• Veröffentlichungsdatum : 12.09.2016

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Der militärische Kulturgüterschutz

Dominik Horn

Die militärische Bewahrung von Kulturellem Erbe - eine alte und neue Herausforderungen für das Bundesheer. Kulturgüterschutz im In- und Ausland ist keine Kernaufgabe von Streitkräften. Dennoch haben diese dabei unverzichtbare Aufgaben. Zu deren Erfüllung sind eine gediegene Ausbildung vor allem des Kaders, die Bereitstellung und der Einsatz von Fachpersonal ebenso erforderlich, wie klare Vorschriften und Richtlinien. Eine davon ist die 2009 erstellte Richtlinie für den militärischen Kulturgüterschutz und zur militärischen Bewahrung von Kulturellem Erbe.

Sommeruniversität Krems - Kulturgüterschutz

Der Bereich Kulturgüterschutz wird in Österreich in erster Linie durch zivile staatliche Organisationen wahrgenommen. Aufgrund des derzeit geltenden Bundesministeriengesetzes ist dafür im öffentlichen Bereich bzw. auf bundesstaatlicher Ebene das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Abteilung IV/1 (Restitutionsangelegenheiten) zuständig und im nachgeordneten Bereich das Bundesdenkmalamt. Dieses Ministerium ist somit federführend und verantwortlich für sämtliche Angelegenheiten des Kulturgüterschutzes im nationalen Bereich. Im internationalen und multinationalen Bereich - vor allem im Zusammenhang mit der United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) - ist hingegen das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Abteilung V/4 (Multilaterale Angelegenheiten der Auslandskultur; UNESCO-Angelegenheiten) zuständig.

Das Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport, Abteilung Einsatzplanung, ist gemäß Geschäftseinteilung nur für den militärischen Anteil des Kulturgüterschutzes verantwortlich. Dieser Bereich wird als militärischer Kulturgüterschutz bezeichnet und ist lediglich ein Teil des gesamten Kulturgüterschutzes im öffentlichen Bereich. Im Bundesheer hat das Thema Kulturgüterschutz Tradition und - neben den militärischen Kernaufgaben - auch einen entsprechenden Stellenwert in der Ausbildung und bei Übungen. In internationalen Einsätzen gewinnt das Thema Kulturgüterschutz ebenfalls mehr und mehr an Bedeutung. Doch wie wird nun der Kulturgüterschutz (völkerrechtliche Verpflichtung!) grundsätzlich und wie im Zuge von internationalen Einsätzen umgesetzt?

Militärstrategische Ausrichtung

Die sicherheitspolitischen Verhältnisse haben sich in den letzten zwanzig Jahren grundlegend geändert. Damit verbunden gewann die Krisenbewältigung durch (internationale) Friedensunterstützende Operationen einen höheren Stellenwert als je zuvor. Darunter fallen sowohl die NATO-geführten Crisis Response Operations als auch die EU-geführten Crisis Management Operations. In Zusammenhang damit hat auch der Schutz von Kulturgut, als Teil der Cultural Awareness (der Sensibilisierung und der umfassenden Information über den Umgang mit einer anderen Kultur), wesentlich an Bedeutung zugenommen.

Die zu Beginn der neunziger Jahre auf Basis der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten erlassene Richtlinie für den Kulturgüterschutz (Erlass vom 12. Februar 1993, GZ 64.530/10-5.7/93) galt lediglich für internationale bewaffnete Konflikte. Deshalb war und ist - unabhängig von der internationalen Entwicklung - im nationalen Bereich der militärische Teil des Kulturgüterschutzes den völkerrechtlichen Vorgaben sowie den neuen Gegebenheiten und Konfliktformen anzupassen. Auch Österreich hat gemäß

  • der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14. Mai 1954,
  • dem Ersten Protokoll zur Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14. Mai 1954 und
  • dem Zweiten Protokoll zur Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 26. März 1999

rechtliche Verpflichtungen im Bereich des militärischen Kulturgüterschutzes.

Deshalb wurde (mit Erlass vom 11. Jänner 2010, GZ S93321/2-S IV/2009) eine Richtlinie für den militärischen Kulturgüterschutz und zur militärischen Bewahrung von Kulturellem Erbe erstellt, die in allen Einsätzen des Bundesheeres nach § 2 Wehrgesetz 2001 zu berücksichtigen ist. Die Umsetzung des militärischen Kulturgüterschutzes leitet sich darüber hinaus auch vom Konzept Zivil-Militärische Zusammenarbeit (Anlage zum Militärstrategischen Konzept; Erlass vom 7. Oktober 2008, GZ S92150/29-MilStrat/2008) ab.

Umfang und Stellenwert

Der Schutz von Kulturgut in bewaffneten Konflikten ist Teil des Humanitären Völkerrechts (entstanden aus dem Kriegsvölkerrecht) und ist - abgesehen von wenigen Ausnahmen, bei denen dessen Bestimmungen schon in Friedenszeiten zu beachten sind - nur bei (internationalen und nicht internationalen) bewaffneten Konflikten sowie im Fall der militärischen Besetzung fremden Gebietes anwendbar.

Die 2009 erstellte Richtlinie für den militärischen Kulturgüterschutz und zur militärischen Bewahrung von Kulturellem Erbe listet die Verpflichtungen zum Schutz von Kulturgut im militärischen Bereich auf und stellt sicher, dass bereits in Friedenszeiten auf allen militärischen Führungsebenen des Bundesheeres Vorbereitungsmaßnahmen zum Schutz von Kulturgut getroffen werden, und zwar vor absehbaren Folgen eines bewaffneten Konfliktes. Die Richtlinie umfasst die Aufgaben und Anweisungen

  • zum Schutz von Kulturgut bei Einsätzen des Bundesheeres im In- und Ausland,
  • zum Schutz von Kulturgut im Zuge der allgemeinen Einsatzvorbereitung sowie
  • für die Ausbildung im Bereich militärischer Kulturgüterschutz und
  • für den Einsatz der Verbindungsoffiziere/militärischer Kulturgüterschutz.

Die Richtlinie gewährleistet auch, dass das Militär zivile Behörden auf deren Ersuchen schon bei der Planung von Notfallmaßnahmen zum Schutz bei Naturkatastrophen (z. B. Feuer, Hochwasser usw.) sowie bei Maßnahmen zur Verhinderung der illegalen Verbringung von Kulturgut unterstützt. Nach dem Zweiten Weltkrieg brachten z. B. amerikanische Truppen ca. 200 Gemälde aus deutschen Museen, vorwiegend aus der Berliner Gemäldegalerie, in die USA. Dort wurden diese Bilder von 1948 bis 1949 in einer Wanderausstellung in mehreren Städten gezeigt. Anscheinend war nicht von Anfang an klar, ob diese Bilder nach Deutschland zurückkehren sollten. Deshalb protestierten namhafte amerikanische Kunsthistoriker vehement gegen diese Verbringung von Kulturgut. Die Gemälde wurden 1949 nach Deutschland zurückgebracht.

Fachbegriffe und Grundsätze

Kulturgut im Sinne des Artikels 1 der Haager Konvention ist das bewegliche und unbewegliche Gut, das für das Kulturelle Erbe aller Völker von großer Bedeutung ist. Dazu gehören Bau-, Kunst- oder geschichtliche Denkmäler religiöser oder weltlicher Art, Kunstwerke sowie Bücher, Manuskripte und andere Gegenstände von künstlerischem, historischem oder archäologischem Interesse. Unter Kulturgut fallen auch Baulichkeiten, die vorwiegend und tatsächlich der Erhaltung oder Ausstellung des bezeichneten beweglichen Gutes dienen, wie Museen, Archive und Bergungsorte (z. B. aufgelassene Bergwerke als Lager für bewegliche Kunstschätze usw. im Falle von Bedrohungen) sowie Orte (sogenannte Denkmalsorte), die in beträchtlichem Umfang Güter im Sinne der obigen Aufzählung aufweisen.

Der Schutz von Kulturgut umfasst dessen Sicherung und Respektierung. Zur Sicherung von Kulturgut sind von den zuständigen (zivilen) Stellen schon in Friedenszeiten alle geeigneten Maßnahmen zum Schutz vor den absehbaren Folgen eines bewaffneten Konflikts zu treffen (beispielsweise durch die Vorbereitung der Verbringung möglicherweise gefährdeten Kulturgutes in geschützte Depots).

  • Die Respektierung von Kulturgut umfasst die Verbote,
  • Kulturgut und seine unmittelbare Umgebung sowie die zu seinem Schutz bestimmten Einrichtungen für Zwecke zu benützen, die diese im Falle bewaffneter Konflikte der Vernichtung oder Beschädigung aussetzen könnten, sowie

feindselige Handlungen gegen Kulturgut zu richten.

Diese Verbote gelten nur solange, als Kulturgut nicht durch seine Verwendung beziehungsweise Funktion zum militärischen Ziel geworden ist. Ein Kulturgut kann unter verstärkten Schutz gestellt werden, wenn es

  • von höchster Bedeutung für die gesamte Menschheit ist,
  • durch angemessene innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsmaßnahmen geschützt wird, mit denen sein außergewöhnlicher kultureller und historischer Wert anerkannt und das höchste Maß an Schutz gewährleistet wird und
  • es nicht für militärische Zwecke verwendet wird.

Sobald dieser Status gewährt ist, wird das Kulturgut in die internationale Liste der unter verstärktem Schutz stehenden Kulturgüter aufgenommen. Eine begrenzte Anzahl von Bergungsorten zur Sicherung beweglichen Kulturgutes bei bewaffneten Konflikten, von Denkmalsorten und von anderen unbeweglichen Kulturgütern von sehr hoher Bedeutung stehen darüber hinaus unter Sonderschutz. Dieser Status wird von der UNESCO verliehen und in das Internationale Register für Kulturgut unter Sonderschutz eingetragen. Weltweit stehen derzeit fünf Objekte unter Sonderschutz: ein Bergungsort in Deutschland, drei Bergungsorte in den Niederlanden und der Vatikan als Denkmalsort.

Der Artikel 16 der Haager Konvention sieht die Kennzeichnung von Kulturgütern vor. Diese Kennzeichnung zur Erleichterung der Feststellung von Kulturgut kann schon in Friedenszeiten erfolgen. (Doch auch nicht gekennzeichnetes Kulturgut - sofern es als solches erkennbar ist - ist zu schützen.) Es gibt zwei wesentliche Kennzeichen: das Kennzeichen in einfacher Form und das Kennzeichen in dreifacher Form (für Kulturgut unter Sonderschutz).

Das Kennzeichen in einfacher Form kennzeichnet Kulturgut, das nicht unter Sonderschutz steht, also auch Kulturgut unter verstärktem Schutz, ebenso Personen, die mit der Überwachung oder dem Schutz von Kulturgut betraut sind und Transporte von Kulturgut. Nach den Ausführungsbestimmungen zur Haager Konvention erhält das dazu eingesetzte Personal auch damit gekennzeichnete Ausweise. Das Kennzeichen in dreifacher Form (für Kulturgut unter Sonderschutz) darf nur für unbewegliches Kulturgut unter Sonderschutz, Transporte von Kulturgut unter Sonderschutz, Transporte von Kulturgut in dringenden Fällen und improvisierte Bergungsorte verwendet werden. Die Anbringung der Kennzeichen liegt im Ermessen der zuständigen Behörden. Es ist verboten, das Kennzeichen während eines internationalen bewaffneten Konflikts zu anderen als den oben genannten Zwecken zu verwenden. Verstöße gegen dieses Verbot sind (auch nach österreichischem Recht) strafbar.

Besondere militärische Verpflichtungen

Die Sicherung von Kulturgut gegen die absehbaren Folgen eines bewaffneten Konflikts obliegt primär den zivilen Behörden. Das Bundesheer kann diese auf deren Ersuchen dabei unterstützen, z. B. durch einen Assistenzeinsatz gemäß § 2 Abs. 1 lit. b oder c des Wehrgesetzes 2001, etwa beim Transport von Kulturgut.

Den Streitkräften/Konfliktparteien ist grundsätzlich verboten, Kulturgut, dessen unmittelbare Umgebung sowie die zu seinem Schutz bestimmten Einrichtungen für militärische (paramilitärische) Zwecke zu benützen und es so im Falle eines bewaffneten Konfliktes der Vernichtung oder Beschädigung auszusetzen.

Lediglich in Fällen zwingender militärischer Notwendigkeit ist eine Benützung von Kulturgut und dessen unmittelbarer Umgebung zu militärischen Zwecken ausnahmsweise zulässig. Diese Notwendigkeit liegt vor, wenn praktisch keine andere Möglichkeit besteht, einen vergleichbaren militärischen Vorteil zu erlangen, wie er sich durch die gegen das Kulturgut bzw. dessen Umgebung gerichtete Handlung beziehungsweise durch deren Benutzung bietet (zum Beispiel wenn die Zerstörung einer historischen Brücke den Vormarsch des angreifenden Gegners nachhaltig hemmt, weil es weit und breit keine andere Brücke gibt).

Die Festlegung dieser zwingenden militärischen Notwendigkeit erfordert vom militärischen Kommandanten jedoch ein gründliches Abwägen der Handlungsalternativen und darf nur dann erfolgen, wenn tatsächlich keine andere praktikable Möglichkeit zur Erreichung eines vergleichbaren militärischen Vorteils besteht. Alle Kommandanten haben in ihrem Bereich Verstöße gegen das Humanitäre Völkerrecht zu verhindern sowie entsprechende Schritte zur Verfolgung und Bestrafung von Tätern zu setzen. Die Kommandanten haben gemäß geltendem Völkerrecht die direkte und persönliche strafrechtliche Verantwortung für Taten, die Truppen unter ihrer (tatsächlichen) Befehls- bzw. Führungsgewalt und Kontrolle begehen, sofern diese Taten eine Folge des Versäumnisses der ordnungsgemäßen Kontrolle über diese Truppen sind.

Zur Benützung zu militärischen Zwecken zählt beispielsweise das Unterziehen einer Truppe, die Unterbringung einer Fernmeldeeinrichtung oder die Errichtung eines Stützpunktes. Generell ist zu vermeiden, militärische Ziele in der Nähe von Kulturgut zu schaffen. Die Abstände militärischer Ziele zum Kulturgut sind so festzulegen, dass bei deren Bekämpfung das in der Umgebung befindliche Kulturgut vor Waffenwirkung und deren allfälligen Folgen (Brand, Splitter, …) geschützt ist. Dies gilt insbesondere für die Festlegung und Errichtung von Gefechtsständen, Stellungen, Versorgungspunkten und Verfügungsräumen.

Die Benützung von Kulturgut und seiner unmittelbaren Umgebung - beispielsweise zur Versorgung Kranker und Verwundeter (auch Soldaten), zur Versorgung der Zivilbevölkerung und als neutralisierter Ort für humanitäre Hilfe jeglicher Art - ist aber zulässig, wenn die Benützung das Kulturgut im Falle eines bewaffneten Konfliktes keiner Vernichtung oder Beschädigung aussetzt. Um all die oben angeführten Maßnahmen im Ernstfall richtig anzuwenden, sind schon in Friedenszeiten Maßnahmen zum Schutz von Kulturgut zu treffen - auch im militärischen Bereich.

Dazu zählen u. a.

  • die Verbreitung der Haager Konvention und ihrer Protokolle,
  • die Aufnahme von Richtlinien und Anweisungen zum Schutz von Kulturgut in die Vorschriften des Bundesheeres,
  • die Entwicklung und die Durchführung von Ausbildungs- und Schulungsprogrammen sowie
  • die Beistellung von Fachpersonal, das über die Respektierung des Kulturguts zu wachen hat und mit den für seine Sicherung verantwortlichen zivilen Behörden zusammenarbeitet (Verbindungsoffiziere/militärischer Kulturgüterschutz - VeO/milKGS)

Kulturgüterschutz im Bundesheer

Für die Umsetzung des militärischen Kulturgüterschutzes haben grundsätzlich die zuständigen Organisationseinheiten des Ministeriums, die Kommandanten aller Führungsebenen, die Rechtsberater, die Verbindungsoffiziere/militärischer Kulturgüterschutz und die Militärstreife/Militärpolizei zusammenzuwirken.

Die Funktion der Verbindungsoffiziere des Streitkräfteführungskommandos, der Militärkommanden (für nationale Einsätze) und der Brigadekommanden (vorrangig für internationale Einsätze) ist eine Hauptfunktion und wurde als solche auch in die Organisationspläne aufgenommen. Den Verbindungsoffizieren/militärischer Kulturgüterschutz obliegen bei Einsätzen des Bundesheeres im In- und Ausland gemäß § 2 Wehrgesetz 2001 insbesondere folgende Aufgaben:

  • Information der militärischen Kommanden und Dienststellen über die Kulturgüterschutz-Lage (geographische Lage, Klassifizierung nach dem Gefährdungspotenzial für Kulturgut, Zustand der Objekte und zuständige zivile Stellen z. B. Bundesdenkmalamt, Landeskonservatorate des Bundesdenkmalamtes, Zivilschutzorganisationen, Eigentümer oder Besitzer des Kulturguts);
  • Beratung der militärischen Kommanden in Angelegenheiten des Kulturgüterschutzes;
  • Wahrnehmung der militärischen Interessen bei den zivilen Stellen;
  • Information der zivilen Stellen über die militärische Lage und die militärischen Einsatzführungsmaßnahmen (sofern diese nicht der Geheimhaltung unterliegen);
  • Beratung der zivilen Stellen in Angelegenheiten des militärischen Kulturgüterschutzes;
  • Übermittlung ziviler Anforderungen an die militärischen Kommanden und Dienststellen zur Unterstützung in Angelegenheiten des Kulturgüterschutzes;
  • Mitwirkung an der Vorbereitung und Durchführung des Einsatzes (z. B. bei der Erstellung von Befehlen bzw. im Rahmen des "Targeting", der Auswahl und Prioritätenreihung von Zielen);
  • Aufbereitung von Basismaterial im Bereich Kulturgüterschutz;
  • Durchführung von Fortbildungen im Bereich militärischer Kulturgüterschutz und Mitwirkung bei der Basisausbildung der Soldaten;
  • Mitwirkung bei den Katastropheneinsätzen zur Beratung der Einsatzstäbe.

Im Bereich der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit ist - im nationalen wie im internationalen Umfeld - beim Kulturgüterschutz die Zusammenarbeit der militärischen und zivilen Stellen erforderlich. Zu den zivilen Stellen zählen

  • internationale Organisationen (z. B. die UNESCO),
  • internationale Nicht-Regierungsorganisationen (z. B. Cultural Heritage without Border),
  • nationale Nicht-Regierungsorganisationen (z. B. die Österreichische Gesellschaft für Kulturgüterschutz),
  • staatliche zivile Behörden (darunter das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, das Bundesdenkmalamt und das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten) sowie 
  • Fachexperten (wie Archäologen, Historiker und Archivare).

Besonderheiten in Friedensunterstützenden Operationen

In internationalen (zumindest zwei Staaten, die einander feindlich gegenüberstehen) und nicht internationalen bewaffneten Konflikten (unterschiedliche Gruppierungen/Konfliktparteien stehen einander oder einem Staat feindlich gegenüber) wurde Kulturelles Erbe, insbesondere Kulturgut, oftmals gezielten Angriffen ausgesetzt. Dabei war die Zerstörung oder die illegale Verbringung von Kulturgütern sowie die Auslöschung kultureller Identitätsmerkmale einer Volksgruppe ein von der anderen Konfliktpartei beabsichtigtes Ziel. Derartige Handlungen haben weltweit Empörung hervorgerufen und Sanktionen durch die internationale Staatengemeinschaft ausgelöst.

Aufgrund dieser Erfahrungen sind von den zur Krisenbewältigung eingesetzten Kräften bei Friedensunterstützenden Operationen - im Rahmen des jeweiligen völkerrechtlichen Mandats und im Bewusstsein des Prinzips der Cultural Awarness - nunmehr verstärkt auch Aufgaben zur Bewahrung des Kulturellen Erbes (Safeguarding Cultural Heritage) wahrzunehmen. Die eingesetzten Kräfte müssen sich demnach auch mit der Sicherung der Gesellschaft, der Funktionsfähigkeit politischer Einrichtungen, der Kultur und der Wirtschaft sowie mit dem sozialen Umfeld im Einsatzraum auseinandersetzen.

In der Konfliktphase bzw. unmittelbar danach hat dabei im Einsatzraum der Schutz von Kulturellem Erbe vor mutwilliger Zerstörung durch die Konfliktparteien Priorität. Zur gezielten Abwehr potenzieller Bedrohungen des Kulturellen Erbes sind daher die Risken im Zuge der Stabsarbeit zu analysieren und die zum Schutz unbedingt erforderliche Anzahl von Soldaten sowie Materialien bereitzustellen. Darüber hinaus hat in dieser Phase eine Proposed Designation of Protective Zones (Vorschlag von Schutzzonen) zu erfolgen. Diese Zonen werden gemeinsam mit bzw. auf Vorschlag einer internationalen, einer Regierungs- oder einer Nicht-Regierungsorganisation geplant und erstellt. Die Fähigkeit zur Crowd and Riot Control (CRC - Demonstrations- und Aufruhrkontrolle) ist ebenfalls sicherzustellen. In der Wiederaufbauphase hingegen steht die Bewahrung des Kulturellen Erbes im Vordergrund.

Maßgeblich für die Sicherstellung des militärischen Schutzes von Kulturellem Erbe einschließlich des Kulturgutes sind in Friedensunterstützenden Operationen die für jeden Einsatz gesondert festgelegten internationalen und nationalen einsatzrechtlichen Grundlagen wie

  • der Operations Plan (OPLAN - Operationsplan),
  • die Operations Order (OPORDER - Operationsbefehl),
  • die Standard Operating Procedures (SOP - generelle Verhaltensregeln für den Einsatz) und
  • die Rules of Engagement (RoE - auf den jeweiligen Einsatz bezogene standardisierte Richtlinien für militärische Gewaltanwendung).

Der zuständige Kommandant kann Objekte des Kulturellen Erbes und Kulturgut als Property with Designated Special Status (PrDSS - Güter mit zugewiesenem Sonderstatus) deklarieren. Das ermöglicht die Anwendung situationsangemessener Befehls- und Zwangsgewalt gemäß den Rules of Engagement zum direkten und indirekten Schutz der so designierten Güter. Die Anwendung von Befehls- und Zwangsgewalt zum Schutz Kulturellen Erbes - einschließlich eines lebensgefährdenden Waffengebrauchs - richtet sich dabei nach den für den Einsatz geltenden nationalen und internationalen Rechtsgrundlagen und Einsatzweisungen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben ist für die Zivil-Militärische Zusammenarbeit im Ausland bzw. die Civil-Military Cooperation (CIMIC) auf allen Führungsebenen entsprechend ausgebildetes Personal vorzusehen, z. B. die Verbindungsoffiziere/militärischer Kulturgüterschutz.

Auf einen Blick

Der militärische Kulturgüterschutz im Bundesheer, der in den letzten Jahrzehnten einen höheren Stellenwert erlangt hat, wird auch weiterhin seine Geltung haben. Der militärische Kulturgüterschutz wird im Wege der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit vorwiegend gemeinsam mit dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, dem Bundesdenkmalamt sowie dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten national wahrgenommen.

Der Aspekt zum Schutz des Kulturellen Erbes aus einsatzplanerischer Sicht bezieht sich hingegen ausschließlich auf Friedensunterstützende Operationen. Die Wahrnehmung des Kulturgüterschutzes, aber auch des Schutzes des Kulturellen Erbes, erfordert von den militärischen Kräften, den nationalen staatlichen Behörden sowie den Internationalen und Nicht-Regierungsorganisationen insbesondere das zivil-militärische Zusammenwirken in Complex Emergency Situations ("Ausnahmezustand") aber auch die intensive Auseinandersetzung mit den Konfliktursachen. Gleichzeitig geht es bei der Krisenbewältigung durch multinationale Streitkräfte darum, mit allen zur Verfügung stehenden (Rechts)Mitteln der Verschärfung von Gegensätzen entgegenzuwirken.

All das muss bereits in der Planungsphase - zivil und militärisch - berücksichtigt werden, unter anderem mittels rechtzeitiger ausbildungsmäßiger und personeller Maßnahmen.

Oberrat Oberst dhmfD Mag. Dominik Horn, Akademischer Lateinamerikanist, MA (LAS) ist Leiter des Referates Zivil-Militärische Zusammenarbeit und Internationale Humanitäre und Katastrophenhilfe in der Abteilung Einsatzplanung/Sektion IV - Einsatz des BMLVS.

 

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