• Veröffentlichungsdatum : 23.08.2021
  • – Letztes Update : 03.12.2021

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Einmarsch der Gendarmerie

Jörg Aschenbrenner

Die Fakten hinsichtlich der Abtretung Deutsch-Westungarns an Österreich waren mit der Unterzeichnung des Vertrages von St. Germain am 10. September 1919 bereits geschaffen, als Ungarn am 4. Juni 1920 den Vertrag von Trianon unter Protest unterzeichnete. Damit verlor das ehemalige Königreich Ungarn zwei Drittel seines Staatsgebietes und rund die Hälfte seiner Bevölkerung an die umgebenden Nachfolgestaaten der Donaumonarchie. Es bildeten sich rasch Widerstandsgruppen, die diese Entscheidung nicht akzeptierten und bereit waren, den bewaffneten Kampf gegen die Annexion der Vertragsgebiete aufzunehmen. Da die Entente eine Besetzung des Burgenlandes durch das Bundesheer zunächst verbot, war es die Gendarmerie, die im ersten Ansatz ab dem 28. August 1921 einen friedensmäßigen Einmarsch durchführen sollte, jedoch in teils heftige Kämpfe mit den Freischärlern verwickelt wurde und dabei erhebliche Verluste erlitt.

Mit der Ausrufung der Räterepublik in Ungarn und dem Auftreten von bewaffneten Formationen im Raum Ödenburg war bereits im Februar 1919 die Einrichtung eines provisorischen Grenzschutzes durch die Gendarmerie notwendig geworden. Mit Erlass des Staatsamtes für Inneres, Zl. 24.450, vom 9. Juli 1919 wurde die „Gendarmeriegrenzschutzleitung“ in Wiener Neustadt unter dem Kommando von Gendarmerieoberinspektor Georg Ornauer eingerichtet. Aus dieser Grenzschutzformation sollte sich die Gendarmerie des Burgenlandes entwickeln.

Die später als Gendarmeriegrenzschutzkommando bezeichnete Einheit, aus der mit 1. Jänner 1922 das provisorische Landesgendarmeriekommando für das Burgenland mit Sitz in Sauerbrunn hervorging, gliederte sich in fünf Grenzschutz-Abschnittskommanden (GrGAK).

  1. Dem GrGAK Bruck an der Leitha (Nr. I) waren die Grenz-Bezirksgendarmeriekommanden (GrBGK) Bruck an der Leitha und Hainburg unterstellt. Nach erfolgter Landnahme im November 1921 entstanden aus dem GrGAK Nr. I das Gendarmerie-Abschnittskommando (GAK) und das Bezirksgendarmeriekommando (BGK) Neusiedl am See.
  2. Aus dem GrGAK Unterwaltersdorf (Nr. II) mit dem GrBGK Unterwaltersdorf ging das GAK Eisenstadt mit den BGK Eisenstadt und Mattersdorf (seit 14. Juni 1924 Mattersburg) hervor.
  3. Aus dem GrGAK Wiener Neustadt (Nr. III) mit den GrBGK Wiener Neustadt und Kirchschlag entwickelte sich das GAK Oberpullendorf mit dem BGK Oberpullendorf sowie der BGK-Expositur Ober-Loisdorf, später Lockenhaus.
  4. Das GrGAK Hartberg (Nr. IV), dem das GrBGK Friedberg unterstellt war, wurde nach dem erfolgreichen zweiten Einmarsch in das GAK und das BGK Oberwart mit der Expositur Rechnitz übergeführt.
  5. Das GrGAK Fehring (Nr. V) mit den GrBGK Fürstenfeld und Fehring formierte das GAK Güssing mit den BGK Güssing und Jennersdorf.

Die oben genannten Abteilungen hatten je einen der fünf Grenzabschnitte (GrA) an der alten österreichisch-ungarischen Grenze zu betreuen: Bruck an der Leitha I und II (Unterwaltersdorf), Wiener Neustadt, Hartberg und Fehring. Dem Gendarmeriegrenzschutzkommando unterstand bis Anfang 1922 darüber hinaus das „Internierungslager für österreichfeindliche Personen aus dem Burgenland“ in Oberhollabrunn (heute Hollabrunn).

Zu Beginn des Einmarsches in das Burgenland verfügte das aus Beamten verschiedener Bundesländer, Probegendarmen und Freiwilligen bestehende Gendarmeriekontingent über rund 1 950 Mann. Der Einmarsch der Gendarmerie in das Burgenland sollte nach dem „Plan de transfert“ der Interalliierten Militärkommission in zwei Phasen am 28. und 29. August 1921 durch elf Kolonnen erfolgen. Im Folgenden werden die wesentlichsten Ereignisse des ersten Landnahmeversuches nach geografischen Regionen und Einmarschkolonnen gegliedert dargestellt. Innerhalb der Kolonnen erfolgt eine chronologische Abhandlung über den gesamten Zeitraum vom 28. August bis zum 09. September 1921.

Nordburgenland

Vereinbarungsgemäß rückten die in den Aufmarschstationen am Vortag bereitgestellten Gendarmeriekolonnen am Morgen des 28. August in das Burgenland ein. Die Kolonne 1 erreichte ungehindert das nahegelegene Kittsee. Ebenso erreichte die Kolonne 2 ohne auf Freischärler zu treffen die vorgesehenen Zielorte und konnte die geplanten Posten in Bruckneudorf, Parndorf, Neusiedl und Gols aufstellen. Lediglich in den großen Gutshöfen um Nickelsdorf und St. Andrä wurden von Patrouillen schwache ungarische Sicherungen erkannt.

Hinsichtlich des weiteren Bestandes des Postens Parndorf existieren unterschiedliche Angaben. Im Atlas Burgenland findet sich dazu folgender Eintrag: Während des ersten Landnahmeversuches wurde am 29. August 1921 ein österreichischer Posten eingerichtet [wahrscheinlich erfolgte die Einrichtung des Postens bereits am 28. August; Anm.], der aber nach heftigen Kämpfen schon nach zwei Tagen wieder aufgegeben werden musste. Der Freischärlerführer Ivan Héjjas richtete sich im Gasthaus Krammer in Parndorf ein. Von dort aus wurde ein Angriff auf Bruck geplant.“

Der Hinweis auf die Anwesenheit von Héjjas bezieht sich wohl auf die Zeit nach dem Abzug der österreichischen Gendarmerie (10. September 1921). Der Angriff auf eine Heeresformation (III./IR 1) in Bruck an der Leitha ereignete sich am 24. September 1921. Schlag hingegen berichtet, dass das Héjjas-Detachment, das ursprünglich dort eingesetzt werden sollte, nach Ungarisch-Altenburg (Mosonmagyaróvár) zurückgezogen und über Steinamanger (Szombathely) nach Oberwart (Felsöör) verlegt wurde. Für diese Version spricht, dass die Héjjas-Freischärler bereits am 28. August mit starken Kräften im Raum Oberwart auftauchten und dort der österreichischen Gendarmerie schwere Gefechte lieferten. Auch bei Neubauer findet sich kein Hinweis auf „heftige Kämpfe“ um den Posten Parndorf.

Die für die Besetzung des Bezirkes Eisenstadt vorgesehene Kolonne 3 konnte ihr Tagesziel Rust kampflos erreichen und die Posten Eisenstadt, St. Margarethen, Siegendorf und Rust aufstellen. Aus Eisenstadt war das Osztenburg-Detachment kurz vor dem Eintreffen der Österreicher mit klingendem Spiel Richtung Ödenburg ausgezogen.

Überfall und Hinterhalt in St. Margarethen

Der Posten St. Margarethen wurde am frühen Nachmittag des 28. August 1921 mit neun Beamten unter dem Kommando von Revierinspektor Johann Wacht bezogen, die unverzüglich den Patrouillendienst aufnahmen. Etwa zur gleichen Zeit begab sich der christlichsoziale Staatssekretär a. D. Dr. Heinrich Mataja in Begleitung des aus Deutsch-Westungarn stammenden Parteisekretärs Josef Schneider in das Burgenland, um dort Propaganda für seine Partei zu machen.

Gegen Abend – die Zeitangaben differieren in unterschiedlichen Quellen zwischen 1715 Uhr und 1900 Uhr – griffen mit Gewehren und Handgranaten bewaffnete Freischärler ausgehend vom Dudlerswald (Dudlesz-erdö), einem größeren Waldgebiet östlich von Klingenbach auf ungarischem Staatsgebiet liegend, Siegendorf und St. Margarethen an. Über deren Stärke gibt es unterschiedliche Angaben, die von 35 Mann bis zu 50 oder 60 Mann reichen. Die Freischärler unter der Führung von Oberleutnant Horky (Organisation Urmánczy) drangen in die Postenunterkünfte ein, aus denen sich die dort anwesenden vier Gendarmen sowie weitere, offenbar auf Patrouille befindliche, Beamte unbemerkt nach Eisenstadt absetzen konnten.

Rayonsinspektor Michael Trattner und Patrouillenleiter Karl Stadler, die sich zu diesem Zeitpunkt auf der Rückfahrt von Oggau befanden, hatten von dem Überfall keine Kenntnis erlangt. Sie gerieten gegen 2200 Uhr bei der Kreuzung am Ostrand von St. Margarethen in einen Hinterhalt. Darüber berichtete Josef Schneider bei einer Versammlung des christlichsozialen Wählervereins Wien (Leopoldstadt):

„In Margareten erfuhr ich Sonntag abend [28. August; Anm.], daß sich dort verkleidete „Erwachende Ungarn“ befinden. Auf der Straße nach Oggau traf ich die Gendarmen Rayonsinspektor Trattner aus St. Pölten und Patrouillenleiter Stadler aus Tulln. In Oggau traf ich den Margaretener Zimmermann Pascher. Wir vier wollten nach Margareten fahren. Zwischen 9 und 10 Uhr abends kamen wir zur Straßenkreuzung östlich von Margareten. Wir wurden von Zivilisten, die mit Handgranaten und Mausergewehren bewaffnet waren, aus dem Straßengraben beschossen, wodurch die Pferde scheuten. Ich wollte abspringen, bekam aber mit einem Gewehrkolben einen Schlag, sodaß ich stürzte. Ich sah noch, wie Patrouillenleiter Stadler von der rechten Seite des Wagens abspringen konnte. Zugleich hörte ich Wehrufe des Rayonsinspektors Trattner. Wie ich später erfuhr, hat er in das Gesäß einen Schuß mit einem Dumdum-Geschoß erhalten, das vorne austrat und ihm den ganzen Unterleib zerriß; er fiel infolge seiner schweren Verwundung vom Wagen, wurde aber von den durchgehenden Pferden noch hundert Schritte weit geschleift und blieb dann tot liegen. Stadler konnte ebenso wie der Fuhrwerksbesitzer nach Margareten entkommen.“

Josef Schneider und Josef Pascher wurden von den Freischärlern gefangen genommen und nach schweren Misshandlungen am Abend des folgenden Tages wieder freigelassen. Während der Nacht wurde bei St. Margarethen weiter geschossen. Zwei Gendarmen sollen verschleppt worden sein. Diese Meldung findet sich gleichlautend in verschiedenen Zeitungen, widerspricht aber der durchaus detaillierten Darstellung bei Neubauer, wonach bis auf Trattner und Stadler die gesamte Besatzung nach Eisenstadt gelangte. Da sich weder in amtlichen Darstellungen noch in Fachzeitschriften Hinweise auf gefangene Gendarmen in St. Margarethen finden, ist es eher unwahrscheinlich, dass hier Beamte in Gefangenschaft gerieten. Der Posten in Rust konnte mit dem Leiter des Postamtes rechtzeitig im Auto über Oggau flüchten.

Verschleppung aus Siegendorf

Am Nachmittag des 28. August wurde der Posten in der Zuckerfabrik Patzhofer in Siegendorf bezogen. In der folgenden Nacht, während sich der Postenkommandant und ein weiterer Beamter auf Patrouille befanden, überfiel eine Gruppe Freischärler unter Károly Kaszala(Héjjas) den Posten. Die dort verbliebenen drei Gendarmen wurden von den Banditen nach Ödenburg verschleppt und ihrer Ausrüstung sowie ihres Gepäcks beraubt. Einer Meldung vom 1. September zufolge konnten die drei Verschleppten im Austausch gegen Gefangene auf österreichischer Seite zurückkehren. Bei diesen, bei Agendorf übergebenen Personen, handelte es sich um die Gendarmen Tschop, Sollinger und Fürst. Dieses Beispiel zeigt deutlich die Schwierigkeit, verlässliche Zahlen herauszufinden: Neubauer gibt vier an, bei Steinböck sind es zwei und die Kronen-Zeitung nennt drei namentlich bekannte Rückkehrer. Siegendorf konnte ebenso wie St. Margarethen in den Morgenstunden des 31. August von Eisenstadt aus durch verstärkte Gendarmerieabteilungen erneut besetzt werden. Darüber hinaus wurden am selben Tag Exposituren in Wulkaprodersdorf und Zagersdorf errichtet.

Überfall auf den Posten Zagersdorf

In der Nacht vom 6. auf den 7. September griffen rund 70 mit Handgranaten und Gewehren bewaffnete Freischärler die etwa 30 Mann starke Gendarmerieexpositur in Zagersdorf an. Die von zwei örtlichen Pfarrern unterstützte Bande zog zunächst zur Aufklärung der Lage in einer Scheune am östlichen Ortsrand unter, ehe sie die Gendarmerievorposten überfielen. Anschließend führten die Pfarrer sie auf Schleichwegen zum Schulgebäude, in dem sich der Gendarmerieposten befand.

In dem folgenden Gefecht wurde Patrouillenleiter Ernst Funke durch eine Handgranate getötet und der Gendarm Julius Baier durch fünf Bayonettstiche schwer verletzt. Die Patrouillenleiter Anton Hinterecker, Matthias Kaiser und Anton Schlund wurden leicht verletzt. Die unverletzt gebliebenen 26 Gendarmen wurden gefangen genommen und mit verbundenen Augen Richtung Ödenburg geführt, ihrer Uniformen, Waffen, Ausrüstung und ihres Geldes beraubt und dann wieder zurückgeführt. Nach Hinweisen aus der Bevölkerung wurden der Pfarrer von Zagersdorf, Stephan Varga, der Pfarrer von Draßburg, Karl Schmidt, und der Schwager des Pfarrers Varga, der Lehrer Matthias Klemenschitz, unter dem Verdacht der Beteiligung an dem Überfall verhaftet und nach Wiener Neustadt eskortiert. Einen ausführlichen Bericht über den Überfall gibt die Linzer Tagespost.

Geplänkel von Agendorf

Von Wiener Neustadt aus erreichte die Hauptgruppe der Kolonne 4 von Loipersbach kommend mit Gendarmerie-Landesdirektor Georg Ornauer an der Spitze am 28. August um 1415 Uhr den westlichen Ortseingang von Agendorf, wo sie von der Bevölkerung freudig empfangen wurde. Etwa 15 Minuten später wurde die durch den Ort vorrückende Spitzengruppe von Freischärlern, die sich am östlichen Ortsrand festgesetzt hatten, beschossen.

Die Insurgenten, eine Héjjas-Abteilung unter dem Kommando von Mihály Francia-Kiss, feuerten vom Friedhof und vom Waldrand südlich des Ortes sowie vom Bahnhof im Norden. Die Gendarmen entwickelten zum Gefecht und stießen vor. In der Nähe des Bahnhofes feuerte ein Insurgent dreimal auf einen Gendarmen, verfehlte ihn jedoch. Der Beamte erwiderte das Feuer und tötete den Angreifer, den Héjjas-Freischärler Laszlo Baracsi aus Kecskemét. Die Freischärler zogen sich daraufhin hinter die von der Entente vorgegebene Demarkationslinie (Grenze der Zone A) zurück.

Es war beabsichtigt, die für das Burgenland vorgesehenen Zivilbeamten am Abend des 28. August mit dem Zug von Wiener Neustadt nach Agendorf zu bringen, damit sie am Montag, den 29. August die Regierungsgeschäfte in der neuen Hauptstadt des Burgenlandes, Ödenburg, aufnehmen konnten. Infolge der Ereignisse in Agendorf wurde davon abgesehen und mit diesem, vom Wiener Neustädter Vizebürgermeister Josef Püchler als Lokomotivführer gesteuerten, Zug 200 Mann Gendarmerieverstärkung nach Agendorf gebracht. Püchler berichtete über diese Fahrt nach seiner Rückkehr nach Wiener Neustadt am Montag, den 29. August gegen 3 Uhr früh:

Zur angesetzten Fahrzeit verließen wir die Station Wiener Neustadt. Die Strecke habe ich früher viel befahren und ist mir gut bekannt. Als wir Katzelsdorf passiert hatten, auf burgenländischen Boden kamen und die Station Neudörfl in Sicht bekamen, machte sich der erste Widerstand bemerkbar. Der magyarische Bahnvorstand wollte den Zug, der ihm ordnungsgemäß von Wiener Neustadt avisiert war, nicht annehmen. Ich kümmerte mich um seine Weisung nicht und fuhr in die Station ein. Die für Neudörfl bestimmte Bahnsicherungsmannschaft wurde abgesetzt und der Zug rollte weiter. Mit Ausnahme von Sauerbrunn und Wiesen, wo gleichfalls die magyarischen Beamten Schwierigkeiten machten, ging es ohne Hindernis bis Agendorf, wo wir vom deutschen Bahnpersonal und von dem Gendarmeriedirektor Ornauer und anderen österreichischen Beamten begrüßt wurden. ...

... Die Gendarmerie zog nach kurzer Rast [in Schattendorf; Anm.] weiter. Vor [im Ort bzw. ostwärts davon; Anm.] Agendorf wurde die vormarschierende Kolonne mit Gewehrfeuer von ungarischer Seite empfangen. Der Marsch wurde eingestellt. Da das Gewehrfeuer nicht aufhörte, wurde unter Zustimmung des Ententeoffiziers der Befehl zum Vormarsch gegeben und das Dorf von den Hejjas-Banditen geräumt. Dabei mußte einer von den Hejjas-Leuten das Leben lassen. Da mit Agendorf die Zone A besetzt war, wurde nicht weiter marschiert. Ursache ist, daß in der Gegend von Agendorf starke Abteilungen der Hejjas-Banditen stehen. Diese Banditen haben auch ein Automobil mit Deutschösterreichern in Besitz genommen und die Insassen, die Herren Direktor Hamburger [Daimler-Werke; Anm.], Dr. Hochstätter [Beamter aus Wr. Neustadt; Anm.] und Hauptmann Paternus verschleppt. Mitgeteilt wurde mir auch, daß die Hejjas-Leute einige Ententeoffiziere verhaftet haben und sie in ihrer Mitte gefangen halten.“

Gefecht bei Agendorf

Nach der am 28. August zugeführten Verstärkung befanden sich rund 400 Gendarmen in Agendorf. Am Morgen des 8. September wurden diese von überlegenen ungarischen Héjjas-Freischärlern unter dem Kommando von Viktor Maderspach, Paul Gebhardt und Elemér Székely von drei Seiten angegriffen. Das Gefecht, das durch unmittelbar den Freischärlern folgendes bzw. mit diesen gemeinsam vorgehendes, reguläres ungarisches Militär gegen 0520 Uhr mit Infanterie und Kavallerie eröffnet worden sein soll, dauerte über eine Stunde, ohne dass die Freischärler die Stellungen der Gendarmen stürmen konnten. Es entwickelten sich Kämpfe am Nord- und Südrand des Ortes, in die bald auch Kräfte des Osztenburg-Detachments eingriffen. Damit war weiterer Widerstand aussichtslos geworden, und die Gendarmen begannen, den Rückzug anzutreten.

Für die Räumung war ein Eisenbahnzug bereitgestellt und von der Masse der Beamten bestiegen worden. Das reibungslose Aufsitzen war möglich geworden, da die von ihren Instruktoren geführten provisorischen Gendarmen die am Südrand des Ortes vorgehenden Freischärler eine halbe Stunde lang mit Feuer niederhalten konnten, sodass diese nicht in den Ort einrücken konnten. Im Zuge dieser Aktion wurden die provisorischen Gendarmen Josef Fischer und Adolf Reiter schwer verletzt.

An das Gefecht von Agendorf erinnerte sich Abteilungsinspektor Johann Müllner aus Graz: Am 8. September 1921 waren morgens um dreiviertel 5 Uhr Schüsse aus Richtung des Agendorfer Waldes zu hören. Die Patrouille wurde alarmiert. Da das Gewehrfeuer dann nicht mehr zu vernehmen war, durften die Beamten wieder zurück in die Quartiere. Jetzt setzte wieder heftiges Gewehrfeuer ein. Die Verantwortlichen gingen davon aus, dass Freischärler die Gendarmerieposten angriffen. Alle Beamten wurden alarmiert und darüber informiert, dass Freischärler auf Agendorf vorgingen. Die Probegendarmen waren als erste einsatzbereit. Man besetzte den Südrand von Agendorf, um die angreifenden Freischärler aufzuhalten. Diese hielten sich im Wald in der Nähe der dort befindlichen Weinkeller auf. Die Beamten rückten auf die Weinkeller vor und begannen mit dem Beschuss der Freischärler. Die Banditen verfügten über Maschinengewehre, schossen aber schlecht. Fünfmal versuchten die Banditen unter lautem „Hurra-Geschrei“ nach vorne anzugreifen, brachen dieses aber immer wieder ab. Mit einigen Leuten sicherten die Gendarmen die Seiten der Kampflinie. Das Maschinengewehrfeuer hörte auf und es waren die Schreie von Verwundeten Freischärlern zu vernehmen. Bei den Gendarmen war nur Probegendarm Reiter verletzt worden. Er wurde verbunden und zurückgeschickt.

Während dieser Kampfhandlungen konnten die Beamten von dem Höhenrücken aus wahrnehmen, dass reguläres ungarisches Militär hinter den Freischärlern vorrückte. Es war das Bataillon von Major Osztenburg. Mit den Freischärlern war man noch fertig geworden. Gegen eine Kampfeinheit der Ungarn war dieses auf Dauer aber nicht möglich. Gegen 9 Uhr war Agendorf von der gegnerischen Einheit schon so gut wie eingekesselt. Die eigenen Stellungen wurden verlassen und der Rückzug nach Loipersbach vorbereitet. Ein von der Gefechtslinie zum Gruppenkommando nach Agendorf geschickter Beamter war nicht zurückgekommen. Später wurde bekannt, dass der Beamte in Agendorf gefangen genommen und nach Ödenburg transportiert worden war. Der dann vom Einheitsführer angeordnete Rückzug nach Loipersbach ging geordnet vor sich. Die Probegendarmen sammelten sich am Ortsausgang von Agendorf. Kontakt zu anderen Gendarmeriegruppen konnte nicht hergestellt werden. In einer Schwarmlinie ging es dann Richtung Loipersbach. Da Beschuss von beiden Seiten erfolgte, ging dieser Rückzug im „Sprung vorwärts“ und Ausnutzen der Deckungsmöglichkeiten vor sich. Als man auf einen Zug stieß, ging man beidseitig des Bahndammes mit diesem bis Mattersdorf weiter zurück. Dort traf man dann auch zurück gehende Beamte des Gruppenkommandos. Nur ein Beamter [Josef Fischer; Anm.] wurde am linken Arm durch einen Schuss verletzt.“

Nachdem sich diese Gruppe an die Bahnlinie im Norden des Ortes zurückgezogen hatte, schloss sie sich den dort im Gefecht stehenden Kameraden an, mit denen sie sich zurückkämpfen und vor Loipersbach den Räumungszug besteigen konnten. Bei diesem Rückzugsgefecht wurden die Patrouillenleiter Karl Heger, Johann Schmidhuber, Eduard Simek und Arnold Mosch sowie der Gendarm Karl Stasser schwer verwundet. Heger und Mosch verstarben kurze Zeit später. Weitere 16 Beamte wurden in Agendorf leicht verletzt.

Steinböck erwähnt fünf Gendarmen, zwei Zollbeamte und zwei Frauen sowie ein Kind, die im Verlaufe des Gefechtes bei Agendorf in Gefangenschaft geraten sein sollen. Abteilungsinspektor Johann Müllner erwähnt in seinen Erinnerungen (siehe oben) jedenfalls einen Gendarmen. Zu weiteren Gendarmerie- und Zollbeamten konnten keine Hinweise gefunden werden. Zu eventuellen zivilen Verschleppten findet sich eine Zeitungsmeldung: „In Agendorf befanden sich zwei Gendarmenfrauen und ein Kind, die jedoch weder in Gefangenschaft geraten, noch verwundet worden sind.“ Die Verluste der Ungarn beziffert Schlag mit drei Toten, Gyula Mohacsek, Elemér Széchányi und Ferenc Pehm sowie zwei Schwerverwundeten.

Zum Rückzug schildert Alexander Hübner in der Kronen-Zeitung: „Versteckt hinter einer Mulde hält der Eisenbahnzug mit seinem tapferen Lokomotivführer Johann Karner aus Wiener Neustadt, obwohl die Lokomotive bereits zwei Schüsse hat. Der Zug nahm die Zurückgehenden auf. Langsam setzt er sich in Bewegung, um jeweils zu halten und die Nachkeuchenden aufzunehmen. So kam der Großteil der Gendarmen zurück. Nur ihr Hab und Gut mußten sie zurücklassen, ebenso blieben ärarische Gelder, ich glaube eine Dreiviertelmillion, in Agendorf zurück. Die Verwundeten heißen: Schimek [Simek; Anm.], Heger, Reiter, Fischer. Einen besonders glücklichen Schuß erhielt Revierinspektor Paulsky [Paulitschke?; Anm.], die Kappe am Kopfe wurde ihm durchschossen, ohne ihn zu verletzen.“

Mittleres Burgenland

Die Kolonne 5 konnte von Hochwolkersdorf aus ihre Zielorte Lackenbach und St. Martin ohne Gegenwehr erreichen und unterwegs den Posten Kobersdorf aufstellen.

Einkesselung in Geresdorf

Die von Kirchschlag ausgehende Kolonne 6 ging in zwei Gruppen vor. Während die nördliche Gruppe Draßmarkt und Oberpullendorf problemlos erreichte, wurde die südliche in der Stärke von 80 Mann (55 Gendarmen und 25 Zollwachebeamte) in ihrem Nächtigungsort Geresdorf (heute Deutsch-Gerisdorf) am 28. August von einer etwa 600 Mann starken ungarischen Bande eingekesselt. Da ein Gefecht mit den mit Maschinengewehren ausgestatteten und zahlenmäßig weit überlegenen Ungarn nicht aussichtsreich war, sickerten die Beamten aus dem Kessel aus und kehrten ohne Verluste nach Kirchschlag zurück. Auch nach einem erneuten Vorstoß nach Geresdorf und der Aufstellung der Posten Pilgersdorf, Lebenbrunn und Unterrabnitz verbesserte sich die Lage der Kolonne nicht, vor allem, da die Kolonne 7 im Süden ihre Marschziele nicht erreichte und damit eine Flanke gegenüber den Freischärlern offen blieb.

Angriffe auf Geresdorf, Pilgersdorf und Kirchschlag

Am 2. September griff eine etwa 30 Mann starke Reiterabteilung unter dem Kommando des ehemaligen Obergespans (Bezirkshauptmann) von Szolnok und Békés, Dr. Emmerich Egan, von Bernstein aus den Posten Pilgersdorf an. Angeblich verletzte er sich dabei bei Bubendorf während eines Handgemenges mit dem Mühlenbesitzer Josef Karácsony mit der eigenen Schusswaffe, wurde durch Karácsony gefangengenommen, nach Kirchschlag gebracht und der Gendarmerie übergeben. Zuvor versuchte Egan das Anwesen Karácsonys auszurauben, wobei seine Frau Maria und seine Nichte Helene schwer verletzt wurden. Karácsony konnte sich der Rache der Insurgenten gemeinsam mit seiner Familie durch Flucht nach Niederösterreich entziehen.

Um die Front der österreichischen Gendarmerie im Zöbern- und Rabnitztal aufzubrechen, zogen die Freischärler eine in drei Abteilungen gegliederte, rund 300 Mann starke Kampfgruppe unter der Führung von Árpád Taby zusammen. Bei Angriffen auf österreichische Gendarmerie fanden am 4. September Oberleutnant Antal Roskovits bei Bubendorf und Leutnant Imre Kalocsay bei Salmannsdorf den Tod. Patrouillen im Bernsteiner Gebirge war diese Truppenkonzentration nicht verborgen geblieben. Trotzdem gelang den Freischärlern am frühen Morgen des 5. September ein Überraschungsangriff auf Geresdorf. Patrouillenleiter Felix Dellavedova erlag seinen dabei erlittenen Verletzungen und wurde in Bubendorf beerdigt. Der Rest der Postenbesatzung floh Richtung Pilgersdorf, wo der ebenfalls heftig angegriffene Posten bereits den Rückzug angetreten hatte. Der Zivilist Josef Schlögl aus Steinbach geriet zwischen die Linien und wurde erschossen.

Versprengte Gendarmen berichteten von starken ungarischen Kräften von mindestens 500 Mann, die die Verfolgung der Flüchtenden aufgenommen hätten und nun rasch auf Kirchschlag an der niederösterreichischen Grenze vorstießen. Die Insurgenten griffen den Ort von Süden und Osten an. Daraus entwickelte sich am 5. September das Gefecht von Kirchschlag mit dem II. Bataillon/IR 5 des Österreichischen Bundesheeres. Die Gendarmerie wurde hinter die Linien des Bundesheeres zurückgenommen und zog sich nach Wiener Neustadt zurück. Bei den Angriffen im Zöberntal wurden mehrere Gendarmen und Zollbeamte gefangengenommen. „Die gefangenen Gendarmen und Zollbeamten, die übrigens von Ungarisch-Altenburger Hochschülern vor Misshandlungen durch Héjjas-Leute geschützt wurden, kamen nach dem Rückzug der Freischaren nach Oberwart und wurden später freigelassen.“

Die Gefangenen wurden zunächst in Pilgersdorf festgehalten, von wo sie am 11. September nach Oberwart gebracht wurden. Finanzwachoberkommissär Richard Strohschneider, der am 5. September ebenfalls in Gefangenschaft geraten war, wurde am 13. September von den Insurgenten als Parlamentär zurückgeschickt und überbrachte deren Bedingungen. Nun begannen langwierige Verhandlungen mit den Insurgenten, so dass die Gefangenen erst am 7. November zurückkehren konnten. Sie wurden von Oberwart über Steinamanger nach Ödenburg gebracht und von dort in Begleitung eines italienischen Feldwebels an die Grenze bei Sauerbrunn transportiert. Die freigelassenen Gendarmen Stephan Surru, Karl Luckinger, Ferdinand Schatzl, Jakob Stickelschweiger und Anton Krautgartner sowie Finanzwachkommissär Josef Veit und die Finanzwachaspiranten Adalbert Lilling, Johann Pschorn, Franz Schack, Karl Rettinz, Michael Kudler und Adolf Cekota erreichten von dort zu Fuß Wiener Neustadt. Der Austausch erfolgte gegen mehrere in Oberhollabrunn internierte Aufständische.

Autounfall bei Edlitz

Am 3. November 1921 ereignete sich etwa fünf Kilometer südlich von Edlitz ein schwerer Autounfall mit einem Mannschaftstransportwagen, der Ablösen nach Kirchschlag bringen sollte. Das Fahrzeug war mit sieben Mann des Radfahrbataillons 2, fünf Mann der Brigadeverbindungskompanie 2, zwei des Kraftfahrzuges 2, sechs Gendarmen und zwei Zivilisten – insgesamt 22 Mann – besetzt. Sieben Soldaten – Dr. Eugen Turnowsky, Otto Rethaler, Franz Mayer, Wenzel Kocmata, Richard Kyánek, Ferdinand Hrdliczka und Otto Holl – starben, ebenso viele wurden verletzt. Die Patrouillenleiter Josef Siegl, Johann Hofer und Johann Hader fanden den Tod. Der provisorische Gendarm Hans Fiala wurde schwer, die Patrouillenleiter Adolf Pollak und Rudolf Richter leicht verletzt. Der bei diesem Transport mitgefahrene Kaufmann Emanuel Blum aus Krumbach wurde ebenfalls getötet.

Südburgenland

Gefecht bei Pinkafeld

Die aus Friedberg vorrückende Kolonne 7 unter der Führung von Gendarmerieoberinspektor Vycichl in der Stärke von 202 Gendarmen und 22 Zollwachebeamten ist am 28. August gegen 1145 Uhr rund 450 Meter vor dem Ort von einer 120 Mann starken Abteilung unter Führung ungarischer Offiziere, darunter rund 50 Mann des Oberleutnants László Kuti, angeschossen worden. Dabei erlitt der Kommandant der Spitzengruppe, Gendarmerieoberinspektor Meyszner einen Steckschuss am linken Oberschenkel. Patrouillenleiter Franz Pammer wurde leicht verletzt. Im Zuge des Gefechtes sind auch zwei Ungarn getötet worden: Hauptmann József Szabó und Unteroffizier Papp. Sieben Insurgenten sollen verletzt worden sein. Die Kolonne musste zurückgenommen werden und trat den Rückmarsch an.

Am 29. August rückte die Kolonne abermals vor und gelangte dabei bis nach Oberwart. Hier standen die Freischaren von Pál Prónay (darunter das ungarische Reservegendarmeriebataillon Nr. 1 unter Jenö Ranzenberger), Tamás Erdödy und Lajos Bónis sowie eine Reiterabteilung des Emmerich Egan bei Bernstein. Während einer Rast wurden die Beamten von Freischärlern beschossen, wobei der Patrouillenleiter Würzelberger durch einen Brustschuss schwer verletzt wurde. Wie am Vortag zog sich die Gendarmerie nach Sinnersdorf zurück. Der steirische Posten Sinnersdorf, der auf drei Seiten von westungarischem Gebiet eingeschlossen war, wurde am 31. August Ziel eines heftigen Angriffes der Freischärler und musste rund drei Kilometer nach Norden verlegt werden. Die Ungarn haben vermutlich am 30. August unter der Führung des Grafen Erdödy den Raum Pinkafeld erreicht.

Beschuss bei Allhau

Die Kolonne 8, die unter dem Kommando von Revierinspektor Pinska am 28. August bis etwa 1100 Uhr aus Hartberg an die Staatsgrenze vorgerückt war, wurde unmittelbar nach der Grenze von drei Seiten mit Maschinengewehren und Gewehren beschossen. Eine Gruppe von rund 40 Freischärlern unter Leutnant Tibor Héjjas, dem Bruder von Iván Héjjas, zwang damit die Gendarmen zum Rückzug nach Hartberg. Im Zuge des Beschusses gab es mehrere Verletzte. Der Allhauer Einwohner Samuel Binder wurde an der Schulter verwundet. Nahe der Grenzbrücke erhielt Rayonsinspektor Thomas Ecker einen Armschuss. Der Wiener Gemeindebedienstete Johann Bobr wurde durch einen Bauchschuss tödlich verletzt.

Am Nachmittag des 29. August wurde ein neuerlicher Versuch unternommen, die vorgesehenen Zielorte zu erreichen. Dabei wurden die Posten Allhau, Grafenschachen und Kemeten aufgestellt. Die Gruppe musste jedoch am 30. August infolge des Gefechtes bei Oberwart (Kolonne 7) wieder nach Hartberg zurückkehren und wurde in den Grenzdienst gestellt.

Angriff bei Burgauberg

Auf den Höhen bei Burgauberg östlich der Lafnitz hatten sich am 28. August mehr als 70 Freischärler (hauptsächlich Szekler – Ungarn aus Siebenbürgen) unter der Führung von Oberleutnant László Somogyi-Köllö verschanzt. Obwohl sie von den Gendarmen der Kolonne 9 erkannt wurden, gingen diese weiter vor, an der Spitze der Kommandant, Revierinspektor Wenzel Schumann, mit zwei Mann. Nach einem Handgranatenwurf erfolgte die Feuereröffnung aus drei bis vier Maschinengewehren und 60 bis 80 Gewehren. Bei diesem Angriff wurde Revierinspektor Schumann durch einen Halsschuss und ein weiterer Beamter durch einen Steckschuss schwer verletzt. Die Kolonne musste in ihre Ausgangsstellung und in den Grenzdienst zurückkehren. Der in Burgau auf Urlaub weilende Patrouillenleiter Guthmayer erlitt einen Lungenschuss. Bei demselben Zwischenfall wurden der Bindermeister Johann Tuider durch eine Handgranate schwer verletzt und sein 10jähriger Sohn Josef sowie eine weitere Person verletzt. In Burgauberg erlitt der Bindermeister Ferdinand Schmidt aus Neudauberg einen tödlichen Herzschuss.

Die aus Fürstenfeld kommende Kolonne 10 wurde in Rudersdorf von der Bevölkerung freudig empfangen und errichtete einen Posten. Die Kolonne teilte sich in eine südliche Gruppe, die die Posten Königsdorf und Heiligenkreuz aufstellte, wo sie auch nächtigte. Die Masse zog über Kukmirn nach Gerersdorf bei Güssing. Auf dem Vormarsch der Kolonne 11 von Fehring aus wurden die Posten Welten, Jennersdorf, Neuhaus, Neumarkt und Tauka aufgestellt, ehe der Rest der Kolonne in Mogersdorf nächtigte.


Überfälle auf Heiligenkreuz und Mogersdorf

Die in Heiligenkreuz (Kolonne 10) und in Mogersdorf (Kolonne 11) nächtigenden Kräfte wurden am Morgen des 29. August durch überlegene Freischärler, unter denen sich auch ungarische Gendarmen befunden haben sollen, überfallen und mussten sich zurückziehen. In manchen Zeitungsberichten und auch in der Literatur, so bei Steinböck, wird auch ein Überfall auf den Posten Inzenhof (oft fälschlich Inzersdorf) erwähnt. Dieser dürfte nicht stattgefunden haben, wie einem Augenzeugenbericht dort involvierter Gendarmen zu entnehmen ist. Dort heißt es: Für Heiligenkreuz waren wir acht Gendarmen und zehn Finanzer bestimmt, doch verblieben bei uns acht Gendarmen, welche für den links von uns liegenden Posten Inzenhof bestimmt waren, nachdem dieser erst am nächsten Tage besetzt werden durfte.“

Der Angriff erfolgte somit wohl auf die Beamten, die für Inzenhof vorgesehen waren, jedoch in Heiligenkreuz beim Gasthaus Schuch, wo die Gruppe Unterkunft bezogen hatte. Bei Heiligenkreuz wurden Rayonsinspektor Friedrich Reichmann (Schenkelschuss) sowie weitere fünf Mann schwer verletzt. Rayonsinspektor Wenzel Eimann erlitt einen schweren Schock. Zwölf Gendarmen wurden nach St. Gotthard an der Raab verschleppt.

Die Verschleppten wurden später – über den Zeitpunkt gibt es unterschiedliche Angaben zwischen dem 6. September, dem 7. September (Augenzeugenbericht), dem 8. September (gleichlautende Agenturmeldungen in der Wiener Abendpost und der Kronen-Zeitung) und dem 10. September – gegen den von der österreichischen Gendarmerie festgenommenen promagyarischen Pfarrer von Königsdorf (Kiralyfalva), Josef Horvath, ausgetauscht. Es waren dies: Revierinspektor Pöhl des Landesgendarmeriekommandos Innsbruck, die Patrouillenleiter Debel, Schaubmayer, Andexlinger und Korntner des Landesgendarmeriekommandos Linz, August Kunz, Franz Bauer, Franz Rojs, Franz Zillinger des Landesgendarmeriekommandos Wien, Rudolf Steindorfer, Leopold Satzinger und Leopold Hanny des Grenzschutzkommandos sowie Zollwachaspirant Klemm.

Der Posten Mogersdorf wurde am 29. August gegen 0400 Uhr von einer etwa 30 Mann starken ungarischen Bande überfallen und entwaffnet. Eine unbekannte Anzahl Zollwachebeamten und der Patrouillenleiter Krieglauer wurden vermisst. Da die Kolonnen 7, 8 und 9 ihre Marschziele infolge starken Widerstandes der Freischärler nicht erreichen konnten und die Kolonnen 10 und 11 aufgrund der Überfälle auf Heiligenkreuz und Mogersdorf in ihre Ausgangsorte zurückkehren mussten, war die Landnahme im Südburgenland bereits am 29. August vollständig misslungen.

Gescheiterte Landnahme

Der Vorstoß der Insurgenten auf Kirchschlag am 5. September gab einen Eindruck von deren Stärke und militärischen Organisation, obwohl er durch den Einsatz des Bundesheeres zurückgewiesen werden konnte. Schließlich gab das Gefecht bei Agendorf am 8. September den Ausschlag, dass am 9. September der Befehl erging, alle Stellungen zu räumen und hinter die österreichisch-ungarische Grenze zurückzukehren. Die friedliche Übergabe des Burgenlandes gemäß dem „Plan de transfert“ der Interalliierten Militärkommission war gescheitert. Die Gendarmerie hatte bis zum 8. September sechs Tote, 15 Schwerverletzte und 22 Leichtverletzte zu verzeichnen.

Elf der 16 – also mehr als zwei Drittel – der im Jahr 1921 im Dienst verstorbenen Beamten fanden im Burgenland-Einsatz den Tod. Ein zwölftes Todesopfer im Jahr 1922 ist bei einem Überfall einer ungarischen Bande bei Apetlon erschossen worden und damit eindeutig im Zusammenhang mit der Landnahme zu sehen. Die zwölf getöteten Gendarmen lassen sich in der Literatur eindeutig nachvollziehen, sind namentlich bekannt und jeweils einem Ereignis zuzuordnen. Hinzu kommt ein im Raum Bruck an der Leitha durch Selbstmord Verstorbener. Ein Zusammenhang zum Einsatz ist fraglich, wenngleich möglich.

Bei der Zahl der Verwundeten gehen die Angaben auseinander. Zum einen ist eine Unterscheidung in Schwer- und Leichtverletzte oft nicht eindeutig zu treffen. Andererseits werden Leichtverletzte häufig nicht registriert. Bei Neubauer lassen sich 16 Schwerverletzte identifizieren, weitere acht konnten in Zeitungsberichten recherchiert werden. Von diesen insgesamt 24 Schwerverletzten sind 18 namentlich bekannt.

Von den Leichtverletzten finden sich vier bei Neubauer und weitere fünf in Zeitungsberichten. Alle dieser neun Personen sind namentlich bekannt, acht sind einem Ereignis zuzuordnen. Darüber hinaus erwähnt Neubauer mehrere provisorische Gendarmen, die im Gefecht bei Agendorf leicht verwundet wurden. Dazu findet sich in Öffentliche Sicherheit Nr. 11, 1931, S. 15 eine Aufzählung mit 16 Namen. Zu der von Steinböck genannten Zahl von 47 verletzten Gendarmen wären die beiden im Landdienst nach der Inbesitznahme des Burgenlandes bei Stegersbach verunfallten Beamten noch hinzuzurechnen, womit sich eine Gesamtzahl von 49 verletzten Gendarmen ergibt.

Professor Dr. Jörg Aschenbrenner, ObstdhmtD i.R.

Teil 2: Die Rückkehr der Gendarmerie in den Grenzschutzdienst

Teil 3: Vorrücken der Gendarmerie mit dem Bundesheer

 

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