• Veröffentlichungsdatum : 24.03.2020
  • – Letztes Update : 26.03.2020

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Schutzoperation - Antwort auf künftige Bedrohungen

Bruno HOFBAUER & Lukas Bittner

Das operative Einsatzverfahren Schutzoperation wird im Rahmen der militärischen Landesverteidigung durchgeführt. Es dient der Abwehr überwiegend subkonventioneller souveränitätsgefährdender Angriffe auf Staat, Bevölkerung oder Lebensgrundlagen am Land, in der Luft sowie im Cyber-Raum und Informationsumfeld, welche nur mit militärischen Mitteln abgewehrt werden können. Die Aufgaben und benötigten Fähigkeiten beinhalten das volle Spektrum des Kampfes der verbundenen Waffen und des Einsatzes der verbundenen Kräfte im Rahmen der Teilstreitkräfte übergreifenden Einsatzführung. (MSK 2017)

Im TRUPPENDIENST-Heft 4/2019 wurden Hintergründe zum Bericht „Unser Heer 2030“, die ihm zugrundeliegenden Bedrohungsanalysen und sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen dargestellt. Die militärstrategischen Beurteilungsprozesse der vergangenen Jahre haben ergeben, dass die Schutzoperation die Antwort auf das einsatzwahrscheinlichste Szenario bei der zukünftigen militärischen Landesverteidigung für Österreich ist. Wie funktioniert die Schutzoperation? Welche Beurteilungen und Verfahren sind mit ihr verbunden? Welche Leistungen haben die Waffengattungen des Österreichischen Bundesheeres (ÖBH) dabei zu erbringen?

Militärstrategische Schwergewichtsbildung

Das ÖBH muss auch in Zukunft die einsatzbereite bewaffnete Macht der Republik und damit der Sicherheitsgarant sein. Selbst wenn das ÖBH Aufgaben wie sicherheitspolizeiliche Assistenzeinsätze oder Katastrophenhilfe durchführt, darf nicht übersehen werden, dass diese nicht die primären Einsatzaufgaben sind. Sie sind vielmehr die „Nebenprodukte“ des Leistungsspektrums von Streitkräften, die auf die Kernaufgabe „militärische Landesverteidigung“ auszurichten sind.

Die militärische Landesverteidigung leistet gemeinsam mit diplomatischen, politischen, wirtschaftlichen und zivilen Anstrengungen einen wesentlichen Beitrag zur Abhaltung eines Angriffes auf Österreich. Eine glaubhafte, lageangepasste und an die aktuellen Bedrohungen ausgerichtete Verteidigungsfähigkeit ist somit ein wesentlicher Bestandteil dieser Abhaltewirkung und damit eine Kernaufgabe eines souveränen Staates. Darüber hinaus gebietet es die immerwährende Neutralität, dass Österreich einen militärischen Angriff selbstständig abwehren und seine Souveränität verteidigen muss. Dazu agiert das ÖBH in drei Bereichen:

  • Schutz der österreichischen Bevölkerung und Aufrechterhaltung der Souveränität der Republik Österreich durch die militärische Landesverteidigung;
  • Vorfeldstabilisierung in unsicheren Räumen im Umfeld Österreichs, wobei der Westbalkanraum ein besonderes Schwergewichtsgebiet darstellt;
  • Beitrag zur internationalen Krisenvorsorge im Umfeld Europas inklusive Mitgestaltung der sich weiterentwickelnden Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union.

Militärische Landesverteidigung im 21. Jahrhundert

Wie wenig berechenbar die Zukunft ist, zeigen die Entwicklungen der letzten 30 Jahre. Unvorhergesehene Konflikte und Kriege, Wirtschaftskrisen oder andere unerwartete Ereignisse haben diese Epoche geprägt. Beispiele dazu sind die Jugoslawien-Kriege, Terroranschläge, wie jene vom 11. September 2001, der Arabische Frühling, die Besetzung der Krim 2014, die militärischen Erfolge des „Islamischen Staates“ im Irak und in Syrien bzw. die Flüchtlings- und Migrationskrise 2015. Niemand kann heute mit Sicherheit vorhersagen, ob das Umfeld Österreichs in fünf oder zehn Jahren noch so aussieht wie heute. Die Sicherheit auch in Zukunft als garantiert anzunehmen, ist eine Illusion.

Einsatz mit geringer Vorwarnzeit

An die Stelle einst vorhandener konkreter, konventioneller und vom Verfahren her berechenbarer militärischer Bedrohungen (z. B. während der Zeit der Raumverteidigung im Kalten Krieg) sind heute hybride Bedrohungen getreten. Für diese gibt es meist nur eine geringe Vorwarnzeit, weshalb krisenhafte Situationen jederzeit eintreten können. Das ÖBH muss die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegebenenfalls sehr rasch unterstützen, was am Beginn einer Krise vermutlich in Form einer sicherheitspolizeilichen Assistenzleistung erfolgen wird.

Wenn die Befugnisse bzw. Verfahren im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz nicht mehr ausreichen, ist das ÖBH gemäß Art. 79 des Bundes-Verfassungsgesetzes zur militärischen Landesverteidigung einzusetzen. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn im hybriden Umfeld agierende Gruppierungen militärisch organisiert und taktisch koordiniert an mehreren Stellen gleichzeitig Anschläge verüben und damit die Souveränität Österreichs gefährden. Das potenzielle Angriffsziel in einem möglichen Szenario wird vor allem die Bevölkerung sein. Dieser von außen unterstützte Gegner wird Staat und Gesellschaft mit verdeckten, nicht klar zuordenbaren, militärisch geführten Angriffen unterhalb der Schwelle des völkerrechtlich normierten Krieges in allen Dimensionen angreifen. Die Normen, die für Konflikte zwischen Staaten gelten (das „Humanitäre Völkerrecht“ oder „Kriegsvölkerrecht“), werden von einem solchen Gegner vermutlich nicht beachtet.

Fließender Übergang zur Landesverteidigung

Die Grenze des Überganges vom sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz, der von der Polizei geleitet wird, zur militärischen Landesverteidigung, die vom ÖBH geführt wird, ist nicht eindeutig zu definieren. Der Eintritt der folgenden drei Kriterien stellt jedoch eine Beurteilungsgrundlage für die politische Ebene dar, wann zur Landesverteidigung übergegangen werden sollte. Nämlich wenn

  • die territoriale Integrität Österreichs, die Bevölkerung oder die Ausübung der Staatsgewalt konkret bedroht sind,
  • die Bedrohung über einen längeren Zeitraum anhält und das gesamte Staatsgebiet betrifft, wenngleich es regional Unterschiede gibt und
  • die Abwehr der Bedrohung nur noch mit militärischen Mitteln und Verfahren möglich ist.

Der konkrete Einsatzraum, in dem die militärische Landesverteidigung zu führen ist, kann auch nur einen Teil des österreichischen Staatsgebietes umfassen, wie es beim Einsatz an der österreichischen Staatsgrenze zum ehemaligen Jugoslawien im Jahr 1991 der Fall war. Bei einer Schutzoperation ist von einem subkonventionell agierenden Gegner auszugehen, dessen Formationen gut ausgebildet sind und über eine moderne Ausrüstung und Bewaffnung verfügen. Dieser wird in der Nacht sehen und kämpfen können und das urbane Umfeld für seine Zwecke nutzen. Er wird nicht klar erkenn- und zuordenbar agieren und neben einer subkonventionellen Vorgehensweise auch konventionelle Kampfhandlungen durchführen.

Der erfolgreiche Einsatz gegen einen solchen Gegner bestimmt die Entwicklung des ÖBH. Eine wesentliche Erkenntnis ist jedoch, dass die Streitkräfte der Zukunft breit gefächert sein müssen und das gesamte militärische Fähigkeitsspektrum abzudecken haben. Zur erfolgreichen Führung einer Schutzoperation müssen die Verbände des ÖBH die taktischen Verfahren Angriff , Verteidigung, Verzögerung und Schutz beherrschen. Das beinhaltet ein Umdenken und wieder einen verstärkten Fokus auf militärische Kernfähigkeiten. Schließlich ist die Schutzoperation deutlich mehr als das Bewachen von Objekten oder das Überwachen von Räumen. Sie ist die zeitgemäße Form der militärischen Landesverteidigung und verlangt von jedem Soldaten die Beherrschung seines Handwerkes.

Permanentes Lagebild

Ein bereits im Frieden permanent geführtes gesamtstaatliches Lagebild einschließlich einer gesamtstaatlichen Krisenplanung ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Einsatzführung im Ernstfall. Es gewährleistet, dass strategische Entscheidungen rechtzeitig getroffen werden können. Sollte erkannt werden, dass eine zukünftige Bedrohung wieder von einem konventionellen (staatlichen) militärischen Gegner ausgeht, weil sich die Rahmenbedingungen völlig verändert haben, muss das ÖBH darauf reagieren und auf die Abwehroperation zurückgreifen können. Die Abwehroperation hat im Unterschied zur Schutzoperation das Ziel, einen vorwiegend konventionell angreifenden.

Schutzoperation

Die militärische Schutzoperation darf nicht mit einem Assistenzeinsatz des ÖBH zur Unterstützung der Exekutive, beispielsweise zum Schutz kritischer Infrastruktur, verwechselt werden. Sie ist vielmehr ein spezifisch-militärischer Einsatz zur Abwehr eines Angriff es auf die Souveränität Österreichs, der von außen gesteuert wird. Eine Schutzoperation dient dem Schutz des Staates, der Bevölkerung und der Lebensgrundlagen innerhalb der Grenzen Österreichs. Sie wird auf dem Boden, in der Luft, im Informationsumfeld und im Cyber-Raum geführt.

Da verdeckte Aktivitäten nicht regional einzugrenzen sind, ist von einem Einsatz im gesamten Bundesgebiet auszugehen. Mit der aktuellen Stärke des ÖBH von nur 55 000 Soldaten nach einer Mobilmachung müssen jedoch klare Schwergewichte gesetzt werden. Somit gibt es Zonen, in denen die Streitkräfte massiert auftreten. Andere Räume werden unter Nutzung technischer Mittel (z. B. Drohnen und Radarsysteme) überwacht. Die Möglichkeit zur raschen und geschützten Verlegung von Truppen ist eine Konsequenz der relativ geringen Anzahl an verfügbaren Kräften. Nur durch eine umfassende Aufklärungsfähigkeit kann das ÖBH die Initiative übernehmen und den Gegner in die Defensive drängen. Die Brigaden sind der Träger des Kampfes in den Schwergewichtsräumen, deren Einsatz folgende Faktoren berücksichtigen muss:

  • qualifizierte Beitragsleistung zum gesamtstaatlichen Handeln in einem hybriden Umfeld;
  • dezentraler und gleichzeitiger Einsatz der Streitkräfte;
  • Einsatz in einem überwiegend urbanen Umfeld;
  • Überwachung großer Räume mit hoher Mobilität der eingesetzten Kräfte;
  • Schutz der besonders wichtigen Kritischen Infrastruktur und Einrichtungen von strategischer Bedeutung;
  • hohe Autarkie und Selbstständigkeit der militärischen Verbände.

Die angeführten Überlegungen bedeuten, dass es in den kommenden Jahren zu einer zunehmenden Verschlechterung der Sicherheit im österreichischen Umfeld kommen könnte. So kann ein Akteur die Destabilisierung Österreichs oder der Europäischen Union zum Ziel haben, um eigene Interessen durchzusetzen.

Dazu kann er irreguläre Akteure, wie extremistische Organisationen oder organisierte kriminelle Gruppen, unterstützen. Diese könnten die grundlegende Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, Energie, Wasser etc. gefährden und im schlimmsten Fall sogar die Kontrolle von Teilen des Staatsgebietes übernehmen, wodurch der Staat seine Souveränität in bestimmten Bereichen verlieren würde.

Bei einer Schutzoperation ist das ÖBH mehrfach gefordert und wird dabei militärische Verfahren anwenden. Teile der eingesetzten Truppen bewachen unter Führung der Militärkommanden die Kritische Infrastruktur und überwachen wichtige Verkehrsverbindungen. Zusätzlich kann es notwendig sein, dass militärische Kräfte die Staatsgrenze gegen das Einsickern bewaffneter Kräfte schützen müssen. Verbände bis Brigadestärke werden eingesetzt, um feindliche Gruppierungen anzugreifen und die Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet zurückzugewinnen. Parallel zur laufenden Schutzoperation müssen Kräfte des ÖBH den zivilen Behörden auch für Assistenzeinsätze oder Unterstützungsleistungen zur Verfügung stehen.

Aufgaben des ÖBH in der Schutzoperation

Die Streitkräfte müssen bei einem solchen Szenario den Schutz jener Kritischen Infrastruktur sicherstellen, die für die staatliche Führungsfähigkeit und die Grundversorgung erforderlich ist. Dazu zählen besonders wichtige Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung, Schaltzentralen, Lebensmittelverteilungszentren, Tunnels und Verkehrsknotenpunkte, Wasserversorgungseinrichtungen, Kraftwerke und Umspannwerke, Tanklager etc.

Durch die öffentliche Präsenz wirkt das ÖBH abhaltend, und mit Patrouillen in gepanzerten Fahrzeugen werden das offene Zwischengelände sowie der urbane Raum überwacht. Die militärischen Kräfte müssen ein breites Fähigkeitsspektrum abdecken und rasch an Brennpunkten zusammengeführt werden können, um beispielsweise Gefahrenzonen großflächig abzusperren, einen Gegner zu bekämpfen oder mit ABC-Abwehrkräften den Einsatz von Kampfstoffen aufzuklären.

Zur großräumigen Isolierung von Gefahrengebieten und für aktive Maßnahmen gegen militante Gruppierungen müssen kampfkräftige militärische Kräfte bis zur Brigadegröße bereitstehen. Nur diese gewährleisten die Wiederinbesitznahme von Gebieten, die durch feindliche Gruppierungen der staatlichen Souveränität entzogen wurden. Spezialeinsatzkräfte führen dabei Aufklärungsaufträge durch, zerstören feindliche Führungs- und Kontrolleinrichtungen oder schalten andere Hochwertziele aus. Die Kampftruppe nimmt – unter Einsatz von schwerem Gerät wie Kampfpanzer oder Artillerie – das Gelände dann wieder in Besitz. 

Zur Abwehr von Angriffen im Cyber-Raum sind die Cyber-Kräfte des ÖBH befähigt, bei so einem Szenario sowohl zu verteidigen als auch Gegenangriffe in Netzwerken durchzuführen. Darüber hinaus wirken Informationsoperations-Elemente einer gegnerischen Propaganda entgegen, indem sie die eigenen Kräfte und die Bevölkerung informieren. Gegen Bedrohungen aus der Luft ist der Einsatz mit Kampfflugzeugen und bodengebundener Luftabwehr rund um die Uhr sicherzustellen.

Die eingesetzten Soldaten reagieren situationsangepasst auf einen sich ständig verändernden Bedrohungsmix und stellen für die Zivilbevölkerung einen Alltag mit der geringstmöglichen Einschränkung sicher. Das oberste Gebot ist dabei, Ordnung, Sicherheit und sozialen Frieden aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen. Dazu muss der Einsatz rund um die Uhr möglich sein, wofür unter anderem die Nachtkampffähigkeit oder die Echtzeit- Lagedarstellung unverzichtbare Voraussetzungen sind. Zusätzlich müssen Kollateralschäden vermieden werden, was beispielsweise durch den Einsatz von Präzisionswaffen möglich ist.

Miliz ist unverzichtbar

Die Miliz ist für die Auftragserfüllung des ÖBH unverzichtbar. Ihre Stärke beträgt aktuell etwa drei Viertel des gesamten Personalstandes, weshalb selbst die präsenten Verbände ohne die Miliz nicht vollständig einsatzbereit sind. Ausgehend von der kurzen Vorwarnzeit bei hybriden Bedrohungen muss das ÖBH in der Lage sein, aus dem Stand heraus jederzeit reagieren zu können. Gleichzeitig müssen auch die nötigen Kräfte für einen länger dauernden Einsatz verfügbar sein. Milizsoldaten müssen als Teil der Reaktionskräfte rasch einberufen werden können, um die Einsatzkräfte zu verstärken oder abzulösen. Deshalb muss ein Teil der Miliz in einem höheren Bereitschaftsgrad gehalten werden als der Rest.

Die Miliz ist mit dem gleichen Material auszurüsten wie die präsenten Verbände, da die militärische Landesverteidigung bei der Schutzoperation auch die Gesamtmobilmachung des ÖBH erfordern kann. Aus diesem Grund müssen die Milizverbände die gleichen Aufträge wie die präsenten Verbände übernehmen können. Andernfalls ist die Durchhaltefähigkeit nicht gegeben und eine erfolgreiche Einsatzführung ausgeschlossen.

Autarkie und Vernetzung

Die Kritische Infrastruktur und die Notversorgungseinrichtungen sind besonders verwundbar. Gerade bei der Energieversorgung sowie der Rohstoff - und Ernährungsbasis kann es bereits wenige Stunden nach einem Ausfall zu signifikanten Engpässen kommen. Das ÖBH muss in derartigen Krisensituationen autark sein. Gerade wenn die zivile Kommunikation, die Energie-, Betriebsmittel- und Lebensmittel- oder die Sanitätsversorgung unterbrochen ist, muss die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte gewährleistet sein.

Aus diesem Grund ist die autarke personelle und materielle Einsatzbereitschaft des ÖBH für einen Zeitraum von zumindest 14 Tagen sicherzustellen. Eine redundante und geschützte Führungsorganisation mit einem ausreichenden Vorrat an einsatzrelevanten Versorgungsgütern (z. B. Betriebsmittel, Munition, Lebensmittel) ist unabdingbar. Schließlich muss das ÖBH als Gesamtsystem selbst dann funktionieren, wenn andere Einrichtungen bereits ausgefallen sind und keine Leistungen mehr erbringen.

Für die militärische Zielerreichung sind nationale und internationale Kooperationen sowie die Koordination und Zusammenarbeit mit zivilen Behörden und Organen von entscheidender Bedeutung. Das Zusammenwirken in einem gesamtstaatlichen Lagezentrum ist die Grundbedingung für ein zielgerichtetes Handeln zur Bewältigung einer hybriden Bedrohung. Die künftigen Einsätze werden zunehmend in einer größeren Schnittmenge von zivilen, staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen sowie dem Militär stattfinden. Die Fähigkeit zur gemeinsamen und „vernetzten“ Einsatzführung ist eine Bedingung für den Erfolg im Einsatz.

Auswirkungen auf die Ausbildung

Die Unvorhersehbarkeit von sicherheitsrelevanten Lageentwicklungen und der zu erwartende technologische Fortschritt (z. B. bei autonomen Systemen, der Robotik oder der künstlichen Intelligenz) erfordern in allen Bereichen die Fähigkeit zur Innovation und Anpassung sowie die Bereitschaft zur Veränderung. Die Komplexität des modernen Gefechtsfeldes und die vermutliche Einsatzführung in einem sich ständig verändernden Umfeld inmitten der Bevölkerung bedingen gut trainierte Soldaten.

Die Ausbildungs- und Übungstätigkeit der Streitkräfte muss auf das Gefechtsfeld der Zukunft ausgerichtet sein. Alle Soldaten müssen mit den Bedingungen eines chaotischen und unklaren Gefechtsfeldes vertraut sein, in dem die Kommandanten aller Ebenen mit großer Selbstständigkeit führen müssen. Einerseits müssen sie High-Tech-Systeme beherrschen, andererseits auch beim Ausfall technischer Hilfsmittel ihre Aufträge erfüllen können. Die Kampfführung wird in unübersichtlichen urbanen Räumen, Gebäuden, Tunnelsystemen etc. sowie im ländlichen ausgedehnten Raum erfolgen. Die Kommandanten werden mit bisher unbekannten Herausforderungen umgehen müssen. Besonders die Ebenen Gruppe, Zug und Kompanie werden gefordert sein, ihre gefechtstechnischen Verfahren situationsangepasst und oft auf sich alleine gestellt anzuwenden.

Das Beherrschen der Fähigkeiten zum Kampf und das Bestehen auf dem Gefechtsfeld ist die Prämisse für alle Soldaten. Der Kampf der verbundenen Waffen ist aktuell wie nie zuvor, wobei die Verfahren auf die zukünftigen Bedrohungen und Umfeldbedingungen anzupassen sind. Dazu müssen regelmäßig Übungen auf allen Ebenen durchgeführt werden. Eine professionelle, einsatzorientierte militärische Ausbildung mit modernen Ausbildungsmitteln wie Simulationssystemen ist die Voraussetzung dafür. Die militärische Führungsausbildung muss weiterhin international, umfassend und breit ansetzen, um innovative, kreative und anpassungsfähige Kommandanten auszubilden. Gerade bei einer Schutzoperation gegen einen hybriden Gegner ist das der Schlüssel zum Erfolg.

Künftige Feindgruppierungen werden keinen Unterschied zwischen Kampf-, Versorgungs- oder Unterstützungstruppen machen, und sie werden auch die Bevölkerung als legitimes Ziel ihrer Gewalthandlungen betrachten. Die Ausbildung muss das berücksichtigen. Nur ein realitätsnahes Training stellt sicher, dass die Truppe für den Einsatz vorbereitet ist. Übungen im scharfen Schuss, die zu jeder Tages- und Nachtzeit durchgeführt werden, sind ein wesentlicher Faktor, um die Einsatzbereitschaft herzustellen. Schließlich kann keine Simulation die reale Übung im Gelände ersetzen, sondern diese nur ergänzen.

Nur bei den zwingend wiederaufzunehmenden Großübungen der Brigaden und der Streitkräfte müssen komplexe Szenarien über einen längeren Zeitraum geübt werden, wobei der Kampf der verbundenen Waffen das Schwergewicht sein muss. Zusätzlich hat die Truppe ihre Einsatzbereitschaft bei unangekündigten Alarmübungen zu beweisen, da in Friedenszeiten das Herstellen und Halten dieser Einsatzbereitschaft die wesentliche Aufgabe der Streitkräfte ist. Schließlich lassen die zu erwartenden Bedrohungen keine Zeit für eine lange Einsatzvorbereitung.

Die Fokussierung der Ausbildung auf die Herausforderungen des künftigen Gefechtsfeldes und die Verstärkung der Übungstätigkeit der Einheiten und Verbände des Bundesheeres muss mit einer Verbesserung der materiellen Ausstattung einhergehen. Zusätzlich muss die personelle Befüllung der Einheiten und Verbände mit Nachdruck betrieben werden, da die nötige Erhöhung der Einsatzbereitschaft nur mit gut trainierten Kräften möglich ist.

Die Aus-, Fort- und Weiterbildungen der Soldaten des Präsenz- und Milizstandes sind auf die möglichen Bedrohungen auszurichten. Den Kommandanten sind optimale Möglichkeiten zur Ausbildung in einer möglichst einsatznahen Umgebung zu bieten. Sie haben die ihnen anvertrauten Soldaten in unterschiedlichen und möglichst realistischen Szenarien zu führen. So erhalten sie die nötige Sicherheit, um im Einsatz auch schwierige Situationen zu bewältigen.

Auf einen Blick

Die Schutzoperation ist die aktuelle Form der militärischen Landesverteidigung gegen einen subkonventionell agierenden Gegner. Sie ist die einsatzwahrscheinlichste militärische Reaktion auf die gegenwärtige Bedrohungslage und erfordert ein kampf- und einsatzbereites ÖBH.

Gefragt sind weder ein „Bundesheer Light“ noch eine „schwer bewaffnete Polizeitruppe“ und schon gar nicht die Rückkehr zur konventionellen Raumverteidigung oder zu „Panzerschlachten“. Die Streitkräfte der Gegenwart und Zukunft müssen vielmehr in der Lage sein, große Räume zu überwachen, ihre Verbände mit modern ausgerüsteten Soldaten rasch in Schwergewichtsräume zu verlegen, um einem subkonventionellen Gegner gegenüberzutreten und ihn zu besiegen. Das erfordert – neben Investitionen in die Ausrüstung – auch ein Umdenken auf allen Ebenen und die Konzentration auf die Kernaufgabe des ÖBH – die militärische Landesverteidigung.

Generalmajor Mag. Bruno G. Hofbauer ist Leiter der Gruppe Grundsatzplanungen im Bundesministerium für Landesverteidigung.

Kommissär Lukas Bittner, MA ist Referent in der Abteilung Militärstrategie im Bundesministerium für Landesverteidigung.

 

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