE (Heizung, Lüftung, Klima, Sanitär und Elektro), sondern auch der Bereich der Sicherheit, der mit Hilfe der englischen Übersetzung in „Safety“, wie etwa Brandschutz, und „Security“, wie z. B. Zutrittskontrolle, geteilt wird. Aber was hat das alles mit dem Militär zu tun? Dass das Österreichische Bundesheer, mit seinen zahlreichen Immobilien, an einer solchen Einrichtung interessiert ist, liegt auf der Hand. Besonders wichtig erscheint dabei das Safety- und Security-Management, wie auch die Dreiteilung in physische, Netzwerk- und Applikationssicherheit. Insbesondere aber vom Konzept der „Umfassenden Sicherheit“ (Comprehensive Security) her lässt sich die Bedeutung für das Militär ableiten. Mit Hilfe von instruktiven Skizzen und Tabellen schildert der Beitrag alle Elemente des Systems im Detail. Zu jedem einzelnen von ihnen kann BACnet einen entsprechenden Beitrag leisten. Entscheidend sei jedoch, so wird abschließend festgestellt, dass die Vorteile von BACnet einem breiten Kreis von Nutzern zugänglich gemacht werden und nicht, wie derzeit, nur einigen wenigen Spezialisten bekannt sind.

 

August Neidhardt von Gneisenau

Der Artikel ist einem der wichtigsten Vertreter der preußisch-deutschen Militärgeschichte gewidmet, der in der Theorie wie in der Praxis Bedeutendes geleistet hat. 1807 trat er erstmals als der erfolgreiche Verteidiger Kolbergs hervor, in der Folge war er zusammen mit Scharnhorst einer der wichtigsten Reformer der preußischen Armee. Und als Generalstabschef Blüchers hatte er an den Siegen von Leipzig (1813) und Belle Alliance-Waterloo (1815) maßgeblichen Anteil. Dass in diesem Artikel kein Hinweis auf den Österreichbezug dieses preußischen Feldmarschalls zu finden ist, erscheint durchaus verzeihlich. Denn ein solcher ist zwar feststellbar, muss aber wirklich als sehr geringfügig bezeichnet werden. Zwar hat Gneisenau seine militärische Laufbahn 1778 als Kadett im k.k. Husarenregiment Graf Wurmser Nr. 8 begonnen, doch wechselte er bereits im folgenden Jahr in Ansbachische Dienste. Und noch etwas – sein Adelsprädikat „von Gneisenau“ bezieht sich auf ein Schloss in Österreich! Das Schloss Gneisenau bei Kleinzell im Mühlkreis gehörte im 16. Jahrhundert tatsächlich einer Familie Neidhardt. Es ist also durchaus möglich, dass er diesem oberösterreichischen Geschlecht entstammt. Seine Verbindung dazu ist allerdings nicht eindeutig belegt und etwas umstritten. Darüber hinaus gibt es keinen Bezug zu Österreich, wenn man davon absieht, dass er einer der wenigen prominenten preußischen Militärs war, die nie gegen Österreich ins Feld gezogen sind.

 

Deutsches Engagement im Nordirak: mehr als eine sicherheitspolitische Perspektive?

Ein wenig bekanntes Kapitel in der oft undurchsichtigen Lage im Norden des Irak betrifft deutsche Bemühungen, den Abwehrkampf kurdischer Milizen gegen die Truppen des sogenannten „Islamischen Staates“ zu unterstützen. Nach dem Fall der Stadt Sindschar im August 2014 und zahlreichen dort verübten Greueltaten gegen die jesidische Bevölkerung begann das Engagement der Bundesrepublik im Nordirak mit humanitären Hilfsgütern und - etwas zögerlich - mit Waffen, einschließlich der dazu nötigen Ausbildung. Besonders geschätzt wurden die wirkungsvoll einsetzbaren Milan-Panzerabwehrlenkraketen. Seit Februar 2015 stellt die Bundeswehr, wie auch etliche andere Armeen, ein Kontingent an Ausbildern für das „Kurdish Training Coordination Center“. Mit der Erneuerung des Mandats im Jänner 2016 hat der deutsche Bundestag zugleich die Erweiterung von bisher 100 auf nunmehr 150 Mann beschlossen. Für die Ausbildung werden jeweils kurdische Verbände in Bataillonsstärke aus der Front abgezogen und vier bis fünf Wochen lang trainiert. Durch den zeitweiligen Leiter der Ausbildung, einen deutschen Oberst, wurde der Ablauf folgendermaßen strukturiert:

-          Neben der fachlichen Einzelausbildung an Waffen und Gerät wird auch die Verbandsausbildung gefördert.

-          Dem Führungspersonal werden grundlegende Prinzipien der Auftragstaktik vermittelt.

-          Verteidigung ist die Hauptgefechtsart, denn die Kurden müssen 500 km Frontlinie halten. Zumeist gibt es dort nur einen einzigen durchgängigen Graben. Daher wurde im Trainingszentrum ein mustergültiges Grabensystem ausgebaut, um die Vorteile eines solchen demonstrieren zu können.

-          Um die Rückeroberung besetzter Orte üben zu können, wurde eine Ortskampf-Anlage aufgebaut.

-          Ergänzende Spezialausbildungen, wie etwa Erste-Hilfe-Maßnahmen, werden angeboten. Zusammenfassend wird festgestellt, dass beachtliche Ausbildungsergebnisse erzielt wurden. Der Aufsatz schließt mit Überlegungen, wieweit die durch die militärische Hilfeleistung entstandenen Kontakte auch Auswirkungen auf anderen Gebieten haben könnten. Dabei wird aber darauf aufmerksam gemacht, dass Deutschland mit seinem Engagement im Nordirak zwar praktisch die Kurden unterstützt, politisch-formell jedoch nur von der Unterstützung „irakischer Sicherheitskräfte“ gesprochen werde.

-kfl-

Heft 1/2016

Die strategische Lage zum Jahreswechsel

Vier schwerwiegende, eng miteinander verbundene Krisen haben in den beiden letzten Jahren die weltpolitische Lage beeinflusst:

- Die Destabilisierung des Nahen Ostens durch den Zerfall des Iraks und Syriens, sowie die Wirren im Jemen,

- Die Ausbreitung des militanten, terroristischen Islamismus als sogenannter „islamischer Staat (IS)“,

- Die Intervention Russlands zugunsten des Assad-Regimes,

- Die Migrations- und Fluchtwelle aus dem Nahen Osten, Südwestasien und Afrika nach Europa.

Diesen Entwicklungen standen sowohl die USA, als auch Europa überwiegend reserviert bis passiv gegenüber. Die Bombe des IS gegen ein russisches Verkehrsflugzeug über dem Sinai und das Massaker in Paris am 13. November 2015 führten freilich zu einer bedeutenden Lageveränderung für Europa, aber auch für den IS selbst. Nächst unmittelbaren russischen und französischen Gegenschlägen beteuerte auch der amerikanische Präsident Obama seine Entschlossenheit im Kampf gegen den IS. Ob diese Kampfansage tatsächlich eine strategische Wende herbeiführen wird, kann erst die Entwicklung im neuen Jahr zeigen. Eingehend werden der Zerfall der nahöstlichen Staatenwelt und die Destabilisierung der ganzen Region durch den syrischen Bürgerkrieg dargestellt. An dieser Auseinandersetzung sind zahlreiche, zum Teil interessengleiche, zum Teil äußerst widersprüchlich interessierte Mächte beteiligt. Mit Saudi-Arabien an der Spitze stehen die sunnitischen arabischen Staaten dem Assad-Regime feindselig gegenüber, während der Irak und Teile des Libanons Damaskus unterstützen. Außerhalb der arabischen Welt sind an diesem Konflikt sechs Mächte beteiligt: der Iran und Russland auf Seiten Assads; die Türkei, USA, Frankreich und Großbritannien bei seinen Gegnern. Allerdings führte vor allem die Gegnerschaft zum IS auch immer wieder zu besonderen Bündnissen und Partnerschaften. In diesem Zusammenhang wird auch auf das „Sechs-Mächte-Abkommen“ mit dem Iran verwiesen, das die friedliche Nutzung der Kernenergie unter internationaler Kontrolle mit einer Verhinderung der nuklearen Waffenoption verbindet. Die USA, die EU-Staaten und die NATO  hätten sich freilich noch nicht zu einer schlüssigen Strategie der Krisenbeherrschung und Konfliktbeendigung durchringen können. Mit der russischen Intervention trat ein schwerwiegender Konflikt der russischen und der türkischen Interessen zu Tage. Die Massenflucht aus dem Nahen Osten muss im Zusammenhang mit der europäischen Sicherheit analysiert werden. Dabei wird das Problem der fehlenden strategischen Außengrenze Europas vor der Küste der Levante und des Maghreb  sichtbar. Die europäischen Staaten hatten bisher nicht die ausreichenden Mittel und Kräfte, um ihre „kritische Peripherie“ wirksam zu sichern.

Staatsräson

Der Begriff „Staatsräson“ stammt aus dem Italien der Renaissancezeit. Fußend auf Gedankengängen Machiavellis hat ihn der piemontesische Geistliche, Diplomat und politische Schriftsteller Giovanni Botero entwickelt und in seiner Schrift „Della ragione di stato“ definiert. Generell wird darunter der Vorrang der Staatsinteressen vor allen anderen Interessen verstanden. Der Staat habe den Anspruch, sich notfalls über geltendes Recht hinwegzusetzen, wenn es ein sogenanntes höheres Interesse erfordert. Eine Untersuchung des  Begriffs und seiner Bedeutung zeigt seine Doppeldeutigkeit auf. Einerseits gibt es offensichtlich allgemeingültige, für die zweckmäßige Führung eine Staates anwendbare Regeln. Andererseits hat jeder Staat eine speziell für ihn gültige Leitlinie, die erkannt und befolgt werden muss. Besonders wichtig erscheint das Verhältnis der Staatsräson zu den Begriffen von „Macht“ und „Recht“, zwei zentralen Elementen der Politik. Sie stehen in vielfältigen und wechselseitigen Beziehungen zueinander - und häufig auch in einem starken Spannungsverhältnis. Im Anschluss an diese Überlegungen bietet der Artikel noch einen interessanten, längeren Exkurs zum politischen Denken von Niccolò Machiavelli. Dennoch handelt es sich bei dem vorliegenden Beitrag keineswegs um eine historische Abhandlung. Denn auch heute noch muss der Rechtsstaat, gerade weil er Rechtsstaat ist, immer auch Machtstaat sein. Deshalb gilt es, dem Begriff „Staatsräson“ weiterhin Bedeutung zuzumessen und sein reales Auftreten in der modernen Staatenwelt aufmerksam zu beobachten.

Der Ukrainekonflikt

Die Ukraine, flächenmäßig das zweitgrößte Land Europas, ist seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 ein souveräner Staat. In den ersten Jahren der Unabhängigkeit versuchte man mit einer „Äquidistanzpolitik“ einerseits Kontakte mit der NATO und der EU herzustellen, andererseits wurde versucht, gute politische und wirtschaftliche Beziehungen zur Russischen Föderation aufrechtzuerhalten. Als die Ukraine unter dem Präsidenten Janukowitsch im November 2013 ein Assoziierungsabkommen mit der EU als der „Äquidistanz“ widersprechend verwarf, stürzte das Land in eine tiefe Krise. Die Nachfolgeregierung Poroschenkos bevorzugte eine Westorientierung und strebte EU-Nähe - wenn auch vorerst keine NATO-Mitgliedschaft - an. Die Reaktion Russlands war heftig. Sie gipfelte in  der Okkupation der Halbinsel Krim und der Auslösung separatistischer Aufstände in der Ost - Ukraine, die sich mit russischer militärischer Unterstützung aus dem ukrainischen Staatsgebiet löste. Diesem Konflikt und seiner möglichen Lösung ist der Hauptteil des Artikels gewidmet. Dabei  wird zunächst die russische Geopolitik unter Putin analysiert, der zweifellos eine Weltordnung anstrebt, in der Russland wieder als Großmacht gilt. Für die Ukraine wird dabei ein blockfreier Status mit engeren Beziehungen zu Russland angestrebt. Mit der „Eurasischen Union“, die derzeit aus der Russischen Föderation, Belarus, Kasachstan, Armenien und Kirgisistan besteht, versucht Russland ein Gegengewicht zur EU aufzubauen. Ein weiterer wichtiger Aspekt in diesem Konflikt ist die Rolle der Ukraine als Transitland europäischer Ferngasleitungen, wobei hier die Pipelineprojekte vor allem auch im Interessenspektrum der verschiedenen Staaten und Staatengruppen beurteilt werden müssen. Abschließend werden die beiden Konfliktregionen Krim und Ostukraine einer detaillierten Bewertung unterzogen. Verschiedene Lösungsmöglichkeiten und Kompromissformeln werden aufgezeigt, doch scheint keine davon unmittelbar praktikabel zu sein. Mit einer schnellen Beilegung dieses Konfliktes ist daher zur Zeit nicht zu rechnen.

Boko Haram bzw. Islamischer Staat in Westafrika

Nigeria ist mit seinen 140 Millionen Einwohnern der bevölkerungsreichste Staat Afrikas. Als einstige britische Kolonie ist er ein aus den unterschiedlichsten Stammesgruppen, Völkern und Religionen zusammengesetztes Gebilde, in dessen Süden - vor allem protestantische - Christen und Anhänger altafrikanischer Kulte leben, während der Norden moslemisch geprägt ist. Zahlenmäßig stehen 40 – 47 Prozent Christen etwa 50 Prozent Moslems gegenüber. Seit der Entkolonialisierung 1960 lösten einander demokratische Perioden und Diktaturen verschiedener Art ab. Der Ölreichtum im Süden des Landes brachte wirtschaftlichen Aufschwung, der jedoch vor allem wegen der grassierenden Korruption an der einheimischen Bevölkerung weitgehend vorbeiging. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts nahmen Islamisierungstendenzen zu und in den nördlichen Landesteilen wurde die Scharia eingeführt. Gleichzeitig ließ sich die Entstehung der „nigerianischen Taliban“ und ihre Weiterentwicklung zur Dschihadistenmiliz „Boko Haram“ beobachten. Dieser Name wird zumeist mit „Westliche Bildung ist Sünde“ oder „Westliche Zivilisation ist verboten“ übersetzt. Seit der Ausrufung des Glaubenskrieges im Spätsommer 2009 sind ihm seither zwischen 7 000 und 15 000 Menschen zum Opfer gefallen. Der Beitrag geht stark ins Detail und schildert Organisationsstrukturen, Ideologie, Ziele und Strategien, sowie regionale und internationale Kooperationen der Islamisten. Zur Frage, welche Faktoren den Dschihadismus in Nigeria gefördert haben, wird festgestellt, dass sein Erstarken weitgehend das Ergebnis falscher Politik der nigerianischen Staatsführung war. Es gab militärische Überreaktionen und widersprüchliche Aktivitäten, dazu auch einen Mangel an ethnischer und konfessioneller Dialogbereitschaft, ebenso wie an wirtschaftlich-sozialer Anpassung. Aber auch in der unmittelbaren Bekämpfung erwiesen sich die Maßnahmen der Regierung als „inkonsistent und ineffizient“. Das Boku-Haram-Netzwerk dürfte daher nach wie vor davon weitgehend unbeeinflusst und weiterhin einsatzfähig sein. Der seit Mai 2015 im Amt befindliche Präsident Muhammadu Buhari - ein ehemaliger Armeegeneral - dürfte den Ernst der Lage erkannt haben. Er verlegte das Hauptquartier der Einsatzkräfte nach Maiduguri, in das „Epizentrum“ der Kämpfe, stellte für die gemeinsam mit Kamerun und Tschad gebildete multinationale Einsatztruppe 100 Millionen USD bereit und reorganisierte die Armeeführung. Das klingt vielversprechend, doch auch die andere Seite war aktiv. Sie führte Angriffe gegen Militär und Zivilbevölkerung im Norden und sogar zwei Selbstmordanschläge in der Hauptstadt Abuja durch. Das Erstarken des „Islamischen Staats“ in Libyen lässt vermuten, dass sich die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Dschihadisten noch intensivieren könnte. Jedenfalls wäre es derzeit noch verfrüht, von nachhaltigen Erfolgen gegen „Boko Haram“ zu sprechen.

-kfl-

 

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